Ich will aber doch ein bisschen mehr auf die Begleitmusik eingehen, auf die es Ihnen offensichtlich vor allem ankommt. Ich habe das Argument, das Sie vortragen, so gelesen: Der Staat habe in Bremen seine ureigensten Aufgaben privatisiert – so schreiben Sie –, um die privaten Auftragnehmer zu schikanieren, zu knebeln und die Leistung dann günstiger bekommen zu können, sie in eine ruinöse Rabattschlacht – so sagen Sie – zu schicken, und diese Schlacht werde dann natürlich mit Lohndumping geführt, und so komme es flächendeckend zu katastrophalen Lohnund Arbeitsverhältnissen. Ich muss gestehen, dass diese Theorie einfach fern der Realität und für mich absurd ist!
Der erste Punkt ist, die übergroße Mehrheit der Menschen, die bei Unternehmen und Institutionen arbeiten, die Zuwendungen erhalten – und das sind viele –, leistet nicht nur gute und anerkannte Arbeit, sondern wird dafür auch ordentlich bezahlt und entlohnt. Es gibt in der Tat prekäre Verhältnisse, es gibt hier unbefriedigende Lohn- und Arbeitsverhältnisse, und es gibt auch bei einigen Zuwendungsempfängern gegenwärtig Definitionen von Leistung und Entgelt, die neu verhandelt werden müssen. Ja, dagegen wehren sich die Träger, sie treten in Verhandlungen, aber niemand, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, ist in Deutschland gezwungen, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten, Löhne unter 8,50 Euro zu zahlen!
Sie schreiben in Ihrem Antrag, notgedrungen würden diese Träger weniger als 8,50 Euro zahlen. Das ist einfach dummes Zeug, und Sie überholen damit noch die dümmsten Argumente der Gegner von gesetzlichem Mindestlohn, dass sie das nicht könnten, dass das nicht ginge. Das ist in Deutschland nicht der Fall, sie können es! Wir als Staat können es, obwohl wir das ärmste Bundesland sind, diese Träger können es, auch jeder Wohlfahrtsverband kann es, man
muss dann allerdings andere Prioritäten setzen beim Gehaltsgefüge bis in die Vorstände hinein und auch bei anderen Dingen. Man muss sich anstrengen, auch Dinge zu verändern, wie wir das auch von der öffentlichen Verwaltung fordern und es auch bei der Einführung des Mindestlohns im staatlichen Bereich tun.
Zweitens würde ich gern etwas zu dem fundamentalen Missverständnis über staatliche und öffentliche Aufgabenwahrnehmung sagen, das Sie in Ihrer Abhandlung offenbaren. Sie behaupten, die Aufgaben, die heute die Zuwendungsempfänger erledigen, seien eigentlich staatliche Aufgaben, die zur Verbilligung irgendwann einmal privatisiert worden seien.
Wenn ich einmal den letzten Zuwendungsbericht nehme – ich habe ihn hier, ich habe ihn mir noch einmal durchgesehen –, allein der Buchstabe A! Wer bekommt denn die Zuwendungen? Die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände wie ASB, AWO, Deutsches Rotes Kreuz für viele Betreuungsangebote, Bürgerhäuser, Fördervereine von Schulelternschaften, Sportvereine, Kulturinitiativen, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen!
Der Zuwendungsbericht sagt zusammenfassend: „Mit dem Instrument der Zuwendungen wird die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Träger außerhalb der öffentlichen Verwaltung gefördert.“ Öffentliche Aufgaben, das ist der entscheidende Punkt! Das sind Aufgaben des Gemeinwohls und für die Allgemeinheit, aber von Organisationen und Initiativen der Gesellschaft erbracht, und dafür bekommen sie ergänzende Hilfe des Staates.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sind auch nicht privatisiert wor- den im Übrigen! Zivilgesellschaft nennt man so etwas!)
Die Sportvereine und Beratungsstellen zum Beispiel arbeiten doch nicht im Auftrag des Staates, so wie Sie das hier wörtlich schreiben. Das ist einfach Unsinn, sie arbeiten in Verfolgung ihrer Ziele und erhalten insoweit staatliche Gelder, als diese Ziele dem Gemeinwohl dienen. Deswegen gilt hier der Grundsatz der Subsidiarität, und das ist auch richtig so: Erst die Gesellschaft und die gesellschaftlichen Organisationen und dann erst am Ende der Staat, wenn es nicht anders geht!
Das ist genau das Gegenteil von Privatisierung. Es ist nur so, dass Sie das in Ihrem Staatsverständnis nicht
begreifen und irgendwie davon ausgehen, dass der Staat alles sei, das ist aber nicht der Fall. Deswegen ist die Übernahme solcher Aufgaben zunächst auch allein die Entscheidung der Träger selbst.
Die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen über die Zuwendungen und auch über die Leistungen, die man dafür bekommt, ist Verhandlungssache, dies ist schon klar. Dafür gibt es Konflikte, was wir jetzt gerade beim Tierheim haben studieren können. Es gibt dort Aushandlungsprozesse, es gibt auch Korrekturen, wenn sie notwendig sind. An diesen Verhandlungen sind auch wir als Haushaltsgesetzgeber am Ende beteiligt. Unsere grüne Leitlinie dabei war und ist, dass wir den Kurs der Sparsamkeit, den wir im Kernhaushalt und bei der Kernverwaltung verfolgen, insgesamt auch bei den Zuwendungen fahren müssen, alles andere wäre nicht gerecht.
Wir können nicht – ich habe dies auch bei der Debatte über die Beamten und die Besoldung gesagt – in dem einen Bereich erwarten, dass wir weniger ausgeben, und bei dem anderen nicht, sondern wir müssen dies schon gemeinsam machen. Genauso ist die Entwicklung der Ausgaben auch bei den Zuwendungen. Es hat geringe Zuwächse gegeben, und dabei muss es auch bleiben. Die Details, wie wir das dann aufteilen und wer was bekommt, zu entscheiden, ist nach Vorgabe und nach Vorbereitung der Behörden unsere Aufgabe in den jeweiligen Haushaltsberatungen. Das ist dann auch der Ort, um im Detail darüber zu diskutieren, dahin gehören diese Beratungen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden diesen Antrag ablehnen! Wir haben uns bei der internen Debatte, wie wir den Antrag behandeln, überlegt, was das für ein Antrag jetzt eigentlich ist. Ist das ein Haushaltsantrag? Ist das ein Antrag zur Neuorientierung der Sozialpolitik? Ist das ein Antrag zur Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik? Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, dass ich etwas dazu sage.
Der Antrag ist in seiner Begründung ein Sammelsurium, erstens von Polemik, zweitens von Undifferenziertheit, drittens von Übertreibungen, die ich für unzulässig halte, und viertens von völlig unterschiedlichen Arbeitsfeldern, im Übrigen auch in einer Sprache und einer Beschreibung der Ausgangspunkte, die den tatsächlichen Fragestellungen überhaupt nicht gerecht werden. Sie packen das Landesmindestlohngesetz, die Ein-Euro-Jobs, die arbeitsmarkpolitischen
Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen im sozialen Bereich bei einigen Trägern, die Jugendarbeit und den Europäischen Sozialfonds in einen Topf, rühren ihn einmal rechtsherum und einmal linksherum und sagen, mehr Geld auf den Tisch. Das ist die klassische Argumentation, die dabei herauskommt, wenn man sich den Themen nicht differenziert nähert, und zwar so differenziert, wie es nötig ist.
Aus meiner Sicht ist dies kein verantwortlicher Umgang weder gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern noch bei denjenigen, die Zuwendungen empfangen, noch bei denjenigen Institutionen, die Leistungen erbringen, noch ist es ein verantwortlicher Umgang mit dem Haushalt. Davon bin ich fest überzeugt.
Ihr Antrag tut so, als ob es um die praktische Solidarität mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von freien Trägern geht, die im Bereich der Arbeitsmarktpolitik unterwegs sind. Dazu will ich nur sagen, diesen Hinweis brauchen wir nicht. Wir sind solidarisch. Wir wissen, was für Leistungen in diesen Bereichen erbracht werden. Wir wissen auch – Kollege Herr Dr. Kuhn hat eben darauf hingewiesen –, dass es eine ganze Reihe von Bereichen gibt, in denen schwierige Verhältnisse herrschen, mit denen man sich beschäftigen muss. Wir wissen auch, welcher Wettbewerb zum Teil unter Trägern herrscht. Aber ist deswegen jeder freie Träger ein Ausbeuter? Bieten sie alle nur eine armselige Entlohnung, oder ist deswegen überall die Bezahlung nicht der Qualifikation entsprechend? Das wird man doch nicht ernsthaft unterstellen können.
Gibt es einen Zwang dazu, das Landesmindestlohngesetz zu unterschreiten? Wir haben dazu deutliche Ausführungen gemacht. Wir haben dazu gesagt, wir stehen für die Einhaltung des Landesmindestlohngesetzes bei den Zuwendungsempfängern. Mir muss einer einmal den Zuwendungsempfänger zeigen, der gegenwärtig gezwungen ist, das Landesmindestlohngesetz zu unterschreiten.
Mit den Ein-Euro-Jobs als letztes Stadium der Ausbeutung: Bei nächster Gelegenheit beschwert man sich wieder, dass dieses letzte Stadium der Ausbeutung nicht in ausreichendem Umfang in Bremen dargestellt wird. Das ist doch eine völlig undifferenzierte und unzulässige Beschreibung der Situation.
Wir haben doch gerade deswegen als Koalition das Landesmindestlohngesetz verabschiedet, zum Beispiel um in einigen Punkten gerade Linien zu ziehen. Wir stehen dafür, dass dieses Landesmindestlohngesetz eingehalten wird, und zwar überall dort, wo Bremen seinen Einfluss ausüben kann, im Land, in der Stadt, aber auch auf der Beiratsebene, überall dort, wo etwas passiert. Wir stehen in der Tat dafür, dass sozialer Ausgleich, Bildung und Jugend Schwerpunkte unserer Bemühungen in der Koalition sind. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir dies auch in den Koalitionsberatungen, die vor uns stehen, zur Aufstellung des Haushaltes berücksichtigen werden, das ist gar keine Frage.
Wir sehen problematische Entwicklungen. Wir wissen und akzeptieren auch, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Bereichen das Recht auf gute Arbeit haben. Lob und Anerkennung allein reichen nicht, völlig klar, die Arbeitsbedingungen müssen stimmen. Wir sagen aber auch deutlich, wir werden Aufgaben und Ziele kritisch hinterfragen und dort sehr genau darauf schauen müssen, ob es passt oder nicht passt oder welche Änderungen wir dort vornehmen müssen.
Eine pauschale Beschlussfassung, wie von Ihnen gefordert, ersetzt keine differenzierte Betrachtung. Es wird eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Bereich geben, das ist doch sowieso klar, und das wird Gegenstand weiterer Debatten sein. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Ich kann mich den Aussagen des Kollegen Herrn Dr. Kuhn weitestgehend anschließen, der deutlich gemacht hat, was man von diesem Antrag halten kann, nämlich gar nichts. Er ist undifferenziert, er kommt ehrlicherweise zu einer Unzeit, weil er natürlich in seiner Allgemeinheit haushaltspolitische Ansätze formuliert und fordert, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht hierhergehören. Dafür haben wir ein Haushaltsaufstellungsverfahren, das ist sauber. Auch wenn Sie vielleicht ein bisschen ungeduldig sind, ich weiß nicht, für welche Debattenlage Sie das in Ihrer Klientel und in Ihren Kreisen benötigen, dennoch muss man nicht über jeden Stock springen.
An einer Stelle, das hat man eben gerade auch gemerkt, haben Sie schon ein bisschen Recht, dies will ich zumindest eingestehen, nämlich die in sich nicht schlüssige Argumentation, einen Mindestlohn ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
zu fordern und gesetzlich zu verankern und dann bei den freien Trägern, die damit entsprechend ausgestattet werden müssen, dies nicht konsequent umzusetzen. Sie haben bei der Koalition also schon einen wunden Punkt gefunden, gleichwohl ist das nicht die Rechtfertigung für diesen Antrag und für eine Zustimmung. Wir lehnen ihn ab! – Danke!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, mittlerweile sind die Debattenbeiträge zu Anträgen, die wir stellen und die unangenehm sind, immer dieselben. Sie sind wechselweise zu allgemein oder zu speziell. Ich will einmal begründen, warum wir zu dem Schluss gekommen sind, nur um es klarzustellen. Wenn wir an manchen Stellen sagen, wir wollen bestimmte Verhältnisse in diesem Bereich ändern, meinen wir nicht, dass es überall schlecht ist, sondern wir müssen es dort verbessern, wo es schlecht ist.
Es wurde gesagt, es wäre alles zu allgemein. Wir haben mindestens sechs Kriterien aufgezählt, auf die wir unserer Meinung nach schauen müssen. Erstens, wenn die Wohlfahrtsverbände sagen, um das Bremer Mindestlohngesetz einzuhalten, brauchen wir ungefähr 1,4 Millionen Euro mehr als vor einem Jahr,
dann heißt dies umgekehrt, sie können mit den derzeitigen Mitteln keinen Mindestlohn bezahlen. Das ist also Mengenlehre.
Wenn man eine begrenzte Menge Geld hat und sagt, wenn wir allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 8,50 Euro bezahlen müssen, brauchen wir 1,4 Millionen Euro mehr, bedeutet das nahezu automatisch, dass man jetzt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, die keine 8,50 Euro bekommen. Ist dies so schwer zu verstehen?
Man kann vielleicht einmal versuchen zu erklären, welche Form von Mathematik dabei anzuwenden ist, dass Träger, die 1,4 Millionen Euro mehr brauchen, um den Mindestlohn einzuhalten, dennoch Mindest––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
lohn bezahlen. Das muss man mir erklären. Vielleicht ist das auch nicht überall der Fall, aber wir wissen, dass es in noch vielen Fällen ein Problem ist, insbesondere für Altverträge. Deswegen haben wir in dem ersten Punkt gesagt, wir müssen dies lösen.
Als zweiten Punkt haben wir gesagt, es werden Menschen unterhalb ihrer Qualifikation bezahlt. Wir haben also eine ganze Reihe von Kriterien aufgestellt, bei denen wir finden, dass wir uns ausgesprochen differenziert mit der unterschiedlichen Landschaft von Trägern und mit den unterschiedlichen Problemen auseinandergesetzt haben.