Protokoll der Sitzung vom 16.07.2014

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Sie würden sie ganz sicher ablehnen, wenn sie konkret vorgeschlagen werden, da kann man ganz sicher sein!)

Es geht nicht um Blut, Schweiß und Tränen, wie

Sie es der CDU 2008 vorgeworfen haben, sondern es geht ausschließlich darum, Verlässlichkeit und Langfristigkeit in der Finanzpolitik so Einkehr halten zu lassen, wie es viele erfolgreiche CDU-Finanzmi nister in Deutschland vormachen, meine Damen und Herren! Sie müssen nicht von Nordrhein-Westfalen abschreiben, schreiben Sie doch von den Erfolgsmo dellen in Deutschland ab, vom Bundesfinanzminister, vom hessischen Finanzminister, vom bayrischen Finanzminister!

(Beifall bei der CDU)

Wenn sie schon keine eigenen Ideen haben, dann schreiben Sie doch bei denen ab, die besser sind, und nicht bei denen, die es genauso miserabel machen wie Sie, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Nichts von den anstehenden finanziellen Prob

lemen, die hausgemacht sind, ist durch Ihre Regie rungserklärung und Ihre Ankündigungen gelöst. Wir werden als CDU-Fraktion diesen Prozess weiter begleiten. Wir wollen als CDU-Fraktion unseren Beitrag dazu leisten, dass die hohen Potenziale, die Bremen hat in der industriellen Infrastruktur, in der Anzahl der Arbeitsplätze, in der hohen wirtschaftli chen Leistungsfähigkeit, die sich im Bruttoinlands produkt je Einwohner ausdrückt, in der exzellenten wissenschaftlichen Infrastruktur und der hohen Leis tungsbereitschaft des öffentlichen Dienstes, nicht durch die Politik des Senats verschreckt, sondern zum Wohle Bremens gehoben werden. – Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das

Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister! Am letzten Dienstag hat uns die Finanzsenatorin öffentlich mitgeteilt, dass sie eine Haushaltssperre wegen unkalkulierbarer Risiken verhängen werde. Am gleichen Tag konnte man interessanterweise ein Interview mit Ihnen, Herr Bürgermeister, in der „Bild“-Zeitung lesen, in dem sie sehr stark betont haben, wie hoch und wie stark die Wirtschaftskraft und die wirtschaftlichen Erfolge in Bremen sind.

Die CDU hat daraufhin eine Regierungserklärung

eingefordert, und der Bürgermeister hat sich hier

eben erklärt und auch versucht uns zu erklären, wa rum das Handeln, vor allen Dingen das finanz- und haushaltspolitische Handeln, dieses Senats verant wortungsvoll sei. Meine Damen und Herren, ich muss ganz ehrlich sagen, was an Bremens Haushalts- und Finanzpolitik, und zwar nicht nur zu Zeiten der rotgrünen Koalition, da beziehe ich auch zwölf Jahre Große Koalition mit ein, verantwortungsvoll sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu den Fakten! Die Haushaltsrisiken waren beileibe

nicht so unkalkulierbar, wie der Senat uns das immer vormachen will, und zwar grundsätzlich. Der Senat hat eine Sanierungsvereinbarung unterzeichnet. Wir reden hier immer über die Schuldenbremse, eigentlich ist es aber eine Sanierungsvereinbarung. Für Bremen gibt es eine Art vorgezogene Schuldenbremse, die in den anderen Bundesländern erst ab dem Jahr 2020 wirkt. Die Annahmen, die der Senat damals errechnet hatte, waren von vornherein unrealistisch. Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, dann findet man die Annahmen auch in dem mittleren Finanzrahmen bis zum Jahr 2017 wieder, den uns der Senat letztes Jahr vorgelegt hat.

Ich habe im Übrigen auch keine Zweifel daran,

dass die Bürgermeisterin und Finanzsenatorin selbst davon ausgeht, dass diese Annahmen unrealistisch sind, sie hat es in meiner Gegenwart im letzten Jahr in einer finanzpolitischen Runde sogar zugegeben. Der Senat sagt, in Bremen steigen die Ausgaben nur um 0,7 Prozent, um die Sanierungsvereinbarung einzuhalten. Die Einnahmen müssten dann kontinu ierlich um 3,3 Prozent steigen, in der mittelfristigen Finanzplanung ist sogar eine Steigerungsrate von 3,5 Prozent genannt. Liebe Mitglieder des Senats, das ist eine Absichtserklärung, und das ist schön, aber damit können Sie nicht die konjunkturelle Entwick lung steuern, und das wissen Sie selbst ganz genau!

Nun konkret zu dem Problem der Haushaltssperre!

Man kann auch hier sagen, bei der Haushaltsauf stellung im letzten Herbst wurde die Einnahmeer wartung geschönt. Die Gewinnabführung der BLG wurde 10 Millionen Euro zu hoch angesetzt. Man kann natürlich an dieser Stelle darüber streiten, ob man es wissen oder vermuten konnte oder nicht, dass das Ukrainegeschäft scheitert, es ist aber auf jeden Fall nicht vom Himmel gefallen, dass die Gewinn abführung doch außerordentlich hoch einkalkuliert worden sind.

Bei der Spielbankabgabe war es zumindest ganz ein deutig. Die Schwierigkeiten des Bremer Spielkasinos seit dem Umzug an die Schlachte sind bekannt. Wir haben die Situation mehrfach hier beraten, und wir wissen auch, welche Auswirkungen es hat, wenn die Spielbankabgabe nicht zur Verfügung steht.

Ich komme jetzt einmal zu den Ausgaben, die der

Senat annimmt. Der Senat sagt, wir halten die Stabili

tätskriterien ein, die mit dem Stabilitätsrat vereinbart worden sind. Die Annahmen dabei sind: Die Perso nalausgaben bleiben konstant, die Tarifsteigerungen werden über einen Personalabbau aufgefangen, die Sozialleistungen steigen nur um 1,7 Prozent, und sonstige konsumtive Ausgaben erhöhen sich nur marginal um 0,1 Prozent. Man muss sich immer wieder den Begriff konsumtive Ausgaben bewusst machen. Es sind nämlich nicht die Kosten für Kopierer oder die Dienstfahrzeuge, sondern es sind zum Beispiel die Kosten für die Hochschulen und Universitäten sowie für die Zuwendungsempfänger. Konsumtive Ausgaben beinhalten auch einen erheblichen Teil versteckter Personalkosten. Das muss man wissen, ansonsten schönt man auch hier die Situation.

Investitionen werden weiter reduziert, und an die

ser Stelle können wir auch einmal konkret werden. Die Sozialleistungen steigen, wie gesagt, nur um 1,7 Prozent, das hat der Senat im letzten Sommer noch verlauten lassen. Wir wissen, dass Bremen die Steigerung der Sozialleistungen zum einen nicht in der Hand hat, das wurde hier auch vom Bürger meister trefflich gesagt. Der Bund bestimmt nicht nur die Höhe, sondern auch die Art der Sozialleis tungen. Zum anderen, das muss ich hier auch noch einmal ganz deutlich sagen, hat Bremen in Sachen Beschäftigung und Armutsbekämpfung seit zwei Jahrzehnten versagt.

Herr Röwekamp, Sie können nicht so tun, als wären

Sie ein Marsmensch, der jetzt auf einmal hier steht und sagt, der rot-grüne Senat hat da versagt. Sie haben in der letzten Woche selbst an der Sitzung des Ausschusses zur Bekämpfung und Prävention von Armut und sozialer Spaltung teilgenommen, in der Bremen von den Experten und Sachverständigen in das Stammbuch geschrieben worden ist, in den letzten 20 Jahren im Hinblick auf Bildungsbeteili gung, frühkindliche Bildung und Durchlässigkeit in der Bildung – sodass die Menschen überhaupt die Armutsfalle verlassen können – die Weichen komplett falsch aufgestellt zu haben. Sie und Ihre Partei waren doch auch zwölf Jahre an einer Regierung beteiligt, von der diese Weichen falsch gestellt worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man sich die Zahlen einmal anschaut, be

deutet das nämlich eben leider auch für Bremen, dass die Anzahl der Menschen, die von Sozialleistungen leben, steigt und dass die Zahl der Menschen, die mit den Armutsfolgen zu kämpfen haben und besondere Hilfen benötigen, steigt. Mittelfristig, auch das wis sen wir, werden in Bremen immer mehr Menschen leben, die im Alter arm sind, da sie keine oder keine gesicherten Erwerbsbiografien haben.

Der Senat beziffert – ich komme wieder zum Kon

kreten – seine im letzten Herbst falsch kalkulierten Sozialausgaben auf zusätzlich 26 Millionen Euro. Ob die Mehrausgaben für die steigende Zahl der

Flüchtlinge im letzten Herbst tatsächlich nicht ab sehbar waren, wage ich zu bezweifeln. Die Bürger schaft jedenfalls hat sich seit zwei Jahren ständig mit diesem Thema beschäftigt, und das dürfte auch dem Senat nicht entgangen sein. Die Tatsache, dass höhere Kosten für die Betreuung beeinträchtigter Schülerinnen und Schüler anfallen, dürfte dem Se nat bekannt gewesen sein, das Gleiche gilt für den Ausbau der Kinderbetreuung.

Kommen wir aber einmal zum eigentlichen Knack

punkt, werte Kolleginnen und Kollegen: Die Tarif steigerungen wurden vom Senat bislang in jedem Haushalt – zumindest seit ich Abgeordnete bin –, mit einer Größenordnung von 0,9 Prozent von vornherein unrealistisch kalkuliert! Dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und ihre Interessensvertretun gen sich nicht dauerhaft von der Einkommensent wicklung in diesem Land abkoppeln lassen wollen, ist keine große Überraschung, zumindest mich und unsere Fraktion überrascht es nicht, und wir finden es auch richtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem Tarifabschluss in diesem Jahr beziffert

Finanzsenatorin Linnert die Mehrausgaben für die Angestellten des öffentlichen Dienstes auf 2,7 Milli onen Euro. Davon hätte sie im Herbst letzten Jahres ausgehen können. Höhere Personalausgaben für die Polizei in Höhe von 3 Millionen Euro kommen auch nicht ganz unerwartet, denn die grundsätzliche An nahme des Senats, man könne den Tarifsteigerungen bis zum Jahr 2018 mit einem Personalabbau begeg nen, lässt sich schon lange nicht mehr halten. Beim Personalabbau, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Bremen schon längst über die Grenze des Möglichen hinausgegangen. Polizei, Feuerwehr und Schulen: Die Politik des vergangenen Jahrzehnts, immer nach dem Rasenmäherprinzip in diesen Ressorts zu verfahren, hat inzwischen zu spürbaren Personal engpässen geführt. Unterrichtsausfall, Überstunden, unterbesetzte Reviere und Feuerwachen entstehen nicht durch Naturkatastrophen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher hätte man – auch noch in der letzten Woche

sagen können, gut, es waren ein wenig die übliche Haushaltsschönfärbereien, zu niedrig kalkulierte Ausgaben und zu hoch kalkulierte Einnahmen. Der Risikotopf ist überreizt, weil er auch zu niedrig an gesetzt war. Man hätte jetzt einfach sagen können, wir beschließen einen Nachtragshaushalt, denn auch das muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden: So klamm, wie man es uns weismachen will, sind wir im Moment noch lange nicht!

Der Abstand zur Obergrenze der erlaubten Neu

verschuldung zum Sanierungspfad beträgt im Jahr

2014 162 Millionen Euro und im Jahr 2015 sogar 200 Millionen Euro. Selbst ein Nachtragshaushalt von jeweils 60 Millionen Euro für diese beiden Jahre führt nicht zur Überschreitung der Obergrenze des Sanierungspfads, Bremen wäre noch weit davon entfernt. Außerdem, auch das ist hier schon an geklungen, kann Bremen zumindest ab dem Jahr 2015 mit einer jährlichen Entlastungen in Höhe von 25 Millionen Euro rechnen, wenn der Bund die BAföG-Leistungen und die Aufwendungen für die Wiedereingliederungshilfe übernimmt.

Ich möchte an dieser Stelle einmal erwähnen,

dass die Mittelentlastung, die jetzt hier dauernd zur Diskussion steht, natürlich immer noch an Bedin gungen geknüpft ist, und ich bin sehr gespannt, ob Bremen tatsächlich zum 1. Januar 2015 diese Mittel entlastet werden wird. Ich möchte hier auch noch einmal darauf hinweisen, dass in der Diskussion einiges gern verschwiegen wird. Es sind eigentlich weitere Entlastungen vorhanden, weil der Bund den Aufwuchs für die universitäre Forschung finanziert. Die frei werdenden Mittel möchte der Senat aber nicht zusätzlich in den Hochschulbereich einstellen, es wird einfach gesagt, die Mittel stellen wir nicht mehr in den Haushalt ein.

Das finde ich falsch, denn das ist es ja genau, was