Das ist eine allgemeine Debatte, auch wenn hier kein Münchener Abgeordneter sitzt, aber draußen diskutieren wir das doch, und es gibt auch andere Parteien, die das in diesem Wortlaut fordern!
Freizügigkeit ist der Grundgedanke der europäischen Integration, des Zusammenwachsens der Völker, dass wir selbst entscheiden können, die Freiheit haben zu studieren, zu leben, zu arbeiten, zu wohnen, wo wir es für richtig halten. Das ist der Kern, und das geht weit über die Frage des Arbeitens hinaus. Welche Ansprüche wir an die sozialen Sicherungssysteme haben, ist weitgehend nationale Angelegenheit, das können wir selbst regeln, und das regeln wir auch. Gerade jetzt hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs gesagt, Deutschland könne die Bestimmungen des Hartz-IV-Bezugs so regeln, wie es das will. Nur wenige Dinge sind europäisch geregelt. Es besteht also die Möglichkeit, An
nicht nur wir, wenn wir reisen, wenn wir woanders arbeiten gehen, wenn wir unsere Produkte in der EU verkaufen wollen, wo wir das für richtig halten, sondern eben auch die anderen! Daran muss man einmal festhalten.
Der Antrag aus Bayern stellt das massiv infrage, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe und bin ganz sicher, dass das Land Bremen morgen diesen Antrag im Bundesrat ablehnen wird, sollte er denn zur Abstimmung gestellt werden.
Die CSU mit den Herren Seehofer und Gauweiler sind sehr stolz darauf, dass rechts von ihnen kein Platz ist. Das mag ja sein, dann muss man aber – –.
(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist jetzt doch Parteipolitik! – Zuruf des Abg. D r. v o m B r u c h [CDU])
Das finde ich ganz interessant! Ich meine, Demokratie sind Wahlen, Herr Dr. vom Bruch, und wenn wir uns hier in einer großen gesellschaftlichen Debatte äußern, wie es mit Europa weitergeht, und das dann diskreditiert, dann verstehe ich das, ehrlich gesagt, überhaupt nicht mehr als Demokratie.
Ich meine Sie doch gar nicht persönlich, Herr Dr. vom Bruch! Ich spreche nicht zu Ihnen, aber draußen wird das diskutiert, und Leute wie Herr Seehofer tragen das in die Diskussion hinein, und dann müssen wir uns wohl damit auseinandersetzen. Der Mann ist doch nicht ganz unwichtig, oder?
Ich will nur sagen, wer sagt, rechts von mir ist kein Platz, der muss auch wissen, dass er ganz schön weit rechts stehen muss, um das möglich zu machen. Solche Worte und Transparente wie „Deutschland ist nicht das Sozialamt Europas“ haben dann eben auch andere aufgehängt. Solche Parolen machen das hoffähig, das ist das Gefährliche, und darauf möchte ich hinweisen.
Das Schlimme ist, dass – angefangen mit der Diskreditierung der Polen, die angeblich vor zehn Jahren unser Land überschwemmten, jetzt fortgesetzt mit Rumänien und Bulgarien – das große historische Projekt der Erweiterung der Europäischen Union nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Misskredit gebracht wird.
Ich will hier einmal daran erinnern, es waren die demokratischen Bewegungen in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, die den Boden dafür bereitet haben, dass der Mauerfall in Deutschland möglich war, das war ganz entscheidend, und diese Völker haben sich auf den Weg gemacht, in freier Entscheidung haben sie gesagt, wir wollen zu Europa gehören und anstreben, Mitglieder der Europäischen Union zu werden.
Es ist eine große Erfolgsgeschichte, dass es so geklappt hat, dass Polen jetzt selbstverständlicher Teil Europas mit sicheren Grenzen ist und die baltischen Staaten endlich nach 100 Jahren Wirren selbst ihren Weg bestimmen können. Wenn wir dann jede Öffnung Europas – das ist ja der Kern, diese Völker sind gekommen, weil Europa offen und demokratisch ist und ein Rechtssystem hat – diskreditieren, indem wir immer nach Osten zeigen und sagen, von dort kommt das Chaos und das Elend, dann diskreditieren wir diese Völker. (Unruhe)
Das ist der politische Zusammenhang dieser Debatte. Es handelt sich um den europapolitischen Zusammenhang dieser Debatte zur Zuwanderung. Das ist im Kern ein Angriff auf das Selbstverständnis und die Einheit der Europäischen Union, und deswegen sind wir dagegen, meine Damen und Herren.
Ich will nur als letzten Satz sagen – ich hoffe, wir sind uns darin wiederum einig –: Bitte wählen Sie nicht die Parteien, die diesen Angriff massiv und offen fahren! Tragen Sie dazu bei, dass diese Europawahl ein Bekenntnis zu Europa wird und den Zusammenhang der Völker und der Menschen festigt und nicht zerstört!
Als wir zum ersten Mal hier in der Bürgerschaft über die Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen diskutiert haben, war die erste Forderung, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einzurichten. Ich konnte damals verkünden, dass wir diese Arbeitsgruppe bereits durch Beschluss des Senats eingerichtet hatten und damit schneller waren als die Bürgerschaft, und genauso haben wir auch getagt.
Wir diskutieren dieses Thema der Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen auf den unterschiedlichsten Ebenen. Wir haben eine spezielle Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz eingerichtet, die unter dem Vorsitz meines Hamburger Kollegen Herrn Pörksen viele Forderungen und Vorschläge erarbeitet hat, um die Situation zu verbessern. Wir hatten eine Arbeitsgruppe im Städtetag – ich war in der letzten Woche im Sozialausschuss des Städtetages, in der wir uns auch ganz intensiv mit der Zuwanderung beschäftigt haben –, und wir hatten, wie gesagt, hier im Land Bremen eine ressortübergreifende Staatsrätearbeitsgruppe, um hier Vorschläge auszuarbeiten. Der Bericht liegt Ihnen als Mitteilung des Senats vor, und ich glaube, Frau Grönert, wenn man des Lesens mächtig ist, sieht man da viele Vorschläge, wie wir auf das Problem reagieren wollen.
Ein Problem ist es in der Tat für einige wesentliche Städte, Städte wie Duisburg hatten eine doppelt so hohe Zuwanderung aus diesen Ländern wie Bremen. Wir haben eine ganz starke Zuwanderung auch in Dortmund, wir haben eine Zuwanderung in Hamburg und Berlin, sogar München ist davon betroffen. In Bremen haben wir auch eine Zunahme, aber nicht in dem Umfang, wie sie diese anderen Städte hatten. Deswegen hat sich gerade der Städtetag sehr stark dafür eingesetzt, dass der Bund für diese besonders betroffenen Städte Hilfsmaßnahmen, Unterstützung und einen gemeinsamen Fonds bereitstellen soll.
Der Bund hat darauf geantwortet, es gebe kein Problem. Diese Antwort kommt aber nur von der CDUBundesregierung. Dann gibt es noch eine weitere Regierungsfraktion – das hat eben Herr Dr. Kuhn beschrieben –, die gesagt hat, es gebe ein Problem, und wir müssten Missbrauch verhindern, das ist der Teil, der anders reagiert. Dann gibt es noch eine dritte Fraktion der jetzigen Bundesregierung, die liberal auf die Zuwanderung reagiert hat, nämlich die SPD. Wir haben also drei Positionen allein in der Bundesregierung und auch drei Aussagen zur Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren.
Wir haben jetzt ab dem 1. Januar die volle Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und mit dieser Freizügigkeit haben wir ein Problem gelöst, nämlich die Tatsache, dass die Zuwanderinnen und Zuwanderer früher nur in illegale Arbeit kommen konnten, weil sie nicht bevorrechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren. Jetzt sind sie als EU-Bürger auch mit vollen Arbeitnehmerrechten ausgestattet, sie sind bevorrechtigte Arbeitnehmer gegenüber Bürgern aus Drittstaaten und können sich auch ohne Weiteres hier in den Arbeitsmarkt integrieren.
Ein Problem, das wir hier haben, ist, dass wir Benachteiligungsstrukturen vorfinden, die vom Bund gesetzt sind und die uns dann auf Kommunal- und Landesebene Probleme bereiten. Wir haben zum Beispiel die Struktur abgeschafft, dass sie nicht ohne Weiteres einen Arbeitsplatz bekommen konnten, wir haben allerdings die Struktur, dass jemand, der wegen der Arbeitssuche nach Deutschland einwandert, keine Leistungen nach dem SGB II bekommt. Das ist ein Problem, denn wenn sie Sozialleistungsempfänger wären, könnten wir das Problem mit dem Wohnen und die ganzen Fragen der Unterstützung besser organisieren. Man müsste also in die entgegengesetzte Richtung dessen, was von der CSU verbreitet wird, überlegen, nämlich ob man diese Ausnahmeregelungen im SGB II und im SGB XII nicht doch noch einmal im Sinne einer Integration überdenkt.
Wenn Sie gestern den Bericht, ich meine, im ZDF, gesehen haben, dann haben Sie gesehen, welche Möglichkeiten die Bundesrepublik hat, wenn Menschen nach Deutschland einwandern. Die größte Zahl ist nämlich hoch qualifiziert, Frau Dr. Mohammadzadeh hat das hier schon dargestellt, das sind Einwanderer, die hier ankommen und als Ingenieure unser Bruttoinlandsprodukt erhöhen. Sie haben aber auch gesehen, dass Leute beim Spargelstechen waren und gesagt haben, wir kommen nur als Saisonarbeiter hierher und gehen dann wieder weg. Dann muss man wissen, dass die Arbeitgeber für diese Personen Sozialversicherungsbeiträge zahlen,
sie aber die Leistungen so gut wie gar nicht in Anspruch nehmen. Das heißt, wir profitieren mit unserem Sozialsystem von dieser Zuwanderung, auch wenn es sich nur um eine kurzzeitige Saisonarbeit handelt.
Der Bezug von Sozialleistungen bei Rumänen und Bulgaren ist unterdurchschnittlich bei der ausländischen Bevölkerung. Das heißt also, wir haben hier Personen, die vor allem auch zu unserem Bruttosozialprodukt beitragen, die sich in der großen Mehrheit qualifiziert in den Arbeitsmarkt integrieren, und wir haben wenige, die direkt Sozialleistungen beziehen. Ich denke, wir sollten eher darüber nachdenken, wie wir die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt forcieren können, anstatt zu versuchen, sie davon fernzuhalten.
Ich will nicht verleugnen, dass es hier auch durch die Zuwanderung Probleme gibt. Ich möchte einmal die Flüchtlingssituation mit der Situation der Bulgaren und Rumänen vergleichen: Die Flüchtlinge, die hier ankommen, haben einen Anspruch auf Unterbringung in einem Übergangswohnheim. Wir versuchen das sicherzustellen, und das ist uns bisher auch ganz gut gelungen. Bei den Menschen, die aus Rumänien und Bulgarien zuwandern, wissen wir erst einmal gar nichts Genaues. Dadurch ergeben sich Situationen, in denen sie tatsächlich in Wohnbauten unterkommen, in denen sie ausgebeutet werden, die keine angemessenen Wohnbedingungen haben und Ähnliches mehr. Das ist in Bremen zum Glück nicht so ein Problem wie in Duisburg oder Dortmund. In Duisburg und Dortmund gibt es ganze Stadtbereiche oder Stadtteile, die übernutzt werden und schwierige Situationen für die Bewohnerinnen und Bewohner aus Rumänien und Bulgarien vorhalten.
Das nächste Problem ist die Sprache. In der Tat wäre es gut, wenn sie hier einen Rechtsanspruch darauf hätten, die deutsche Sprache schnell zu erlernen. Davon würden wir ökonomisch profitieren. Das ist nicht allein eine Frage der Humanität, sondern auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Natürlich müssen wir außerdem die Beratungssituationen verbessern, und dazu muss ich jetzt doch noch einmal sagen, wir sind hier ein Landesparlament. Wir können nicht alles auf der Ebene des Landesparlaments erledigen. Wenn zum Beispiel Europa einen Fonds wie FEAD in die Wege leitet, um Armutsbekämpfung zu unterstützen und Beratungsstellen zu finanzieren, dann benötigen wir von der Bundesregierung Richtlinien dafür, dass wir dieses Programm auch in Anspruch nehmen können. Wir würden dieses Programm hier in Bremen gern in Anspruch nehmen und die Beratungskapazitäten für diesen Personenkreis erweitern. Das können wir aber nicht, weil die Bundesregierung dazu immer noch keine Richtlinien erlassen hat. Das ist von allen Städten, egal wie regiert, kritisiert worden.
Eine weitere Kritik ist an der Bundesregierung geübt worden, dieses Mal von unterschiedlichen Städten, nämlich dass die Städte, die besonders betroffen sind, einen Fonds benötigen, mit dem sie diese besonde
re Situation bewältigen können. Gerade in den Städten, die ich genannt habe – Duisburg, Dortmund, vielleicht auch Hamburg und Bremen –, müsste ein Fonds eingerichtet werden, aus dem die besonderen Maßnahmen finanziert werden können. Das kann nur die Bundesregierung.
Mich hat besonders geärgert, Frau Grönert, dass Sie das Problem der Krankenversorgung so herunterspielen! Es gab eine lange Diskussion darüber, dass die rumänische und bulgarische Regierung gesagt hat, bei uns wären alle krankenversichert. Wenn sie dann aber hier waren und Leistungen in Anspruch genommen haben, konnten sie nicht abgerechnet werden, weil sie nie einen Ausweis oder eine Legitimation für ihre Krankenversicherung hatten. Jetzt hat sich herausgestellt, dass der bulgarische Botschafter gesagt hat, sie seien im Prinzip alle krankenversichert, aber nur, wenn sie eingezahlt haben. Das heißt, sie sind faktisch nicht krankenversichert. Um eine Lösung zu finden, wer krankenversichert ist und wer nicht,
ist eine Clearingstelle beim Bund erforderlich. Das ist die gemeinsame Forderung aller Städte des Deutschen Städtetages, und das würde dazu beitragen, hier Konfliktsituationen zu vermeiden.