flächendeckenden Mindestlohn zum 1. Januar 2015 verbindlich regeln. Natürlich bestehen auch noch in der Wirtschaft und in der Union verschiedene Forderungen nach Ausnahmen.
Nun, meine Damen und Herren, mag man, so wie ich, dies als bedauerlichen Eingriff in die Tarifautonomie beklagen, auf die wir alle immer so stolz gewesen sind, allen voran die deutschen Gewerkschaften. Aber beschlossen ist beschlossen. Nicht zu leugnen ist, dass der größte Teil – und damit die große Mehrheit des Wahlvolkes – ja schließlich dafür gewesen ist. Demoskopen zufolge gab es Zustimmungszahlen, die zwischen 65 und 75 Prozent schwankten. Dass gelegentlich der Eindruck erweckt wurde, als arbeite eine große Mehrzahl unterhalb des Mindestlohns, bedarf aber noch einmal einer Präzision. Von je 100 Arbeitnehmern verdienen weniger als 8,50 Euro in Westdeutschland gerade einmal 15, leider bedauerlicherweise im Osten des Landes nach diesen verheerenden Jahren der Diktatur der SED jedoch immerhin noch 27 Prozent, und das hängt zusammen, Herr Pohlmann!
Bei Vollzeitbeschäftigten sind es laut DIW – das ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung – gerade einmal 10 Prozent. Bei Vollzeitbeschäftigung 10 Prozent, bei Teilzeitbeschäftigung 18! Eines ist zugegeben, meine Damen und Herren: Bei ganz einfachen Jobs für Schüler, Studenten, macht es noch 43 Prozent aus und bei geringfügig Beschäftigten leider noch 54 Prozent. Es ist außer branchen- und regionenabhängig insbesondere – Frau Professor Dr. Quante-Brandt ist leider gegangen – qualifikationsabhängig.
Das muss man sich ja vor Augen führen. Denn von denen, die keinerlei berufliche Qualifikationen besitzen, sind 40 Prozent betroffen, der höchste Anteil. Bei denen, die einen Lehr- und Fachschulabschluss besitzen, sind es nur noch 12 Prozent, und bei denen, die einen Hoch- und Fachhochschulabschluss erlangen, sind es nur noch 4 Prozent. Das heißt, vernünftige Bildung – das hätte ich Frau Dr. Quante-Brandt zugerufen – ist also unmittelbar kausal für angemessene Vergütung und sicheren eigenen verdienten Lebensunterhalt. Von daher ein Appell an die Senatorin: An der Bildung hier in Bremen muss deutlich gearbeitet werden, dann werden auch die Mindestlohnanteile abnehmen!
Nun bleiben nach wie vor unterschiedliche Sichtweisen über die Auswirkungen. Frau Merkel hat gesagt, für sie überwiegen die Chancen des flächendeckenden Mindestlohns die Risiken des Arbeitsplatzverlustes. Vizekanzler Gabriel ist stolz auf die sozialdemokratische Handschrift im gesamten Koalitionsvertrag, und der BDI-Präsident Grillo sieht auf seiner Seite vertane Chancen und eher ein Signal des Stillstands als des Aufbruchs. Kurzum, man wird nicht ausblenden können: Der ökonomische Streit wird bleiben. Wie was wirken wird, werden wir dann bei
den Arbeitsmarktzahlen zeitversetzt sehen. Bei Erfolg wird es wie immer, lieber Herr Willmann – den gönne ich Ihnen –, viele Väter geben, und beim Versagen des Instrumentes erinnern wir uns dann an den mit der viel zitierten Handschrift.
Bremen mit der hiesigen Koalition kann sich anheften, vorangegangen zu sein. Das möchten wir Ihnen auch faktisch in keiner Weise nehmen. Den bürokratischen bis teilweise akribischen Aufwand einer SoKo Mindestlohn, deren Berichte wir ja in der Deputation für Wirtschaft und Häfen gehört und erlebt haben, mag jeder selbst beurteilen. Ich persönlich fand ihn übertrieben bis gelegentlich zumindest in der Wortwahl kriminalisierend.
Wer einmal in einem Betriebsausschuss von Musikschule, Volkshochschule und Stadtbibliothek miterlebt hat, welchen Aufwand externe Wirtschaftsprüfer betreiben mussten, um im Jahresabschluss zu bestätigen, dass selbst Zulieferer und externe Dienstleister dieser Einrichtung die Einhaltung des Bremer Mindestlohngesetzes belegen sollten, hat sich zusammen mit den politisch völlig neutralen Prüfern an den Kopf gefasst, so laut hat dort der Amtsschimmel gewiehert.
Jetzt sollten wir nach den Beschlüssen unseres Erachtens dem Berliner Gesetzgebungsprozess vertrauen. Vertrauen ist ja ein ganz großes Thema, Herr Dr. Kuhn, in der derzeitigen Koalition. Über sinnvolle Ausnahmen wird man sich regional nach Branchen und speziellen Gegebenheiten verständigen, wie Frau Nahles auch angekündigt hat. Dann wird voraussichtlich schon in zwei Monaten, im April, das Bundeskabinett entscheiden, und der gesetzliche Bundesmindestlohn wird kommen. Davor jetzt noch parallel am Bremer Landesgesetz zu schrauben und linke Rechenschiebereien zu bemühen, ist unseres Erachtens überflüssig, wenn nicht gar kontraproduktiv.
Schenken Sie in diesem Punkt Frau Nahles und ihrem Handschriftexperten doch bitte das notwendige Vertrauen, das wir ausnahmsweise in diesem Vorgang in ihn setzen! Freuen Sie sich als Bremer Senat, dass Sie Vorreiter waren, wo Sie sonst immer Schlusslicht sind,
und karten Sie nicht weiter nach! Ihre diesbezüglichen Anträge, Herr Rupp, erscheinen obsolet, bringen im Zweifel lediglich schwer erklärbare Lohndifferenzen und werden von uns abgelehnt. Wo demnächst Bundesrecht gilt, tritt abweichendes Landesrecht sinnvollerweise zurück. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass die CDU keine Probleme mit schlecht bezahlten Jobs und prekären Arbeitsverhältnissen hat, wissen wir rauf und runter. Wirklich!
Worauf es mir noch einmal ankommt, ist, tatsächlich zu sagen: Zwei Prozent ist das, was wir sozusagen erst einmal so fiktiv draufgerechnet haben. Sie können mir nicht allen Ernstes erzählen, dass das den Untergang des Abendlandes bedeuten würde und exorbitant viel wäre. Das ist minimal, das absolut Unterste, und es ist unter allen Tarifabschlüssen, die wir uns aktuell überhaupt vorgestellt haben. Das ist das eine.
Das andere, was mich in diesem Zusammenhang so maßlos ärgert, ist, dass dieses Bremische Landesmindestlohngesetz durch diese Art und Weise der Politik schlichtweg entwertet wird. Sie frieren es tatsächlich ein. Das ist etwas, was unseren Beschäftigten hier nicht mehr zugute kommen kann, weil diese Aussetzung mehr oder weniger nicht mehr eingeholt wird. Das ist das, was passiert.
Es ist ja schön, dass die CDU mit Frau Nahles zufrieden ist. Das lässt ja tief blicken. Wenn Herr Kollege Willmann sagt, irgendeine Koalition in Berlin habe dieses und jenes gerade ausgehandelt, lässt auch das tief blicken. Es ist letztendlich eine Anpassung an die politischen Verhältnisse, die sich im letzten Herbst herauskristallisiert haben. Das ist das, was hier passiert. Sie sollten offen und ehrlich damit umgehen, dass dieses, sagen wir einmal, rasante Herangehen an Ihren Landesmindestlohn mehr oder weniger komplett abgebremst und auf der Ebene von Symbolpolitik stehen geblieben ist. Das ist das Problem.
Ich möchte nicht, dass es das tut, denn die Beschäftigten leiden darunter. Jeder Auftrag, der aktuell vergeben wird, wird wieder auf der Ebene von 8,50 Euro vergeben. Das ist dann faktisch zwei Jahre lang der Fall. Das ist doch nicht zu vertreten. Ich kann mich entsinnen, dass wir das auch in diesem Hause anders diskutiert haben, denn dieses Gesetz, so wie Sie es reingeschrieben haben, hat ja Gründe. Letzten Endes bin ich immer noch der Meinung, dass hier nicht
die Landesmindestkommission regiert, sondern das Parlament und der Senat, und nicht die Kommission das festlegt. Das wollte ich nur noch einmal zur Klärung feststellen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ein paar Stichwörter, die mich irgendwie doch nicht sitzen lassen können. Also, Frau Bernhard, niemand hat die Ideen und auch den Rhythmus des Bremischen Landesmindestlohngesetzes eingefroren. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen. In der Mitteilung des Senates liest sich, dass die Landesmindestlohnkommission am 19. August und am 5. September getagt und ihre Arbeit mit dem Ergebnis abgeschlossen hat, keine Empfehlung für eine Erhöhung des Landesmindestlohns auszusprechen. Wem wollen Sie denn da jetzt das Wort reden?
Erstens. Die Landesmindestlohnkommission ist gesetzlich verankert. Zweitens. Sie hat getagt. Drittens. Sie hat auftragsgemäß dem Senat eine Empfehlung vorgelegt. Wollen Sie jetzt den Rat oder den Auftrag in Abrede stellen?
Natürlich passt die Mindestlohnkommission nicht an, weil sie keine Empfehlung abgegeben hat, und die Begründung findet sich auch darin. Sie sagt: Ein ausschließliches Abstellen auf die Inflationsrate ist von der Kommission erörtert, im Ergebnis aber verworfen worden. Andere Prämissen, die sie zu einer Erhöhungsempfehlung getrieben hätte, gab es für sie nicht. Sie müssen doch anerkennen, wenn die Tarifpartner zusammen mit der Wissenschaft in der Landesmindestlohnkommission sitzen und im Ergebnis nicht zu einer Erhöhungsempfehlung kommen, weil es ihrer Ansicht nach keine zwingenden Gründe dafür gibt. Das ist doch anzuerkennen.
Der Senat hat an der Stelle nichts anderes gemacht, als das Ergebnis der Mindestlohnkommission zu beschließen. Ich finde, daran gibt es gar keinen Aufreger. Ich wünsche mir für mich natürlich, dass die Löhne höher sind. Aber wenn die von mir gewollte Mindestlohnkommission so empfiehlt, danke ich dem Senat, dass er so entschieden hat. Alles richtig!
Herr Kau, manchmal frage ich mich – wir haben ja schon häufiger, auch wir beide, über den Mindestlohn gesprochen –, ob Sie eigentlich den Mindestlohn verstanden haben. Sie haben Ihre Rede damit angefangen, dass Sie ihn als Eingriff in die Tarifautonomie bezeichnet haben. Mitnichten ist der Min
destlohn ein Eingriff in die Tarifautonomie. Der Mindestlohn ist nichts anderes als die unterste Grenze, zu der Menschen in diesem Land Arbeit verrichten.
Alle Tarifpartner sind frei, Herr Kau, oberhalb einer gesetzlich festgelegten Grenze zu entscheiden. Ich kann Ihnen gerne noch einmal aufzählen, wie viele andere europäische Länder Mindestlöhne haben. Das wissen Sie alles. Das ist kein Eingriff in die Tarifautonomie, weder aus unserer Sicht, noch aus der Sicht derer, die an der langen Anhörung, die wir hier hatten, beteiligt waren, noch ist es ein Eingriff in die Tarifautonomie, was die Rechtsprechung angeht. Das müssen Sie als CDU anerkennen. Übrigens sind es, um nicht in Prozentzahlen zu arbeiten, fünf Millionen Menschen in dieser Republik, die zu weniger als 8,50 Euro arbeiten. Die meisten davon arbeiten übrigens unterhalb von 6,50 Euro. An der Stelle ist der Mindestlohn gerecht.
Sie haben, als Sie uns das so schön aufgezählt haben – ich würde das einmal so subsumieren –, von Lohnstandards nach sozialem Status gesprochen. Welchen Ausbildungsstatus habe ich, welchen Schulabschluss, was auch immer? Wenn Sie den Mindestlohn an den sozialen Status oder Bildungsstatus binden, dann unterlaufen Sie, wie ich finde, jedes Ziel irgendeines Mindestlohns und haben für mich nicht verstanden, worum es bei Mindestlöhnen geht.
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das hat auch keiner gesagt! Er hat gesagt, Bildung ist der beste Schlüssel für Mindestlohn!)
Bildung ist der beste Schlüssel, um mehr als den Mindestlohn zu erreichen, um dann bei im Rahmen der Tarifautonomie ausgehandelten Gehältern zu landen, aber der Bildungsstatus darf nicht der Grund dafür sein, keinen Mindestlohn zu bekommen.
Doch! Herr Kau hat gesagt, die meisten, die zu niedrigen Löhnen arbeiten und aufgrund der Entscheidungen da nicht wegkommen, hätten diese oder jene Bildungsabschlüsse und deshalb der Hinweis an Frau Quante-Brandt, an besserer Bildung in Bremen zu arbeiten! Der Mindestlohn hat nichts mit dem Bildungsstatus zu tun, denn er setzt – das habe ich eben gesagt – eine unterste Grenze, zu der man arbeitet. Daraufhin habe ich gesagt: Aus die Maus. – Dabei bleibe ich. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige kurze Anmerkungen dazu, denn die Debatte wiederholt sich ja doch mit unterschiedlichen Argumenten erneut. Ich will nur einmal eines in Richtung LINKE sagen, Frau Bernhard. Ich glaube, das Problem ist ein wenig, dass Sie Ihr Verhältnis zu Gewerkschaften klären müssen.
Zu der Frage: Welche Bedeutung hat ein Tarifvertrag? Wir wollen in Deutschland keine Scala mobile. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch, was das einmal war. Herr Rupp weiß es noch.
Wir wollen nicht sozusagen die automatische Anpassung von Löhnen und Gehältern per Gesetz an das, was durch Sachverständigenräte oder durch Politik festgestellt wird. Wir wollen, dass in diesem Lande freie und autonome Gewerkschaften mit freien autonomen Arbeitgeberverbänden Tarifverträge aushandeln, und zwar auf der Basis dessen, was sie selber für richtig halten. Das tangiert die Frage des Mindestlohnes natürlich, weil wir, wenn wir eine Untergrenze einziehen, die Verhandlung von freien autonomen Verbänden dazu – ich will nicht „lenken“ sagen – jenseits der Armutsgrenze einfangen und eine untere Linie ziehen. Das ist richtig, und das wollen wir mit dem Mindestlohn erreichen, das tun wir mit dem Mindestlohn.
Dass das so richtig ist – deswegen die Frage nach Ihrem Verhältnis zu den Gewerkschaften –, zeigt sich auch an der Entscheidung, einen Tarifvertrag im Bereich der Fleischindustrie zu machen. Sie müssten doch jetzt eigentlich die NGG dafür geißeln, dass sie einen Tarifvertrag mit 7,75 Euro die Stunde geschlossen hat. Warum tun Sie es nicht? Warum geißeln Sie hier uns? Warum geißeln Sie nicht die Gewerkschaft dafür, dass sie einen Tarifvertrag zu 7,75 Euro für einen begrenzten Zeitraum gemacht hat? Sie wusste genau, warum sie das macht. Das war eine sehr kluge Entscheidung. Deswegen ist dieses Abschieben eines zentralen Problems von Tarifautonomie auf die Politik nicht redlich. Das geht nicht, und das ist politisch falsch.