Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

dieser Patienten macht der Senat folgende Anga ben: Auch hier wird das, was wir eben schon in tensiv diskutiert haben, nämlich die sogenannte Zwangsmedikation, natürlich praktiziert. Das Thema Zwangsmedikation ist ein hoch sensibles Thema, aber wenn man es unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr, der Zielrichtung der gerichtlichen Anordnung – Sie haben gestern in einem anderen Zusammenhang schon einmal darauf hingewiesen, Herr Senator –, und gleichzeitig des medizinischen Aspekts, nämlich der Besserung des Leidens und der Krankheit betrachtet, dann, glaube ich, ist dieser Balanceakt zwar unter sehr schwierigen Bedingun gen, aber durchaus zu schaffen.

Meine Damen und Herren, aus den Antworten des

Senats geht weiter hervor, dass bei den langjährig Untergebrachten neben den spezifischen Therapien spezielle Angebote – und das, glaube ich, ist sehr wichtig! – im bildungs-, arbeits- und beschäftigungs therapeutischen Bereich gemacht werden, und zwar ganz erheblich, um dem Verlust der alltags- und lebenspraktischen Fertigkeiten vorzubeugen.

(Glocke)

Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss! Dazu gehören Lockerungen, die, wenn möglich und vertret bar, nach außen verlagert werden, wie beispielsweise Schwimmgruppen, Fußballturniere und Sonstiges.

Ich möchte an dieser Stellte das, was der Sena

tor eben auch schon gesagt hat, deutlich machen, nämlich dass sich für die CDU-Fraktion – das hat der Senator zwar nicht gesagt, aber das schicke ich jetzt vorweg – aus den ausführlichen Antworten des Senats ergibt, dass die Unterbringung in der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychothe rapie eine hoch sensible gesellschaftliche Aufgabe im Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Allge meinheit vor Straftaten und der menschenwürdigen Behandlung und Unterbringung der Patienten ist.

Dabei fällt den Gutachtern und Therapeuten in der Klinik sowohl bei der Erstbegutachtung als auch bei allen weiteren Begutachtungen und Therapien eine äußerst große Verantwortung zu, die nach unserem Eindruck in dieser Klinik auch wahrgenommen wird. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Nächste Rednerin ist Frau

Dr. Kappert-Gonther.

Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die

Grünen): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol legen! Ich möchte mit einem Dank anfangen. Wie Sie merken, sprechen wir jetzt quasi ununterbrochen über Psychiatrie und psychiatrische Versorgung, das war vor einigen Jahren in dieser Bürgerschaft noch anders. Jetzt gibt es in allen Fraktionen immer wieder Beschäftigung mit diesem wichtigen Thema wie man seelische Gesundheit fördern kann und wie die Versorgung von psychisch Kranken in dieser Stadt verbessert werden kann. Ich finde es gut, dass wir all diese wichtigen Themen hier immer wieder diskutieren.

Worüber sprechen wir, wenn wir über Forensik

und über forensische Patienten sprechen? Im Üb rigen sind es fast ausschließlich Männer, die in der Forensik behandelt werden, deshalb verwende ich heute einmal nur die männliche Form. Forensik meint das Gleiche wie Maßregelvollzug und nimmt damit gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen Gefängnis und normaler Psychiatrie ein. Es handelt sich bei den Betreffenden um Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung für ihre Straftat nicht oder vermindert schuldfähig sind und darum eben nicht in ein Gefängnis kommen, sondern in einer forensischen Psychiatrie behandelt werden.

Davon zu unterscheiden ist die ganz normale

Regelpsychiatrie, über die wir ja eben auch gespro chen haben, wo Menschen, wie wir alle es sind, in psychischen Krisen oder mit seelischen Erkrankun gen behandelt werden können, und in aller Regel begehen psychisch Kranke genauso wenige oder viele Straftaten wie Sie oder ich. Das ist wichtig zu betonen, denn psychisch Kranke leiden meistens mehrfach, aufgrund ihrer Krankheit und aufgrund der Ausgrenzung und Stigmatisierung durch sogenannte Normale. Das dürfen wir natürlich nicht zulassen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Häufig trägt auch die mediale Berichterstattung

zu einer zusätzlichen Stigmatisierung bei, indem die Gleichsetzung von psychisch krank und gefähr lich immer wieder leichtfertig vorgenommen wird, und wir stellen uns natürlich eindeutig gegen die Stigmatisierung von psychisch Kranken. Wir sind der Auffassung, dass eine seelische Erkrankung

jeden von uns treffen kann und wir dann schnell und individuell Hilfe bekommen müssen. Darum ist es auch so wichtig darauf hinzuweisen, dass wir in dieser Debatte über die kleine Gruppe der psychisch kranken Straftäter sprechen und nicht über psychisch Kranke im Allgemeinen, Herr Hinners hatte das ja auch schon so ausgeführt.

Die Behandlung dieser Menschen, die aufgrund

ihrer psychischen Erkrankung straffällig geworden sind und deshalb nicht ins Gefängnis, sondern in eine forensische Psychiatrie kommen, weil sie natürlich fachpsychiatrische Behandlung brauchen, wird in den forensischen Kliniken durchgeführt. Diese Kli niken haben eine zweifache Aufgabe, nämlich die der Sicherung und die der Behandlung. Sicherung und Behandlung sind der ganz besondere Auftrag in der forensischen Psychiatrie – im Gefängnis geht es ja um Sicherung und Strafe und in der Regelpsy chiatrie in aller Regel um Behandlung –, und diese beiden Aufgaben der Forensik muss man in eine gute Balance bekommen. In Bremen gibt es acht forensische Stationen, die nun wiederum auf dem Gelände des Klinikums Bremen-Ost angesiedelt sind, wo auch die normale Psychiatrie angesiedelt ist, deshalb gibt es manchmal diese Verwirrung, und darum war es mir wichtig, das hier auch noch einmal auseinanderzuhalten.

In Bremen hat die Forensik unter der Leitung von

Herrn Dr. Schwerdtfeger einen besonders guten Ruf und den Ruf, eine sehr gute, individualisierte Behandlung anzubieten. Da stellt sich offensichtlich der CDU die Frage, ob unter so guten Behandlungs bedingungen auch die Sicherung adäquat ist.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Beides!)

Erfreulicherweise – und es ist wirklich etwas ganz

Gutes, was wir da in der Antwort des Senats lesen können! – zeigt sich, dass während Ausgängen und Lockerungen keine schweren Straftaten und schon gar keine Gewaltdelikte vorgekommen sind. Das ist eine sehr gute Nachricht, da können wir den Kolle ginnen und Kollegen in der Forensik von hier aus wirklich zurufen: Vielen Dank, gute Arbeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Zur Frage der Zwangsbehandlung wird in der

Antwort des Senats hervorgehoben, dass diese der zeit nur auf der Grundlage eines rechtfertigenden Notstands vorgenommen werden durfte. Dazu muss man sagen, dass wir ja gerade erst das neue PsychKG verabschiedet haben, und es wahrscheinlich im Zuge der bisher bestehenden Rechtsunsicherheit – das wird in Frage 11 deutlich – sowohl einen Gewal tanstieg gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch einen Anstieg von Fixierungen gab. Wenn wir über Zwangsbehandlungen sprechen, sprechen

wir immer über Medikation, aber es gibt ja auch die Möglichkeit, Patienten quasi zu fesseln und zu fixieren, was auch eine höchst einschränkende Maßnahme ist, und diese wurde in der Forensik in den letzten Jahren offensichtlich deutlich häufiger benutzt, während die Zwangsmedikationen deutlich gesunken sind. Ich vermute, das war im Zuge der bestehenden Rechtsunsicherheit, und ich hoffe, dass sich das jetzt über die Verabschiedung des neuen PsychKG wieder reguliert.

Insgesamt also zeigt die Antwort des Senats, dass

gerade die Balance zwischen Sicherung und Be handlung in der hiesigen bremischen Forensik gut funktioniert, wir sind sehr froh, das zu lesen. Wenn man sich das alles noch einmal ansieht, meine ich, ist es auch unter dem Gesichtspunkt, den wir jetzt hier diskutiert haben, sinnvoll, dass wir das PsychKG in zweiter Lesung verabschiedet haben, auch wenn es nicht so gut geworden ist, wie ich es mir gewünscht hätte. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nächster Redner ist der

Kollege Brumma.

Herr Präsident, liebe Kolle

ginnen, liebe Kollegen! Psychiatrie, das PsychKG und psychiatrische Versorgung sind bei uns ein ständiges Thema. Wir hatten in der Deputationssit zung in der letzten Woche noch einmal über den sozialpsychiatrischen Dienst gesprochen, und das war auch wieder eine Erkenntnis, die uns den Dingen etwas näherbringt. Das ganze Thema eignet sich natürlich nicht zur politischen Profilierung, sondern hier ist wirklich Sacharbeit angesagt. Daher finde ich es wichtig, dass wir es auch in der Deputation permanent behandeln.

Ich möchte noch einmal eine Lanze für die Be

suchskommission brechen, an der auch Personen aus unserem Parlament beteiligt sind. Dort wird sehr umfangreiche Arbeit geleistet – ich war selbst sechs Jahre dabei, ich kenne das –, und ich möchte mich noch einmal dafür bedanken, dass hier Öffentlichkeit geschaffen wurde und dieses Thema immer wieder vorgebracht wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die forensische

Psychiatrie, wie in diesem Antrag beschrieben, befasst sich mit der Schuldfähigkeit und der Einschätzung des Gefährlichkeitsgrades von Straftätern sowie ihrer Behandlung. Diese Personen werden in Bremen in der Forensik im Klinikum Bremen-Ost behandelt. Dieses Gebäude wurde im Jahr 1909 als Verwahrhaus für Menschen mit verbrecherischen Geisteskrankheiten erbaut, das war die Geburt dieser Forensik, dabei

war die Maßregelung und nicht die Besserung das Ziel. Diese Sichtweise hat sich aber inzwischen zum Glück geändert.

Nicht mehr das Verwahren allein, sondern eine

aktive Einbindung ist das Ziel. In der Forensik kann man heutzutage den Schulabschluss nachholen, und die Leistungen der dort Wohnenden können in der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie verbessert werden. Es gibt, wie Herr Hinners auch sagte, Spor taktivitäten und begleitete Ausgänge, die teilweise auch unbemerkt beobachtet werden, und es gibt inzwischen Wohngemeinschaften, damit die Über gänge in ein normales Leben verbessert werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das sind positive Dinge, die wir auch weiterhin

begleiten, damit diese Patienten wieder Lebenspra xis erlernen und auch beibehalten. Alle Ausgänge werden in Laufbüchern dokumentiert, es wird alles festgehalten, es gibt auch einen Personalschlüssel, wie in der Anfrage steht, wie die Patienten begleitet werden. Daher ist das doch eine sehr umfangreiche Aufgabe, und wir sind froh, dass wir solche Menschen finden, die diese Arbeiten auch durchführen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)