Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Landwirtschaftssenator, lieber Herr Imhoff! Das ist wieder einer der Anträge, mit dem Sie bei uns fast offene Türen einrennen. Fast! Natürlich ist es unser Anliegen, dass Rinder statt im Stall, ohne Auslauf und ohne natürliches Licht auf der Weide stehen und sich bewegen können, wie es ihnen beliebt. Das sind wir den Tieren als unseren Schutzbefohlenen natürlich auch schuldig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In Ihrem Antrag führen Sie als einen der Gründe für die Weidehaltung von Rindern das positive Image der Milchwirtschaft an, das damit verbunden wird. Das ist schön, es geht aber um weitaus mehr. Es geht um das Klima, die Böden, den Markt, die Gesundheit und das Wohlsein der Rinder.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Das habe ich doch alles erzählt!)

Ja, darf ich das nicht noch einmal erzählen?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Je mehr Gründe, desto besser!)

Ich muss jetzt einmal schauen, was Sie schon erzählt haben, damit ich das nicht sage.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das ist ei- gentlich der Sinn einer Debatte!)

Es ist erwiesen, dass die Kühe viel lieber auf Grasland stehen, dass es ihnen dort deutlich besser geht und sie robuster und gesünder sind. Eine größere Weidehaltung mit ausreichendem Raum für die Tiere bedeutet natürlich auch mehr Grasland, auf dem Rinder weiden und grasen können, also auch mehr Gras als Futter, als unter hohem Energieaufwand erzeugtes Kraftfutter oder Futterpflanzen, die mit Mineraldünger gemästet wurden.

Mehr Grasland mit Rindern, natürlich extensiv ohne künstliche, chemische, synthetische Dünger – das wollen Sie nicht, das ist ein Unterschied, Herr Imhoff! – fördert auch die Humusbildung. Humus speichert CO2, das ist bekannt, ungefähr 1,8 Tonnen pro Tonne Humus, so wird auch das Klima etwas geschont. Das ist ein Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Umsetzung eines Labels bei der Trennung zwischen Weide- und Nichtweidemilch nicht so einfach ist, denn die Milchlaster – zum Beispiel die der Deutschen Milchkontor GmbH –, die die Milch der konventionellen Landwirte abholen – –.

(Unruhe – Glocke)

Ich bitte um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit!

Die DMK, Deutsche Milchkontor GmbH, ist einer der großen Milchkonzerne, in dem die Bremerland-Nordheide eG aufgegangen ist, das war ja früher eine Art städtisches Molkereiunternehmen, dann kam die Nordmilch eG und jetzt die Deutsche Milchkontor GmbH, die die Molkereiprodukte ganz global vertreibt, ich glaube, auch die von Herrn Imhoff, der so gern regional befürwortet.

Wie sollen die Verbraucher, die die Weidehaltung unterstützen wollen, den Überblick behalten? Es muss eine klare Kennzeichnung geben, Weidemilch muss getrennt abgeholt werden und an eine extra Molkerei geliefert oder getrennt verarbeitet werden. Das wäre ein Weg, der in Bremen von einigen Landwirten gegangen wird, allerdings ökologisch. Sie sind über die Weidehaltung hinaus einen Schritt weitergegangen und haben auf Bio umgestellt. Aus Bremen gibt es die Möglichkeit, die Milch bei der Bio-Hofmolkerei Dehlwes in Lilienthal anzuliefern, schon seit Jahren

nehmen diverse Bremer Biobauern diese Möglichkeit wahr. Die Erzeugnisse sind nicht nur in Bioläden zu erhalten, sondern liegen auch in verschiedenen Supermärkten im Regal, und zwar regional hier vor Ort, nicht aber global über die ganze Welt verteilt, wie die Produkte der DMK.

Ökologischer Landbau ist natürlich aufwendiger und teurer als herkömmliche Bewirtschaftung, aber er rechnet sich wirtschaftlich, weil ihm die Molkerei einen deutlich höheren Milchpreis zahlt, weil Bio immer mehr Verbrauchern einfach besser schmeckt – auch, weil es ihnen nicht mehr schmeckt, wenn die Kühe häufig nur im Stall stehen – und weil sie bereit sind, für eine bessere Tierhaltung mehr zu zahlen.

Zum Schluss noch einmal: Kühe werden in der Regel als Milchlieferanten angesehen, sie sind zu industriellen Milcherzeugungsmaschinen degradiert worden.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Bitte?)

Sie werden zu großen, schweren Eutern, die zwischen einem Knochengestell hängen und immer mehr Milch liefern sollen, gezüchtet. Zum Vergleich: Diese Hochleistungsturbokühe bringen im Jahr bis zu 14 000 Liter Milch, sonst taugen sie nichts!

(Abg. I m h o f f [CDU]: Ja!)

Im Biobereich, im grünen Bereich – das habe ich von Ihren Kollegen aus dem Blockland erfahren –, sind es höchstens 4 000, das ist angemessen und verträglich.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Das ist dummes Zeug!)

Diese 14 000 Liter sind nur dafür da, damit Agrarkonzerne Profit machen und Verbraucher möglichst billig Dumpingmilch einkaufen können. Dieses System ist aus meiner Sicht krank, tierfeindlich und das Gegenteil von nachhaltig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Rinder und Milchkühe sind keine Maschinen, sondern sensible Lebewesen, für mich vielleicht sogar auch Geschöpfe, die ein Recht auf eine Würde haben, und die sollten wir ihnen auch als Nutztiere durch gute Haltungsbedingungen und einen angemessenen Preis für die entsprechenden Produkte so gut es geht gewähren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich müssen die Preise für Lebensmittel insgesamt die Arbeit der Bauern widerspiegeln. Für mich versucht dieser Antrag einige Schritte zu einer sanften Agrarwende zu gehen, aber er geht nicht weit genug. Wir wollen schauen, ob er nicht erweiterbar ist.

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Noch mehr Liter herausholen?)

Wir werden ihn nicht ablehnen, wir werden ihm nicht zustimmen, sondern wir werden ihn überweisen. Das ist noch lange nicht das Ende.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben wir tatsächlich einmal eine Debatte über die politische Ökonomie der Milchwirtschaft. Ich finde es ausgezeichnet, wie eben der Kollege Saffe eine Kapitalismuskritik formuliert hat, wie unter dem Profitdruck, die Lebensbedingungen von Bauern gefährdet werden, am Ende ein schlechtes Produkt steht und die Tiere, die das Produkt erzeugen, unter erbärmlichen Bedingungen gehalten werden. Ich finde, da kann man ansetzen.

Deswegen ist dieser Antrag an einer Stelle ein bisschen kurz. Ich hatte jetzt erwartet, dass Sie sagen, ja, und es ist auch völlig vernünftig, wir wollen die Weidehaltung von Rindern stärken. Ich bin mir relativ sicher, gerade Sie, Herr Imhoff, könnten eigentlich mehr sagen, als dass Sie Anreize und Beratung forderten. Ich hätte erwartet, dass Sie von sich aus sagen, welche Maßnahmen man in Bremen konkret einleiten kann. Ich bin mir vergleichsweise sicher, dass die meisten Bauern eigentlich nur noch sehr wenig Beratung brauchen, denn die Beratung nimmt ihnen nicht den Druck.

Anreize schaffen! Ich habe festgestellt, dass es in Hamburg bis zum Jahr 2013 ein Fördersystem gegeben hat, nach dem jede Großvieheinheit, also jede Milchkuh, mit 50 Euro gefördert worden ist. Gefragt werden muss, ob diese Förderung in Bremen auch denkbar wäre. Wie viel wäre das, und nützt es überhaupt etwas, das zu organisieren? Diese Fragen, finde ich, muss man beantworten. Ihr Antrag, der die Aufforderung enthält, ein Konzept zu entwickeln und dann zu berichten, liegt, ehrlich gesagt, unter dem, was ich gedacht hätte, was Ihre Fachkenntnis hervorbringen kann.

Mit der Weidehaltung von Rindern, das finde ich auch, kann man erst einmal beginnen, man muss nicht gleich das ganze Problem bis zu einer vollständig ökologischen Tierhaltung lösen. Man kann zunächst auch einmal sagen, dass die Stallhaltung, bei der sich die Kühe gar nicht mehr bewegen können, mit dem Kopf nur in eine Richtung durch ein Gitter schauen, aufhören muss. Die Laufställe sind zu klein, und die Tiere müssen auf die Weide.

Es ist ein Beitrag zum Klimaschutz, weil die Futtermittel nicht angebaut werden müssen. Es ist ein

Beitrag zum Klimaschutz, weil dabei Humus entsteht, wenn die Tiere auf der Weide stehen.

(Zuruf des Abg. P o h l m a n n [SPD])

Jetzt müssen Sie doch nicht auch noch bei diesem Thema dazwischenrufen, es reicht doch, wenn Sie Ihr Missfallen kundtun, wenn ich hier strittige Dinge diskutiere!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wollte noch einmal darauf hinweisen, dass es einen weiteren Aspekt gibt. Die Weideflächen müssen in der Tat groß genug sein, sonst fressen die Rinder das Gras so weit herunter, dass es eine Form von Verwüstung gibt, auch ein kleiner Nebeneffekt: Man muss darauf achten, dass diese Weidehaltung vernünftig ist. Diese Weidehaltung ist Umweltschutz, weil es dann mehr Grün und eine größere Artenvielfalt gibt. Natürlich muss auch sichergestellt werden, dass neben Umwelt- und Klimaschutz die Bäuerinnen und Bauern eine Existenzsicherung haben. Ich bin mir da nicht so sicher, ob das ausgerechnet nur mit Beratung und Anreizsystemen funktioniert. Ich kann mir vorstellen, dass man einmal über eine Art Mindestmilchpreis nachdenken muss. Ich weiß nicht, ob das funktioniert, aber es wäre ein sehr konkreter Beitrag, dass man einfach bestimmte Preise nicht unterhalb des Gestehungspreises ansetzen darf. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie es funktionieren kann, aber ich finde, man muss darüber nachdenken, man muss genau an dem Preis und der gnadenlosen Konkurrenz ansetzen, um dieses Problem zu lösen. Wir haben es also tatsächlich mit einem Problem des kapitalistischen Systems zu tun, und bekannterweise sind diese Probleme nicht so einfach zu lösen.

Last, but not least habe ich mir überlegt, wenn es denn so ist, dass wir in Bremen tatsächlich mehr Weidehaltung haben, könnte man vielleicht die Attraktivität der Weidehaltung auch dadurch erhöhen, dass wir den Ausbildungsberuf Cowboy beziehungsweise Cowgirl einführen, denn es muss Menschen geben, die das Vieh dann über die Wiese treiben. Das könnte die Attraktivität meines Erachtens in der Tat erhöhen.

Wir sind dafür, dass wir den Antrag überweisen. Wir hätten ihm auch zugestimmt, aber ich bitte noch einmal darum, weil es hier so eine Einigkeit gibt – wir haben hier nicht so viele Kühe –, vielleicht einmal ein konkretes Konzept zu entwerfen, was genau man eigentlich in Bremen in dieser Situation tun kann. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kollegen, der Lautstärkepegel erhöht sich langsam, aber ich bitte darum, dass wir unseren Rednern noch für die letzten Minuten zuhören!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jägers.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, mich sehr kurz zu fassen. Was man mit solch einem Antrag alles diskutieren kann, ist verblüffend, man kann eben sozusagen die Weltlage auch noch mit einbeziehen. Ich habe im Übrigen auch versucht, einen gemeinsamen Antrag zu stellen, bin damit aber gescheitert, und deswegen habe ich auch vorgeschlagen, dass der Antrag überwiesen werden soll, denn ich finde wie der Kollege Saffe, dass es sich lohnt, an dem Thema weiterzuarbeiten.

Das Thema ist nicht neu, sondern wird in Niedersachen schon seit längerer Zeit diskutiert. Aus Niedersachen kommt es auch. Es gibt ein Institut, an dem wir über die Landwirtschaftskammern beteiligt sind, das Grünlandzentrum Niedersachen/Bremen in Ovelgönne, das gerade diese ganzen Fragen untersucht. Daher bekommen wir auch Antworten auf ein paar Fragen, die heute gestellt worden sind. Dass uns als Sozialdemokraten das Tierwohl sehr am Herzen liegt, brauche ich hier nicht jedes Mal zu betonen, das ist schlicht so, das kann man uns glauben, dass wir uns auch durchaus um die Tiere kümmern.

(Beifall bei der SPD)

Daher ist es auch richtig, dass die Rinder draußen sind, denn sie sind auch von Natur aus draußen und nicht in einem Stall, so modern der Stall auch sein mag, dazu will ich jetzt aber nichts sagen. Wir werden also nach Lösungen suchen.

Herr Imhoff hat leider versäumt, das etwas früher einzubringen, denn sonst hätten wir das in den ELERProzess, Entwicklung landwirtschaftlicher Räume, den wir gemeinsam mit Niedersachen umsetzen – das haben wir in der Deputation beschlossen –, mit aufnehmen und vorschlagen können, aber der Prozess ist jetzt erst einmal abgeschlossen. Wir müssen jetzt schauen, wenn man Geld für so etwas braucht, woher man es bekommt. Vielleicht hilft uns die Initiative Tierwohl der Verbände. Bremen ist über die Landwirtschaftskammer an dem Prozess beteiligt. Wir müssen jetzt einmal schauen, was wir damit machen wollen. Zur Finanzierung ist das richtig, die zweite Säule für die Finanzierung der Landwirtschaft geht, die erste Säule nicht, das sind die Direktzahlungen, also man muss dann das Geld von dort holen, wenn man dafür welches braucht, das wissen wir aber noch nicht, denn so viele Kühe gibt es in Bremen auch wieder nicht. Das soll genügen. – Schönen Dank!