Protokoll der Sitzung vom 22.10.2014

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Rechtlich ist das im Übrigen überhaupt nicht zu

beanstanden, als Wirtschaftsunternehmen kann und darf man so agieren. Ob man so agieren muss, ist aber die Frage.

Der Auftritt von Herrn Rettig – und das fand ich

eigentlich ganz positiv – hat noch einmal den Grund konflikt sehr deutlich gemacht. Der Grundkonflikt lautet: Hat ein milliardenschwerer Unterhaltungs konzern wie die DFL mit einem höchst attraktiven Produkt, für das viel Geld bezahlt wird, einen An

spruch darauf, seine Gewinne zu privatisieren und die Kosten zu sozialisieren, oder muss auch er einen Beitrag zu den gesellschaftlichen Aufwendungen leisten? Die Positionen der DFL einerseits und die der SPD sowie von, ich glaube, zwei Dritteln der Bevölkerung andererseits sind genau entgegenge setzt. Wir meinen, dass Unternehmen für die durch sie verursachten gesellschaftlichen Folgekosten Verantwortung übernehmen müssen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn in Deutschland ein Drittel aller Polizeiein

satzstunden auf das Konto des Profifußballs geht, dann wird es höchste Zeit, dass sich der Profifußball seiner Verantwortung stellt. Wir haben in der letzten Debatte schon darauf hingewiesen, Kostentragungs pflichten bestehen in England, Frankreich, Spanien und Katalonien, also mit Ausnahme der Schweiz vielleicht in den stärksten Ligen Europas. Es kam die Frage, was denn mit Italien sei. Ich kann Ihnen mitteilen, der italienische Senat hat in der letzten Woche entschieden, dass es auch in Italien eine Kostentragungspflicht geben soll.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wer sich die Debatte anschaut, stellt im Übrigen

fest, dass die Argumente des AC Mailand und der Clubs der Serie A denen der DFL verblüffend ähnlich sind. Ich kann zwar kein italienisch, aber die Überset zungen zeigen genau dieselbe Argumentationslinie

Ich kann abschließend sagen, wir lassen uns von

dem Säbelrasseln aus Frankfurt nicht beeindrucken. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es nicht nur gerechtfertigt, sondern vor allem auch gerecht ist, wenn sich das Milliardengeschäft Profifußball an den selbstverursachten gesellschaftlichen Folgekosten beteiligt. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es angesichts des ausführlichen Berichts aus dem Haushalts- und Finanzausschuss und der Vorrede vergleichsweise kurz machen, auch weil wir hier erst in der letzten Sitzung, wie ich finde, eine sehr ausführliche und prononcierte Debatte geführt haben, und ich erspare uns Wiederholungen.

Eingehend auf die Argumentation der Gäste im

Haushalts- und Finanzausschuss muss man zunächst einmal konstatieren, dass man selbstverständlich –

und ich habe das bei Herrn Tschöpe auch gehört – großes Verständnis haben kann, dass diejenigen, die bundesweit doch einen gewissen Geldbetrag in soziale Maßnahmen, Fanarbeit und so weiter geben, das hervorheben und vor solch einem Ausschuss angesichts eines solchen Themas auch betonen und gewürdigt wissen wollen, dass sie dies tun. Mir geht es so, dass ich völlig unabhängig von dem Streit mit der DFL – und das ist im Übrigen auch ein Unterschied zu anderen Ländern, auch Italien, das bisher nicht bereit war, da zu investieren – und völlig unabhängig von unserem politischen Willen, der eindeutig ist, dieses Gebührengesetz zu beschließen, jeden Euro, jede Initiative würdige, die irgendwer in diesem Land in Präventionsarbeit, in Fanarbeit, in soziale Arbeit rund um den Fußball gibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich bedanke mich dafür, und ich finde es sehr gut,

dass es in Deutschland grundsätzlich – und Werder Bremen ist ein hervorragendes Beispiel dafür – auch ein soziales Engagement des kommerziellen Profi sports gibt.

Der Haken an der ganzen Sache ist nur, all das hat

gar nichts damit zu tun, dass Bremen, das natürlich auch noch einmal in einer besonderen Lage ist, rie sengroße Probleme hat, die durch den Profifußball entstehenden Polizeikosten vor allem bei der Bereit schaftspolizei zu zahlen und als Haushaltsnotlageland, wo viele Fußballfans auch aus Niedersachsen und aus anderen Bundesländern kommen, die Kosten für den Polizeieinsatz – seien es unsere eigene Polizistinnen und Polizisten, seien es die von außen eingekauften Kolleginnen und Kollegen – dennoch selbst tragen muss. Da hilft uns keine Fanarbeit in Oberhausen und kein soziales Projekt in Dortmund, sondern wir müssen mit unserem Haushalt trotz der Haushalts notlage versuchen, die Bildung, die Kinderbetreu ung und viele andere Dinge wie Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik sicherzustellen.

Wir müssen selbstverständlich schauen – und das

ist die Logik dieser ganzen politischen Initiative –, dass uns diese Kosten die gesellschaftlich und po litisch sinnvollen Dinge, die wir als Schwerpunkte in Bremen machen wollen, nicht einfach fiskalisch unmöglich machen. Deswegen ist es ein Akt, diesen Gesetzesentwurf heute hier zu beschließen, das Problem einmal auf Tisch zu legen und zu sagen, so, liebe Leute, geht es nicht!

Es ist schön und gut, was sie an anderer Stelle

alles tun. Ich glaube, dass hier niemand im Raum ist, der nicht die Aktivitäten von Werder Bremen in Schulen und anderen Bereichen würdigt, aber das zentrale Problem, bei dem es um sehr viel Geld geht, sind diese großen Polizeieinsätze, die über das normale Maß von etwa 100 Beamte hinausgehen. Wir haben hier heute ein Rechtsinstrument in der

Hand, um auch von denen, die natürlich mittel- und unmittelbar diese Polizeieinsätze verursachen, dann einen angemessenen Beitrag zu fordern. Deswegen wird die Grünen-Fraktion heute genau diesem Ge bührengesetz zustimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir haben es mit einem klassischen Interessenkon

flikt zu tun. Die Gäste des Haushalts- und Finanzaus schusses haben ihre Interessen in aller Deutlichkeit formuliert. Ich finde, wir formulieren die Interessen jeder einzelnen Bürgerin und jedes einzelnen Bür gers im Land Bremen, aber nicht nur die Interessen einer Haushaltsordnung, einer fiskalischen Ordnung oder eines strukturpolitisches Prinzips, sondern es geht hier um handfeste Interessen, nämlich genug Geld in unserem Haushalt zu haben, um die vielen Probleme zu lösen, die in Bremen gelöst werden müssen. Deswegen handeln wir auch, wie ich finde, im Namen der Bevölkerung des Landes Bremen, die ein berechtigtes Interessen daran hat, dass der Staat die Dinge, die unmittelbar mit dem Fortkommen und mit dem sozialen Wohlergehen der Bevölkerung zu tun haben, auch finanzieren kann.

Nun liegt heute dieses Gesetz auf dem Tisch, es

wird hier heute beschlossen werden. Es schließen sich mit Sicherheit weitere Diskussionen an, sodass die Diskussion nicht als beendet angesehen werden kann. Jede Seite kündigt Rechtsmittel an und stellt alle möglichen Drohungen, Versprechungen und andere Dinge in den Raum. Selbstverständlich wird uns diese Diskussion noch ganz lange begleitet. Wir haben erst einmal gesagt als Koalition gesagt, auf welcher Seite wir stehen, und allen weiteren Dingen, die da kommen, sehen wir mit Zuversicht entgegen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen

und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Gesetzesentwurf zur Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes. Mit dieser Geset zesvorlage soll erreicht werden, dass sich zukünftig auch Ausrichter gewinnorientierter Großveranstal tungen zumindest teilweise an den entstehenden Polizeikosten beteiligen müssen.

Für uns Bürger in Wut – und das möchte ich auch

ganz deutlich sagen – ist die Modifizierung des Ge bühren- und Beitragsgesetzes ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Bereits vor sechs Jahren haben wir hier in der Bürgerschaft einen Antrag eingereicht und gefordert, Veranstalter kommerzieller

Großereignisse an den erforderlichen Polizeikosten zu beteiligen. Damals wurde unsere Initiative von allen Fraktionen hier in der Bürgerschaft abgelehnt. Nun, sechs Jahre später, kommen zumindest die SPD und die Grünen zu der Einsicht, dass es ungerecht ist, wenn die Ausrichter von gewinnorientierten Groß veranstaltungen immense Einnahmen verzeichnen, aber die Allgemeinheit für die Kosten der erforderli chen Polizeieinsätze aufzukommen hat. Diese späte Einsicht freut uns natürlich, und ich kann für die Gruppe Bürger in Wut erklären, dass wir heute der Gesetzesänderung zustimmen werden.

Die Kostenerhebung in diesem Bereich – und darauf

sei auch noch einmal hingewiesen – wird zukünftig an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Es muss sich um eine gewinnorientierte Veranstaltung han deln, man muss davon ausgehen, dass über 5 000 Personen an dieser Veranstaltung teilnehmen wollen, und es müssen Erkenntnisse vorliegen, dass vor oder während dieser Veranstaltung Gewalthandlungen stattfinden, die eine zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften auch notwendig machen. Es muss sich also um einen Polizeieinsatz über das normale Maß hinaus handeln. Nur dann, wenn diese Kriterien erfüllt sind, können die Polizeikosten auch zukünftig weiterbelastet werden. Alle anderen Veranstaltungen sind deshalb auch weiterhin kostenfrei.

Diese Gebührenveränderung wird vor allem die

Veranstalter von Fußballspielen, namentlich die DFL, die Deutsche Fußballliga, treffen. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen bundesweit pro Jahr etwa 100 bis 150 Millionen Euro betragen, in Bremen sind es etwa 1,4 bis 2,8 Millionen Euro. An normalen Spieltagen von Werder Bremen sind in etwa 100 bis 120 Polizeibeamte im Einsatz, die das Spielgeschehen und die An- und Abfahrt der Fußballfans begleiten. Daneben gibt es noch soge nannte Risikospiele, die einen enormen Polizeiein satz hervorrufen und bis zu 1 500 Polizistinnen und Polizisten erfordern, um gewaltbereite Fans unter Kontrolle zu halten, und nur um diese Risikospiele geht es in der vorliegenden Novellierung.

Die Kosten für diese Risikospiele sollen zukünftig

nicht mehr durch den Bremer und Bremerhavener Steuerzahler gezahlt werden, sondern sind teilweise von der DFL zu finanzieren, und das ist auch richtig.

Ich denke, es liegt in der Natur der Sache, dass