Protokoll der Sitzung vom 29.09.2011

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Lühr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Für den Senat nehme ich zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen wie folgt Stellung: Auch der Senat hält es für wichtig und notwendig, dass klare und einheitliche für alle geltende Spielregeln für die Vergabe von Fördermitteln bestehen. Dazu gehört auch die Beteiligung der Deputationen. Nur so kann die notwendige Transparenz in der Vergabe auch gewährleistet werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Vielleicht kann ich noch einmal den historischen Strang, der hier schon angesprochen wurde, ganz kurz aufgreifen, weil wir seit dem 1. Januar 2010 die Umstellung von den klassischen Wettmitteln auf die haushaltsbezogenen Fördermittel haben! Das läuft wie folgt ab: Die der Stadtgemeinde Bremen zustehenden Zweckabgaben werden im Produktplan 93 zentral vereinnahmt und dann auf die Ressorthaushalte nach dem klassischen Schlüssel – dieser wird dann immer wieder noch einmal bei den Haushaltsberatungen abgefragt, ob er so noch stimmig ist – verteilt und dort auch ausdrücklich veranschlagt.

Der nächste Schritt ist dann die Verausgabung und Verteilung der Mittel. Dazu kann ich noch einmal für den Senat ausdrücklich erklären: Wir werden der Aufforderung der Bürgerschaft nachkommen und eindeutig definierte Förderrichtlinien mit den Vergabekriterien noch einmal präzisieren. Es ist nicht so, dass wir bis jetzt im rechtsfreien Raum agiert haben, sondern es gibt ganz klare Absprachen zwischen den Ressorts und dem Finanzressort, wie das zu passieren hat. Das werden wir aber noch einmal in die Richtlinien gießen, die dann auch in einem entsprechenden Verfahren vorgelegt werden. Die zweite Sicherung wäre dann, dass Haushaltsvermerke angebracht werden. Das werden wir in der Haushaltsaufstellung veranlassen. Dann ist ganz eindeutig klar, wie mit den veranschlagten Mitteln umzugehen ist. Außerdem hatte ich schon gesagt, der Senat geht davon aus, dass die Deputation befasst wird.

Für die Förderrichtlinien wird die Verwaltung jetzt einen Entwurf vorlegen, der dann in dem geforderten Verfahren zur Beschlussfassung gebracht werden soll. Wir werden dann auch dem Haushalts- und Finanzausschuss im Rahmen unserer regelmäßigen Berichterstattung über das Gesamtverfahren berichten, weil das für das Finanzressort die entsprechende Adresse ist. Ich glaube, damit habe ich noch einmal beschrieben, wie wir jetzt vorgehen wollen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/65 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Langzeitarbeitslose müssen Chancen auf Arbeit behalten

Antrag (Entschließung) der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 28. September 2011 (Neufassung der Drucksache 18/67 vom 27. September 2011) (Drucksache 18/69)

Wir verbinden hiermit:

Arbeitsmarktreformen im Land Bremen verantwortungsvoll umsetzen

Antrag der Fraktion der CDU vom 27. September 2011 (Drucksache 18/68)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Prof. Stauch.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Wir führen hier keine abstrakte Diskussion, sondern eine Diskussion über die konkreten Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die Handlungsmöglichkeiten in Bremen und Bremerhaven, ausgehend von der Lage in unserem Land. Daran messen wir die Entscheidung und auch die Debatte zu diesem Antrag.

Was hat die Bundestagsmehrheit in der letzen Woche beschlossen? Den Zeitungsüberschriften folgend sozusagen die Entrümpelung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens, die Reduzierung der Förderprogramme, fünf Schlagworte: mehr Dezentralität und Flexibilität, höhere Individualität und Qualität, mehr Transparenz! Wie immer bei Überschriften hört es sich gut an. Wenn wir aber genauer hinschauen, dann wird aus diesen passablen Überschriften eine harte Realität. Wir stehen vor einer erneuten Kürzungswelle bei den Mitteln für aktive Arbeitsmarktpolitik, die vor allem die Städte und Kommunen treffen wird. Daraus folgt, die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, wird schwerer. Wir bekommen diese Kürzungswelle sozusagen zweifach, zunächst mit der Reform der Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik, also der Verschlechterung einer ganzen Reihe von wichtigen Instrumenten, und dann noch einmal zusätzlich durch eine Haushaltspolitik, die den deutlich verschlechterten Instrumentenkasten mit deutlich weniger Geld ausstattet. Daran gibt es Kritik, allerdings nicht nur politisch, sondern auch fachlich.

Ich darf mit der Erlaubnis des Präsidenten aus der Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes zitieren: „Die Neugliederung der Instrumente ist besonders auf Personen ausgerichtet, die aufgrund ihrer fachlichen und persönlichen Voraussetzungen die

größten Chancen haben, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Demgegenüber werden Maßnahmen für Personengruppen mit schwerwiegenden Problemen und einer geringeren Leistungsfähigkeit weiter eingeschränkt, Menschen mit Behinderung, Menschen, die beispielsweise von Sucht und Schulden beeinträchtigt sind, Menschen mit geringer Qualifikation, Bildungsgrad und mit Migrationshintergrund, Ältere und Alleinerziehende.“ Soweit einige kritische Anmerkungen des Städte- und Gemeindebundes! Ich glaube, man kann nicht unterstellen, sie seien ideologisch motiviert. Das, was dort festgestellt wird, ist im Ergebnis auch so. Wir finden in dem beschlossenen Gesetz nichts erwähnenswert Neues zum Thema Fachkräftemangel, dafür aber umso mehr deutliche Verschlechterungen der Möglichkeiten, mit dem Thema Langzeitarbeitslosigkeit umzugehen. Wir haben im Ergebnis dann eine Arbeitsmarktpolitik, die nicht mehr darauf setzt, dass alle in der Gesellschaft mitgenommen werden, dass wir keine Potenziale liegen lassen und denen, die unserer Hilfe bedürfen, auch Hilfe zukommen lassen, sondern wir bekommen eine Arbeitsmarktpolitik, die weiter selektiert. Das muss aus unserer Bremer Sicht natürlich ganz deutlich abgelehnt werden, und das erwarten wir auch.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man kann über einzelne Instrumente trefflich streiten, dazu bin ich auch jederzeit gern bereit, nur muss man dann zunächst einmal auch in die Haushaltsvorlagen schauen. Die ersten Pläne für den Haushalt sehen vor, dass gegenüber dem Haushaltsjahr 2010 mit Kürzungen von über 30 Prozent für das Land insgesamt gerechnet werden kann. Nach den ersten Planungen bekommt das Jobcenter Bremen statt 70 nur noch 53 Millionen Euro und Bremerhaven statt 23 nur noch 16 Millionen Euro, und das ist Geld, das uns dringend für aktive Arbeitsmarktpolitik fehlt. Das ist auch kein Problem der Träger, wie im Antrag der CDU andeutungsweise unterstellt wurde, sondern es ist ein Problem der Menschen, die betreut werden wollen und denen wir aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraushelfen wollen. Neben allem Streit über die Sinnhaftigkeit einzelner Instrumente ist das der materielle Kern dessen, was jetzt beschlossen worden ist. Dies gilt insbesondere für alle Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung, und das ist auch unser Hauptvorwurf und unsere Kritik an der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung. Sie nimmt nicht die konkreten Probleme und Verhältnisse in den Ballungsräumen, in den großen Städten, in den Regionen, die Strukturumbrüche zu bewältigen haben, zur Kenntnis und bietet dafür Lösungen an, sondern sie entzieht Städten, Kommunen und Gemeinden den Boden für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, insbesondere für die Langzeitarbeitslosigkeit,

(Beifall bei der SPD)

und dies aus fiskalischen Gründen, nicht weil sie über bessere und neue Ideen verfügt, denn bessere und neue Ideen enthält dieses Paket nicht.

Wenn Frau von der Leyen sagt, wir geben den Arbeitsvermittlern und Fallmanagern den Entscheidungsspielraum, um Menschen schneller, passgenauer zu helfen, dann ist das für mich die übliche Talkshowplauderei, die an den Realitäten vorbeigeht. Realität ist doch, erst kürzen wir den Instrumentenkasten, dann kürzen wir noch die Haushaltsmittel, und dann sagen wir, macht einmal mit 30 Prozent weniger das Beste daraus. So kann es nicht stehen bleiben!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist auch – letzte Bemerkung – keine Verschiebung von Verantwortung, wenn wir feststellen, der Bund ist in der Pflicht. Es ist keine Verschiebung von Verantwortung und auch kein Stehlen aus der Verantwortung von Landespolitik. Wenn der Bund die Mittel zusammenstellt, über die Instrumente und Ausstattung entscheidet, dann liegt auch dort die Verantwortung und die Entscheidung, uns hier im Land, in den Gemeinden mit den nötigen Mitteln auszustatten. Das muss auch so angesprochen und diskutiert werden. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag und um Ablehnung des Antrags der CDU! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Willmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die schwarz-gelbe Bundesregierung bleibt mit ihrem Beschluss vom letzten Freitag bei dem die Gesellschaft spaltenden Konzept, und sie verteilt weiterhin von Arm an Reich. Das kann man so zusammenfassen.

Die Instrumentenreform mit dem vollmundigen Titel „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ bedeutet leider für die meisten Langzeitarbeitslosen ganz eindeutig eine Verschlechterung ihrer Chancen, Arbeit zu finden beziehungsweise sie zu behalten. Einen Vorgeschmack darauf zeigt der schon aktuell spürbare und drastische Rückgang der Förderaktivitäten der Jobcenter, der auf die 2010 beschlossenen Kürzungen beim Eingliederungstitel zurückgeht. Das haben wir dort noch einmal – Lob an alle! – gemeinsam hinbekommen. Das, was jetzt an verkleinertem Instrumentenkasten, -kästchen oder -schatulle auf uns zukommt, ist eine schwierige, wenn ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nicht gar unlösbare Aufgabe. Die Bundesregierung geht hier also weiter den Weg des geringsten Widerstands. Diejenigen, die sowieso leicht wieder in Arbeit kommen und in der Statistik als Erfolg auftauchen, wertet sie auf Kosten derer auf, die nicht kurzfristig und günstig zu vermitteln sind. Das ist keine Art von Politik, die den sozialen Zusammenhalt garantiert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

All die, die besondere Unterstützung der Jobcenter brauchen, lässt die Bundesregierung zynisch als Bodensatz zurück. Der alleinige Fokus auf die Aufnahme ungeförderter Beschäftigung in Verbindung mit den beabsichtigten Kürzungen und der Deckelung der Trägerpauschalen führt dazu, dass es zu einer Bestenauslese reicht, die die Arbeitslosen trennt und nicht mehr gemeinsam behandelt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht aktuell von brutalen sozialen Verwerfungen, die dieses Gesetz haben wird. Dem pflichte ich bei!

Besonders hart – nicht nur für Frauen, aber ganz besonders für sie – werden sich zum Beispiel die massiven geplanten Kürzungen beim erfolgreichen Gründungszuschuss auswirken. Es liegt dann im Ermessen, ob Kinderbetreuung ein Hemmnis für eine Gründung ist. Das kann kein Ermessen und darf kein Hemmnis sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Zahl der Förderungen wird auch hier stark zurückgehen, das ist schon klar, und stattdessen die Arbeitslosigkeit der Gründungswilligen verlängern. Hier erweist sich die Bundesregierung nebenbei einen echten Bärendienst: Nachgewiesenermaßen schaffen Neugründerinnen und Neugründer zusätzliche Arbeitsplätze. Dagegen werden notwendige Reformen bei der beruflichen Weiterbildung nicht in Angriff genommen. Obwohl der Fachkräftebedarf wächst, werden keine Impulse gesetzt, Arbeitslose intensiver als bisher qualifizieren zu können. Auch das große Problem der viel zu geringen Partizipation gerade von Langzeitarbeitslosen, Geringqualifizierten oder Migrantinnen und Migranten an Weiterbildung wird überhaupt nicht angegangen.

Ein verlässlicher und sozialer Arbeitsmarkt für das Land Bremen, der so dringend notwendig ist, rückt durch die Vorgaben der Bundesregierung in weite Ferne. Eine sinnvolle längerfristig angelegte Strategie zur Integration besonders Benachteiligter wird somit kaum mehr möglich sein. Ihre Teilhabe und Eingliederungschancen werden so weiter dramatisch zurückgehen.

Die Bremer Landesregierung wird – das wissen wir – alle Möglichkeiten der Einflussnahme im Bundes

rat nutzen, nur die am letzten Freitag beschlossenen Maßnahmen sind nicht im Bundesrat zustimmungspflichtig. Eine Zustimmung ist daher leider weder vorgesehen noch notwendig, was den Erfolg der Intervention fast unmöglich macht. Hier in Bremen werden wir, dem Konsolidierungspfad geschuldet und verpflichtet, die Ausfälle – das kann ich an dieser Stelle schon sagen – nicht hundertprozentig kompensieren können. Wer das den Bürgerinnen und Bürgern und den Betroffenen erzählt, streut ihnen Sand in die Augen. Wir wissen, dass die Forderung gleich von der linken Seite des Parlaments kommen wird.

Noch zum Antrag der CDU! Sie fordern in Ihrem Antrag ein paar schöne Dinge. Punkt 3 besagt, Sie glauben, dass beim anstehenden Neuzuschnitt der Agenturbezirke durch den Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit nicht nur die kommunalen Gebietskörperschaften, sondern auch die Wirtschaftsräume berücksichtigt werden. Herr Kastendiek, es tut mir leid, das hat sich auch am letzten Freitag durch den Verwaltungsrat, durch den Protest aller, auch derer, die hier im Haus sind, und der betroffenen Kommune in Bremerhaven, erledigt, dort bekommen Sie kein Bein mehr an Land, und das tut uns leid.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Die Reali- täten sehen anders aus!)

Dieser Punkt ist überflüssig!