Meine Damen und Herren, man kann, wenn man wirklich will und daran glaubt, eine Enquetekommission zur Verbesserung der Situation unserer Bürgerinnen und Bürger einsetzen.
Wir glauben, dass die Bekämpfung der Armut ein Thema ist, dem wir uns bis zum Ende der Legislaturperiode auch hier intensiv widmen sollten. Die bisherigen Ansätze zur Bekämpfung der Armut sind an ganz unterschiedlichen Ursachen und fernab von politischen Verantwortungen gescheitert: an Ressortgrenzen, an der Fehlbarkeit von Maßnahmen, an unzureichendem Geld und an fehlerhaftem Einsatz von Geld. Die Chance, den Menschen in Bremen und Bremerhaven wirklich zu helfen, haben wir hier im Parlament, und, meine Damen und Herren, wir haben auch die Verantwortung dafür! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Donnerwetter, sage ich einmal! Da macht sich die CDU also auf, in der Sozialpolitik neue Wege zu gehen. Das will und muss man ernst nehmen. Allerdings muss ich auch sagen, Herr Röwekamp, was mich überrascht. Jedes Mal, wenn Sie sozialpolitisch sozusagen in die Luft springen, landen Sie regelmäßig auf der verkehrten Seite des Zauns.
Wieso fordern Sie eigentlich jetzt das, was wir Arbeitsund Sozialpolitiker schon lange fordern, nämlich dass man mit diesem Unsinn der befristeten Ein-Euro-Jobs oder ähnlichen Befristungen aufhört, wenn uns die Bundesregierung gleichzeitig sozusagen eine Instrumentenreform auf den Tisch legt, die das, was Sie gerade gefordert haben, unmöglich macht?
Ich glaube, die CDU möchte weg von dem Image, sozial kalt zu sein, und versucht jetzt, hier in Kuschelwärme zu machen und uns sozusagen vorzuführen.
Mich ärgert maßlos, dass der CDU-Vertreter nicht ein Wort zur Verantwortung der Wirtschaft in Fragen der Armut verloren hat. Nicht ein Wort zur Verantwortung der Wirtschaft!
Es kann doch wohl nicht angehen, dass man sich mit aller Macht gegen den Mindestlohn stellt, obwohl das, wie hier hunderttausend Mal diskutiert worden ist, eine untere Grenze gegen die Armut ist. Wieso stimmen Sie dem eigentlich nicht zu, Herr Bensch? Wieso stimmen Sie dem nicht zu?
Jetzt hier ganz verständnisvoll über die Leiden der Armen zu reden – herzlichen Glückwunsch! Herzlichen Glückwunsch! Das machen wir, die Grünen, aber auch die SPD, seit Jahren.
Dass Sie so aufgeregt sind, wundert mich nicht. Ich will Sie einmal eines fragen – da bleibe ich auch wirklich hartnäckig –: Sie sagen, Sie wollen das hier ideologiefrei diskutieren. „Ideologiefrei“ – was heißt das eigentlich? Wollen Sie nicht begreifen, dass steigender Armut auf der einen Seite steigender Reichtum auf der anderen Seite gegenübersteht und dass es einen Zusammenhang gibt zwischen immer mehr Menschen, die reich und immer reicher werden, und immer mehr Armen? Glauben Sie, dass es da keine Zusammenhänge gibt, oder was heißt „ideologiefrei“?
Ich will an dieser Stelle auch etwas sagen. Sich hinzustellen und zu sagen, alle Maßnahmen, die in den letzten Jahren in Bremen ergriffen worden seien, seien schlicht erfolglos, heißt, dass sie ein komplettes Netzwerk, ein sehr breit aufgestelltes Netzwerk, kurzerhand beiseiteschieben. Mich ärgert das, weil in dem Bereich sehr, sehr viele Menschen sehr gute Arbeit machen.
Warum sagen Sie denn nicht in der Sozialdeputation: „WiN-Gebiete müssen besser unterstützt werden!“? Ich glaube, Sie haben sich bei der letzten Diskussion über diese Frage in der Sozialdeputation enthalten. Warum stehen Sie nicht genau zu diesem Programm, das übrigens bundesweit allerhöchste Anerkennung findet? Das sind alles Teile einer Armutsbekämpfung. Aber sich jetzt hier so hinstellen! Ehrlich gesagt, ich würde mich freuen, wenn das ernster gemeint ist, als ich das im Moment empfinde.
In Wirklichkeit ist es verrückt. Es gibt Analysen – ich habe einen ganzen Packen mitgebracht, weil ich gedacht habe, vielleicht müssten Sie das noch einmal nachlesen –, es gibt unzählige Berichte, wir haben eine präzise Analyse der Verhältnisse hier in Bremen, wissenschaftlich fundiert, politisch begleitet. Es gibt überhaupt keinen Erkenntnisbedarf. Wir wissen genau, was wir tun müssen. Aber immer dann, wenn wir Vorschläge machen, das auch zu tun, ist die CDU als Erste dagegen.
Sie haben vor gar nicht langer Zeit, in der Großen Koalition – ich erinnere mich sehr genau daran –, im Sozialressort 90 Millionen Euro einsparen wollen. Dann gab es Verhandlungen, und am Ende hat man sich geeinigt: 40 Millionen Euro, das müsste gehen. – Ich sage Ihnen, in dem Bereich sind Einsparungen außerordentlich schwierig. Richtig ist, dass wir genau hinschauen müssen, welche Maßnahmen wie unterstützt werden. Da muss man genau hinsehen. Natürlich gibt es auch einige Maßnahmen, von denen ich nicht davon überzeugt bin, dass sie genau richtig sind. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass alle Maßnahmen nichts geholfen hätten? Oha, kann ich nur sagen! Oha!
Ich glaube, ehrlich gesagt – ich will mich einmal eines Gedankenmodells bedienen –, Sie gehen jetzt durch die Beiräte und versuchen dort, den Gedanken der Enquetekommission zu vermitteln. Ich glaube, sie schmeißen sich jetzt an die Beiräte, und das ist überaus populistisch.
(Beifall bei der SPD – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das ist Ihnen ja auch völlig fremd, das Thema! – Abg. B e n s c h [CDU]: Ganz mieser Stil, Herr Möhle! – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Das ist die ernsthafte Aus- einandersetzung à la Möhle!)
So waren Sie im Übrigen immer schon, und ich sage: Herzlich Willkommen in der untersten Schublade! – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir waren einigermaßen von den Socken.
Von den roten Socken, natürlich! Wir waren ziemlich überrascht, als wir das von der CDU gelesen haben. Aber ich denke, man muss sich natürlich ernsthaft damit auseinandersetzen.
Ich will zu Anfang – ich habe gleich gesagt, dass ich heute zweimal zu dem Thema reden werde – etwas zitieren:
„In Bremen und Bremerhaven sind besonders viele Menschen arm. Mehr als 100 000 Menschen im Land Bremen müssen von sozialen Leistungen leben. Jedes dritte Kind muss in Armut aufwachsen. Die hohe Arbeitslosigkeit und der Abbau sozialer Hilfen haben ebenso zur Verarmung beigetragen wie die Tatsache, dass Erwerbsarbeit oft schlecht entlohnt wird, dass die Menschen davon nicht leben können.“
„Aus diesem Grund ist ein integriertes und ressortübergreifendes Gesamtkonzept in Form eines ‚Masterplans‘“ – eines „Masterplans“ Armutsbekämpfung – „dringend erforderlich, eigentlich längst überfällig. In diesem Plan müssen alle relevanten Dimensionen von Armut und deren Folgen erfasst werden. Gegenstrategien, Etappenziele und konkrete Instrumente der Maßnahmen der Armutsbekämpfung müssen benannt werden.“
„Auch die Einsetzung einer Enquetekommission wäre eine denkbare Formel, die losgelöst von parteipolitischen Auseinandersetzungen in einem großen Zusammenspiel gesellschaftlicher Kräfte nach Lösungen suchen kann.
Wenn ‚Armut als Lebenslage‘ interpretiert wird, müssen in diesem Zusammenhang neben der Einkommensdimension insbesondere die Bereiche Bil
Jetzt lasse ich wieder einiges aus. Danach kommt der Beschlussteil, und dort heißt es unter einem Punkt:
„Die Bürgerschaft (Landtag) spricht sich dafür aus, die Entwicklung des ‚Masterplans Armutsbekämpfung‘ als einen partizipativen Prozess zu organisieren. Sowohl die Fachöffentlichkeit als auch die allgemeine Öffentlichkeit sollen in geeigneter Weise in seine Erstellung einbezogen werden. Dazu können unter anderem öffentliche Anhörungen, Experten/innengespräche, Stadtteilkonferenzen oder Fachkommissionen“ – in den Quartieren – „dienen.“
Das war der Masterplan Armutsbekämpfung, den wir als LINKE damals gefordert haben. Die CDU hat ihn abgelehnt, die SPD hat ihn abgelehnt, die Grünen haben ihn abgelehnt. Wir haben uns damals, im Jahr 2008, weil die anderen Fraktionen nichts getan haben, gezwungen gesehen, die erste Armuts- und Reichtumskonferenz selbst zu veranstalten. Das ist der Bericht dazu. Das war am 7. Juni 2008.
Wir haben dann weiter, da immer noch nichts passiert ist, einen Landesplan zur Bekämpfung der Armut vorgelegt. Mit dem Material vom 22. Mai 2011 haben wir sozusagen einen abgestimmten Plan für den Wahlkampf vorgelegt und dargestellt, was Armutsbekämpfung kosten würde.
Vor dem Hintergrund kommt es einem in der Tat ein bisschen komisch vor. Sie haben den Text am Anfang gehört. Man kann sich jetzt überlegen, ob Herr Bruch oder wer das geschrieben hat, das auch gelesen hat. Ich will ja nicht sagen, dass Sie abgeschrieben haben, aber es sind doch sehr viele Parallelen zu erkennen. Wir sagen in aller Deutlichkeit: Es fällt uns ausgesprochen schwer, jetzt von einem solchen CDU-Plan zu hören, in dem Dinge, die wir schon immer gefordert haben, die jedoch immer wieder abgelehnt wurden, in diesem Haus jetzt von der CDU vorgetragen werden und in dem dafür geworben wird. Wir sollten das doch alle gemeinsam machen.