Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/678 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche jetzt die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) bis 14.30 Uhr.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! DIE LINKE beantragt heute, dass der Bremer Senat sich dafür einsetzen soll, dass Exportgenehmigungen für Waffen in den Nahen Osten, insbesondere nach Saudi-Arabien, gestoppt werden. Sie beantragt weiterhin, dass die Bun––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
desregierung sich zukünftig daran hält, ihre Waffenexporte an Menschenrechtsfragen zu orientieren und die Ausfuhrgenehmigungen transparent zu gestalten. Des Weiteren beantragen wir hier heute, dass der Bremer Senat Subventionen für Rüstungsunternehmen unterlassen und sich stattdessen auf Bundesebene für ein Wiederaufleben des Konversionsprogramms einsetzen soll.
Der Hintergrund ist Folgender: Vor eineinhalb Wochen wurde bekannt, dass die Bremer Lürssen Werft von Saudi-Arabien ein Auftragsvolumen von 1,5 Millionen Euro für Patrouillenboote erhalten hat.
Milliarden, stimmt! Saudi-Arabien war im vergangenen Jahr der größte Importeur deutscher Waffen, Lieferungen im Wert von 1,3 Milliarden Euro wurden vom Bundessicherheitsrat im Jahr 2012 genehmigt. Saudi-Arabien kauft im Moment tatsächlich alles, was es bekommen kann, und wir bekommen ständig neue Meldungen: Es sollen circa 800 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 beschafft werden, und zwar in der UrbanWarfare-Variante, die für den Straßenkampf in Städten geeignet ist, mehrere 100 Transportpanzer des Typs Boxer und 30 ABC-Spürpanzer des Typs Dingo wurden bestellt.
Jetzt sollen noch die Marineschiffe der Lürssen Werft hinzukommen, und bevor hier gleich wieder in der Debatte die Patrouillenboote verniedlicht werden: Es handelt sich hier nicht um Polizeiboote in Bremerhaven, sondern das sind komplett ausgerüstete Kriegsschiffe mit großkalibrigen Geschützen, und viele von ihnen haben zum Teil auch Torpedovorrichtungen. Es braucht sich niemand hier in diesem Haus Illusionen darüber zu machen, dass solche Waffen im Zweifelsfall nicht auch eingesetzt werden. Dies ist der Wunschzettel der saudi-arabischen Regierung, der allein im letzten Jahr veröffentlicht worden ist.
Der Rüstungsexperte Pieter Wezeman vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI sagte der dpa zu den Waffendeals mit Saudi-Arabien: „Es scheint seit etwa zwei Jahren einen klaren Willen zur Lieferung größerer Rüstungsmengen aus Deutschland zu geben.“ Das ist leider völlig richtig. Bei der CDU und der FDP scheinen alle moralischen Dämme gebrochen, und die arabische Halbinsel wird unkontrolliert mit deutschen Waffen überflutet.
Mit wem macht die Bundesregierung diese Waffengeschäfte in Millionen- und Milliardenhöhe? Mit einem der schlimmsten Regimes, die es heute auf der Welt gibt! In Saudi-Arabien werden Menscherechte systematisch missachtet. Für vermeintlichen Ehebruch, Drogenhandel, Hexerei und Gotteslästerung droht die Todesstrafe in Form öffentlicher Enthauptung durch das Schwert. Frauen werden für das Fah
ren mit dem Auto bestraft, sie werden inhaftiert, dürfen nicht wählen, wobei Wahlen in diesem Gottesstaat ohnehin eine Farce sind. Minderheitenrechte der schiitischen Bevölkerungsgruppe gibt es kaum, Menschen, die an eine andere Religion glauben, werden verfolgt. Ich möchte einmal einen kurzen Schlenker zum Antrag der CDU machen, sie sagt, dieser Waffenexport nach Saudi-Arabien würde gerade den Interessen Israels dienen. Das finde ich, mit Verlaub gesagt, absolut grotesk, denn das Judentum zu praktizieren steht in Saudi-Arabien unter Strafe, Menschen werden inhaftiert, und die Schulbücher sind absolut antisemitisch, dort wird offener Judenhass propagiert. Die herrschende Königsfamilie ist ein lupenreiner Feind der Menschenrechte und der Demokratie. Saudi-Arabien bekämpft aber – und jetzt wird es interessant! – nicht nur die eigene Bevölkerung. Das Land mischt sich eben auch aggressiv in die Angelegenheiten seiner Nachbarstaaten ein: Saudi-Arabische Polizisten, saudi-arabisches Militär und auch die Panzer, die Deutschland geliefert hat, wurden im Jahr 2011 bei Demonstrationen in Bahrain eingesetzt, um die dortigen Aufstände blutig niederzuschlagen. Jetzt geht es aber noch weiter, denn Saudi-Arabien finanziert und bewaffnet islamistische Kampfverbände in Syrien, Libyen und Tunesien. Das sind genau die Gruppen, meine Damen und Herren von der CDU, vor denen Deutschland immer als Salafisten warnt. Wenn terroristische Salafisten aber einen Staat lenken, dann werden sie von der CDU-Bundesregierung und der deutschen Waffenindustrie mit Panzern beliefert. Das ist grotesk, um hier einmal freundliche Worte zu wählen.
Der amerikanische Vier-Sterne-General und Kommandeur der US-Streitkräfte im Nahen Osten Brooks – er wird mit Sicherheit nicht verdächtigt, ein linker Kriegsgegner zu sein – warnte vor vier Tagen im „Spiegel“, „Militär-Hightech werde immer leichter verfügbar“. Er tat dies in Abu Dhabi, wo sich die Rüstungsindustrie in dieser Woche zur weltgrößten Waffenmesse IDEX versammelt hat. Bremen ist auf der IDEX in Abu Dhabi auch stark vertreten: Die Lürssen Werft hat einen eigenen Stand auf der Waffenmesse, gleich angedockt an das Unternehmen Rheinmetall, die dort sogar eine der größten Flächen gemietet hat. Rheinmetall und Lürssen bieten dort ihre Waffensysteme an. Die Messe richtet sich klar an die Herrscher in der Region, und die Bremer Unternehmen werden auch dieses Mal wieder Geschäfte mit den Diktaturen abschließen. Hier sagt DIE LINKE: Stopp! Keine Waffenlieferungen aus Deutschland nach Saudi-Arabien, keine Waffenlieferungen aus Bremen an Diktaturen! Aufrüstung und Militarisierung ganzer Regionen haben noch nie dem Frieden gedient, ganz im Gegenteil! Gerade die äußerst instabilen Länder im
Nahen Osten dürfen nicht weiter mit deutscher Waffentechnik versorgt werden. DIE LINKE sagt deshalb, wir brauchen ein Exportverbot, und mit uns – das möchte ich hier einmal erwähnen, das besagt eine repräsentative Emnid-Umfrage – sagen das auch 78 Prozent der deutschen Bevölkerung.
Leider sind die geltenden Regelungen erwiesenermaßen überhaupt nicht zielführend. Im Jahr 2000 hat die rot-grüne Bundesregierung die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern beschlossen, eine Art Leitlinie. Darin steht beispielsweise: Diktaturen, die systematisch die Menschenrechte brechen, werden nicht beliefert, und beschäftigungspolitische Gründe für Lieferungen darf es nicht geben. Genau das wird seit Jahren missachtet, in einem höchst intransparenten Geheimgremium, das die Entscheidungen, nach denen die Waffenexporte genehmigt werden, überhaupt nicht nach außen kommuniziert und das ganz klar in den letzten zwei Jahren immer wieder an diesen eigenen Kriterien vorbeigegangen ist. Dem müssen wir ein Ende bereiten! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand wird bestreiten, dass mit der Diskussion um den Bau und die Lieferung von Patrouillenbooten für Saudi-Arabien hier ein Thema zur Debatte steht, das man aus verschiedenen Blickwinkeln diskutieren kann und wohl auch muss. Dies kann und sollte man aber ganz unaufgeregt tun und sich nicht gleich zu Beginn verbal vertun. Wer aber im Zusammenhang damit angesehene Bürger dieser Stadt, dieses Landes, die einen kaum zu überschätzenden Beitrag zur wirtschaftlichen Struktur und Identität einer ganzen Region leisten, indirekt als Waffenschieber bezeichnet, der will keine sachliche, keine sachgerechte Diskussion, sondern er will mit völlig abwegiger Polemik und Effekthascherei einen politisch schnell verdienten Euro einfahren. Wir weisen ein solches Vorgehen eindeutig zurück!
Worum geht es in Wahrheit? Mit einem mutmaßlichen Auftragsvolumen von 1,5 Milliarden Euro gibt es Medienberichten zufolge Verhandlungen der Lürssen Werft in Bremen-Nord zum Bau von Küstenschutzbooten für Saudi-Arabien. Ebenfalls laut Medienberichten soll der Bundessicherheitsrat, der als Kabinettsausschuss der Bundesregierung über Rüstungsexporte deutscher Unternehmen entscheidet, diesem potenziellen Lieferauftrag zugestimmt haben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Klar ist, dass so etwas immer zwei Dimensionen hat; eben nicht nur eine wirtschaftliche, sondern natürlich auch eine sicherheitspolitische, und weil das so ist, halten wir es für erforderlich, darüber sehr genau nachzudenken und am Ende eine politische Abwägung zu treffen, ob das zu rechtfertigen ist oder nicht.
Der Nahe Osten ist eine Krisenregion der Welt, der israelisch-arabische Konflikt, die ungeklärten und immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen führenden offenen Fragen rund um Palästina und den El-Kaida-Terrorismus haben hier ihre Wurzeln. Ebenso schwer wiegt der Überfall des Iraks auf die Arabische Halbinsel und die ganz aktuelle Bedrohung der Region durch eine völlig unberechenbare Politik des Irans. Diese Erfahrungen der Vergangenheit und der Gegenwart erzeugen ein ganz legitimes und natürliches außen- und sicherheitspolitisches Interesse Saudi-Arabiens. Auch das darf man hinzufügen: Nicht nur Deutschland, Europa und die ganze Welt haben ein Interesse an einem stabilen Nahen Osten, insbesondere auch Israel, dessen Sicherheit uns ganz besonders am Herzen liegt, hat ein vitales Interesse daran.
Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung die Stabilität in dieser Region zu ihrer eigenen beziehungsweise zu einer europäischen Angelegenheit macht. Ich will aber nicht missverstanden werden: Stabilität darf nicht heißen, dass Entwicklungen hin zu mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung von Frau und Mann behindert werden dürfen, schon gar nicht mit Waffen. Der sogenannte Arabische Frühling und die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen arabischen Staaten sind Aspekte, die die Beurteilung der politischen Lage noch einmal verkomplizieren.
Jeder Rüstungsexport ist ein Einzelfall und muss als solcher sorgfältig beurteilt und entschieden werden. Gerade deshalb gilt es zu fragen, ob ausgerechnet Küstenschutzboote eine friedliche Entwicklung in dieser Region, die wir wollen und für notwendig erachten, beeinträchtigen können. Können sie die Sicherheit Israels berühren, dessen Interesse uns besonders am Herzen liegt? Wir meinen, dass ein solcher Rüstungsauftrag vertretbar ist.
Deswegen sagen wir als CDU-Fraktion in der Abwägung: Wir sehen im Entscheidungsprozess der Bundesregierung nichts Kritikwürdiges und können vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Kenntnisstands die Produktion und Lieferung von Patrouillenbooten an Saudi-Arabien unterstützen, und wir raten deshalb zu einem offenen und positiven Umgang Bremens mit den geschäftlichen Anliegen der Lürssen Werft.
Aktivitäten im Rüstungssektor sind übrigens keine Erfindung der Koalition aus CDU und FDP, auch unter Herrn Schröder und Herrn Fischer war man in diesem Feld tätig, übrigens in bemerkenswerter Art und Weise.
In der Zeit von Rot-Grün ist die Bundesrepublik unter die Top 5 der Rüstungsexporteure aufgestiegen. Das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI ermittelte für den Zeitraum ab dem Jahr 2005 eine Steigerung des deutschen Anteils von sechs auf elf Prozent. Als Claudia Roth in ihrer eigenen Art und Weise dies vermutlich etwas vorschnell kritisierte, reagierten die Forscher „mit Unverständnis“. Wörtlich heißt es: „Die meisten Verträge, die diese Verdopplung bewirkt haben, wurden ja während der rotgrünen Regierungszeit abgeschlossen.“
Meine Damen und Herren, für Moralisieren in irgendeiner politischen Couleur bleibt da eigentlich wenig Raum,