In unserem Antrag haben wir bereits viele Ideen zur Unterstützung der jugendlichen Flüchtlinge geäußert, die Sie in ein Konzept aufnehmen könnten. Unsere Unterpunkte sind Vorschläge, über die wir gern mit Ihnen diskutieren. Wichtig ist mir allerdings, dass Sie grundsätzlich zusagen, sich nicht nur Gedanken zu den aufgeworfenen Fragen zu machen, sondern die Ergebnisse dann auch in einem Konzept zu bündeln, das ist ja auch unser eigentliches Anliegen in dem Antrag. Wir hoffen, dass Sie dem Antrag zustimmen oder ihn zumindest zur weiteren Diskussion in die Sozialdeputation überweisen.
Ich möchte auch allen Betreuerinnen und Betreuern danken, die sich täglich um die minderjährigen Flüchtlinge bemühen! Sie sind mit viel Herz dabei, doch oft kommen sie in der Arbeit an ihre Grenzen. Wir sollten ihnen darum politisch so viel Unterstützung wie nötig und auch möglich an die Hand geben. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass jeder ehrenamtliche Einsatz für die minderjährigen Flüchtlinge, jede Patenschaft, Nachhilfe oder Sportaktivität oder jedes Ferienprogramm zu einer stabilen und positiven Entwicklung dieser Flüchtlinge beiträgt.
Manche dieser Jugendlichen glauben vielleicht, dass sie mit ihrer Ankunft in Deutschland ihr Ziel erreicht haben, doch sie merken dann recht schnell, dass die eigentliche Arbeit erst anfängt und sie Regeln und Pflichten zu beachten haben. Das ist für sie und für uns nicht immer leicht, und wir dürfen keineswegs vergessen, dass sie noch Jugendliche sind. Sie wollen wie alle Jugendlichen auch Spaß haben, sie sind manchmal total übermütig und müssen dann
auch einmal durch ihre eigenen Fehler schmerzhaft Neues lernen. Da unterscheiden sie sich kaum von den Jugendlichen, die hier aufwachsen, aber sie unterscheiden sich in Vielem eben doch. Deshalb brauchen sie zwar grundsätzlich wie alle Jugendlichen eine gute, aber eben doch auch ganz andere Anleitung und Unterstützung, um ihren Weg in einem fremden System ohne Eltern gehen zu können.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Inhalt des Antrags und nicht das, was Frau Grönert gesagt hat.
(Abg. H i n n e r s [CDU]: Dann fangen Sie einmal an! – Abg. I m h o f f [CDU]: Dann brauchen wir ja gar nicht mehr zu diskutie- ren! – Heiterkeit bei der CDU)
Dem, was Frau Grönert heute gesagt hat, kann ich teilweise zustimmen, aber der Antrag fordert ja etwas ganz anderes. Eine Forderung aus dem Antrag finde ich ja absolut grotesk und zwar, ich zitiere: „Entwicklung und Anwendung von Beratungsinstrumenten, um Jugendliche beim Umgang mit Erwartungen von finanziellen Leistungen durch Menschen in ihrem Heimatland zu unterstützen“. Nach der Definition der CDU wäre ich schon längst im Drogenmilieu. Eine direkte Verknüpfung zwischen strafrechtlich relevanten Delikten, wie mit Drogen zu dealen, und dem Kontakt zu Verwandten im Heimatland ist nicht feststellbar.
Alle jungen Menschen haben das Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung, das ist die Aufgabe der Jugendhilfeeinrichtungen und auch unsere politische Aufgabe. Wir brauchen mehr Unterstützung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wir brauchen mehr Beratung und bessere Versorgung – das diskutieren wir, dazu stehen wir, und das begleiten wir –, aber es stimmt überhaupt nicht, dass die jungen Menschen keine Vertrauensperson haben und hier auf sich allein gestellt sind.
Ich habe ja auch gerade in der Vorbereitung auf diese Debatte mit den Mitarbeitern aus der Berckstraße Kontakt aufgenommen und mit Personen gesprochen, die diese minderjährigen Flüchtlinge begleiten. Ich habe auch nach der Anzahl von Personen gefragt, und danach, dass sie nicht motiviert sein sollen. Darauf habe ich keine Bestätigung erhalten. Die Aufgaben der Jugendhilfeeinrichtung, des Ca
semanagements und der Vormundschaft im Land Bremen sind ja ausführlich in den Qualitätsstandards zum Erstkontakt und zur Unterbringung beschrieben und werden auch umgesetzt, was ich auch sehr begrüße.
Die Behörde hat bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, die zur Verbesserung der Situation für die jungen Flüchtlinge führen, und mit verschiedenen Trägern der Jugendhilfeeinrichtungen wurde über die Ausweitung bestehender Angebote verhandelt. Es werden natürlich jetzt auch weitere Standorte geprüft, um dort Plätze für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge bereitzustellen. Dort, wo es die individuelle Situation der Minderjährigen ermöglicht, bietet sich in Einzelfällen auch die Bildung von betreuten Wohngemeinschaften oder eine Betreuung bei Pflegeeltern an. Auch in Bremerhaven wird verstärkt kooperativ an der Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge gearbeitet.
Ich stimme Frau Vogt vollkommen zu, die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen liegt im Spannungsfeld zwischen Jugendhilfe und dem Ausländerrecht, und es ist wichtig, dass die Grundlagenschulung und der Erfahrungsaustausch zur Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auch regelmäßig stattfinden. Aus den von mir genannten Gründen werden wir diesen Antrag der CDU ablehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Vizepräsidentin S c h ö n übernimmt den Vorsitz.)
Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte gern in meinem zweiten Redebeitrag noch einmal einige Anmerkungen zu Ihrem Antrag machen und vielleicht auch noch genauer sagen, was unser Problem mit Ihrem Antrag ist, Frau Grönert. In Ihrem zweiten Redebeitrag sind Sie kaum auf Ihren Antrag eingegangen, finde ich. Es geht nicht um die allgemeine Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge, darüber diskutieren wir ja in fast jeder Bürgerschaftssitzung und auch in vielen Ausschussund Deputationssitzungen, es geht um den Zusammenhang zwischen den unbegleiteten Minderjährigen und den Drogendelikten, und ich finde, Sie sind in Ihrem zweiten Redebeitrag nicht darauf eingegangen. Unser Problem ist, dass Ihr Antrag von Unterstellungen und Vorannahmen ausgeht.
Unser zweiter Kritikpunkt an Ihrem Antrag ist, dass Sie nicht in erster Linie von schutzbedürftigen Jugendlichen sprechen, sondern von Tatverdächtigen. In der Diskussion ist es ja so: Auf Basis dieser Kleinen Anfrage geht es hier um ganze 28 Personen, die mit Drogenkriminalität in der Polizeistatistik aufgefallen sind, das ist für Sie anscheinend zu wenig, um dem erwünschten Antrag Nachdruck zu verleihen, deshalb greifen Sie wie gewohnt zu dieser Dunkelziffer. Zu der Dunkelziffer möchte ich sagen, auch ich habe wirklich durchgehend einmal im Gesundheitsamt mit den Kolleginnen von KIPSY und den Drogenberatungsstellen Gespräche geführt, aber auch mit anderen Beratungsstellen, unter anderem habe ich auch mit REFUGIO gesprochen. Diese Beratungsstellen bestätigen heute nicht, dass diese Dunkelziffer existiert, denn diese Jugendlichen sind intensiv in Betreuung, sogar besser als in den eigenen Familien, denn sie würden im Alltag auffallen, wenn sie Drogen konsumieren oder nicht zur Schule gehen würden, und dann würden sofort Telefonate geführt werden. Deshalb kann man hier nicht von einer Dunkelziffer sprechen. Außerdem gibt es keine Bestätigungen oder Statistiken – zumindest sind mir keine bekannt –, dass diese Gruppe überdurchschnittlich von Drogenmissbrauch betroffen ist. Wenn Sie den Drogengebrauch meinen, so ist diese Gruppe nicht überdurchschnittlich davon betroffen.
Ich möchte noch etwas zu den Herkunftsständen sagen, etwa zum Beispiel Senegal. Einige dieser Jugendlichen kommen aus dem Senegal. Der Senegal fungiert als Umschlagsplatz für Drogen aus Asien und Lateinamerika auf dem Weg nach Europa und in die USA, das erläutern Sie ja auch in Ihrem Antrag. Ich nehme an, dass diese Jugendlichen auch von Drogenkonzernen dafür angeworben werden, das kann sein, aber was hat das mit dem Rechtsverständnis dieser Länder zu tun? In Ihrem Antrag unterstellen Sie, dass diese Länder kein Rechtsverständnis für diese Fragen haben. Glauben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass die Jugendlichen nicht wissen, dass das Unrecht ist, oder meinen Sie, dass senegalesische Eltern das toll oder nicht so schlimm finden, wenn ihre Kinder als Kuriere mit Cannabis oder Kokain erwischt werden?
Meine Damen und Herren, im Senegal herrschen strenge Gesetze gegen den Drogenhandel, im Jahr 2006 wurden diese Gesetze noch verschärft. Ganz Westafrika arbeitet mit Frankreich und England zusammen im Kampf gegen die internationale Drogenkriminalität. Auch in den Schulen laufen Anti-Drogen-Kampagnen, und deshalb finde ich, diese Sätze in Ihrem Antrag sind eine Unterstellung, dass es hier um das Rechtsverständnis der anderen Länder geht, ich finde, es geht hier vielmehr um die 50 Prozent Arbeitslosigkeit und die verbreitete Kinderarbeit und
die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den südlichen Provinzen, das hatte Frau Vogt auch schon unter dem Stichwort Kindersoldaten angesprochen.
Ich fasse zusammen: Meine Damen und Herren, der wesentliche Satz der Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage lautet, dass der weitaus überwiegende Teil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge keinen Kontakt zur Drogenszene in Bremen hat.
Darauf, Frau Grönert, gehen Sie nicht ein, dass der größte Teil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hier in Bremen versucht, die Chance der Migration zu nutzen, um Bildung zu erlangen und in Arbeit zu kommen.
Die Ausnahme in Ihrem Antrag bilden die drei Punkte, wo es um die Unterbringung in der Zentralen Aufnahmestelle geht, wo es um verstärkte Hilfen in diesem Bereich geht. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag gesagt, uns geht es darum, dass wir viel in diesem Bereich machen, aber auch viel besser werden wollen in der Betreuung und in der Beratung. Wir kümmern uns täglich um die bessere Betreuung sowohl der unbegleiteten Flüchtlinge als auch der übrigen Flüchtlinge.
Außer diesen drei Punkten empfinden wir den restlichen Antrag als repressiven Umgang mit Jugendlichen, deshalb ist er nicht tragfähig und verzerrt in unzulässiger und gefährlicher Weise das Bild von schutzbedürftigen Jugendlichen. Deshalb werden wir diesen Antrag mit gutem Gewissen ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eben gesagt, dass neben vielen Dingen, die wir hier in den letzten drei Jahren dieser Legislaturperiode schon diskutiert haben, mit Sicherheit eine der Voraussetzungen die aufenthaltsrechtliche Absicherung für Jugend
liche sein muss, die unbegleitet hierher fliehen, weil das erst die Voraussetzung für eine sichere Perspektive bietet, und dazu möchte ich zwei, drei konkrete Punkte benennen. Zurzeit sind nämlich auch für die Klärung der aufenthaltsrechtlichen Perspektive die Vormünder zuständig. Sie treffen die Entscheidungen für ihre Mündel, und dazu muss allerdings einfach einmal betont werden, dass auch die Amtsvormünder mit der Komplexität des Migrationsrechts, das sowohl das Asylrecht als auch das Aufenthaltsrecht umfasst, oft überfordert sind. Sie bekommen zwar Schulungen, aber diese erfolgen durch die Ausländerbehörde, und das finden wir zumindest relativ einseitig.
Wir haben oft von Amtsvormündern gehört, die der Meinung waren, es sei ihre Pflicht, an einer Identitätsklärung mitzuwirken, und die nachher dafür gesorgt haben, dass Jugendliche ausgewiesen worden sind. Sie sind zwar noch hier, aber eben in einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Ich werfe das den Amtsvormündern nicht vor, sie wissen es nämlich vermutlich gar nicht besser, aber ich denke, über die Schulungen sollten wir noch einmal ernsthaft reden, denn wenn sie nur durch die Ausländerbehörde erfolgen, sind sie natürlich auch einseitig, und ich denke, man muss in diesen Rechtsfragen die Amtsvormünder einfach einmal von unabhängiger Seite informieren.
Das Zweite ist, wir haben hier ja mehrfach ein Clearinghaus beziehungsweise auch eine Clearingstelle gefordert, was es ja jetzt auch geben soll. Dazu habe ich auch eine Anmerkung zu machen, denn in den Qualitätsstandards für den Erstkontakt und die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die im letzten Herbst veröffentlicht worden sind, ist ein Clearing vorgesehen, das beinhaltet aber eben auch nur die ausländerrechtliche Registrierung. Ich finde, das greift zu kurz, Frau Stahmann, wenn man sagt, das Clearingverfahren soll nur die ausländerrechtliche Registrierung beinhalten, denn natürlich ist die Klärung der aufenthaltsrechtlichen Perspektive das Wichtige und nicht die Registrierung. Da, denke ich, muss auch noch einmal nachgesteuert werden.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Beratungskapazitäten in Bremen massiv ausgebaut werden müssen, und zwar von unabhängigen Stellen. Ich finde, hier ist der Senat auch wirklich ernsthaft gefragt.
Ein weiterer Punkt, der ganz wichtig ist zur Stabilisierung neben den vielen Dingen, die wir hier schon diskutiert haben, wie Alphabetisierung, Schule, Unterbringung im Jugendhilfesystem oder in Privathaushalten, ist natürlich die psychosoziale Betreuung. REFUGIO ist nach wie vor überlastet, und es gibt monatelange Wartelisten, was insbesondere bei akuten Traumatisierungen gerade von Jugendlichen kaum
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Frau D r. M o h a m m a d z a d e h [Bünd- nis 90/Die Grünen])
Ich weiß, dass dort 25 000 Euro mehr investiert wurden, das ist klar, aber wir haben immer noch die Situation, dass REFUGIO überlastet ist, das ist nun einmal so.
Ein anderer Punkt ist die Integration von jungen Flüchtlingen in Vereine. Bei einigen Sportvereinen passiert da sehr viel, gerade in den letzten zwei, drei Jahren, und es wäre natürlich wünschenswert, wenn sich noch andere Vereine solcher Projekte annehmen und sich daran beteiligten, Flüchtlinge per Freimitgliedschaften aufzunehmen. Dafür, glaube ich, könnten wir und der Senat insgesamt auch noch einmal ein bisschen mehr werben, denn da, wo es Vereine machen, ist es mit Sicherheit für die Integration und für das Wohlfühlen von jungen unbegleiteten Flüchtlingen eine ganz wichtige Station, denn die meisten unbegleiteten Flüchtlinge sind jugendliche Männer.
Wie ich es oft erlebe, streben sie es wirklich an, Fußball spielen zu können und das soziale Umfeld zu haben, das sie mit diesem Verein dann verbinden.
Wir sind uns also mit der CDU in einigen Punkten einig, ich muss allerdings auch sagen – und da kann ich meine Vorrednerin durchaus unterstützen –, über die Forderung der CDU nach mehr Kontrollen, Repressionen, Platzverweisen oder Sperrstunden in den Unterkünften und Aufenthaltsverbote können wir einfach nur den Kopf schütteln, weil verschärfte Polizeimaßnahmen die Integration jugendlicher Flüchtlinge mit Sicherheit nicht nachhaltig verbessern werden, und das lehnen wir auch ganz klar ab.
Insgesamt werden wir Ihren Antrag daher ablehnen, weil er, wie gesagt, eine falsche Haltung zugrunde legt. Es sind ein paar wichtige Sachen erwähnt, aber die Forderung, jugendliche unbegleitete Flüchtlinge vom Drogenmilieu fernzuhalten, über repressive Maßnahmen zu lösen, können wir nicht mittragen. Ich sehe dies aber trotzdem als einen Beitrag zur Debatte, was wir noch alles machen müssen, weil wir bei der Verbesserung der Situation noch lange nicht am Ende angekommen sind und die Zahlen nach wie vor hoch sind. – Ich danke Ihnen!