Das ist falsch! Wir werden prüfen, ob wir uns als eigene Region, wenn es nicht mehr acht Regionen, sondern nur noch vier oder fünf sein werden, in diesem Wettbewerb bewerben. Natürlich hat das Thema Elektromobilität nach wie vor für den Senat eine große Bedeutung. Wir werden es mit dem Fraunhofer-Institut und auch mit dem hier ansässigen Mercedes-Werk weiter vorantreiben.
Wir sind ja zum Beispiel bei der Entwicklung des Carsharing Pioniere gewesen, das wissen Sie. Wir sind mit Daimler auch im Gespräch über das Projekt car2go, ob es nicht nur in Hamburg, sondern auch in Bremen gemacht werden kann. Das ist völlig unabhängig von Bewerbungen der Modellregion zu sehen. Im Hinblick auf die Modellregion ist es so, dass sich, wenn wir nur vier Regionen haben, die Vorstellungen der Konzerne weitgehend wiederfinden, sodass man dort, wo die Konzerne sitzen, auch entsprechende Regionen berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund muss Bremen überlegen, wie es sich in diesem Wettbewerb beteiligt. Eine Beteiligung an zwei Modellregionen ist dann möglich, wenn es mit Niedersachsen gemeinsam geht. Das wäre für uns auch eine durchaus vorstellbare Möglichkeit.
Das Thema Carsharing ist ja nicht originär nur auf die Elektromobilität zurückzuführen, sondern betrifft auch alle anderen Antriebsarten, insbesondere von Pkws. Da Elektromobilität ein sehr breites Feld ist, wo sehen Sie für die Region Bremen einen Schwerpunkt in der Breite der Themenvielfalt, was das Thema Elektromobilität angeht?
Wir sind in der Region Bremen bei der Forschung sehr führend. Das IFAM-Institut, Fraunhofer-Institut Bremen, hat hier innerhalb des Fraunhofer-Konzerns selbst eine führende Stellung. Wir unterstützen das IFAM-Institut bei der Entwicklung neuer Konzepte für die Elektromobilität.
Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass auch das Thema Carsharing ganz entscheidend mit dem Thema Elektromobilität zusammenhängt, denn nur, wenn es neue Konzepte auch für Autos und des Antriebs gibt, macht Carsharing letztlich auf Dauer Sinn. Deswegen ist bei allen Konzernen dieses Thema sehr eng mit dem Thema Elektromobilität verbunden.
Wir werden in dieser Richtung weiter gehen. Wir sind stark in der Forschung, wir sind aber bei der Produktion von Autos auf dem Gebiet Elektromobilität nicht stark. Die Elektromobile von Daimler werden in anderen Regionen und in anderen Werken gefertigt.
Verzeihen Sie meine Unwissenheit, Herr Staatsrat, aber können Sie mir erläutern, in welchen Bereichen das IFAM forscht? Was meinen Sie damit? Auch da gibt es eine ganz große Breite, es ist das Thema Infrastruktur, es kann das Thema Antriebstechnik sein, Verfügbarkeit und so weiter. In welchem Bereich forscht das IFAM?
Über das IFAM-Institut sind im vergangenen Jahr über 100 Elektroautos angeschafft worden. Bremen hat damit die höchste Dichte bei Elektrofahrzeugen je Einwohner. Zugegebenermaßen ist das eine Zahl, die relativ gering ist, es sind nämlich 7,4 Elektroautos pro 100 000 Einwohner, andere Städte liegen bei 3,6 und anderen Zahlen. Wir haben hier Elektroautos im Einsatz, hier wird getestet, wie sie im Alltagsleben von Menschen und Unternehmen genutzt werden können, das macht das IFAM. Es werden detaillierte Untersuchungen gemacht. Das IFAM ist weiterhin an der Logistik und auch im Bereich der Materialforschung beteiligt. Der Bericht des IFAM und der Region Elektromobilität wird in den nächsten Wochen auch veröffentlicht.
Gibt es über das Unternehmen Daimler, das unbestritten ein sehr wichtiges Unternehmen am Standort ist und auch mit ausgewiesener Expertise im Bereich der Mobilität, weitere Kontakte zu Unternehmen, die sich mit dem Thema Elektromobilität in Bremen beschäftigen?
Ja! Es gibt etwa 40 bis 50 Unternehmen, die wir gemeinsam mit der Handelskammer erfasst haben, die das Thema interessiert. Wir haben auch mehrere Sitzungen mit Unternehmen gehabt, um mit ihnen zu beraten, wie eine Einführung von Elektromobilität sinnvoll ist. Sie müssen allerdings dabei beachten, dass das Thema Elektromobilität heute beim Einsatz von Autos noch nicht auf der Tagesordnung steht, sondern wir werden da noch einige Jahre brauchen, das zeigt schon die Zahl von 100 Elektroautos, viel mehr sind im Moment überhaupt nicht zu beschaffen. Das kommt in den nächsten Jahren. Firmen wie Nehlsen und einige andere sind daran sehr interessiert, Elektroautos in ihrem Fuhrpark mit einzusetzen.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Mit Beantwortung dieser Anfrage ist die Fragestunde beendet. Bevor ich die Aktuelle Stunde aufrufe, darf ich noch mitteilen, dass zwischenzeitlich interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 14 in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 29, es handelt sich um Seepiraterie, auf morgen, 10.00 Uhr, zu verschieben. Ich stelle Ihr Einverständnis fest.
Für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Dr. Kuhn, Dr. Güldner und Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen sowie dem Abgeordneten Tschöpe und Fraktion der SPD folgendes Thema beantragt worden: „Euro-Krise bedroht Bund, Länder und Gemeinden – keine Zeit für billigen Populismus“.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Morgen wird der Bundestag, übermorgen wird der Bundesrat über die Erweiterung des Rettungsschirms der Euroländer ent
scheiden, eine Entscheidung von großer Tragweite. Bis heute ist nicht sicher, ob die Bundesregierung dafür eine eigene Mehrheit im Bundestag haben wird. Im Bundesrat wird es keinen Widerspruch geben, auch das Land Bremen ist für diesen Schritt.
Wir Grüne unterstützen das, und wir finden es richtig, das heute angesichts der Tragweite der Entscheidung öffentlich auch zu begründen, denn es gibt auch Kritik, Einwände, viele Fragen und Verunsicherung im Land, eine Verunsicherung, die einige unverantwortliche Politiker der Berliner Koalition nutzen wollten, um sich selbst zu retten. Sie sind damit gescheitert, aber das Problem bleibt ja: Wie kann eine Koalition Ruhe und Vertrauen wieder herstellen, die sich selbst nicht traut, meine Damen und Herren, das ist ein offensichtliches Problem!
Die heutigen Entscheidungen haben eine lange Vorgeschichte, und gestatten Sie mir, auf diese Vorgeschichte etwas einzugehen! Im September 2008, mitten in der anschwellenden Finanzkrise, haben Verantwortliche in den Vereinigten Staaten beschlossen, die Bank Lehman Brothers pleite gehen zu lassen. Die Argumente waren damals in der Debatte, man könne doch nicht jede marode Bank auf Dauer stützen. Wer es nicht kann, muss es eben lassen und gehen. Es kann doch nicht sein, dass die Steuerzahler für die wahnsinnigen Fehler der Banken zahlen, sondern das müssen die Banken selbst tun. Das klingt alles gut, meine Damen und Herren, es war aber dennoch ein verheerender Irrtum.
Der Zusammenbruch von Lehman Brothers hat mit weitreichenden Folgen für die reale Wirtschaft innerhalb von Stunden die Finanzwelt rund um den Globus erschüttert, auch hier in Bremen, wir erinnern uns daran. Warum ist das so? Weil die Finanzinstitute global verflochten und aufeinander angewiesen sind, sie aber das Vertrauen zueinander verloren hatten! Nichts ging mehr zwischen ihnen. Sie hatten zu diesem Misstrauen auch jedes Recht, denn die Banken selbst waren auch die Ursache und der Grund dieser Krise.
Bei den berüchtigten Derivaten, um die es damals ging und die erfunden worden waren, geht es nicht mehr um Realität, sondern um Erwartungen und Befürchtungen. Es geht darum, was ich denke, was der andere über mein Denken möglicherweise denkt und so weiter, in immer höherer Potenz mit Wetten, mit Billionenumsätzen, mit computergestützem Herdentrieb; ein wunderbarer Raum, meine Damen und Herren, für Panik, Spekulation und – man muss es leider sagen – auch Betrug. Es heißt dann immer, die Märkte seien verunsichert. Das Problem ist, sie trauen sich selbst nicht mehr.
Wenn das die zugegebenermaßen nicht so schöne Realität ist, dann ist die Frage: Was ist die Aufgabe der Politik? Erstens ist es die Aufgabe zu reagie
ren. Unmittelbar nach der Lehman-Pleite haben Frau Merkel und Herr Steinbrück öffentlich erklärt, alle Spareinlagen in Deutschland seien sicher. Das war zwar kühn, aber richtig. Der Banken-Rettungsschirm wurde aufgespannt, und auch damals gab es die Kritik, warum man ausgerechnet die Banken stütze, die doch so unglaublich dumm und verantwortungslos spekuliert hatten. Es war trotzdem richtig, denn das Problem ist damals wie heute: Die Banken, Versicherungen, Hedgefonds, alles, was so die berühmten Märkte ausmacht, diskutieren nicht mit uns – das ist nicht ihre Art –, sondern sie handeln nach ihren eigenen Regeln und scheren sich nicht um die Folgen.
Deswegen die Frage: Was muss der Staat tun? Er muss entschlossen reagieren und klarmachen, dass er seine gesamte Autorität einsetzen wird, die Währung und das Finanzwesen stabil zu halten. Er muss aber zweitens zugleich agieren und endlich diese Märkte eingrenzen, regulieren, und das, meine Damen und Herren, hat diese Bundesregierung viel zu zögerlich und langsam begonnen. Das ist unsere Kritik.
Wir wären heute mit der Einführung der Finanztransaktionssteuer, mit der Einrichtung einer unabhängigen europäischen Ratingagentur, mit der Regulierung von Hedgefonds und so weiter viel weiter, wenn die schwarz-gelbe Regierung dies sofort angepackt hätte. Ich erinnere mich noch gut an die Debatten vor zwei bis drei Jahren hier im Hause, in der uns noch vorgeworfen wurde, dass die Finanztransaktionssteuer Unsinn wäre. Gott sei Dank hat sich die Meinung geändert, aber es kommt zu spät!
Ich bin überzeugt, die Regulierung und Zähmung der Finanzmärkte ist eine Überlebensfrage für unsere Gesellschaft geworden, für ihre wirtschaftliche Stabilität, aber auch für den sozialen Frieden in unserem Land, und manchmal denke ich, es ist eigentlich merkwürdig, dass so wenig gegen diese Banken demonstriert wird. Vielleicht haben sie auch keine Adresse, bei der man das machen kann, das ist vielleicht eine Erklärung dafür,
Die heutige Staatsschulden- und Eurokrise ist auch eine Folge der Finanzkrise von damals und der versäumten Konsequenzen. Die hohe Verschuldung der europäischen Staaten, auch die von Griechenland, auch die von Italien, ist nicht über Nacht gekommen, sie ist aber angestiegen infolge der Finanzkrise, und zwar sprunghaft. Diese berühmten klugen Märkte haben lange an dieser Verschuldung keinen Anstoß genommen, sie haben in ihrer bekannten Klugheit
Kredite ohne Ende vergeben. Praktisch über Nacht haben sie diese Auffassung aber verändert, sie haben die Kredite dramatisch verteuert und dabei kräftig mit hohen Gewinnen gegen einzelne Länder spekuliert.
Die Frage ist wiederum: Was muss die Politik in einer solchen Situation gegenüber den Märkten tun? Sie muss erstens schnell und unmissverständlich verdeutlichen, dass der Staat – oder in diesem Falle der europäische Staatenbund – der Spekulation entgegentritt und Zusammenbrüche mit verheerenden Folgen in jedem Fall verhindern wird, ob dies nun Banken oder Länder betrifft. Warum ist das so? Noch einmal: weil in Europa unsere Gesellschaften, unser Wirtschaften, unsere Finanzen so vernetzt, verflochten, voneinander abhängig sind, dass sich die Frage nach dem „sie“ oder „wir“ gar nicht stellt! Es geht um uns in dieser Frage, aber nicht um andere. Deswegen sind die Beschlüsse, die morgen und übermorgen gefasst werden sollen, eben richtig, sie müssen sein.
Ich habe persönlich durchaus Respekt vor der Aufgabe, solche Krisen mit Partnern, die nicht mit uns diskutieren, sondern ganz anderen Regeln folgen, in der Demokratie, in einer Union vieler Demokratien zu bewältigen, aber die schwarz-gelbe Regierung hat im letzten Jahr immer wieder denselben Fehler begangen: Sie hat gezögert und die richtigen Maßnahmen, die Hilfen, die sie am Ende dann doch durchgeführt hat, erst einmal zerredet, bevor sie gehandelt hat, sie hat in unverantwortlicher Weise Stimmung gegen ganze Völker geschürt, und das war ein schwerer politischer Fehler.
Sie hat es deswegen nicht verstanden, ihre Fraktionen, ihre Parteien von ihrer Linie zu überzeugen – die durchaus in der Bundesregierung vertreten ist, das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen –, sie hat im Gegenteil einen Vizekanzler, der, um sich selbst zu retten, öffentlich vom Konkurs Griechenlands spricht und gegen Europa stichelt. Das ist in einer Weise dilettantisch und verantwortungslos, dass man nicht versteht, dass dieser Vizekanzler gestern auch noch gestreichelt und für ihn Hof gehalten wurde. Ich verstehe das nicht!
Wiederum ist aber die klare Reaktion, die buchstäblich die ganze Welt von uns erwartet, nur das eine.
Die zweite Aufgabe ist offensichtlich, wir müssen herunter von unseren Schuldenbergen. Das wird lange dauern, und für einige Staaten wird es sehr schwierig werden. Niemand von uns weiß heute ganz genau, wie das gelingen kann. Hilfen bei Zukunftsinvestitionen, Hilfen beim Umbau von Reformen wer
den sicher dazugehören, aber jede Nation muss es für sich selbst machen, und diejenigen, denen geholfen wird, sind selbstverständlich auch in der Pflicht. Das wissen sie auch, und es verdient doch auch wirklich – das will ich einmal sagen – hohen Respekt, was in Griechenland, in Irland, in Portugal und Spanien schon geleistet worden ist. Es gibt gar keinen Grund, mit Häme über sie herzuziehen, sondern das muss man mit Respekt anerkennen. Meine dritte und entscheidende Schlussfolgerung ist: Wir brauchen mehr europäische Zusammenarbeit und Integration, aber nicht weniger. Wir müssen den Euro verteidigen, denn die gemeinsame Währung hat entscheidend zur Stabilisierung der europäischen Wirtschaft und ihrer Handlungsfähigkeit in der Welt beigetragen. Die deutsche Wirtschaft, die deutsche Gesellschaft hat am meisten vom Binnenmarkt und der Währung profitiert, das wissen wir doch hier in den Handels- und Industriestädten Bremen und Bremerhaven am besten. Die gemeinsame Währung braucht auf Dauer aber eine gemeinsame Politik. Sie war damals noch nicht zu haben, aber jetzt ist sie das Gebot der Stunde: gemeinsame Politik für eine konsequente Regulierung der Finanzmärkte, gemeinsame Politik der Eindämmung der Staatsschulden mit klaren Regeln und auch Sanktionen und nicht willkürliche Entscheidungen von Regierungschefs, die Gefälligkeitsentscheidungen waren, Schritte auf dem Weg zu einer wirkungsvollen Koordinierung der Haushalts- und Wirtschaftspolitiken der Einzelstaaten, damit früh auf unheilvolle Entwicklungen und ökonomische Ungleichgewichte reagiert werden kann, Harmonisierung der Steuerpolitik und natürlich Regelungen für die gemeinsame geschlossene Abwehr von Spekulation und für Hilfen. Da geht es um den neuen Stabilitätsmechanismus, den sogenannten ESM, der auch Regeln für Umschuldungen und die Beteiligung der Privaten enthalten wird und muss, da geht es auch um gemeinsame Staatsanleihen der Euroländer, der sogenannten Eurobonds, für die die Kommission demnächst einen Vorschlag machen wird. Die Bundesregierung lehnt die Eurobonds – ich sage einmal in Klammern noch – ab. Es wird ja vieles erst einmal abgelehnt, um es dann doch mit dem Argument zu machen, dass es nicht anders geht. Die Wahrheit ist, so wie wir alle, auch die Länder, seit 2008 für die deutschen Banken haften, haften wir bereits jetzt auf verschiedene Weise für die Schulden der Länder, denen wir helfen. Die Eurobonds sind eine Idee, das verlässlich zu gestalten und einen großen attraktiven Markt für Euroanleihen zu schaffen, der – und das ist das Entscheidende – spekulative Angriffe auf einzelne Staaten, die verletzlich sind, verhindert.
Es gibt dabei das Risiko höherer Zinsen für Deutschland und auch für Bremen, wobei die bisher kursie
renden Zahlen zunächst einmal reine Spekulation sind. Eines ist aber sicher: Das Risiko für Bremen, wenn es zur ökonomischen Krise käme – wie es von manchen schon befürchtet wird, weil Bedenken und Angst entschlossenes und vorausschauendes Handeln verhindern –, wäre mit Sicherheit erheblich größer.