Eine Demokratie lebt von der Debatte, vom Diskurs, vom Meinungsstreit und von Meinungsvielfalt. Sie lebt davon, über diesen Weg die bestmögliche Entscheidung für konkrete Probleme oder für wichtige Zukunftsfragen zu finden. Meinungsäußerungen in einem demokratischen Prozess zu verhindern, ist für uns nicht einfach nur schlechter Stil, sondern auch Machtausübung über andere.
Wir finden es ausdrücklich gut, dass die Universität diese Ringvorlesung anbietet. Wir wollen, dass Wissenschaftseinrichtungen Orte des gesellschaftlichen Dialogs sind. Im Übrigen lebt Wissenschaft genauso wie die Demokratie vom Dialog, vom Diskurs und vom Meinungsstreit. Dass in der Debatte die Argumente auch manchmal etwas härter ausgetragen werden und der Protest selbstverständlich dazugehören kann, ist für uns eine Selbstverständlichkeit und auch gerade dann, wenn Themen besonders hoch emotional besetzt sind, aber die Verhinderung der Debatte gehört für uns nicht dazu.
Abgesehen davon, auch wenn die Veranstaltungsverhinderer hinterher möglicherweise vor Kraft kaum laufen konnten, haben sie aber auch ein Eigentor geschossen. Sie haben wohl erreicht, dass man über sie redet, aber sie haben verhindert, dass über ihr wichtiges Anliegen, nämlich die Asylpolitik, geredet wurde. Aus unserer Sicht ist das eine vergebene Chance.
Die Asyldebatte ist für uns ein wichtiges Thema. Zu der Debatte, die wir vorhin hier im Parlament auch hatten, gab es einen rot-grünen Antrag. Es geht um Menschen in Not, deren Leben bedroht ist. Wir müssen debattieren und entscheiden, wie wir ihnen helfen können und wie wir sie unterstützen können. Trotz vielleicht Übereinstimmung in der Sache, wobei ich das jetzt aus Ihrem Debattenbeitrag gar nicht so herausgehört habe, Ihr Antrag ist viel klarer, Ihren Debattenbeitrag fand ich etwas anders, lehnen wir Ihren Antrag ab. Wir halten ihn für überflüssig und weit überzogen. Die Universität weiß von uns, dass wir dieses Ausmaß an Störungen ablehnen. Die Universität hat eine starke inneruniversitäre Demokratie, und sie kann ihre Konflikte autonom lösen.
Sie ist Hausherrin, und sie weiß, wie man in derartigen Konfliktsituationen reagiert und was notwendig ist. Die Universität benötigt an dieser Stelle keine Solidaritätsadresse von uns. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlässlich des 20. Jahrestages des Asylkompromisses sollte am 5. Dezember 2012 in den Räumen der Bremer Universität eine Lehrveranstaltung zum Thema „Der Zuwanderungskompromiss in der politisch-parlamentarischen Debatte“ stattfinden. Als Diskussionsteilnehmer hatte der Politikwissenschaftler und Integrationsforscher Dr. Stefan Luft vier Politiker eingeladen, die eben schon genannt wurden. Diese waren der ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Konrad Weiß, die ehemalige Ausländerbeauftragte Cornelia SchmalzJacobsen, der Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein.
Wer zu dieser Lehrveranstaltung nun wissenshungrige Studentinnen und Studenten erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Stattdessen kamen etliche Autonome und Krawallmacher, die von Beginn an keine Zweifel daran ließen, dass sie diese Veranstaltung mit aller Macht verhindern wollten. So war es dann auch. Die Podiumsdiskussion wurde durch ohrenbetäubenden Lärm und verbale Entgleisungen dermaßen behindert, sodass keine Diskussion über die Auswirkungen des Asylkompromisses zustande kam.
Der Veranstaltungsleiter versuchte dann, mit den Krawallmachern einen Konsens herzustellen, brach seine Bemühungen aber nach einer Stunde erfolglos ab. Die Chaoten – und das ist besonders interes
sant – hatten ihren Unmut nicht nur mit „Nazis raus“Parolen gegen die Diskussionsteilnehmer kundgetan, sondern auch Gegenstände in Richtung der Politiker geworfen. Trauriger Höhepunkt der Veranstaltung, meine Damen und Herren, war die versuchte Erstürmung des Podiums durch eine Handvoll Autonomer. Die Veranstaltung wurde dann, wie schon gesagt, abgebrochen. Die Podiumsgäste und der Veranstalter wurden daraufhin von der Polizei eskortiert in den Flur des Nebengebäudes gebracht.
Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass Linksautonome in einer staatlichen Bildungseinrichtung das Heft des Handelns in der Hand halten und darüber entscheiden, zu welchen Themen man eine Lehrveranstaltung abhalten kann und wer sich zu dieser Lehrveranstaltung äußern darf oder nicht. Es ist nicht hinnehmbar, dass linke Chaoten Denk- und Diskussionsverbote an der Universität erteilen und das Recht der geladenen Podiumsteilnehmer auf Meinungsfreiheit unzulässig einschränken.
Derartige Vorgänge dürfen von der Politik nicht unkommentiert bleiben. Deshalb begrüße ich auch den uns hier vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion, der, zusammengefasst, die störenden Proteste während der Veranstaltung am 5. Dezember 2012 verurteilt. Der Antrag ist aber eben nicht ausreichend, denn über das Heben des mahnenden Zeigefingers geht dieser Antrag leider nicht hinaus. Was in dem Antrag fehlt, sind konkrete Sanktionen gegen Störer, unter denen auch Angehörige der Universität waren.
Aus diesem Grund haben wir Bürger in Wut einen Änderungsantrag eingereicht, mit dem wir erreichen wollen, dass die Bürgerschaft die Universitätsleitung dazu auffordert, konsequent geeignete disziplinarische Maßnahmen gegen solche Studierende und Mitarbeiter der Hochschule zu ergreifen, die sich an den rechtswidrigen Protesten beteiligt haben.
Disziplinarische Maßnahmen gegen Studierende, meine Damen und Herren, sind nichts Ungewöhnliches. Die Universität Mainz hat zum Beispiel einen Studenten für sechs Monate exmatrikuliert, weil er eine Hochschulveranstaltung durch Anwendung oder Drohung von Gewalt gestört hat. Entschlossenes Handeln gegen linke Chaoten statt mahnender Worte ist auch in Bremen notwendig, deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu meinem Änderungsantrag. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schön hat vorhin in ihrem Redebeitrag schon darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Lehrveranstaltung, sondern um eine Ringvorlesung mit zwölf Veranstaltungen zum Thema „Asyl- und Zuwanderungskompromiss“ han––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
delte. Sie hat eigentlich in einem Wort gesagt, was ich dazu sagen könnte: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich finde Ihren Antrag auch überzogen.
Es war mir von vornherein klar, dass es zu Protesten kommen wird, weil sie sich schon im Vorfeld aufgrund der Zusammensetzung des Podiums angekündigt hatten. Das hat natürlich etwas mit der Person von Herrn Beckstein zu tun,
der an dem Asylkompromiss 1992 beteiligt war. Er war daran nicht nur beteiligt, sondern er hat mit anderen Parteien, auch mit der SPD zusammen, damals für ein Klima gesorgt, das alles andere als schön war und das auch sehr rassistisch aufgeladen war.
(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Da waren das noch Kleinkinder, die haben das gar nicht mitbekommen damals!)
Man darf auch nicht vergessen, dass in der Zeit, in der diese Debatten liefen, die Stimmung nicht nur so massiv rassistisch aufgeladen war durch die Politik, sondern sie hatte auch Folgen, allein im Jahr 1992 starben 17 Menschen an rechtsradikaler Gewalt. Ich möchte hier daran erinnern, dass es diese Parolen, die von den Parteien damals ausgegangen sind – bis auf die Partei Die Grünen und die PDS –, in dieser Schärfe danach nie wieder gab. Es waren wirklich Parolen, die heutzutage die NPD in ihrem Parteiprogramm und in ihren Redebeiträgen hat. Ich sage hier nur exemplarisch: „Das Boot ist voll“, „Asylbetrüger“, „messerstechender Zigeuner“, diese Worte sind in Bundestagsdebatten gefallen. Von daher war mir eigentlich ziemlich klar, es hatten sich die Flüchtlingsverbände auch wegen dieser Podiumsbesetzung schon vorher zu Wort gemeldet, ich glaube in der „taz“, dass es dort zu Protesten kommen wird.
Warum empfinde ich Ihren Antrag als überzogen? Man muss sich einfach einmal anschauen, was dort los war. Die Veranstaltung wurde nach gut einer Stunde abgebrochen. Gut, dazu kann man sagen, die Meinungsfreiheit war verletzt. Mein Kollege Tsartilidis hat gesagt, das gehört zum Teil zu Protestformen, auch hat er gesagt, er macht manchmal so etwas, um bestimmte Sachen natürlich eben nicht zustande kommen zu lassen. Viele von uns, die demonstriert haben, haben dies auch schon gemacht.
Beim Verlassen des Raums kam es zu einzelnen unschönen Szenen, in denen sich die Protestierer auch mit der Security und der Polizei angelegt haben. Es soll auch ein Ei in Richtung Podium geflogen sein.
Die Zeitspanne bis zum Abbruch der Veranstaltung zeigt aber, dass es sich nicht um eine Gewalttat handelte: Es war nämlich eine Stunde! Es mag für alle nicht schön gewesen sein, ich glaube das gern, aber unter Gewalt verstehe ich etwas anderes als Trillerpfeifen, Parolen, Rufe und blöde Sprüche. Gewalt ist für mich etwas anderes.
Ich finde, Sie müssen in Ihren Anträgen auch ein bisschen vorsichtiger sein. Die Protestierer haben versucht, diese Veranstaltung zu verhindern. Sie haben sich dort eine Stunde lang im Saal aufgehalten. Sollte es zu Gewalttätigkeiten kommen, wird es wahrscheinlich auch strafrechtlich behandelt werden, denn soweit ich weiß, wurde auch Strafanzeige wegen Landfriedensbruch gestellt. Interessanterweise haben die Veranstalter selbst daraufhin die Veranstaltung abgebrochen, weil sie nicht mehr die Hoffnung hatten, dass man diese Veranstaltung noch zu Ende durchführen kann. Die CDU aber gibt sich hier jetzt, ehrlich gesagt, empörter als Herr Beckstein selbst, und das finde ich schon ein bisschen merkwürdig.
In Ihrem Beschlussvorschlag ist die Rede von der Unterdrückung anderslautender Meinungen und Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wir fragen uns an dieser Stelle tatsächlich, ob es nicht eine Nummer kleiner geht, weil nicht immer bei jedem Protest das Grundgesetz in Gefahr ist, und nicht immer führen alle Wege gleich nach Moskau. Ich würde dann bitte einmal fragen, wo denn effektiv das Recht auf Meinungsfreiheit beschnitten wurde. Herr Beckstein und Herr Dr. Luft konnten anschließend ausreichend und ausführliche Interviews bei Radio Bremen geben. Wahrscheinlich haben sie damit mehr Leute erreicht als im Hörsaal!
(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Es geht doch nicht darum, Leute zu erreichen! Das war eine Lehrveranstaltung!)
Ich finde es überzogen, Sie hätten dies auch ein bisschen niedriger hängen können. Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wesentlichen Dinge zu diesem Thema sind eigentlich bereits gesagt worden. Ich mache noch einmal
die Haltung, die wir dazu einnehmen, deutlich. Das ist auch die Haltung, die die Universität dazu eingenommen hat, das kann man alles in der Presseerklärung nachlesen. Die Universität lehnt es ab und kritisiert auf das Schärfste, dass öffentliche Diskussionen gerade im Rahmen einer Ringvorlesung unmöglich gemacht werden. Eine Ringvorlesung, Herr Dr. vom Bruch, hat im Unterschied zu einer Lehrveranstaltung eben genau die Intention, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Das ist nicht das erste Ansinnen einer Lehrveranstaltung.
Herr Dr. vom Bruch, Sie haben eben nur laut gefragt, was der Unterschied zwischen einer Lehrveranstaltung und einer Ringvorlesung ist, und dieser besteht einfach darin, dass die eine die Öffentlichkeit einbezieht und die andere nicht.
Die Universität hat von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht, und sie hat völlig klargestellt, diese Art des Protestes lehnt sie ab, und das ist auch unsere Position.
Natürlich ist die Universität – und natürlich sollten dies auch andere Orte sein – ein Ort des freien Diskurses, des Meinungsaustausches und der Meinungsbildung. Das gilt gerade auch für politisch strittige Themen wie den Asylkompromiss. Wir sind uns mit dem Universitätsrektor, Herrn Professor Dr. Scholz-Reiter, ausdrücklich einig, dass das Recht auf Meinungsfreiheit der Universität nicht eingeschränkt werden darf, anderswo allerdings auch nicht. Genau das hat aber die kleine Gruppe von Störerinnen und Störern getan, indem sie von vornherein die Debatte des politischen Gegners verhindert hat. Das hat den Studierenden und der Öffentlichkeit die Chance genommen, mit den damals beteiligten Politikerinnen und Politikern eine kritische Debatte zu führen.