Werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, was Sie in Bremen aufs Spiel setzen, und wenn es Ihnen bewusst ist, dann ist das an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten!
Frau Vogt, einen Moment, bitte! Meine Damen und Herren oben auf der Besuchertribüne, Missfallens- oder Beifallskundgebungen sind hier nicht gestattet. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen! – Danke!
Es kommt auch noch ein Weiteres hinzu: Die Besoldungsstrukturen und Aufstiegsmöglichkeiten sind in Bremen nicht so großartig, wie immer vermutet wird, und auch genau da hinkt der Vergleich mit Nordrhein-Westfalen. Ich nehme hier einmal als Beispiel die Polizei: Seit vielen Jahren stellt die Polizei in Bremen nur noch für den gehobenen Dienst ein, ein Polizeikommissar bekommt
die Besoldungsstufe A 9. Der überwiegende Teil dieser Beamten wird im Laufe des Berufslebens maximal einmalig befördert, das heißt, auf A 10, dann ist man ein Polizeioberkommissar. In Nordrhein-Westfalen geht aber der normale Sachbearbeiter mit A 11 in Pension.
Ein Dienstgruppenleiter oder Abschnittsleiter wird in Nordrhein-Westfalen nach A 13 besoldet, in Bremen maximal nach A 11, das ist dann der Polizeihauptkommissar. Viele Polizeibeamte üben diese Funktion immer noch in der Besoldungsgruppe A 10 aus. Das heißt, die Besoldungsstruktur der Bremer Polizeibeamten liegt im Schnitt sogar unter der Besoldungsstruktur des öffentlichen Dienstes, und 70 Prozent der Polizeibeamten üben eine sogenannte höherwertige Funktion aus und werden eine oder zwei Stufen niedriger besoldet als in anderen Bundesländern.
Kommen wir zu einem weiteren Punkt, bei dem Sie sich oft hinstellen und mit der sogenannten Generationengerechtigkeit Ihre Austeritätspolitik hier verteidigen. Das verkehrt sich ins Gegenteil: Wir alle wissen, dass in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes große Pensionierungswellen anstehen. Sie koppeln nicht nur die Einkommensentwicklung der Beamten ab, Sie sorgen auch für eine Wettbewerbsverzerrung der Länder im Ringen um neue und junge Lehrerinnen und Lehrer, Polizeianwärterinnen und -anwärter sowie Feuerwehranwärterinnen und -anwärter.
Die Polizei bekommt jetzt schon nicht mehr genügend Bewerber, um ausreichend Anwärter einzustellen, weil sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass hier nicht mehr alles so rosig ist. Mir wurde am Montag gesagt, dass es im letzten Jahr ein Drittel weniger Bewerberinnen und Bewerber gegeben hat als in den Jahren davor. Wie soll es erst aussehen, wenn im Jahr 2014, also im nächsten Jahr, bei der Polizei die große Pensionierungswelle beginnt?
Warum soll sich ein ausgebildeter Lehrer für Bremen entscheiden, wenn er in einem anderen Bundesland erheblich mehr Geld verdienen kann? Ich nenne Ihnen einmal Beispiele: Bremen hat im Vergleich zu Baden-Württemberg andere Besoldungsdifferenzen im Bereich der Lehrer.
Die Differenz in A 12 beim Einstieg liegt schon bei 286 Euro, in A 12 zum Ende immerhin noch bei 177 Euro. In A 13 sind es am Ende 195 Euro und beim Einstieg 476 Euro, die ein Lehrer in Baden-Württem
berg mehr verdient als in Bremen. Baden-Württemberg übernimmt ab A 12 jeweils mit einem Jahr Verzögerung die Tarifsteigerungen, das heißt, ab dem 1. Januar 2015 erhöht sich die Differenz zu A 13 beim Einstieg auf 686 Euro. Warum soll sich ein junger Lehrer, soweit er keine familiären Wurzeln in Bremen hat, für Bremen oder Bremerhaven entscheiden? Bitte beantworten Sie mir das einmal! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatten um die Beschlüsse zur Besoldungsanpassung gehören, zumindest für mich, zu den unangenehmeren Entscheidungen, die gefällt werden müssen, wenn das erzielte Tarifergebnis nicht auf die Beamten übertragen wird. Ich möchte versuchen, die Beweggründe deutlich zu machen. Ich möchte auch den Versuch unternehmen, für Akzeptanz zu werben. Ich weiß sehr wohl, dass ich beim Kreis der Betroffenen keinen Respekt erringen kann.
Die Ausgangslage ist klar, das Tarifergebnis weist jeweils zum Jahresbeginn für das Jahr 2013 eine Steigerung von 2,65 Prozent und für das Jahr 2014 eine Steigerung von 2,95 Prozent aus. Das sind die Richtwerte, an denen sich auch die Koalition zu orientieren hat. Dabei ist allerdings klar, dass es keinen rechtlich zwingenden Automatismus gibt, das Tarifergebnis eins zu eins zu übernehmen. Mithin ist abzuwägen, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt das Tarifergebnis auf die Besoldung der Beamten übertragen werden kann. Dabei spielen die zur Verfügung stehenden Finanzmittel eine erhebliche, in der Tat die entscheidende Rolle.
Ich möchte, bevor ich wieder zum direkten Gegenstand komme, noch einmal deutlich machen, vor welchen Herausforderungen wir im Haushaltsnotlageland Bremen eigentlich stehen. Wir wissen, dass wir im Bereich Bildung noch erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, sei es bei der Umsetzung der Schulreform, der Umsetzung der Inklusion oder dem Anspruch des ganztägigen Lernens. Vergleiche mit anderen Bundesländern zeigen, dass wir trotz erhöhtem und auch zukünftig erhöhtem Mitteleinsatz weitere Mittel einsetzen müssen, um den Kindern eine qualifizierte Ausbildung zu geben.
Im Bereich der unter Dreijährigen haben wir unabweisbare zusätzliche Finanzbedarfe, denen wir auch nachkommen werden. Wer sich auf Bremens Stra––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
ßen bewegt, und das tun wir alle, der weiß, dass wir erhebliche Sanierungsbedarfe haben. Immer wieder wird der Zustand der öffentlichen Gebäude beklagt. Wir haben ein Sanierungsprogramm, das wir fortsetzen werden und aufstocken müssen. Für die Bremer Bäderlandschaft brauchen wir unter Berücksichtigung des Unibads eine Lösung. Wir müssen die Funktionsfähigkeit der Häfen sichern, damit wir Arbeit schaffen und Beschäftigung sichern können. Wir brauchen zeitgerecht bereitgestellte Gewerbeflächen. Wir muten der großen Masse der Zuwendungsempfänger für die von uns gewollten Projekte zu, dass ihre Zuschüsse nahezu unverändert bleiben, sie also Personalkosten selbst auffangen müssen. Wir wissen, dass wir noch hohe Ausgaben für die Klinken haben.
Die Liste ist weit davon entfernt, vollständig zu sein, sie zeigt aber auf, in welchem Umfeld wir uns insgesamt bewegen und in welchem Umfeld wir uns auch bei der Besoldungsanpassung befinden.
Über 600 Millionen Euro Zinsen zahlen wir jährlich. Die Personalkosten machen mehr als 25 Prozent des Haushalts aus. Deshalb können die Personalkosten bei der Betrachtung des Haushalts nicht einfach ausgeblendet werden. Der Personalhaushalt steht in Konkurrenz zu den anderen Bereichen. Eine vollständige und zeitgleiche Übernahme des Tarifergebnisses auf Beamte ist deshalb angesichts der bestehenden Probleme nicht möglich.
Der Senat hat vorgeschlagen, das Tarifergebnis für die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes inhaltsgleich zu übernehmen, allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten. Die Besoldungsgruppen A 1 bis einschließlich A 12 a sollen eine Erhöhung um ein Prozent erhalten, die höheren Besoldungsgruppen gehen leer aus. Diese Regelung gilt auch für die Versorgungsempfänger. Der Familienzuschlag, die allgemeine Stellenzulage, die Mehrarbeitsvergütung und die Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten werden entsprechend dem Tarifergebnis um sechs Monate versetzt erhöht.
Von der Anzahl der Betroffenen bedeutet dies bei den weit über 40 000 Beschäftigten der Freien Hansestadt Bremen – das ist nicht nur der Kernbereich, sondern das sind auch die Gesellschaften, die Stiftungen und die Anstalten des öffentlichen Rechts –, dass von dieser Regelung insgesamt ungefähr 10 930 Personen betroffen sind. Von den 10 930 Personen gehören 37,7 Prozent dem einfachen und mittleren Dienst an. Auf sie wird das Tarifergebnis eins zu eins mit der zeitlichen Versetzung übertragen. 2 370 Personen oder 21,7 Prozent gehören zu der Personengruppe, die die Erhöhung um ein Prozent erhalten, und 40 Prozent, insgesamt 4 500 Beamtinnen und Beamten, gehen bei dieser Besoldungsanpassung leer aus.
Der Vorschlag des Senats bedeutet, dass wir Steigerungen der Personalkosten – inklusive der Steigerungen im Tarifbereich – im Jahr 2013 von 14,4 Millionen Euro, im Jahr 2014 von 34,6 Millionen Euro und im Jahr 2015 von 38,8 Millionen Euro haben. Würden wir das Tarifergebnis übernehmen, also die zeitgleiche Übernahme auch für die Beamten, ergäben sich Mehrausgaben von 34 Millionen Euro allein im Jahr 2013 und 73 Millionen Euro im Jahr 2014 und im Jahr 2015. Dann gehört es zur haushaltsmäßigen Wahrheit zu sagen, dieses Geld haben wir nicht. Das ist bitter, aber es sind die Realitäten, denen wir uns in diesem Punkt stellen müssen.
Der Senat folgt mit dem Vorschlag der Regelung in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Land Deutschlands. Daneben gibt es natürlich die Forderung – wir haben es soeben gehört –, man möge doch die Ergebnisse wie in Niedersachsen oder in Hamburg zu 100 Prozent übernehmen. Man kann das wollen, aber man muss dann zur Kenntnis nehmen, dass diese Bundesländer bereits erklärt haben, diese Tarifanpassung durch Personalkürzungen zu finanzieren. Ich sage, uns reicht die PEP-Quote in Bremen schon aus, wir brauchen keine weiteren Personalreduzierungen, das ist unangemessen.
Die Staffelung der Besoldungsanpassung ist der Tatsache geschuldet, dass die oberen Besoldungsgruppen auf eine Erhöhung eher verzichten können als die unteren, so bitter es in der Sache dann auch ist.
Die Kritik am Senat und uns Abgeordneten der Koalitionsfraktionen ist verständlich. Im Ton finde ich sie manchmal hart, aber durchaus verständlich, in einigen angedrohten Konsequenzen allerdings auch überzogen. Ich will das aber nicht weiter kommentieren. Ich glaube, wir stehen hier in einer Auseinandersetzung, bei der manche Aspekte emotional etwas überreagiert dargestellt werden.
Es wird behauptet, dass das Vorgehen des Senats verfassungswidrig sei. Diese Auffassung teilen wir nicht, aber da eine Klageerhebung angekündigt ist, werden wir sehen, was die Gerichte entscheiden.
Lassen Sie mich zu einzelnen Kritikpunkten jetzt noch kurz Stellung nehmen! Es wird argumentiert, Bremen kopple sich von der Besoldungsentwicklung der anderen Bundesländer und im Bund ab. Nach meiner Einschätzung ist dies die leidige Folge des Ergebnisses der Föderalismuskommission, wonach die Länder selbst über die Personalkosten zu entschei
den haben. Das hatte für uns insbesondere beim Blick des Stabilitätsrats auf unsere Haushaltslage zur Folge, dass auf unsere Personalkosten besonders geschaut wurde. Es wurde geschaut, weil dies eine Stellschraube ist. Das bedeutet für uns, dass wir auch an dieser Schraube drehen müssen. Das ist eine fatale Entwicklung. Es wäre einfacher gewesen, Personalkostenentscheidungen zu begründen, wenn wir weiterhin eine bundeseinheitliche Struktur hätten. Das ist aber nicht der Fall.
Es wird behauptet, Bremen werde im Wettbewerb um Fachkräfte zukünftig nicht bestehen können und damit einen Wettbewerbsnachteil erfahren. Die Unterschiede der Besoldung in den Einstiegsstufen seien groß. Heute ist es so – wir haben soeben das Beispiel Baden-Württemberg gehört –, wenn wir uns zum Beispiel mit dem Nachbarland Niedersachsen vergleichen, dass die Differenz in den einzelnen Besoldungsgruppen im Augenblick in der Größenordnung zwischen 2,50 Euro und 6,50 Euro liegt.
Ja, im Moment liegt sie in dieser Größenordnung! Daher kann ich die große Gefahr, die hier an die Wand gemalt wird, so nicht erkennen. Ich sehe es in dieser Form nicht.
Weiterhin wird dem Senat vorgeworfen, dass mit der Staffelung der Besoldungsanpassung die Gehaltsstruktur nachhaltig aufgebrochen würde. Der Senat vertritt demgegenüber die Auffassung, dass das Besoldungsgefüge durch die gestaffelte Besoldungsanpassung nicht gestört werde. Ich sage Ihnen ganz offen, diese Auffassung teile ich so nicht. Ich glaube, dass wir an Grenzen gestoßen sind und wir dieses Verfahren, das wir jetzt üben, nämlich die gestaffelte Besoldungsanpassung, so nicht wiederholen können, wenn wir die Struktur nicht zerstören wollen.
In der öffentlichen Debatte, verfolgt man die zahlreichen Leserbriefe, wird die Besoldungsanpassung durchaus wieder einmal genutzt, um die Besoldung der Beamten insgesamt infrage zu stellen. Es wird diskutiert, wie es mit den Angestellten des öffentlichen Dienstes ist, den Beamten, und es wird mit der freien Wirtschaft argumentiert. Das Ganze hat für mich den Charakter einer sinnlosen und auch von mir nicht gewollten Neiddebatte, die geführt wird. Ich halte es bei dem Thema der Besoldungsanpassung für völlig abwegig, insgesamt die Besoldung der Beamten infrage zu stellen. Das hat mit der Wertschätzung der
Beamten zu tun, und wir alle haben die Verpflichtung, dass wir uns davor stellen, eine solche Debatte nicht zu führen.
In der öffentlichen Debatte wird ja – lassen Sie mich das auch noch sagen! – gern personalisiert. Wenn man die vielen E-Mails im Augenblick verfolgt, die Sie sicherlich auch alle erhalten haben, dann wissen wir jetzt, dass auf der Senatsbank mit Frau Bürgermeisterin Linnert das personifizierte Böse sitzt. Jetzt will ich bei der Gelegenheit einmal sagen – und ich finde, es ist notwendig, dies zu tun –, dass Frau Bürgermeisterin Linnert hier eine Aufgabe hat, die sie für den gesamten Senat und für die Koalitionsfraktionen, die diesen Senat tragen, wahrnimmt.
Insofern verwahre ich mich dagegen, die ganze Last und den ganzen zum Teil auch Schmutz, der erzeugt wird, auf Frau Bürgermeisterin Linnert abzuwälzen! Wenn, dann bitte auf alle!