Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: So viel Frust?)

Vielleicht geht es nur mir so. Das liegt an den Kleidern, sie gehen immer ein.

Klar ist, Übergewicht liegt am Lebensstil. Kinder, die mit dem Auto zur Kita und zur Schule gebracht werden, verlernen, sich zu bewegen. Kinder, die zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren, lernen, sich gemeinsam zu bewegen und den Raum für sich zu nehmen. Solche Projekte finden wir gut.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Investitionen in Fahrradwege, liebe CDU, ist Gesundheitsprävention.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bewegung in den Alltag einbauen ist Prävention, das ist Übergewichtsprävention zum Selbermachen. Kulturelle Bildung, Kreativität, Kindern zu zeigen, dass sie Besseres mit ihrem Leben anfangen können, als fernzusehen, fördert das Schlanksein, ebenso gutes und gesundes Essen in Kitas und Schulen. Ich erinnere mich daran, wie das hier in der Debatte so ein bisschen lächerlich gemacht wurde, als wir Grünen mit dem Vorschlag kamen, in der Hinsicht aktiver zu werden. Es ist nachgewiesenermaßen Übergewichtsprävention! Auch an der Stelle ein Lob an KiTa Bremen! Die Bertelsmann Stiftung hat es neulich in einer Studie bestätigt, Kinder in den Bremer Kitas bekommen das beste und gesündeste Essen bundesweit. Das ist doch schon einmal ein Anfang.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Gedanke noch! Im „The Lancet“, dem führenden internationalen medizinischen Fachblatt, fand ich kürzlich folgende Aussage, ich zitiere: „Transnationale Firmen sind die Haupttreiber für Epidemien nicht übertragbarer Krankheiten. Sie profitieren vom steigenden Konsum von Tabak, Alkohol und ungesunden Lebensmitteln.“ Diese Forscher fordern höhere Steuern auf ungesunde Produkte und Werbe- und Sponsoringverbote. Wohlgemerkt: Das sind keine Forderungen von uns Grünen, die immer schmallippig angeblich auf der Suche danach sind, hier irgendwie die Lebensfreude zu reduzieren, sondern das sind die Forderungen von angesehenen medizinischen Forschern weltweit.

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Sie kön- nen sich dem aber anschließen! – Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! Lassen Sie uns weiter diskutieren, auch gern über diese Vorschläge, wenn Sie mögen, aber auch darüber, wie wir es unseren Kindern ermöglichen können, Gesundes zu essen, sich gern und viel zu bewegen, gut und sicher Fahrrad zu fahren! Weitere Konzepte in alten Strukturen helfen uns nicht weiter. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Rosenkötter, Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte gibt uns die Gelegenheit, einmal das Thema Fettleibigkeit und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu rücken. Ich brauche die empirischen Daten, die die Vorrednerinnen und Vorredner hier vorgetragen haben und die auch sehr gut in dem Bericht zusammengestellt sind, nicht noch einmal zu referieren. Gleichwohl ist es natürlich alarmierend, wenn schon rund ein Drittel der Kinder und Jugendlichen übergewichtig ist.

Das sollte uns schon zum Nachdenken anregen, und ich denke, das tut es auch.

Wir haben eine ganze Reihe Angebote in unseren Kinder- und Jugendeinrichtungen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Übergewicht – und die Kollegin Frau Dr. Kappert-Gonther hat es gesagt – kann natürlich zum einen krankhafte Ursachen haben, aber Übergewicht ist natürlich auch ein Stück, ich sage einmal, erlernt, anerzogen oder erworben. Eines wissen wir natürlich auch, es wird immer schwieriger, Übergewicht aus dem Kindes- und Jugendalter im hohen Erwachsenenalter wieder loszuwerden. Dass daraus natürlich auch die eine oder andere Erkrankung resultiert, wissen wir, glaube ich, alle sehr genau. Deswegen bedeutet es eben auch, dass wir von Anfang an das Thema Ernährung und Bewegung in unseren Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen, aber dabei nicht immer nur die Kinder und Jugendlichen im Blick haben, sondern möglichst auch die Eltern mit einbeziehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie sind es letztendlich, die dabei eine ganz entscheidende und wichtige Rolle spielen.

Nun stellt sich natürlich die Frage, brauchen wir, so wie es die CDU vorgeschlagen hat, ein ganzheitliches Konzept. Ich sage für Bremen und Bremerhaven, nein, wir brauchen Angebote. Da wünsche ich mir, dass die Vielfalt und die Vielzahl der Angebote, die es hier von ganz unterschiedlichen Einrichtungen und Trägern gibt – da spielt natürlich der Bereich von Kita und Grundschulen in der Zusammenarbeit mit Sportvereinen eine ganz große Rolle –, weiter unterstützt, begleitet und dort, wo es notwendig ist, auch weiterentwickelt wird. Wir benötigen diese Vielfalt und Vielzahl ortsteilnah, weil ich glaube, gerade das niedrigschwellige Angebot, das wir hier machen, erreicht Kinder und Jugendliche am ehesten und gibt ihnen eine Möglichkeit, sich dort hineinzubegeben und die Kinder und Jugendlichen in ihren Lebenswelten auch abzuholen.

Ich möchte zwei Punkte ansprechen, die aus meiner Sicht in dieser gesamten Debatte gar nicht vorgekommen oder etwas zu kurz gekommen sind, das betrifft die Rolle der Lebensmittelindustrie und den Bereich der Werbung. Das ist zugebenermaßen ein etwas anderes Thema, aber es gehört einfach dazu. Wenn wir über gute und richtige Ernährung sprechen, dann müssen wir einfach auch über Werbung und das Angebot reden, das unseren Kindern und Jugendlichen tagtäglich offeriert wird, und nicht nur ihnen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ganz nebenbei gesagt, ich wünsche mir natürlich – um dort einen ganz aktuellen Bezug herzustellen –,

dass wir die nächsten paar Wochen nicht nur dazu nutzen, uns vor dem Fernseher über die Fußballergebnisse zu freuen, sondern dazu anregen, dass wir und vor allem auch Kinder und Jugendliche den Weg in Vereine, in Bewegungsangebote, in offene Angebote von Bewegung und guter Ernährung finden. Vielleicht kann der Fußball dazu beitragen.

Ganz kurz und knapp: Wir lehnen den Antrag der CDU ab. Wir verbinden den guten und umfassenden Bericht der Deputation für Gesundheit und die Zustimmung dazu zum einen mit einem Dank, aber ich möchte hier zum anderen noch einen besonderen Appell an alle richten: Das Thema Prävention spielt zurzeit ja auch auf der politischen Bühne des Bundes eine Rolle – Präventionsgesetz –, das haben wir auch hier in diesem Bericht lesen können, auch dort gehören natürlich die Themen Ernährung, Bewegung und Übergewichtigkeit hinein. Ich möchte aber einen besonderen Fokus auf die Kinder und Jugendlichen legen, die aus einer ganz speziellen Situation heraus Beeinträchtigungen haben – hier sind es insbesondere Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Beeinträchtigung –, denn dort haben wir verstärkt mit dem Thema Übergewichtigkeit zu tun. Das ist meine große Bitte, uns dem noch einmal besonders zuzuwenden! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort Herr Staatsrat Härtl.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Viele Fakten, die zu diesem Thema zu sagen sind, wurden hier genannt, ich erspare es Ihnen und mir, dies noch einmal zu wiederholen, die Zahlen sind erschreckend, wenn mehr als 30 Prozent der Jugendlichen an Übergewicht und Fettleibigkeit leiden. Ich möchte aber einem Eindruck hier entschieden widersprechen, den Herr Bensch hervorzurufen versucht hat, nämlich über den Hinweis, dem Senat, insbesondere auch dem Gesundheitsressort, mangele es an Ernsthaftigkeit beim Aufgreifen dieses Problems.

(Zuruf: Nein!)

Das war die klare Ansage, und sie ist so auch nicht im Ansatz richtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, der Bericht der Deputation macht sehr deutlich, mit welcher Angebotsvielfalt der Senat in Bremen, aber nicht nur der Senat, sondern auch andere Akteure, die an diesem Problem sinnvollerweise beteiligt werden müssen, dieses Thema aufgreifen, um Entwicklungen zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu begegnen. Das bedeutet, dass diesem Problem im

Wesentlichen mit einem primärpräventiven Ansatz begegnet werden muss, und das machen wir. Das machen wir in Kitas, darauf ist schon hingewiesen worden, darauf reagieren wir in Schulen mit Schulernährungsprogrammen, die abgestimmt sind – dort gibt es Beratungsstellen, die genau dies zum Thema machen –, darauf reagieren aber auch Krankenkassen und Kostenträger, die Angebote in die Selbsthilfe geben, die selbst niedrigschwellige Angebote für Schulungen machen, und ich glaube, das ist der richtige Weg.

Ein neues Konzept, das versucht, diese Vielzahl niedrigschwelliger Angebote zu verbinden, führt zu nichts Weiterem, es bündelt auch keine Aktivitäten, für die es jedenfalls auf staatlicher Seite auch gar keine Kompetenzen gibt, das passiert im Wesentlichen aufseiten der Kostenträger, aber auch aufseiten anderer Interessierter wie bei Sportvereinen, die hier eine ganz wichtige Rolle haben. Das, was wir auf kommunaler und staatlicher Seite abdecken können, sind im Wesentlichen therapeutische Angebote in den Kliniken. Was dort geleistet wurde, ist sowohl im Bericht ausgeführt als auch hier dargestellt worden. Ich glaube, es erübrigt sich, noch einmal darauf einzugehen, dass wir dort gut aufgestellt sind und das tun, was wir tun können.

Im Übrigen muss man den Fokus darauf lenken, dass es ein gesellschaftliches Problem ist – es ist kein medizinisches Problem, Herr Tuncel, es ist viel umfassender –, und wir müssen uns genau an die gesellschaftlichen Gruppen richten können, in denen das Problem vorherrschend auftritt. Das schaffen wir nur mit niedrigschwelligen Angeboten. Der Senat wird seine Bemühungen jedenfalls fortsetzen, an diesem Ansatz festzuhalten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/725 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Gesundheit, Drucksache 18/1363, Kenntnis.

Umsetzung der Empfehlungen des NSUUntersuchungsausschusses in Bremen

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 3. April 2014 (Drucksache 18/1348)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 27. Mai 2014

(Drucksache 18/1410)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.