Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Wir möchten, dass diese Bilder der Vergangenheit angehören und diese Schlagzeilen ebenfalls. Deshalb fordern wir die Veranstalter dieser Traditionsveranstaltungen auf, ihre Einladungspraktiken zu ändern und auch Frauen willkommen zu heißen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dieses Signal möchten wir hier heute aus der Bürgerschaft senden, und zwar Frauen und Männer gemeinsam. Deshalb stimmen Sie bitte unserem Antrag zu!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt sind wir uns, glaube ich, alle einig: Es ist immer ein großer Gewinn, wenn Frauen an Veranstaltungen teilnehmen.

(Beifall)

Wir dürfen nicht vergessen, dass es noch keine 100 Jahre her ist, seit Frauen in den Parlamenten sitzen, das war nämlich erst im Reichstag, und das ist noch keine 100 Jahre her.

Wir sind uns sicher auch einig – und ich werde nicht müde, es zu sagen und auch zu schreiben –, dass es ein großer Gewinn für die Schaffermahlzeit und für andere Traditionsveranstaltungen wäre, wenn nicht nur Männer in Spitzenfunktionen teilnehmen würden, sondern auch Frauen in Spitzenfunktionen. Ich glaube, dass wir uns auch darüber einig sind, dass

es merkwürdig für uns ist, dass männliche Ministerpräsidenten eingeladen werden können, während wir inzwischen vier Ministerpräsidentinnen haben, die bisher nicht eingeladen wurden. Darin besteht, glaube ich, Einigkeit.

Keine Einigkeit besteht darüber, wie man die Botschaft an die Schaffer heranträgt. Die CDU wird beiden Anträgen nicht deshalb nicht zustimmen, weil wir grundsätzlich anderer Meinung wären, sondern weil es sich um einen privaten Verein handelt, dem man nicht aus dem Parlament heraus diktieren sollte, was er zu tun und zu lassen hat. Wir setzen auf die Einsicht der Schaffer des Hauses Seefahrt, darauf, dass sie die Erkenntnis selbst haben werden, dass man im 21. Jahrhundert hier eine Veränderung vornehmen sollte.

Das will ich auch deshalb sagen, weil ja bisher auch Ihr Bürgermeister, Herr Böhrnsen, keinen Mut hatte, Frauen vorzuschlagen. Es tut mir immer leid, Herr Bürgermeister, wenn ich dann doch kritisch anmerken muss, dass Sie ja die Möglichkeit haben, zwei Gäste einzuladen und Ihnen bisher der Mut fehlte, dies zu tun. Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus Mut machen – es ist doch auch einmal schön, wenn einem als Bürgermeister jemand Mut macht –,

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Es kann gar nicht schöner sein!)

dass Sie künftig die Chance, nämlich zwei Gäste einzuladen, dann auch so nutzen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wenn Sie schon keinen Mut haben, dann soll er wenigstens welchen haben!)

Ich bin deshalb optimistisch, dass sich die Schaffer bewegen werden, weil es auch schon Veränderungen in anderer Hinsicht gegeben hat, und auch Folgendes habe ich wiederholt gesagt: Die Schaffer haben sich in ihren Kleidungsvorschriften über die Jahrhunderte hinweg sehr verändert. Dazu möchte ich einmal etwas aus einem Aufsatz vorlesen, den ich schon im Jahr 2009 zu diesem Thema geschrieben habe, es ist ganz amüsant.

1680 schilderte Karl H. Schwebe das Äußere eines Schaffers, ich zitiere: „breitkrempiger schwarzer Schlapphut, ein über die Achsel geworfenes kurzes Mäntelchen, langschößiger, weitärmeliger Wams aus blauem Tuch, weite kniefreie Schlumperhosen, weiße Strümpfe von feinster Seide, zierliche Halbschuhe mit mäßig hohen Blockabsätzen, blütenweißes, spitzenbesetztes und am Ende zu bizarrer Schleife geschlungenes Halstuch und ebensolche Manschetten“.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das klingt cool!)

Herr Dr. Güldner findet das cool, die Schaffer haben sich entschieden, heute nicht mehr in dieser Kleidung zur Schaffermahlzeit zu gehen!

Ich sage das nur deshalb, weil es, wenn sie sich schon in Kleidungsvorschriften und -riten verändert haben, vielleicht auch in anderer Hinsicht möglich sein sollte, dass es Veränderungen gibt, dass Frauen dazugeladen werden, denn wir wollen ja Traditionen schützen. (Unruhe)

Jetzt ist hier Unruhe im Raum, ich rede auch gern gegen die Unruhe an, aber es ist leichter, wenn ich dann in Ruhe reden kann!

Wir können jetzt auch nicht einfach fordern, eine Rednerin hat es hier gesagt, dass die Schaffermahlzeit nicht mehr im Rathaus stattfinden soll. Wir können die Schaffermahlzeit auch nicht ins Konsul-Hackfeld-Haus verlegen, denn dann würde, glaube ich, viel Charme verloren gehen, und das wollen wir nicht. Ich will es nicht, und unsere Fraktion will es auch nicht. Traditionen müssen geschützt werden, aber ich sage auch ganz klar, nicht die Tradition kann diktieren, was der Mensch macht, sondern der Mensch muss die Tradition beherrschen.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Komplett inhalts- leer! Ohne Bedeutung ist der Satz!)

Das ist ein großer Unterschied, und das heißt, dass er die Tradition verändern muss, Herr Dr. Kuhn!

Ich bin ganz sicher, und es zeichnet sich ja ab, dass die Schaffer dies von sich aus tun, ohne dass wir ihnen das von hier aus diktieren. Sie werden das verstehen, und sie haben es auch verstanden.

Ich möchte noch Folgendes zu den Frauen in Führungspositionen sagen, es wäre schön, wenn das überall auch schon so verbreitet wäre, wie Frau Böschen, glaube ich, es hier eben gesagt hat: Die CDU hat sich entschlossen, bei der kommenden Bundestagswahl immerhin mit zwei Direktkandidatinnen anzutreten. Die SPD ist noch nicht so weit, da ähneln Sie ein bisschen den Schaffern,

(Beifall bei der CDU)

das dauert bei Ihnen noch ein bisschen.

Wir werden für drei Frauen Plakate ankleben – dazu kommt dann noch Frau Merkel –, Sie werden nur Männer plakatieren, und dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn andere Männer in dieser Stadt vielleicht auch noch nicht sofort bereit sind, alles zu tun, um Frauen dazu zu holen. Sie müssen ja erst einmal mit gutem Beispiel vorangehen, und dann können wir uns wieder sprechen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bezüglich der Traditionen muss ich sagen, man muss die Leute ja wirklich zum Jagen tragen. Das ist etwas, was enervierend lange dauert, das ist einfach so.

Das Argument, dass wir der Privatwirtschaft nichts vorschreiben, ist nicht ganz richtig, Frau Motschmann, denn wenn wir über die Quote in den Aufsichtsräten sprechen, ist das doch auch Privatwirtschaft. Ich wüsste nicht, dass die AGs nicht zur Privatwirtschaft gehören. Ich verlange ja noch nicht einmal die Quote für das Schaffermahl – so weit sind wir ja noch gar nicht, wir sind ja noch nicht einmal bei einer gleich hohen Quote, und das wäre ja noch eine interessante Debatte –, sondern wir wollen ja nur, dass Frauen dort teilnehmen dürfen. Man muss sich einmal vorstellen, auf welchem Niveau wir hier überhaupt diskutieren!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde gern noch die Argumentation zu Punkt 2 ausführen, dass wir es mit dieser Verordnungsvorschrift nicht umsetzen können, weil wir ja letztendlich den Girls‘ Day und eigene Frauenveranstaltungen haben, an denen Männer auch nicht teilnehmen sollen. Ich finde, das ist schon eine leicht schiefe Argumentation, weil wir ja eine ganze Reihe von Frauenprojekten haben, die schon lange nicht mehr auf dem Stand sind, dass Männer dort nicht hinein dürfen. Bei allen möglichen Veranstaltungen, zum Beispiel von Nitribitt im Rathaus, käme man doch nicht auf die Idee, die Männer hinauszuwerfen, ganz im Gegenteil!

(Zuruf)

Ja, den gibt es auch noch, aber es gibt auch den Boys Day!

Der Hintergrund war ja letztendlich, dass man Mädchen Männerberufe nahebringt, und umgekehrt, dass man den Jungen zeigt, wie es mit den Frauenberufen aussieht. Das ist ja ein anderer Hintergrund als zu sagen, wir können letztendlich keine öffentlichen Veranstaltungen unterstützen, von denen dann umgekehrt Männer ausgeschlossen werden. Das entspricht ja überhaupt nicht den Tatsachen und der Realität.

Ich glaube, dieses Argument zieht an dem Punkt nicht, sondern ich finde, wir müssen hier schon darauf achten, worauf das letztendlich gebaut ist. Wir haben auch in sämtlichen pädagogischen Fragen durchaus einmal reflektiert, Mädchen und Jungen getrennt zu beschulen, das gibt es ja auch, Stichwort Sexualkundeunterricht. Das sind ja andere Zusam––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

menhänge, als dass wir einfach sagen könnten, umgekehrt gibt es diese Veranstaltungen, bei denen Männer nicht hineindürfen. Dies ist bei dieser Art von Veranstaltungen und Traditionen nicht das Argument, das für uns bezüglich der Beteiligung von Frauen zählen kann.

Ich bin der Meinung, dass hier tatsächlich das Parlament mit gutem Beispiel vorangehen muss, und wenn man bedenkt, dass wir das im Jahr 2013 immer noch nicht tun, halte ich auch daran fest, dass Senatorinnen und Senatoren diese Verantwortung haben. Wir können vielleicht sagen, sie sollten darauf hinwirken. Wenn es letztendlich ein Thema ist, das Frauen relativ wenig interessiert, dann können sie vielleicht selbst entscheiden, ob sie dort hingehen wollen oder nicht, aber es kann nicht angehen, dass dies von vornherein nicht möglich ist.

Ich finde, so etwas kann man nicht unterstützen, und ich hoffe, dass wir durch diesen Antrag in der Debatte in dieser Stadt ein großes Stück weitergekommen sind und insofern diese Symbolwirkung eindämmen konnten. – Danke schön!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als vor einigen Jahren Lakshmi Mittal Gast der Schaffermahlzeit war, hat er aus diesem Anlass das Stahlwerk ArcelorMittal besucht. Im Übrigen ist man davon überzeugt, dass die Investition von vielen Millionen Euro damit zu tun hat, dass er das erste Mal dieses Stahlwerk gesehen hat, das ihm gehört. Als Dieter Zetsche, der Chef von Mercedes-Benz, in der Stadt des zweitgrößten Standorts des Konzerns war, hat er sich davon überzeugen können, dass Bremen und die gesamte Region hinter der Automobilindustrie stehen. Als Tom Enders in Bremen war, hat er sich davon überzeugen können, dass Astrium und Airbus großartige Unternehmen im EADS-Konzern sind.

Diese Schaffermahlzeit hat eine Bedeutung, die für Bremen wichtig ist, sie übernimmt eine wichtige Funktion. Ich glaube aber, diese wichtige Funktion, für Bremen zu werben, hat sie nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich kenne viele, die wir einladen könnten, um Bremen nahezukommen, um Bremen besser kennenzulernen, um in Bremen etwas zu unternehmen, zu investieren, kulturell etwas zu tun. Ich glaube, dass wir uns eine große Chance entgehen lassen, wenn wir nicht auf Frauen setzen, sondern wenn wir sagen, eine Veranstaltung nur für Männer reicht uns.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich weise aber darauf hin, es sind keine Veranstaltungen, weder die Schaffermahlzeit noch die Eiswette, die vom Senat veranstaltet werden, sondern es sind private Veranstaltungen. Um auf die Frage von Frau Motschmann einzugehen: Ja, das Haus Seefahrt gibt dem Bürgermeister ein Vorschlagsrecht für zwei Personen, aber es gibt ihm nicht die Möglichkeit, Einladungen zu verschicken. Ich sage Ihnen, wie ich davon Gebrauch mache! Ich sage dem Haus Seefahrt, dass ich zwei Namen zur Einladung für die Schaffermahlzeit habe, einen Mann und eine Frau. Daraufhin fragt man mich vom Haus Seefahrt nach den Namen, und dann sage ich, die nenne ich nur, wenn mir versichert wird, dass eine Frau eingeladen wird. Dann wird das in den Gremien vom Haus Seefahrt besprochen, und bisher waren die Rückmeldungen so: Herr Bürgermeister, wir haben es diskutiert, es gibt einige Stimmen dafür, aber auch einige Stimmen dagegen, wir brauchen noch etwas Zeit. Ich frage: Monate, Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte? Die Antwort ist, es wird irgendwann kommen, und darauf ist meine Antwort, dann schlage ich niemanden vor. Wenn ich eine Frau nicht vorschlagen kann, dann schlage ich auch keinen Mann vor. Das ist meine Antwort darauf.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)