Protokoll der Sitzung vom 23.10.2014

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Kück.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten im Rahmen der Aufteilung der Aufgaben im Senat die Federführung für diese Strategieentwicklung übernommen. Ich kann sagen: Das Thema seelische Gesundheit ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Wir in Bremen haben uns dieser Thematik schon sehr früh gestellt, und viele Organisationen, Akteure und Einrichtungen leisten in diesem Feld – wie ich finde – eine hervorragende Arbeit. Hierfür darf ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Seelische Gesundheit umfasst alle Lebensbereiche und alle Altersstufen. Das bedeutet einerseits, dass die seelische Gesundheit bei Menschen jeden Alters

eine wichtige Rolle spielt und als solche beachtet und behandelt werden muss. Es bedeutet andererseits aber auch, dass die gegenwärtige und zukünftige seelische Gesundheit des einzelnen immer auf die individuelle Vergangenheit aufbaut. Das wiederum macht die Betrachtung der Kindheit und der Jugend so wichtig. Die Grundlage seelischer Gesundheit wird in den ersten Lebensjahren gelegt. Entscheidend sind stabile, bindungsstarke Beziehungen zu verlässlichen Erwachsenen. Unser Fokus richtet sich deshalb auch besonders auf die Förderung der seelischen Gesundheit in der institutionellen Struktur, beginnend mit Eintritt in eine Kita.

(Beifall bei der SPD)

Die seelische Gesundheit umfasst alle Menschen, unabhängig davon, ob sie im Erwerbsarbeitsleben stehen oder nicht. Die Gesundheit an sich ist nur eine Dimension, mit der in diesem Zusammenhang mit der sozialen Lage des Menschen umzugehen ist. Ebenso wichtige Aspekte sind das Wohnen, die Erwerbsarbeit, die Freizeitmöglichkeiten, aber gegebenenfalls eben auch ein Leben in Armut.

Das Thema seelische Gesundheit ist in der öffentlichen Diskussion umfangreich angekommen. Hierzu gibt es einschlägige Statistiken der Krankenkassen und Rentenversicherungen, in denen durch psychische Erkrankungen bedingte Fehltage und Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dokumentiert werden.

Rückschlüsse auf eine bevölkerungsbezogene Erkrankungsrate können daraus aber noch nicht direkt gezogen werden, entsprechende Langzeitstudien liegen in diesem Bereich nämlich noch nicht vor. Es lässt sich daraus aber wohl sagen, dass es sich bei den psychischen Erkrankungen um eine im Anwachsen befindliche Diagnose handelt, deren Zahl sich in den letzten zehn Jahren nämlich praktisch verdoppelt hat; so stieg der Anteil der psychischen Erkrankungen als Ursache für Arbeitsunfähigkeit bundeweit von 6,6 Prozent auf 13,1 Prozent, in Bremen lag der Anteil psychischer Erkrankungen noch einmal geringfügig über dem Bundesdurchschnitt. Auch wenn das Robert Koch-Institut im Sommer dieses Jahres in der aktuellen Kinder- und Jugendgesundheitsstudie für den Zeitraum 2009 bis 2012 zu dem Ergebnis kommt, dass rund ein Fünftel der Kinder in der Altersgruppe von 13 bis 17 Jahren psychische Probleme hat, müssen wir dies sehr ernst nehmen. Die Gründe für diese Entwicklung liegen in den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den vermutlich daraus resultierenden Überforderungen.

Trotz aller Unwägbarkeiten bei der Bestandsaufnahme sind die Zunahme psychischer Störungen und die Not, die für jeden einzelnen Menschen damit verbunden ist, unbestritten eine Herausforderung. Die Weltgesundheitsorganisation definiert – und dies ist

eigentlich, für mich jedenfalls, wie ich finde, die viel positivere Variante – seelische Gesundheit als Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebenslagen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen. Die seelische Gesundheit darf also nicht oder nicht zuerst von den sie einschränkenden negativen Einflüssen aus betrachtet werden. Viel wichtiger und erfolgversprechender ist ein Ansatz, der verstärkt auf die positiven Faktoren abstellt, die den Einzelnen in die Lage versetzen, seine persönlichen Fähigkeiten im besten Sinne des Wortes zu entwickeln.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Davon ausgehend findet die Förderung der seelischen Gesundheit als gesellschaftliche Aufgabe in allen institutionellen Strukturen statt, hier sind sowohl Prävention als auch Intervention richtig vor Ort. Die Gesundheitsförderung beginnt dabei schon in den Kitas und in den Schulen und setzt sich in der Kinder- und Jugendhilfe und in den Hochschulen fort, sie muss sich weiter auf alle Bereiche der Arbeitswelt erstrecken. Wir haben viele Beispiele auch in der Vorlage dargestellt, sowohl in den Kitas als auch in den Schulen als auch dann natürlich im Erwerbsarbeitsleben, also in der Arbeitswelt.

Ich würde Frau Bernhard gern noch einen Hinweis geben! Der bremische öffentliche Dienst ist eben auch in diesem Bereich sehr aktiv, hier ist als Stichwort die Dienstvereinbarung zum Thema Gesundheitsmanagement zu nennen. Natürlich muss jedes Ressort für sich selbst dann auch einen Zugang zu diesem Thema finden und mit den konkreten Maßnahmen umgehen. Als ein Beispiel möchte ich noch einmal nennen, gerade für den Schulbereich war es von enormer Bedeutung, dass wir die Schulsozialarbeit haben fortsetzen können. Wir haben damit die Strukturen, die eben auch für die Schulen von besonders großer Bedeutung sind, erhalten können, und damit können wir auch gerade einen großen Teil der Prävention, die auch in Schulen von enormer Bedeutung ist, aufrechterhalten. Auch hierfür vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte jetzt nicht wiederholen, was wir alles in der Strategie dargestellt haben, ich denke, es ist ja auch im Ergebnis von Ihnen so erkannt worden. Wir haben sehr viele Maßnahmen und sehr viele Bereiche, in denen wir bereits auch große Aktivitäten darstellen, das haben wir in der Strategie auch noch einmal erläutern können. Gleichwohl ist es in der Zukunft erforderlich, dass all die verschiedenen Maßnahmen auch noch einmal koordiniert und Schwerpunkte gesetzt werden und wir dann auch insgesamt

einen Weg beschreiten, der eine verstärkte Konsequenz im Bereich der seelischen Gesundheit beitragen kann. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung Senats, Drucksache 18/1455, Kenntnis.

„Bremer Vereinbarung“ geschlechtergerecht fortschreiben

Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und DIE LINKE vom 10. Juli 2014 (Neufassung der Drucksache 18/1459 vom 27. Juni 2014) (Drucksache 18/1482)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Kück.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort Frau Kollegin Böschen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die „Bremer Vereinbarung für Ausbildung und Fachkräftesicherung“ wurde in diesem Jahr erneut zwischen den 28 Partnerinnen und Partnern, den Kammern, also den Unternehmensverbänden, und den Senatsressorts abgeschlossen, und vorrangiges Ziel ist wiederum, die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich zu steigern. Diese Vereinbarung hat sich als Instrument zur Verbesserung der beruflichen Perspektiven junger Menschen bewährt, auch wenn sich die Zahl der Ausbildungsplätze gerade jetzt nicht wie erwünscht erhöht hat

Obwohl diese Vereinbarung insgesamt als Erfolgsmodell gesehen werden kann, hat sie doch Defizite bei der Geschlechtergerechtigkeit, denn die Maßnahmen konzentrieren sich nach wie vor deutlich stärker auf männerdominierte Bereiche und berücksichtigen die spezifischen Frauenthemen eher beiläufig, und das, obwohl die Verwaltung geschlechtergerecht handeln müsste und auch die Agentur für Arbeit und das Jobcenter Chancengleichheit von Frauen und Männern anstreben.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ein Problem ist, dass wir immer noch nicht alle Zahlen und Tabellen geschlechtsspezifisch ausweisen, und das leider seit Langem. Darüber hinaus werden aber auch die unterschiedlichen Voraussetzungen, die Ziele und Lebenssituationen von jungen

Frauen und Männern nicht ausreichend analysiert. Selbst dort, wo wir Zahlenmaterial haben, wird eben dann die Unterschiedlichkeit in den Perspektiven nicht entsprechend berücksichtigt. Wir haben hier zwar Projekte ausgewiesen, die insbesondere junge Mädchen zum Beispiel an Berufe aus dem gewerblichtechnischen Bereich oder aus den MINT-Bereichen heranführen sollen, aber wir wissen alle, dass wir bei der Veränderung dieser Interessenlagen immer noch nicht erfolgreich genug sind und die Zahl derer, für die solche Perspektiven tatsächlich infrage kommen, noch deutlich zu gering ist. Problematisch ist aus meiner Sicht, dass wir zwar konstatieren, was dort in der Vereinbarung auch durchaus aufgeführt wird, dass es nämlich zum Beispiel im Handwerk deutlich mehr Ausbildungsabbrüche bei jungen Frauen gibt, dies aber nicht mit entsprechenden Maßnahmen hinterlegt, die dem entgegensteuern.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch noch einmal etwas Grundsätzliches sagen, wenn wir über das Thema Ausbildung reden! In Deutschland, aber auch in Bremen verstehen wir sehr häufig unter dem Begriff Ausbildung die duale Ausbildung, also das, was eben überwiegend von jungen Männern nachgefragt wird. Gerade bei jungen Frauen haben wir es aber sehr häufig mit Menschen zu tun, die eher in die Gesundheitsbereiche und die sozialen Bereiche gehen und dort ganz häufig gar keine duale Ausbildung anstreben, weil es sie gar nicht gibt, sondern in die schulische Ausbildung gehen. Deshalb muss im Prinzip, wenn es um Ausbildungsperspektiven geht, dieser Bereich deutlich stärker in den Blick genommen werden, denn er ist nicht irgendwie ein Nebenprodukt, sondern ein ganz eigenständiger Bereich, sage ich einmal, der neben der dualen Ausbildung steht,

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

und wenn wir die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen wollen, dann müssen wir eben auch die Zahl der schulischen Ausbildungen deutlich erhöhen.

Noch einmal zurückkommend möchte ich aber auf die Situation derjenigen jungen Leute eingehen, die keine Ausbildung haben. Wenn wir uns die Menschen ohne Ausbildung und ohne Migrationshintergrund anschauen, stellen wir fest, dass sowohl die jungen Männer als auch die jungen Frauen hier zahlenmäßig eher gleich vorkommen. Wenn wir uns aber die Menschen mit Migrationshintergrund anschauen, stellen wir fest, dass deutlich mehr junge Frauen mit Migrationshintergrund keine Berufsausbildung haben. Man sagt, insgesamt seien bei den Frauen mit türkischem Hintergrund sogar 60 Prozent ohne Berufsausbildung, und was das für die Perspektive dieser Frauen bedeutet, muss ich an dieser Stelle nicht ausführen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist deutlich geworden, dass die Geschlechterfrage durchaus eine wichtige Rolle bei der Frage der Ausbildung spielt, und deswegen finden wir es wichtig, dass die ZGF auch hier in der Vereinbarung zukünftig mit am Tisch sitzt – uns ist signalisiert worden, dass das auch so sein soll, dafür bedanke ich mich ganz herzlich! –, aber wir erwarten auch, dass die Geschlechtergerechtigkeit und der Blick auf alle Ausbildungsfelder Bestandteil sämtlicher künftiger Vereinbarungen wird.

Für die bis zum Jahr 2017 geltende aktuelle Vereinbarung schlagen wir deshalb vor, diese Aspekte – obwohl nicht ausdrücklich berücksichtigt – als Kriterien bei der Bewertung der erreichten Ergebnisse heranzuziehen, und unser Antrag soll dazu beitragen, die Bremer Vereinbarung geschlechtergerecht fortzuschreiben. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Hoch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da meine Vorrednerin ja schon ausführlich auf unseren gemeinsamen Antrag eingegangen ist, kann ich mich an dieser Stelle etwas kürzer fassen. Bei dem Thema sind wir alle einer Meinung, und deswegen ist es wichtig, dass wir das hier in diesem Hause noch einmal vortragen und um Unterstützung bitten.

Das Ziel der Chancengleichheit von Frauen am Arbeitsmarkt ist, wie wir wissen, immer noch nicht erreicht. Ich möchte nur einige Stichworte nennen, die wir hier auch immer wieder debattieren: Unterbrechungen von Erwerbsbiografien, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Equal Pay, Veränderungen des Berufswahlverfahrens von Mädchen und Frauen und die MINT-Fächer. Wir haben hier schon oft diskutiert, wie wichtig es ist, ganz früh damit anzufangen, in den Schulen auf das Berufswahlverfahren einzugehen und auf den Strauß der Berufe, die es inzwischen gibt, hinzuweisen, dass es neben den klassischen Berufe, die Mädchen und Jungen von ihren Angehörigen kennen, schon lange ein großes Angebot anderer Berufe gibt, die zum Teil auch für mich neu sind.

Die Berufsorientierung an den Schulen ist wichtig, weil sie die Berufswahlkompetenz stärken, die Vielzahl der Berufe deutlich machen soll und die Schülerinnen und Schüler auch auf eine gesellschaftliche Teilhabe vorbereiten. Um das Ziel des geschlechtergerechten Arbeitsmarkts zu erreichen, benötigen wir Instrumente. Die Vereinbarung, die Frau Böschen vorgestellt hat, ist solch ein Instrument, und dieses Instrument wollen wir nutzen, um unser Ziel zu erreichen.

Die Vereinbarung ist nicht nur wichtig, um das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, das, denke ich, ist eine gesellschaftliche Aufgabe, sondern sie wirkt auch dem Fachkräftemangel entgehen, und das ist auch ein wichtiges Ziel.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Frau Böschen hat gesagt, und das unterstützen wir alle, dabei fehle der Genderblick. Wenn wir den Genderblick auch darauf richten, dann haben wir eine Win-win-Situation. Frau Böschen hat deutlich gemacht, dass es im Handwerk mehr Ausbildungsabbrüche bei Mädchen gibt, das wissen wir. Wenn wir dieses Wissen haben, dann müssen wir auch anders damit umgehen. Es ist ja das Genderziel zu verdeutlichen, welche Auswirkungen auf Mädchen, auf junge Frauen und auf Männer entstehen. Sie ist nicht nur für uns als Gesellschaft ein Gewinn, sondern auch ein Gewinn für die jungen Menschen, die oft den Ausbildungsgang verkürzen oder auch andere Wege kennenlernen können.

Ich denke, der Genderblick ist ein Gewinn, und wir bitten deshalb um Ihre Zustimmung. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja gut, dass es zur Bremer Vereinbarung einen gemeinsamen Antrag gibt. Wir hatten im Gleichstellungsausschuss im Übrigen über alle Fraktionen hinweg eine Presseerklärung dazu veröffentlicht, die die Grundintention dieses Antrags trägt. Die Grundintention heißt letztendlich auch, dass wir ganz gern Zahlen haben möchten, und zwar nicht nur sporadisch, teilweise gibt es die ja durchaus, aber nicht durchgängig, und das wir selbstverständlich auch einmal so etwas wie Zielzahlen haben möchten, die das abbilden.

Ich möchte hier nur noch einige Punkte ergänzen, die meisten sind schon genannt worden. Mir geht es noch einmal insbesondere um die Ausbildungsabbrüche, die im handwerklichen Bereich ja relativ hoch sind. Es gibt zum Beispiel eine Studie von NRW, die jetzt nicht ganz so aktuell ist – die im Übrigen mit EUMitteln finanziert wurde –, in der ein paar interessante Dinge herausgearbeitet wurden. Es ist so, dass die Ausbildung gerade in kleinen Ausbildungsbetrieben abgebrochen wird, und das ist sehr bedauerlich Wir brauchen die kleinen Betriebe, denn sie sind sehr engagiert, sie schauen mehr in das jeweilige Umfeld und sind durchaus auch einmal in der Lage, zwischen guten Noten und Chancen für Einzelpersonen zu ab

strahieren. Es baut sich natürlich Frust auf, wenn das nicht klappt.