Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Als vierten Punkt müssen wir, ich glaube aber, gemeinsam mit Ihnen, in dem Ausschuss – das entnehme ich auch dem gemeinsam geeinten Antrag – über den Zugang zum Arbeitsmarkt von Menschen mit Migrationshintergrund reden, insbesondere mit Flüchtlingen. Ja, ich gebe auch zu, dass wir als CDU-Fraktion in der Vergangenheit nicht gerade viele Beiträge dazu geleistet haben, diesen Menschen für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eine Perspektive zu eröffnen. Wenn wir uns aber jetzt in einem Ausschuss auf ein gemeinsames Maßnahmenpaket verständigen wollen, dann finden wir, dass wir auch Menschen, die aus anderen Ländern hier unter uns leben – aus welchen Gründen auch immer, ob als Asylbewerber, als Bürgerkriegsflüchtlinge oder eben aufgrund eines verfestigten Aufenthaltsstatus durch Dauerduldung –, in Zukunft nicht vom Arbeitsmarkt ausschließen, sondern in den Arbeitsmarkt integrieren sollten.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die Bandbreite der Themen, die wir als CDUFraktion in diesem Ausschuss behandeln wollen. Ja,

es ist ein ehrgeiziges Programm, und nein, es gibt keine Erfolgsgarantie dafür, dass es am Ende ein gemeinsames Maßnahmenpaket gibt. Ich finde, wir sollten die Erwartungen an diesen Ausschuss auch nicht zu sehr in die Höhe treiben. Ein Armutskonsens, wie wir ihn in der Bildungspolitik gefunden haben, ist aus unserer Sicht nicht erreichbar, dazu sind ehrlicherweise – und das ist auch gut so! – die politischen Auffassungen der an diesem Ausschuss beteiligten Parteien einfach zu unterschiedlich.

Ja, wir müssen natürlich auch über Ihre Themen reden, die Sie in dem gemeinsamen Antrag genannt haben, und ich sage ganz bewusst und auch ganz offen an dieser Stelle: Es ist uns schwergefallen, den gemeinsamen Formulierungen des Antrags in jedem Punkt zu folgen, weil zum Beispiel die Fragen, ob wir Armutsbekämpfung nur und allein durch Umverteilung oder auch durch Umverteilung vornehmen können oder ob beispielsweise die Quartiersentwicklung ein Schwerpunkt der Tätigkeit in diesem Ausschuss sein sollte, nicht an allererster Stelle auf unserer politischen Agenda standen.

Deswegen hat es bei uns in der Fraktion eine lebhafte Debatte gegeben, und am Ende sage ich aber ganz bewusst, Herr Präsident: Wir als CDU-Fraktion werden dem Ausschuss trotz der Bedenken gegen die eine oder andere Formulierung und trotz der Vorbehalte auch gegen den einen oder anderen Arbeitsauftrag für diesen Ausschuss unsere Zustimmung geben. Wir wollen als CDU-Fraktion in diesem Ausschuss in der verbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode daran mitarbeiten, dass wir die Armutsbekämpfung neu denken, dass wir versuchen, uns auf ein Bündel gemeinsamer Maßnahmen zu verständigen, und uns über die Dinge, die uns trennen, natürlich auch weiter in Zukunft austauschen und streiten.

Lassen Sie es uns deswegen als Aufgabe des Ausschusses ansehen, ein gemeinsames Paket von Maßnahmen zu finden, wie wir die Menschen in Bremen und Bremerhaven vor solchen verfestigten Armutskarrieren bewahren und den Kindern in unserem Land bessere Chancen vermitteln können! – Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auf der Basis der eben gehaltenen Rede, finde ich, kann man an die Arbeit gehen. Ich denke, dass sich die Arbeit eines solchen Ausschusses auch lohnt. Das hat sich ja auch im Vorfeld dieses Beschlusses gezeigt, denn sonst hätte es, glaube ich, keinen Sinn. Das hatte ich auch bei Ihnen so verstanden, dass es, wenn nicht überwiegend, so aber ausreichend viele

gemeinsame Punkte gibt, über die geredet werden kann. Ich glaube, sonst wären wir gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass wir dieses Instrument vielleicht so in dieser Wahlperiode doch nicht einsetzen.

Meine Fraktion und ich sind froh, dass es zu dieser Entscheidung gekommen ist, weil es hier darum geht, in einer sehr wohlhabenden, dynamischen Region, in einem Bundesland, in dem es vielen Menschen sehr gut geht, den Fokus auf die zu legen, denen es nicht so gut oder richtig schlecht geht. Ich finde, es steht einem Parlament sehr gut an, den Fokus genau auf diese Menschen zu richten, anstatt sich nur in dem zu sonnen, was wir als Bruttoinlandsprodukt, großer Industriestandort und wirtschaftlich erfolgreiche Region, worauf wir sehr stolz sind, ansonsten begrüßen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der Grundgedanke ist, dass dieses Thema, Ursachen von Armut und wie man sie bekämpfen kann, ressortübergreifend und strategisch angegangen wird. Ich nenne jetzt einmal ein Beispiel, weil es einfach stimmig ist, auch wenn es vielleicht an der einen oder anderen Stelle schmerzt. Die Diskussion um die Grohner Düne hat gezeigt, dass wir an die Suche nach Antworten auf soziale Probleme, die wir in unserer Stadt ganz massiv haben, genauso herangehen müssen: ressortübergreifend, strategisch, langfristig in einem Zusammenspiel nicht nur der Sozial-, der Stadtentwicklungs-, der Wirtschafts-, der Arbeitsmarkt- und der Ausländerrechtspolitik, sondern auch mit vielen weiteren Thematiken. Bei diesem Beispiel bin ich immer noch hoffnungsvoll, dass uns das dort in BremenNord auch noch gelingt. Ich habe es aber hier mehr als ein Beispiel gebracht, um zu zeigen, warum wir so denken müssen, wenn wir tatsächlich auch Erfolge in diesem Bereich erzielen wollen: ressortübergreifend, strategisch und grundsätzlich offen.

Ich bin überhaupt nicht bereit, weder jetzt hier noch in diesem Ausschuss, hintanzustellen, wie viele positive, gute, engagierte, teure, aber auch wirksame Projekte es im Bereich der sozialen Arbeit in Bremen gibt. Ich bin überhaupt nicht bereit, das in irgendeiner Form zu leugnen, kleinzureden oder irgendwo hintanzustellen, im Gegenteil!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, das gehört zu dem Bild der Armutsbekämpfung in Bremen auch ganz massiv dazu.

Ich bin jedoch angesichts der Größe des Problems, das wir tatsächlich in unserer Stadt haben, dazu bereit, dass wir eben auch kritisch, selbstkritisch und über den Tag hinaus nach allen Seiten offen weiterdenken, was wir noch verbessern können, um mehr Menschen zu ersparen – und zwar entweder von vornherein oder indem wir sie in der Mitte des Lebens

aus dieser Armut noch herausholen –, dieses Schicksal in einer an sich sehr wohlhabenden Umgebung zu teilen.

Wir Grünen sind der Meinung, es ist selbstverständlich, dass strukturelle und sozio-ökonomische Faktoren dort eine große Rolle spielen. Wir haben immer betont, dass wir keine Almosen verteilen, sondern ganz harte politische Entscheidungen treffen wollen, und dazu gehört auch die Frage der Umverteilung. In der Hinsicht, das haben Sie zu Recht gesagt, gibt es sehr große Differenzen, das sehe ich nach wie vor so. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir in Deutschland in der Steuerpolitik eine extreme Ungleichheit, eine Ungerechtigkeit haben, die wir nach wie vor ändern müssen. Wir Grünen sind alles andere als entmutigt, daran langfristig weiterzuarbeiten, dass wir mit Spitzensteuersatz, Erbschafts- und Vermögensteuern und anderen Instrumenten doch in der Tat Geld von den sehr Vermögenden umverteilen in Richtung derer, die es dringender brauchen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Auch im Ausländerrecht gibt es harte politische Entscheidungen. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, was Sie in dieser Passage Ihrer Rede gesagt haben. Ich erkenne das an und glaube, da auch richtig hingehört zu haben. Für unsere Fraktion ist das auch ein Punkt, bei dem man sagen kann, hier geht es nicht um irgendwelche Lyrik, sich einmal darüber zu unterhalten, wie schlimm Armut ist. Hier geht es um politische Entscheidungen: Will ich die Kettenduldung, will ich das Arbeitsverbot für Flüchtlinge, oder will ich es eben nicht?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das werden wir in diesem Zusammenhang auch thematisieren.

Ich glaube, es ist angesichts der Größe des Problems falsch, sich bei der Überlegung, einen solchen Ausschuss einzusetzen, zu fragen: Ist das nun für die Opposition, für die Regierung oder für die Partei A, B, C oder D gut? Ich glaube, wenn es gut ist für mehr Beschäftigung, mehr Arbeit, mehr Schulabschlüsse und Ausbildungen, wenn es für die Kinder gut ist und wenn es dafür gut ist, dass wir weniger arme Menschen in Bremen haben, dann ist das eine gute Maßnahme, die wir heute treffen. Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

In den vielen Debatten, die sich um diese Entscheidung ringen, ist auch nachgefragt worden, ob das alles

Konkurrenzveranstaltungen sind: der Senat mit seinem Armuts- und Reichtumsbericht, die erste Armutskonferenz, wir nun mit diesem Ausschuss, viele gesellschaftliche Aktivitäten, Wohlfahrtsverbände, Projekte, eine extrem engagierte Zivilgesellschaft. Ich halte das alles für Quatsch! Das kann im Ernst doch nicht wahr sein, dass wir Aktivitäten der Zivilgesellschaft, auf der Ebene der Regierung und des Parlaments als Konkurrenz empfinden, Aktivitäten, die allesamt ernsthaft bemüht sind! Ich finde nach wie vor, dass Armut ein gesellschaftlicher Skandal in einem reichen Land ist. Armut ist ein gesellschaftlicher Skandal in einem reichen Land!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte gern mit dem Senat vertrauensvoll, sehr eng und inhaltlich intensiv zusammenarbeiten. Ich möchte gern, dass wir als Parlament mit der Zivilgesellschaft, mit den gesellschaftlichen Gruppen, mit vielen Verbänden und Projekten ganz eng zusammenarbeiten, an einem Strang ziehen, um Beiträge für die Lösung dieses Problems zu leisten. Ich möchte nicht, dass wir uns als Parteien darstellen, die sich nur selbst bespiegeln und darauf achten, wie die Konkurrenzsituation ist und ob das nun gut oder schlecht für die jeweilige Seite ist, sondern dass wir sehr ernsthaft mitarbeiten.

Die Fraktion der Grünen wird das tun. Sie freut sich auf die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen. Ich finde, das ist eine sehr gute Sache, und ich möchte mich bei allen Fraktionen von links nach rechts bedanken, weil es sich gerade so anbietet hier in diesem Hause, dass es gelungen ist zusammenzuarbeiten. Wir freuen uns auf die Arbeit. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz ehrlich, als Sozialpolitiker geht mir an dieser Stelle das Herz auf! Ich habe es in diesem Haus noch nie erlebt, dass so viele Fraktionen so klar darüber reden, dass Armut ein Skandal ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben uns lange – und das werden mir meine sozialpolitischen Kolleginnen und Kollegen bestätigen – darum bemüht, diese Frage auch ins Zentrum der Bremer und Bremerhavener Politik zu stellen. Ich sehe es als Erfolg an, dass es hiermit nun ein Stück weit gelungen ist.

Als jemand, der sich mit Sozialpolitik beschäftigt, schaut man an den sozialen Rändern dieser Stadt gelegentlich in tiefe Abgründe. Deswegen glaube ich, es ist das oberste Gebot, der nackten Armut mit Hilfen zu begegnen, Unterstützung zu leisten und sich dann natürlich auch Gedanken über Prävention zu machen. Trotzdem ist es aber notwendig, dass wir Kindern, die in Armut leben, ihre Existenz sichern müssen. Das ist für mich eine der zentralen Aufgaben auf der ganz harten Armutsebene.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, es ist wenig sinnvoll, in diesem Ausschuss Parteiprogramme auszutauschen. Es ist tatsächlich sinnvoller, über Armut so zu diskutieren, dass wir Lösungsansätze finden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Röwekamp, zugegeben, der Antrag ist ein bisschen zusammengesetzt, das schadet aber nicht. Im Kern kommt es nämlich darauf an, dass wir nicht unsere Wahlprogramme austauschen, sondern dass wir Ursachenforschung und -bekämpfung betreiben, das ist jedenfalls mein Interesse in diesem Ausschuss. Ob die Arbeit des Ausschusses dann erfolgreich ist oder nicht, das wird sich zeigen. Ich glaube, dass die Namen der noch zu wählenden Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder deutlich machen, dass uns dieses Thema insgesamt sehr wichtig ist.

Die Sozialdemokraten, um das an dieser Stelle zu sagen, sind eben auch bereit, in der Diskussion über neue Wege nachzudenken, sofern sie denn neu sind und auch irgendwie Aussicht auf Erfolg haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lange schon diskutiere ich zum Beispiel die Frage, ob es möglich ist, die gesamte Ebene der Gesetze zur Jugendförderung zum Beispiel näher an die Bildungspolitik zu rücken. Wenn man dies machen will, wird man sich an dieser Stelle auch mit dem Sozialgesetzbuch beschäftigen müssen, um dort Möglichkeiten auszuloten, in dem Bereich eventuell tatsächlich effektiver helfen zu können.

Wir wissen, dass 30 Prozent der Bremer Kinder in der Nähe der Armutsgrenze leben. Das bedeutet aber auch nicht nur Bildung, insofern stimme ich Herrn Röwekamp an der Stelle ein Stück weit zu. Eine Kollegin von mir arbeitet an einer Grundschule in einem schwierigen Stadtteil, und sie hat zu mir gesagt, da kämen Kinder in die Klasse, die in ihrem Leben noch nicht einmal einen Bleistift in der Hand gehalten hätten oder nicht rückwärtsgehen könnten und so gesehen motorisch nicht ausgebildet seien. Das ist dann

ein Problem, mit dem man die Lehrerinnen und Lehrer an der Stelle natürlich auch nicht im Stich lassen darf. Wir kämpfen auch darum, diesen Kindern einen vernünftigen Start ins Leben zu ermöglichen.

Ich bin geradezu von Ihrer Einlassung begeistert, Herr Röwekamp, in Bezug auf die Frage der Menschen mit Migrationshintergrund. Ich finde es gut, dass Sie das jetzt hier so angesprochen haben, weil es deutlich macht, dass wir vielleicht an dieser Stelle auch real eine Ebene der Zusammenarbeit finden können und uns nicht auf frühere Zeiten berufen, sondern schauen, was heute und was morgen sein wird. Insofern vielen Dank für diese Einlassung, die ich als sehr hilfreich empfinde!

Ich komme noch einmal auf das Kindeswohl zurück. Wir haben eine steigende Anzahl von Kindern in sozialen Verhältnissen, bei denen man sich Sorgen machen muss, ob sie diese überleben. Ich glaube, wir müssen an der Stelle hartnäckig weiterarbeiten und nach Lösungen suchen, wie man den Eltern helfen kann, und zwar wirklich helfen und sie nicht bestrafen, Herr Bensch, das sage ich aufgrund der Debatte in Bremen-Nord ganz deutlich an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Wir wissen allesamt, dass das nicht einfach ist, das ist uns sehr klar.

Letzter Punkt: Ich glaube auch, dass es wenig sinnvoll ist, sich in Konkurrenz zu allem Möglichen zu befinden. Ich freue mich, dass die Bremer Armutskonferenz so viel Aufmerksamkeit gefunden hat, ich freue mich, dass der Bürgermeister die Armutsbekämpfung zur Chefsache gemacht hat, und ich freue mich, dass das Sozialressort tagtäglich an den Problemen in dieser Stadt arbeitet. Ich glaube trotzdem, dass es sinnvoll sein kann, ressortübergreifend neu nachzudenken, weil ein Ergebnis der Armutskonferenz auch ist, dass oft an den Ressortgrenzen haltgemacht wird, und wir wollen, dass diese Grenzen in der Bewertung von Problemlagen und vor allen Dingen auch von den Lösungsansätzen her durchlässiger werden. Das alles zusammen, glaube ich, sollte uns ermutigen, tatsächlich offen, vielleicht auch ein bisschen ideologiefrei danach zu suchen, welche neuen Wege wir gehen können wollen.