Protokoll der Sitzung vom 26.02.2014

statt, und es gibt Umfragen, die einfach zeigen, 65 Prozent der Deutschen befürworten die Aufhebung des Friedhofzwangs in Deutschland. Sie wägen durchaus alle Gründe für und wider ab.

Der Ort der Trauer muss gewährleistet sein. Ja, das finde auch ich! Aber es muss nicht per Definition zwangsläufig ein Friedhof sein. Wir haben diese Ausnahmen schon: die Seebestattungen.

Verstorbene sind keine Verfügungsmasse, stimmt auch. Aber für uns ist ganz wichtig und ausschlaggebend: Es zählt am Ende trotzdem der letzte Wille des Verstorbenen. Wir müssen zwischen dem letzten Willen und den Rechten der Allgemeinheit eine Abwägung treffen. Das heißt, wir brauchen am Ende des Tages konkrete Regelungen für diese einzelnen Fälle. Beachtet werden müssen bei diesen Regelungen wirklich und in der Tat die Würde des Verstorbenen, die Pietät, aber auch die Rechte von Dritten.

Ich kann mich selber outen, weil immer so getan wird: Ja, das ist jetzt irgendwie so. Die Kirchenmitglieder sehen es anders. – Auch ich gehöre der evangelischen Kirche an. Aber meine Auffassung, was den Friedhofszwang angeht, ist trotzdem eine andere – vielleicht auch religiös begründet, aber nicht, weil mir jemand gesagt hat, Friedhofszwang muss beibehalten werden, sondern weil ich einfach den Menschen zuhöre, die mit den Problemen zu uns gekommen sind, ob es Bestatter waren – –. Auch Bestatter sind im Übrigen nicht gleich Bestatter. Der deutsche Verband der unabhängigen Bestatter befürwortet unseren Vorstoß. Es sind Menschen zu uns gekommen, die von ihren Problemen geredet haben. Ich finde, davor kann man nicht die Augen zumachen, sondern man muss für sie eine Lösung finden.

Ich möchte mit dem Zitat, Herr Röwekamp, enden: Der Mensch, an den du denkst. Ja, ich finde das richtig: Der Toten und Verstorbenen muss gedacht werden. An Menschen kann gedacht werden. Gedenken kann meiner Meinung nach aber auch außerhalb von Friedhöfen stattfinden. Würde ist nicht auf den Friedhof beschränkt, meine Damen und Herren! – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Thema der Aktuellen Stunde liegt keine weitere Wortmeldung vor.

Wir haben noch ein drittes Thema zur Aktuellen Stunde. Es ist nun aber eine Minute vor 13 Uhr. Ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten, die bis 14.30 Uhr geht, dann mit dem dritten Thema der Aktuellen Stunde fortfahren und das gesetzte Thema im Anschluss an das dritte Thema der Aktuellen Stunde aufrufen. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses tagen um 13.00 Uhr, sind eingeladen.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung der Bremischen Bürgerschaft.

(Unterbrechung der Sitzung um 12.59 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe des Forums Deutsch-Türkische Akademikerinnen. – Herzlich willkommen in unserem Hause!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung fort mit dem dritten Thema in der Aktuellen Stunde.

Auf Antrag der Abgeordneten Doris Hoch, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordneten Sybille Böschen, Winfried Brumma, Klaus Möhle, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD diskutieren wir nunmehr

„Hebammen in Bremen bald ohne Versicherungsschutz – Berufsstand vor dem Aus?“

Ich rufe als erste Rednerin auf Frau Kollegin Hoch, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Jahren steigen die Jahresbeiträge der Versicherung für die freiberuflichen Hebammen so rasant, dass viele von ihnen nicht mehr in der Lage sind, die Beiträge zu leisten. Ab Juli 2014 sollen die Beiträge erneut um 20 Prozent steigen. Dann muss eine freiberufliche Hebamme über 5 000 Euro jährlich bezahlen, um sich bei der Geburtshilfe abzusichern. Diese Summe kann sie durch ihre Vergütung für ihre Leistung nicht erwirtschaften.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aktuell hat jetzt die Nürnberger Versicherung angekündigt, im Juli 2015 aus dem Versichertenkonsortium auszusteigen. Damit droht dem gesamten Berufsstand das Aus. Für uns Grüne kann ich sagen, meine Damen und Herren: Wir wollen, dass es den Beruf der Hebamme und ihre Freiberuflichkeit weiter gibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir wollen, dass Frauen entscheiden können, wo sie ihr Kind zur Welt bringen. Das ist leider schon heute nicht mehr der Fall. Immer mehr Hebammen haben wegen der Versicherungsproblematik aufgegeben. Auch in Bremerhaven haben wir ein Geburtshaus gehabt. Das musste 2013 wegen dieser Versicherungsproblematik schließen. Außerklinische Geburten sind in Bremerhaven nicht mehr möglich. Ich habe jetzt gehört, dass immer mehr Hebammen im Landkreis ihre Freiberuflichkeit aufgeben und dort die Vor- und Nachsorge nicht mehr gesichert ist. Hier ist etwas verloren gegangen, was wir so schnell nicht wieder zurückbekommen können. Wir möchten, dass uns nicht noch mehr Hebammen verloren gehen. Deshalb muss es endlich eine politische Lösung geben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Bundesministerium für Gesundheit nimmt die Sorgen der in der Geburtshilfe tätigen Hebammen sehr ernst. Hebammen leisten einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag für die medizinische Versorgung Schwangerer, junger Mütter und von Familien. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe einschließlich der Möglichkeit zur freien Wahl des Geburtsorts ist daher von besonderer Bedeutung und fordert auch eine angemessene Vergütung.

Meine Damen und Herren, das ist eine Pressemitteilung aus dem Bundesministerium für Gesundheit aus dem Mai 2012. Inhaltlich können wir alle, so denke ich, das unterschreiben. Aber 2012! Wir haben jetzt bald Mai 2014!

Ich möchte diese Aussage noch in zwei Punkten ergänzen, und zwar: Wir brauchen die Hebammen und ihren Berufsstand auch für das Kindeswohl. Wir brauchen sie für die frühen Hilfen. Sie können in die Familien gehen. Sie haben Vertrauen. Es ist uns wichtig, sie in dieser Präventionskette zu behalten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das möchte ich noch aus frauenpolitischer Sicht ergänzen. Manche Frauen suchen sich Hebammen, die sie während der Schwangerschaft und der Geburt sowie in der Nachsorge begleiten, besonders vor dem Hintergrund, dass sie die technisierte Medizin nicht so möchten, wie sie im Moment angeboten wird. Für sie gibt es ein gutes alternatives Angebot, was Hebammen für sie bereithalten. Die Kompetenzen und Ressourcen von Hebammen mehr zu nutzen, damit die stetig steigende Kaiserschnittrate von über 30 Prozent in Bremen gesenkt wird, das war auch unser Ziel in Bremen. Deshalb ist das Bremer Bündnis zur Un

terstützung der natürlichen Geburt gegründet worden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Gemeinsam mit Gynäkologinnen und Hebammen aus Klinik und Praxis sowie Kinderärztinnen und Krankenkassen sollen gemeinsame Empfehlungen für die Betreuung bei Schwangerschaft und Geburt erarbeitet werden. Wir unterstützen dieses Bündnis ausdrücklich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Doch wie wollen wir dieses Ziel, die Frauen zu stärken und zu unterstützen, ihr Kind natürlich zu gebären, verfolgen, wenn wir weiter zusehen, wie einer Berufsgruppe, nämlich der der Hebammen, die Luft ausgeht? Für mich ist es unerträglich, dass es seit Jahren zu keiner Lösung gekommen ist, sondern nur zur Absichtserklärung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Zur Vorbereitung dieser Aktuellen Stunde habe ich noch einmal in meinen Unterlagen nachgesehen: Gesundheitsministerkonferenz fordert Bundesregierung auf Drängen Bremens auf, endlich zu handeln. Juli 2010! Der heutige Senator war damals daran beteiligt. Auch in der Bürgerschaft haben wir dieses Thema mehrmals behandelt, und wir haben zuletzt 2012 den Antrag „Wirtschaftliche Existenz freiberuflich tätiger Hebammen sichern!“ verabschiedet. Wir haben vom Land Bremen sehr viel dazu getan. Deshalb möchte ich Sie heute nochmals dazu aufrufen, mit anderen Bundesländern den Druck ordentlich zu verstärken, damit es endlich zu einer Lösung kommt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es sah 2012 ein wenig so aus, als ob es etwas Licht am Ende des Tunnels gab. Es gab eine ministerübergreifende Arbeitsgruppe, damals noch von Herrn Minister Bahr und Frau Schröder ins Leben gerufen. Vordringlich wollten sie das Thema Berufshaftpflicht bearbeiten. Doch still ruht der See. Es ist wenig gekommen. Eine große Petition hat es gegeben. Aber auch sie hat wenig bewirkt. Es läuft im Moment eine weitere Petition. Auch die ist zu unterstützen. Aber auch jetzt – nach den alarmierenden Nachrichten, dass es bald keine Versicherung mehr geben wird – habe ich eine klare Botschaft aus dem Ministerium vermisst.

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Ja, das mag vielleicht sein. Aber ich kann nur sagen, was ich daraus gehört habe, und das ist nicht auf

Facebook zu lesen. Das Treffen am 18.2. im Ministerium wurde so beschrieben: wohlwollendes Zuhören vom Gesundheitsminister! Wir hätten, wie gesagt, das klare Signal erwartet: Wir wollen, dass nicht noch mehr Hebammen aufgeben. Wir lösen dieses Problem bis zum Sommer, damit die Hebammen eine Planungssicherheit haben und wissen, dass sie auch noch zukünftig schwangere Frauen begleiten können, die nächstes Jahr gebären.

Wir wissen, dass dieses Problem vielschichtig und auch sehr komplex ist. Aber das wissen wir schon seit Jahren. Vorschläge liegen vor: von den Prinzipien der an die Unfallversicherung angelehnten Haftpflichtversicherung für alle medizinischen Berufe bis zu einem staatlichen Fonds zur Deckelung der Versicherungsbeiträge. Diese Sachen müssen geprüft werden, und dann muss es eine Lösung geben.

Im Moment kann es auch eine Übergangslösung sein. Damit gebe ich mich zufrieden. Es bleiben aber die grundsätzlichen Fragen bei dem Thema Berufshaftpflicht, die alle damit verbunden sind. Wie soll es auch bei anderen Gesundheitsberufen in der Zukunft weitergehen, die mit neuen Aufgaben betraut werden, zum Beispiel Übertragung von ärztlichen Aufgaben? Doch zuerst müssen wir eine Lösung für die Hebammen finden. Hier brennt wirklich das Dach. Ich denke, wir alle hier im Haus können unterstützen, dass es weiterhin Hebammen geben soll. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Hebammentätigkeit ist in Deutschland seit Langem chronisch unterfinanziert. Die Haftpflichtprämien sind in den letzten Jahren explodiert, und damit gerät eine gesamte Berufsgruppe immer mehr in das wirtschaftliche Aus. Daneben – das sage ich hier ganz klar – werden auch das Recht von Frauen auf die freie Wahl des Geburtsortes und einer Hebamme ihres Vertrauens sowie die wohnortnahe Hebammenbetreuung insgesamt bedroht.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Außerdem sind die Vor- und Nachsorgeaufgaben für Frauen und Neugeborene durch niedergelassene Hebammen als wichtiger Bestandteil der gesundheitlichsozialen Präventionskette gefährdet. Die letzte Debatte, die wir dazu im Oktober 2011 geführt haben, hat das sehr deutlich vor Augen geführt. Aber das Ganze hat jetzt, so sage ich, eine Eskalationsstufe er

reicht, die es notwendig macht, hier erneut darauf einzugehen.

Aktuell haben wir die Situation, dass die Hebammen auf zwei Versicherer zugreifen können. Sie müssen sich versichern, damit eventuell auftretende Schäden während des Geburtsvorgangs entsprechend versichert sind. Der eine Versicherer – Frau Hoch hat das ausgeführt – hat angekündigt, dass er jetzt aussteigt. Der noch verbleibende Versicherer wird von den Hebammen selber als deutlich zu teuer beschrieben. Es kann eigentlich auch nicht sein, dass es eine Fokussierung auf ausschließlich einen privaten Anbieter in dem Bereich gibt.

Warum ist das Ganze so? Die Risiken einer Geburt sind überhaupt nicht gestiegen, auch die Anzahl der Geburtsschäden ist nicht größer geworden. Allerdings haben die Kinder, die heute mit einem Geburtsschaden geboren werden, Gott sei Dank eine deutlich höhere Lebenserwartung als in der Vergangenheit. Damit werden allerdings auch sehr viel weiter gehende Schadensersatzansprüche geltend gemacht, und die müssen über Versicherungen abgewickelt werden. Mittlerweile gehören die Fälle mit geburtshilflichem Zusammenhang zu den teuersten Haftpflichtfällen überhaupt. Die Kranken- und Rentenkassen der Geschädigten suchen bei diesen teuren Behandlungsfällen natürlich nach Verursachern, und sie versuchen, die Kosten entsprechend geltend zu machen.