Diese Antwort des Senats passte aber nicht in das Konzept der CDU, deswegen stellte die CDU-Fraktion im März 2014 den Antrag „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wirkungsvoller vom Drogenmilieu fernhalten!“. Zu Recht haben wir jetzt im Vortrag gehört, dass Sie Zweifel hatten, ob Sie das Richtige tun, ob das der Realität entspricht. Trotzdem aber haben Sie diesen Antrag gestellt, den wir heute debattieren.
Der Antragsteller schafft die statistische Grundlage selbst. Er geht, ich zitiere, „von einer hohen Dunkelziffer“ in der Betäubungsmittelkriminalität aus. Im nächsten Satz kommentiert er, „solche Zahlen sind aus Kinderschutz-, Jugendschutz- und Integrationsgründen höchst bedenklich“. Der Antrag diskriminiert unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, spricht von einer erkennbar sinkenden Motivation von Jugendlichen, die sich in einer aussichtslosen Situation befinden. Damit erklärt die Fraktion der CDU „ein Abdriften“, ich zitiere den Antrag „in kriminelle Strukturen und besonders ins Drogenmilieu“ von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Aus meiner Sicht hat die CDU für den uns vorgelegten Antrag einen falschen Titel gewählt. Sie müssten diesen Antrag „Bekämpfung der Zuwanderung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im Lande Bremen“ nennen, das passt wohl viel besser.
(Zurufe von der CDU: Das ist ja Quatsch! – Abg. H i n n e r s [CDU]: Völliger Unsinn! – Abg. B ö d e k e r [CDU]: Nicht einmal die eigene Fraktion klatscht!)
Das ist das erkennbare Anliegen und Ziel der CDU. Sie tun so, als ob Sie sich um die Integration von unbegleiteten Minderjährigen kümmern. Nun hat sich der innenpolitische Sprecher eingemischt, und es wurde erneut deutlich, was sie wollen, nämlich Menschen zu diskreditieren, Vorurteile zu schaffen und sie so zu bedienen wie eine – –.
(Widerspruch bei der CDU – Abg. Frau S a - l o m o n [CDU]: Haben Sie Frau Grönert nicht zugehört? – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Doch, aber da war die Rede schon fertig! – Abg. B ö d e k e r [CDU]: Das hat man ihr so aufgeschrieben!)
Das, was Frau Grönert hier vorgetragen hat, hat überhaupt ganz wenig mit dem Antrag beziehungsweise mit dem Inhalt des Antrags, zu tun. Das ist genau der Punkt –
(Lachen bei der CDU – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Um so schlecht denken zu können, muss man, glaube ich, Sozialdemo- krat sein!)
richtig, genau, das bin ich, ja, mit voller Überzeugung übrigens! –, ein übersteigertes Problem zuzuordnen und in die Öffentlichkeit zu befördern!
Selbst die Wortwahl des Antrags spricht eine deutliche Sprache. Die CDU-Fraktion fordert bis zum 1. August 2014 ein Konzept, das insbesondere folgende Punkte beinhaltet, jetzt werde ich genau auf diesen Antrag eingehen, ich zitiere, Einführung einer verpflichtenden regelmäßigen Aufklärung über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Entwicklung von Handlungsketten zwischen Polizei, Jugendrichtern, Jugendgerichtshelfern im Umgang mit tatverdächtigen und straffälligen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu etablieren!
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das ist ja nicht die erste Rede, bei der das passieren sollte! – Abg. G o t t s c h a l k [SPD]: Von Ihnen kennen wir ja auch eini- ge von dieser Qualität! – Unruhe bei der CDU – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Qualität kennt man von Ihnen allerdings nicht! – Glocke)
(Zurufe von der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Es ist unerträglich! Auf welches Ni- veau begibt sich eigentlich diese Koalition! Das ist eigentlich unerträglich!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, Sie haben in Ihrem Antrag durchaus einige sinnvolle Vorschläge gemacht, dazu werde ich auch noch kommen, allerdings sehe ich es auch so, dass Ihr Antrag eine falsche Haltung hat,
und zwar aufgrund eines ganz anderen Punkts. Ich finde es gut, dass Sie nicht mehr die Haltung haben, wie Sie sie noch vor ein paar Jahren hatten, dass Jugendliche, die allein hier nach Deutschland flüchten, per se Kriminelle sind. Das, finde ich, ist ein Fortschritt, und das muss man hier anerkennen.
Diese Diskussion hatten wir hier in der Zeit der Großen Koalition, heute haben Sie hier ganz anders geredet!
junge Familie oder eine Mutter mit drei Kindern den Schleusern nicht einfach 10 Euro geben und sie dann wieder wegschicken kann. Dass Jugendliche unter einem anderen Druck stehen, ist uns völlig bewusst. Ich glaube, das ist auch der SPD und den Grünen hier bewusst.
Es sind aber nicht die Schleuser, die die Flucht und die Zeit danach so prekär machen, sondern es ist in erster Linie die Grenzabschottung in Europa und die damit einhergehende Kriminalisierung der Flucht!
Es ist nämlich genau das Problem, die Schleuser und die Schleppbanden hätten wir doch gar nicht, wenn wir einen einfacheren Zugang nach Europa hätten. Das ist doch genau der Punkt, an dem die ganze Sache dann ein wenig bigott wird. Auf Bundesebene sorgt die CDU nämlich dafür, dass Europa sich weiter abschotten kann, und auf der anderen Seite entsteht das Problem, dass sich Fliehende, die illegal einreisen, gefährliche Fluchtwege suchen, hinterher in der Verpflichtung stehen beziehungsweise sich in der Situation befinden, dass sie diese Mafia loswerden müssen. Da ist das doch genau die falsche Haltung, die Ihr Antrag dokumentiert! Man muss sich nicht über Schlepperkriminalität beklagen, wenn man im Bund und in Europa die falsche Politik macht!
Ich komme noch einmal auf den Kern zurück. Fluchthilfe ist aufwendig, und sie ist teuer. Es verschulden sich nämlich auch diejenigen, die auf die Fluchthilfe angewiesen sind. Das ist genau das Problem, und da muss man natürlich auch hier ansetzen.
Sie sagen zu Recht, dass Jugendliche, die allein kommen, eine sichere Aufenthaltsperspektive und vor allen Dingen eine Ausbildung bekommen müssen. Ich glaube auch, das ist das A und O. Ich denke auch, dass wir in Bremen noch längst nicht alles tun, damit das Kindeswohl immer an erster Stelle steht. Wenn ich mir zum Beispiel die Unterbringung ansehe, dann hat es dort auch einen Prozess in den letzten eineinhalb Jahren gegeben, der sehr positiv ist. Wir haben hier immer gesagt, die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der ZASt ist eigentlich nicht hinnehmbar und dient nicht dem Kindeswohl. Es tut sich jetzt etwas, und das ist auch sehr gut so. Die Debatte über Betten im Keller und auf dem Flur oder auch die Verpflegungssituation, die wir vor einem Jahr schon geführt haben, ist offensichtlich angekommen und hat dazu geführt, dass sich etwas geändert hat. Wir lehnen die Unterbringung in der ZASt komplett ab, und da sind wir uns auch mit der CDU einig.
Ich komme jetzt zu ein paar anderen Punkten, die wichtiger sind als das Problem des Drogenmilieus. Wenn man nämlich verhindern will, dass Unbegleitete die Schulden drücken, dann muss man die Weichen erst einmal anders stellen. Die verpflichtende Rechtsberatung für alle Flüchtlinge ist genau das, was notwendig ist. Migrationsrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eines der kompliziertesten Rechtsgebiete. Die Entscheidungen beeinflussen das Leben der Betroffenen, die hier ankommen, massiv, existenziell und dauerhaft.
Bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen stellt sich nämlich oft die Frage, ob Asyl beantragt werden soll oder ein anderes Bleiberecht infrage kommt. Die Entscheidung darüber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht einfach, weil die Geflüchteten selbst, zumal es sich um Jugendliche handelt, überhaupt keine Kenntnis über die Aufenthalts- und Asylgesetzgebung haben. Eine Asylanhörung, in der die wesentlichen Aspekte nicht benannt werden – und das kommt häufig aus Unwissenheit vor –, führt nämlich zur Ablehnung des Asylantrags und kann damit auch zur Abschiebung führen.
Humanitärer Schutz kommt auch leider nicht immer zum Tragen. Wir sagen ganz klar an dieser Stelle, wenn man den unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen helfen will, dann benötigen wir eine kompetente und eine qualifizierte Beratung. Das ist unserer Meinung nach das, was man an den Anfang stellen muss, und das gebietet auch das Kindeswohl. Das Kindeswohl gebietet auch zuallererst einen sicheren Aufenthalt für die Zukunft hier.
Ohne gesicherten Aufenthalt drohen den Jugendlichen oft psychische Problem, weil sie oft Unfassbares erlebt haben. Wir wissen, es gibt bei uns Flüchtlinge, die aus Bürgerkriegssituationen geflohen sind, Flüchtlinge, die selbst als Kindersoldaten zwangsrekrutiert, missbraucht worden sind. Sie haben massive psychische Probleme.
Wir haben Jugendliche hier, die einen dramatischen Fluchtweg hatten, auf der Flucht viel erleiden mussten, die ihre Eltern verloren haben, von ihren Eltern weggeschickt worden sind, weil sich die Eltern die sichere Ausreise für die ganze Familie nicht leisten konnten. Das heißt, an erster Stelle ist für diese Jugendlichen ein sicherer Aufenthaltsstatus notwendig, damit psychische Probleme, die Perspektivlosigkeit, die Angst und die Retraumatisierung hier erst gar nicht auftreten und damit auch ein Abrutschen in Kriminalität verhindert werden kann. Ich glaube, das ist der springende Punkt.
Insofern ist für uns auch die aufenthaltsrechtliche Absicherung Teil der Prävention. Ich werde dann in der
zweiten Runde noch einmal etwas dazu sagen, was wir uns konkret vorstellen könnten, um die Situation zu verbessern. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Antwort des Senats auf unsere Kleine Anfrage nach Unterstützung für die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge werden neben den Betreuern in den Wohneinrichtungen auch ganz besonders die Amtsvormünder und die Casemanager als diejenigen genannt, die sich intensiv um die Jugendlichen kümmern sollten. Sie sind laut der Antwort des Senats auch diejenigen, die bei wichtigen Fragen zusammen mit den Jugendlichen entscheiden, wie es für sie weitergeht. Das ist nicht nur bei Flüchtlingen so, sondern auch bei andern Jugendlichen, die sie betreuen.
Allerdings haben sie entgegen der Beschreibung auf dem Papier in der Praxis viel zu wenig Zeit für nötige intensive Gespräche, und manchmal fehlen ihnen sogar die Gesichter zu den Namen, so viele Jugendliche haben sie insgesamt zu betreuen. Selbst mit gutem Willen können sie dem hohen Anspruch ihrer Funktion nur selten gerecht werden. Das demotiviert gerade auch ganz oft die Casemanager, von denen sich viele dann so bald wie möglich einen anderen Arbeitsplatz suchen. Dadurch kommt es zu allem Überfluss auch noch zu einem ständigen Wechsel der Bezugspersonen für die minderjährigen Flüchtlinge.
Ohne angemessene vertrauensvolle Unterstützung kommen diese aber nur noch selten allein wieder auf den richtigen Weg, wenn sie erst einmal die falschen Kontakte haben. Diese Vierzehn- bis Achtzehnjährigen brauchen eigentlich ganz besonders viel Zeit, Gespräche, Diskussionen, Vertrauen und Wiederholung, um den in Deutschland üblichen Zusammenhang zwischen gewährtem Schutz und Rechten und Pflichten zu erkennen. Die Aufklärung über unsere rechtlichen Rahmenbedingungen und über mögliche Hilfen muss frühzeitig wiederholt und auch verpflichtend vermittelt werden.
Da diesen minderjährigen Jugendlichen unsere rechtlichen Strukturen nicht nur unbekannt, sondern oft auch völlig fremd sind, sind sie ja schon aufgrund dessen willkommene Opfer für Personen, die gezielt ihre Nähe suchen, um sie mit der Aussicht auf schnelles Geld in kriminelle Geschäfte zu verwickeln. Einzelne, wenn auch gute Gespräche in den Wohneinrichtungen entfalten leider oft zu wenig Wirkung, weil den Jugendlichen die Vorkenntnisse und auch Zu
sammenhänge fehlen, und am Ende haben sie dann eben nur Halbwahrheiten in ihren Köpfen. Ein Wohnund Betreuungsangebot nach einem normalen Jugendhilfestandard scheint jedenfalls für die minderjährigen Flüchtlinge trotz aller Bemühungen der für die Betreuung Verantwortlichen nicht auszureichen.
Auch zur bereits viel diskutierten viel zu lange andauernden Unterbringung der Jugendlichen in der ZASt, der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge in der Steinsetzerstraße, möchte ich noch ein paar Anmerkungen machen. Es ist sicher davon auszugehen, dass mangelnde Betreuung, fehlende Rückzugsräume, das viel zu lange Warten auf einen Schulplatz und der ständige Kontakt mit älteren Flüchtlingen das Entstehen ungünstiger Milieus für die minderjährigen Flüchtlinge begünstigt. Seit der Aufnahme von 40 Jugendlichen in der Berckstraße in Horn im April glauben hier viele, dass sich das Thema mit der ZASt inzwischen erledigt hat, aber das ist mitnichten so, denn dort warten bereits seit Wochen erneut wieder circa 40 Minderjährige auf einen Platz im Jugendhilfesystem. Das ist ein unhaltbarer Zustand, meine Damen und Herren!