Jan Saffe

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Herr Staats
rat, Ihre Antwort bezieht sich auf das Krankenhaus. Die Keime sind schon dort und erweisen sich als resistent. Worin sieht der Senat die Ursachen für das Resistentwerden der Keime?
Gibt es Bestre
bungen, sich für die Reduzierung der Antibiotikaver gabe in der Tierzucht, die Sie soeben angesprochen haben, einzusetzen?
Welche sind
das?
Ja. – Meine
Recherchen haben ergeben, dass auf den Tellern in einigen Mensen und Kantinen vor Ort viele Produkte landen, die aus dieser Tierzucht stammen. Könnte der Senat nicht lenkend eingreifen, um das zu ändern?
Vielen Dank!
Habe ich
Sie soeben richtig verstanden? Eine wachsende Bevölkerung braucht mehr Nahrung, also eine zu kunftsfähige Ernährungsstrategie. Sie haben von Fleisch und Fisch geredet. Stimmen Sie mir zu, dass wir es bei unserem Fleischkonsum nicht schaffen?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grundidee einer Auskunftei, also von der Schufa und Co., es sind mittlerweile 500 Stück, ist natürlich nicht so dumm. Angefangen hat das Geschäft der Auskunftseien mit den Banken. Die Banken wollten vor Jahren ihre Kreditvergabe absichern und zu diesem Zweck Informationen über die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden einholen. Das ist durchaus verständlich. Doch inzwischen bekommt man keinen Handyvertrag, keine Mietwohnung, fast keine Versicherung und oft auch keine Waren im Internet mehr, ohne diese Bonitätsprüfung; das sogenannte Scoring. Das mag für die meisten von uns unkompliziert sein, da wir ausreichend solvent sind, um einen Handyvertrag zu bekommen oder eine Versicherung abschließen zu können. Für andere ist es ärgerlich und entwürdigend, wenn ihnen der Scoring-Wert bescheinigt, dass zum Beispiel weiterer Konsum aufgrund von Schulden oder einer zu spät gezahlten Rechnung – auch, wenn das vielleicht schon zehn Jahre zurückliegt – nicht empfehlenswert, riskant und auch nicht wünschenswert ist. Es gibt die Fälle, in denen die entsprechenden Daten nicht komplett, nicht korrekt oder schlicht veraltet sind, was dann wiederum dazu führen kann, dass die Bonität gering eingeschätzt wird, obwohl sie de facto vorhanden ist.
Bei einem Test der Zeitschrift „Finanztest“ waren die Daten der Schufa zum Beispiel nur bei 11 von 89 Testpersonen komplett und korrekt, bei allen anderen gab es demnach den ein oder anderen Mangel. Besonders häufig fehlten sogenannte Finanzmerkmale, etwa Angaben über Girokonten, Kreditkarten, Handyverträge oder laufende Kredite. Hier liegt also offensichtlich ein Fehler im System vor, der durch die bestehende Intransparenz umso schwerer zu entdecken sein wird. Verbraucherinnen und Verbrauchen können zwar inzwischen jährlich den sogenannten Scoring-Wert erfahren. Nicht nur jedoch, dass außer der Schufa keiner der sonstigen Auskunfteien verlässlich diesem Recht auf Verbraucherfrage und -antwort nachkommt, hinzukommt, dass völlig unklar bleibt, wie genau dieser Scoring-Wert überhaupt ermittelt wird. Ich selbst habe das auch ausprobiert, ich habe im Internet geschaut, wie es eigentlich geht. Ich konnte nur bei der Schufa direkt ein Formular ausdrucken und abschicken, das habe ich dann ein paar Wochen später mit meinem Scoring-Wert zurückbekommen. Ich hatte nach meinen Recherchen das Gefühl, dass mir dieser Wert sagt, wie viel ich wert bin.
Bei anderen Auskunfteien ist es ganz schwierig, dort musste ich verschiedene E-Mails versenden und habe
aufgegeben. Ich finde, diese Schwierigkeiten müssen auch aus dem Weg geräumt werden.
Beim zweiten Ziel des Antrags komme ich auf den Geo-Scoring-Änderungsantrag der LINKEN zu sprechen, dem wir natürlich zustimmen. Beim Geo-Scoring wird der Wohnort als maßgebliche Berechnungsgrundlage der angeblichen Nicht-Bonität angenommen. Das kann auch heißen, wir wohnen in einer Gegend, und in unserer Nähe wohnen Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen oder arm sind, wir selbst können aber jede Rechnung bezahlen, dann haben wir Pech gehabt. Auch wenn man Arbeitslosengeld II bezieht, ist man durchaus in der Lage, alle möglichen Rechnungen zu bezahlen. Es ist noch lange nicht so, dass man im Scoring-Wert dann ganz unten landet. Dabei geht es für mich auch, wie gerade schon gesagt, um ein Abwerten von Menschen. Das Geo-Scoring ist absolut diskriminierend und aus meiner Sicht für eine liberale Demokratie komplett inakzeptabel!
Natürlich müssen und sollen die gescorten Menschen wissen, nach welchen Kriterien das Scoring vonstattengegangen ist, welche Sünde am schwersten im Scoring-Kontor wiegt. Darüber muss Klarheit herrschen. Dieses Geo-Scoring muss aus meiner Sicht komplett verboten werden, und wir brauchen natürlich – das fehlt im Antrag – entsprechende rechtliche Rahmen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Landwirtschaftssenator, lieber Herr Imhoff! Das ist wieder einer der Anträge, mit dem Sie bei uns fast offene Türen einrennen. Fast! Natürlich ist es unser Anliegen, dass Rinder statt im Stall, ohne Auslauf und ohne natürliches Licht auf der Weide stehen und sich bewegen können, wie es ihnen beliebt. Das sind wir den Tieren als unseren Schutzbefohlenen natürlich auch schuldig.
In Ihrem Antrag führen Sie als einen der Gründe für die Weidehaltung von Rindern das positive Image der Milchwirtschaft an, das damit verbunden wird. Das ist schön, es geht aber um weitaus mehr. Es geht um das Klima, die Böden, den Markt, die Gesundheit und das Wohlsein der Rinder.
Ja, darf ich das nicht noch einmal erzählen?
Ich muss jetzt einmal schauen, was Sie schon erzählt haben, damit ich das nicht sage.
Es ist erwiesen, dass die Kühe viel lieber auf Grasland stehen, dass es ihnen dort deutlich besser geht und sie robuster und gesünder sind. Eine größere Weidehaltung mit ausreichendem Raum für die Tiere bedeutet natürlich auch mehr Grasland, auf dem Rinder weiden und grasen können, also auch mehr Gras als Futter, als unter hohem Energieaufwand erzeugtes Kraftfutter oder Futterpflanzen, die mit Mineraldünger gemästet wurden.
Mehr Grasland mit Rindern, natürlich extensiv ohne künstliche, chemische, synthetische Dünger – das wollen Sie nicht, das ist ein Unterschied, Herr Imhoff! – fördert auch die Humusbildung. Humus speichert CO2, das ist bekannt, ungefähr 1,8 Tonnen pro Tonne Humus, so wird auch das Klima etwas geschont. Das ist ein Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Umsetzung eines Labels bei der Trennung zwischen Weide- und Nichtweidemilch nicht so einfach ist, denn die Milchlaster – zum Beispiel die der Deutschen Milchkontor GmbH –, die die Milch der konventionellen Landwirte abholen – –.
Die DMK, Deutsche Milchkontor GmbH, ist einer der großen Milchkonzerne, in dem die Bremerland-Nordheide eG aufgegangen ist, das war ja früher eine Art städtisches Molkereiunternehmen, dann kam die Nordmilch eG und jetzt die Deutsche Milchkontor GmbH, die die Molkereiprodukte ganz global vertreibt, ich glaube, auch die von Herrn Imhoff, der so gern regional befürwortet.
Wie sollen die Verbraucher, die die Weidehaltung unterstützen wollen, den Überblick behalten? Es muss eine klare Kennzeichnung geben, Weidemilch muss getrennt abgeholt werden und an eine extra Molkerei geliefert oder getrennt verarbeitet werden. Das wäre ein Weg, der in Bremen von einigen Landwirten gegangen wird, allerdings ökologisch. Sie sind über die Weidehaltung hinaus einen Schritt weitergegangen und haben auf Bio umgestellt. Aus Bremen gibt es die Möglichkeit, die Milch bei der Bio-Hofmolkerei Dehlwes in Lilienthal anzuliefern, schon seit Jahren
nehmen diverse Bremer Biobauern diese Möglichkeit wahr. Die Erzeugnisse sind nicht nur in Bioläden zu erhalten, sondern liegen auch in verschiedenen Supermärkten im Regal, und zwar regional hier vor Ort, nicht aber global über die ganze Welt verteilt, wie die Produkte der DMK.
Ökologischer Landbau ist natürlich aufwendiger und teurer als herkömmliche Bewirtschaftung, aber er rechnet sich wirtschaftlich, weil ihm die Molkerei einen deutlich höheren Milchpreis zahlt, weil Bio immer mehr Verbrauchern einfach besser schmeckt – auch, weil es ihnen nicht mehr schmeckt, wenn die Kühe häufig nur im Stall stehen – und weil sie bereit sind, für eine bessere Tierhaltung mehr zu zahlen.
Zum Schluss noch einmal: Kühe werden in der Regel als Milchlieferanten angesehen, sie sind zu industriellen Milcherzeugungsmaschinen degradiert worden.
Sie werden zu großen, schweren Eutern, die zwischen einem Knochengestell hängen und immer mehr Milch liefern sollen, gezüchtet. Zum Vergleich: Diese Hochleistungsturbokühe bringen im Jahr bis zu 14 000 Liter Milch, sonst taugen sie nichts!
Im Biobereich, im grünen Bereich – das habe ich von Ihren Kollegen aus dem Blockland erfahren –, sind es höchstens 4 000, das ist angemessen und verträglich.
Diese 14 000 Liter sind nur dafür da, damit Agrarkonzerne Profit machen und Verbraucher möglichst billig Dumpingmilch einkaufen können. Dieses System ist aus meiner Sicht krank, tierfeindlich und das Gegenteil von nachhaltig.
Rinder und Milchkühe sind keine Maschinen, sondern sensible Lebewesen, für mich vielleicht sogar auch Geschöpfe, die ein Recht auf eine Würde haben, und die sollten wir ihnen auch als Nutztiere durch gute Haltungsbedingungen und einen angemessenen Preis für die entsprechenden Produkte so gut es geht gewähren.
Natürlich müssen die Preise für Lebensmittel insgesamt die Arbeit der Bauern widerspiegeln. Für mich versucht dieser Antrag einige Schritte zu einer sanften Agrarwende zu gehen, aber er geht nicht weit genug. Wir wollen schauen, ob er nicht erweiterbar ist.
Wir werden ihn nicht ablehnen, wir werden ihm nicht zustimmen, sondern wir werden ihn überweisen. Das ist noch lange nicht das Ende.
Ich habe keine Frage, es ist eine Kurzintervention. Herr Imhoff, es ist mir ein Anliegen, Ihnen das einmal zu sagen, denn das hatte eben etwas Infames. Ich habe herausgehört – vielleicht schätze ich das falsch ein –, dass Sie mir unterstellen, ich wäre nicht daran interessiert beziehungsweise dass die Grünen, ich persönlich, das nicht wirklich ernst meinen.
Ich habe noch ein zweites Leben, ich bin Mitbetreiber in einem Bioladen einer Genossenschaft, und wir fördern jeden Tag die regionale Landwirtschaft – die Biomilchwirtschaft im Blockland, Sie kennen die Leute, Ingo Meyer, Gartelmann, Kaemena – dadurch, dass wir deren Milch bei uns im Regal haben und immer mehr Menschen animieren, diese zu kaufen. Ich finde, das ist auch ein Beitrag zu einer Verbraucherwende.
Das trifft mich so ein bisschen. Wenn Sie zu Herrn Jägers sagen, Ihnen glaube ich auch, dort schwingt auch etwas mit – –.
Wenn Sie sagen, da schwingt etwas mit, als Herr Jägers eben seinen Beitrag – –.
Wir fragen
den Senat:
Erstens: Wie viele Grundschulen und Förderzentren
haben sich um eine Aufnahme in das Schulobst- und -gemüseprogramm der EU beworben, an dem das Land Bremen ab dem Schuljahr 2014/2015 teilnehmen wird, und wie viele wurden hiervon in das Programm aufgenommen, bitte differenziert nach Grundschulen/ Förderzentren und Bremen/Bremerhaven?
Zweitens: Mit welchen konzeptionellen und
pädagogischen Auflagen ist eine Teilnahme am Schulobst- und -gemüseprogramm für die Einzel schulen verbunden?
Drittens: Nach welchem Verfahren wird in den
nächsten Jahren bestimmt und festgelegt, welche Schulen an dem Programm teilnehmen können?
Zu den pä
dagogischen Begleitmaßnahmen zählen auch Infor mationen über lokale Nahrungsmittelketten. Kann ich dem entnehmen, dass nicht nur Informationen
über lokale Nahrungsmittelketten vermittelt werden, sondern auch das Obst und Gemüse selbst aus der Region stammt?
Wie weit
liegen die Höfe der Erzeuger des Obstes und des Gemüses von Bremen entfernt? Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass die Schüler dort hinfahren, um Kenntnisse und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie Lebensmittel erzeugt werden, also selbst einmal eine Steckrübe aus dem Boden zu ziehen oder eine Möhre zu ernten?
Ist Ihnen
bekannt, ob durch den gesteigerten Obst- und Ge müseanteil der Anteil des Schulfleisches zurückgeht?
Herr Präsi
dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bolayela hat ja jetzt schon viele der Bereiche der Entwick lungszusammenarbeit benannt, deshalb komme ich gleich – –.
Nein, vor dem Schluss kommen noch ein paar Sätze, die ich hier vortragen werde, das tut mir leid, Sie müssen ein bisschen etwas aushalten!
Mein Leib- und Magenthema ist ja in der Ent
wicklungszusammenarbeit, wie ich schon mehrfach hier sagte, der faire Handel, also der Bereich, in dem Bremen aktiv eingreifen in der Beschaffung Dinge lenken und dafür sorgen kann, dass wir mit Menschen in der Dritten Welt fairer umgehen.
Ich möchte heute einmal nicht selbst eine Rede
halten, sondern eine Stimme zu Wort kommen las sen, die nie die Chance hat, hier in einem deutschen Parlament zu Wort zu kommen, eine Näherin aus Bangladesch, um einfach einmal ein Gefühl für die Situation derer zu vermitteln, die diese Billig-T-Shirts – zwei oder drei Euro bei Primark, H&M – oder ein Bettlaken für sechs Euro herstellen. Es ist die Näherin Shila Begum. Sie hat der „Zeit“ folgenden Text zu Protokoll gegeben:
„Wir kennen uns zwar nicht, aber vielleicht hatte ich
mal Ihre Hose in der Hand. Ich lebe in Bangladesch und habe als Näherin gearbeitet. Bis vor etwa einem Jahr, als die Textilfabrik Rana Plaza über meinem Kopf zusammenbrach. Seitdem kann ich nicht mehr arbeiten und warte darauf, dass die Hersteller, die dort nähen ließen, endlich eine Entschädigung zahlen.
Vor acht Jahren ist mein Mann gestorben. Ich war
gerade 18 und stand plötzlich alleine da mit meiner Tochter Neba Moni. In Bangladesch gibt es kein So zialsystem, das mir in dieser Situation geholfen hätte. Also zogen wir vor einigen Jahren in die Hauptstadt Dhaka, wo ich eine Stelle als Näherin fand. Ich ar beitete 14 Stunden am Tag und hatte in den meisten Wochen nicht einen Tag frei. Meine Aufgabe war es, Hosentaschen und Gürtelschlaufen an Jeans zu nähen. Das Geld, das ich verdiente, reichte gerade so für Essen und Miete.
Vor drei Jahren wechselte ich die Fabrik. Mein
neuer Arbeitsplatz war im fünften Stock des FabrikHochhauses Rana Plaza. Eigentlich war das Gebäude gar nicht als Fabrik gebaut worden. Später wurden drei Stockwerke nachträglich illegal draufgesetzt. Der Textilstaub wirbelte durch die Luft, aber wir bekamen keinen Atemschutz. Wir schwitzten, weil es keine Ventilatoren gab. Wir hatten keine Arbeits handschuhe, und es gab keine Notausgänge.
Am 23. April 2013 entdeckten meine Kolleginnen
und ich Risse in den Betonwänden. Wir gingen sofort zu unseren Vorgesetzten, hatten Angst und wollten nicht weiterarbeiten. Aber die Chefs duldeten keine Diskussion. Sie drohten, uns den Lohn zu streichen, und schlugen uns mit Stöcken.
Den nächsten Morgen werde ich nie vergessen.
Gegen halb neun fiel der Strom aus, wie es oft passiert in Bangladesch. In meiner Nähmaschine klemmte gerade ein Hosenbund. Damit wir auch bei Strom ausfällen weiternähen konnten, gab es Generatoren. Als sie ansprangen, vibrierte das ganze Haus. Plötz lich gab es einen riesigen Krach. Ich spürte, wie ich den Boden unter meinen Füßen verlor. Ich fiel. Das Dach stürzte herunter. Menschen schrien. Ich schrie.
Um mich herum lagen leblose Körper, Frauen, mit
denen ich zusammengearbeitet hatte. Ich konnte mich nicht bewegen. Eine Säule hatte sich in meinen Bauch gebohrt, ich spürte meine rechte Hand nicht mehr. Ich betete, weinte und dachte an meine Tochter. Ich hatte Angst, sie nie wiederzusehen.
Die Textilunternehmen in Europa und Nordame
rika sind für unsere Situation verantwortlich. Sie kommen nach Bangladesch, um ihre Kleidung so günstig wie möglich produzieren zu lassen. Ihnen ist es egal, dass sie diese Preise nur bekommen, weil wir Näherinnen unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten und schlecht bezahlt werden. Unsere Si cherheit, der Zustand der Fabriken – das alles spielt für sie keine Rolle.
KiK, Adler, Benetton, C&A, NKD – ich kannte diese
Marken nicht. Heute weiß ich, dass ich oder meine
Kolleginnen für sie Hosen und Blusen zusammenge näht haben. Die meisten Unternehmen, die in Rana Plaza produzieren ließen, weigern sich immer noch, ausreichend Geld in den Entschädigungsfonds ein zuzahlen, den die Internationale Arbeitsorganisation der UN nach dem Unfall eingerichtet hat. Ich habe bis heute keine Entschädigung bekommen.
Die Hersteller machen es sich leicht: Sie sagen, sie
hätten ja gar keine direkten Geschäftsbeziehungen zur Fabrik gehabt, sondern nur mit Subunterneh mern zusammengearbeitet. Die entschieden, wo produziert werde. Aber letztlich bekamen die Her steller Kleidung aus Rana Plaza, brachten sie nach Europa und Amerika, verkauften sie und erzielten Gewinne. Ganz egal, wie direkt oder indirekt ihre Geschäftsbeziehungen zu den Fabriken von Rana Plaza waren – sie haben von unserer Arbeit, unserer schlechten Bezahlung und den laschen Sicherheits vorschriften profitiert. Sie tragen Verantwortung für diesen Unfall. Sie machen mich wütend.“ – So weit die Näherin Shila Begum!
Was hat das jetzt mit uns zu tun, könnte man
fragen. Zum einen hat das mit uns zu tun, weil es Filialen dieser Unternehmen auch in Bremen gibt und so von Bremen aus eine hohe Nachfrage an die Ausbeuter in den Fabriken ausgeht. Zum anderen, da sind wir als Stadt verantwortlich, sind wir auch mit der öffentlichen Beschaffung daran beteiligt, ich nenne nur einmal die Textilien, die in den vier städtischen Krankenhäusern benötigt werden: Bett laken, Bettwäsche insgesamt, Kittel, Handtücher, OP-Tücher et cetera. Wir stehen ganz besonders als ehemalige Hauptstadt des Fairen Handels in der Verantwortung, und ich glaube, ab heute sind wir auch in den Kreis der Fairtrade-Towns in Deutschland aufgenommen worden. Das ist auch einmal wieder eine Auszeichnung.
Dementsprechend sollten wir bei der Beschaffung ein wenig Gas in die Richtung einer wirklich fairen Hauptstadt geben! – Danke!
Das hätte ich gern ein bisschen konkreter! Bei KiTa Bremen gibt es bestimmte Richtlinien, sie haben 10 Prozent Bio, sie haben jede Menge Obst und Gemüse dabei, sie kochen, es wird teilweise unter anderem vom Naturkostkontor geliefert, und es gibt nur einmal in der Woche Fleisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in allen Mensen der Schulen so ist.
Darf ich davon ausgehen, dass der Fleischanteil sehr gering ist?
Was heißt das?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Indigene Völker sind in der Bremischen Bürgerschaft wahrlich ein Exotenthema. Das ist eine gute Gelegenheit, einmal auf einen Kaffee hinauszugehen oder auf die Toilette zu gehen – was haben wir schließlich damit zu tun? –, indigene eingeborene Stämme gibt es doch irgendwo anders auf der Welt, weit weg im Dschungel, im Busch, in der Pampa, weit weg von unserer Zivilisation und von unseren komplexen Problemen. Wenn man aber ehrlich ist und genau hinschaut, dann haben deren komplexe Probleme, nämlich die Zerstörung ihres Lebensraums, ihrer Rechte und ihrer Würde, viel, vielleicht alles mit uns zu tun,
mit unserem Wirtschaftssystem, mit der Art und Weise wie wir die Welt Stück für Stück ausbeuten und damit, wie wir alltäglich ohne zweiten Gedanken konsumieren.
Somit passt dann dieser Antrag zum ILO-Übereinkommen in eine ganze Reihe von Themen, die vermeintlich irgendwo ganz weit weg stattfinden, mit uns und unserem Handeln aber nicht verknüpft sind, seien es einstürzende Ausbeuternähfabriken in Asien, sei es die übelste Form von Kinderarbeit in afrikanischen Minen, damit wir hier schöne glitzernde Dia
manten, schöne Steinchen besitzen. Wir beziehen Produkte, für deren Herstellung Indigene aus ihren angestammten Lebensräumen vertrieben werden, und wir besitzen Aktien von Firmen, die im Auftrag des Fortschritts dort Straßen durch den Wald oder die Landschaft schlagen und dafür im Weg wohnende Indigene vertreiben.
Sie werden dann an anderen Orten angesiedelt, für die sie nicht geeignet sind, an denen sie krank werden und schwere seelische Schäden erleiden.
Ein konkretes Beispiel für unsere Teilhabe und Verantwortung am Schicksal dieser Menschen sind unsere inzwischen allgegenwärtigen Kommunikationsgeräte wie Smartphones und Tablets. Ja, wir alle haben so etwas, und wir alle sind dabei mit diesen ganzen Geräten, an denen Sie jetzt gerade herumspielen, 10 000 Kilometer weg von den Menschen, um die es jetzt hier geht. Entscheidende Materialien in diesen Geräten sind seltene Erde, Coltan und Tantal, deren Vorkommen sich häufig unter dem Lebensraum der Indigenen befinden. Sie haben also Pech, dass sie über wichtigen Bodenschätzen leben und wohnen.
Die Verantwortung tragen aber nicht nur wir als Endkunden und -verbraucher, ein weiterer großer Teil liegt bei Unternehmen, die sich dort engagieren, wie man sagt, oder die dort an Projekten beteiligt sind. Sie können günstig produzieren lassen, weil Umweltund Sozialstandards nicht vorhanden sind und sie sich nicht große Gedanken über Menschenrechte und über die Folgen ihres Handelns für die Eingeborenen machen müssen. Es darf also nicht länger sein, dass die Risiken bei den Indigenen abgeladen werden, Nutzen und Profit aber hier bei den Firmen und den Verbrauchern landen.
Die Indigenen müssen das Recht und die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche und Rechte auch in den Stammländern der Konzerne gegen diese durchzusetzen.
Also noch einmal zu dem, was wir tun können: Erstens, wir können keine Aktien von Firmen kaufen, die die Rechte und die Würde missachten und verletzen und die gegen Grundregeln verstoßen.
Zweitens, wir können keine Konten bei Banken führen, die solchen Unternehmen Kredite geben, wobei ich eingestehen muss, dass das schwer ist, da die Banken uns ja in der Regel nicht verraten, wohin sie Kredite vergeben, was sie mit unserem Geld machen und was es in der Welt anrichtet. Wir dürfen ihnen unser Geld anvertrauen, umgekehrt misstrauen sie uns, indem sie nicht sagen, was mit unserem Geld passiert, und vielleicht sind wir auch bei diesen Dingen dabei.
Drittens können wir unseren eigenen Konsum reflektieren.
Viertens können wir diesen Antrag beschließen, denn die für Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit stehende Bundesrepublik Deutschland soll endlich das ILO-Übereinkommen 169 unterschreiben.
Sie soll Indigenen das Landrecht und gleichberechtigte Mitsprache bei Projekten garantieren, ihre Lebensräume und Umwelt sichern, ihre Bräuche, Kulturen und Traditionen respektieren, wie Herr Bolayela gerade schon gesagt hat. Das ist ein erster Schritt, mit dem auch ein Zeichen der Solidarität gesetzt und unser Respekt gegenüber den indigenen Stämmen und Eingeborenen zum Ausdruck gebracht würde, und das ist wohl das Mindeste.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich erst einmal bei der SPD für die Initiative, also für den Antrag, denn ich finde es immer wieder wich
tig, dass wir diese Themen – gestern Ernährung, heute Tierhaltung – auf der Tagesordnung haben.
Ich war im letzten Sommer in Wietze im Kreis Celle. Das war kurz vor der großen Demonstration dort. Ich habe mir diese Geflügelschlachtfabrik angesehen, von außen natürlich, denn hinein darf niemand. Der Schlachtplan dort: 430 000 geschlachtete Hühnchen pro Tag, 5 pro Sekunde, 300 pro Minute. Rein von außen betrachtet, könnte es auch eine Keksfabrik oder eine Chipfabrik sein: eine schöne helle Fassade, ein sauber gemähter Rasen davor, ein freundlicher Wachmann, der einen mit netten Worten den Weg vom Gelände weist. Da ist mir einmal mehr deutlich geworden, warum dieses System so lange funktioniert. Es basiert unter anderem darauf, dass wir alle nicht so genau hinter die Fassaden gucken können oder wollen, nicht hinter die Werbebildchen, die uns Lügen von glücklichen Kühen, Schweinen und Hühnchen erzählen, nicht hinter die Theken, in denen fein säuberlich und sehr einladend Fleischwurst und Fisch von netten Menschen in weißen Schürzen feilgeboten werden, und nicht hinter unsere eigene Gleichgültigkeit, weil günstige Angebote locken.
Eine kleine Fantasie an dieser Stelle: Stellen wir uns einmal vor, die Mauern, die Fassaden, die Wände der Schlachthöfe, der Megamastställe, auch der Tiertransporter wären aus Glas, und wir könnten hineingucken! Ich glaube, einiges hätte sich von selbst erledigt.
Aber es gibt Hoffnung, denn immer mehr Menschen gucken doch hinter die Fassaden und entdecken dort auch ihre eigene Verantwortung. Unter anderem deshalb debattieren wir hier das Thema wiederholt, denn auch, wenn wir in Bremen keine Tierfabriken, keine Massentierhaltung haben, sind wir dennoch verantwortlich. Es sind wir, wenn wir hier in einen üblichen Supermarkt gehen und das tolle Schnäppchenangebot Wiesenhof Broiler – das Kilo 2,17 Euro – kaufen, und es ist Bremen mit den vielen öffentlichen Kantinen, Mensen, Cafeterien und so weiter.
Von Bremen aus werden viele Produkte tierischer Herkunft nachgefragt, privat und öffentlich. Von hieraus gelangt viel Geld in das System, das also von hier aus mitfinanziert und so leider auch ermöglicht wird. Unter anderem das wollen wir ändern.
Wir wollen unserer Verantwortung nachkommen, und wir wollen und wir werden die gar nicht so kleinen Möglichkeiten als kleiner Zwei-Städte-Staat nutzen und einen Beitrag zu einem Umbau oder – besser – einer Abschaffung des Systems Massentierhaltung leisten.
Unser aktueller Antrag enthält dazu einige gute Vorschläge und Ideen, wie ich finde. Ein wichtiger Hebel ist dabei die öffentliche Beschaffung, also das, was Bremen an Nahrung einkauft. Hier kann die Stadt Marktmacht ausüben, um schlicht nach Marktgesetzen die Nachfrage nach Erzeugnissen aus artgerechter Haltung zu steigern, die nach solchen aus der Massentierhaltung zu senken.
Wie uns der Senat in einer Vorlage im letzten Jahr geschrieben hat – das war in der Antwort auf die Große Anfrage „Ökologisch faire Beschaffung“ –, ist eine Umstellung in vielen Bereichen zu 100 Prozent bis 2020 möglich. Ganz deutlich noch einmal: Wir wollen, dass in den bremischen Kantinen, Mensen, Schulen, Behörden, auch in den Krankenhäusern mittelund langfristig nur noch tierische Erzeugnisse aus artgerechter Haltung auf den Tisch kommen.
Nun sind wir kein Agrarland, aber wir haben dennoch Möglichkeiten. Konkret stelle ich mir das so vor, dass künftig in die Pachtverträge mit den Kantinen „aus artgerechter Haltung“ hineingeschrieben wird, abgesichert durch seriöse Label, wie zum Beispiel BioLand oder Neuland, und abgesichert durch das Kriterium „regional“, was ganz wichtig ist, denn wenn die Höfe, auf denen die Tiere gehalten werden, nur 50 oder 100 Kilometer weg sind, kann man hinfahren und überprüfen, ob man zu Recht mehr Geld zahlt und ob das stimmt, was von artgerechter Haltung erzählt wird. Wenn es stimmt und wenn vor allem Schülerinnen und Schüler das sehen, dann ist man viel eher bereit, mehr für das Fleisch zu bezahlen und sich vielleicht auch Gedanken darüber zu machen, den Fleischkonsum zu reduzieren. Ohne das geht es sowieso nicht. Das ist eine Grundbedingung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag kann sich auf zwei nicht unwesentliche Schriften beziehen.
Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „Krankenhauskeime“ wird unter den Empfehlungen an den Senat, die ich auch als Empfehlungen an uns ansehe, ein breiter Verzicht auf Lebensmittel aus Massentierhaltung angeregt. Das steht deshalb darin, weil uns die Sachverständigen im Ausschuss immer wieder auf die Gefahr multiresistenter Keime hingewiesen haben, die aus der Massentierhaltung herrührt. Jährlich sterben mindestens 15 000 Menschen in deutschen Krankenhäusern an multiresistenten Keimen. Wir haben ja schmerzlich erfahren, was diese Keime in bremischen Krankenhäusern anrichten.
Die zweite Schrift, auf die ich mich beziehe, ist unser Koalitionsvertrag, denn dort steht auf Seite 27 im
Zusammenhang mit bäuerlicher Landwirtschaft geschrieben – ich zitiere –: „Wir setzen dabei vor allem auf den biologischen Landbau, artgerechte Tierhaltung, die Regionalvermarktung.“ Es steht dort geschrieben: artgerechte Tierhaltung. So soll es sein. Danach wollen wir uns richten. Das ist unsere Geschäftsgrundlage.
Wir leisten mit diesem Antrag einen weiteren Beitrag zur dringend notwendigen Agrar- und Ernährungswende. Diese Agrar- und Ernährungswende ist so gewichtig und bedeutsam wie die Energie- oder die Mobilitätswende. Ich erwarte auch den gleichen Einsatz für sie von uns als Politikerinnen und Politiker, als Personen, die sich öffentlich positionieren, schlicht von uns auch als Verbraucher, die täglich einkaufen.
Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher formulieren nicht nur an der Ladenkasse beim Einkauf, sondern auch auf der Straße, wie zuletzt eindrucksvoll in Berlin bei der großen Demonstration gegen Agrarindustrie während der Grünen Woche geschehen, deutlich den Wunsch nach einer anständigen Ernährung, nach einer Ernährungswirtschaft ohne Gammelfleisch, ohne Tierqual, ohne systematische Antibiotikagabe, ohne Dioxin im Futtermittel, ohne Hormonfleisch und ohne gechlorte Hühnchen aus Amerika.
Diese Forderungen sollten sich auch in der Politik eines Stadtstaates, in unserer täglichen Arbeit widerspiegeln. Lassen Sie uns also gemeinsam Schritte tun: weg von der Massentierhaltung und hin zu einer anständigen Agrarwirtschaft, hin zu Essen ohne Schande und ohne Gewalt! – Danke!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch zwei, drei Punkte!
Lieber Frank Imhoff, ich habe nicht die Landwirtinnen und Landwirte für die Skandale schuldig gesprochen. Ich habe vielmehr geäußert, was immer mehr Demonstranten, Verbraucherinnen und Verbraucher zum Beispiel in Berlin auf der Grünen Woche – –.
Ja, ganz genau, und die fordern das! Natürlich sind es die großen industriellen Agrarkonzerne, die alles kaputt machen.
Wir müssen zwei Bereitschaften haben. Die eine Grundbedingung – das hat Frau Bernhard eben schon angedeutet –, ohne die es nicht gehen wird, ist: Wir müssen unseren Fleischkonsum wirklich deutlich reduzieren. Das ist keine fiese grüne Verbotsidee, mit der wir den Leuten den Spaß am Leben verhageln wollen. Es geht einfach nicht anders. Wenn man den Antrag ernst meint, wenn man jegliches Bestreben zu einer Agrar- und Ernährungswende ernst meint, müssen wir da herunter.
Derzeit haben 74 Prozent der Deutschen jeden Tag ein Stück Fleisch auf dem Tisch. Es geht einfach nicht mehr, dass wir an jedem Tag der Woche Fleisch essen. Wir müssen es reduzieren.
Ja, warum nicht? Es ist etwas Schönes, wenn man sich überlegt, nur jeden dritten, vierten Tag oder am Wochenende den berühmten Sonntagsbraten zu essen, sich wieder darauf zu freuen, wie das früher war. Bei mir zu Hause war das wirklich so! Man ehrt und achtet das Tier, wenn es anständig aufgezogen wird. Man ehrt und achtet auch die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte. Ich finde, das ist eine ganz wichtige Sache.
Das Zweite ist, dass wir unbedingt bereit sein müssen, mehr als die 11 Prozent unseres Durchschnittseinkommens für Lebensmittel zu zahlen. Das halte ich für eine Schande. Das ist eine Missachtung der guten Arbeit der Bäuerinnen und Bauern. Ernährung sollte uns deutlich mehr wert sein.
Es ist ganz schwer was faul im Staate. Im „WeserKurier“ war vor ein paar Tagen eine Werbeanzeige: Lidl, ein Kilo Kasslernacken 4,99 Euro. Da kann irgendetwas nicht stimmen. Dieser Preis sagt aus, wie Menschen, Tiere und Umwelt ausgebeutet werden.
Anständig geht das nicht unter 14 Euro. Das gibt es. Das können wir uns leisten, wenn wir den Fleischkonsum herunterfahren.
Kein Thema ist so buchstäblich in uns drin, ja, wirklich tief in uns drin, wie die Ernährung, mehrfach am Tag. Sie sollte uns wirklich mehr wert sein.
Eine Kurzintervention! Die Grenzen zum Beispiel mit den 30 000 Hähnchen und den 1 500 Schweinen sind ein richtiger Schritt. Es wurde also etwas gemacht. Das sind ja die Grenzen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Danach richtet sich die Novellierung des Baugesetzbuches in Paragraf 35. Das alles ist ja schön und gut. Aber was ist unter 30 000 Hähnchen, unter 1 500 Schweinen? Die Besatzdichte ist die Gleiche. Es sind immer noch 22 Hühner auf einem Quadratmeter. Mir geht es um die Tiere. Wenn es auch Ihnen um das einzelne Tier geht, dem es gut gehen soll: Was ist mit den Tieren unter 30 000? Es geht um eine andere Besatzdichte. Da muss etwas getan werden. Das ist für mich eine Einschränkung eines Privilegs, aber noch lange nicht die Abschaffung. Ich finde, die Besatzdichte gehört komplett anders geregelt, mindestens die Hälfte.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung, Ausbreitung und andauernde Weiterentwicklung digitaler und mobiler Geräte, wie Handys, Smartphones und ähnliche Instrumente, hat auch neue zwielichtige Geschäftspraktiken mit sich gebracht, um Verbraucherinnen und Verbraucher abzuzocken oder zu täuschen. Analog zur Übertölpelung oder Abzocke an der Haustür à la „am besten, Sie unterschreiben jetzt sofort, dann sind Sie auf der sicheren Seite“ gibt es inzwischen vielfältige Formen digitalen Betrugs nach dem gleichen Muster, wenn auch mit anderen Mitteln.
Mit dieser Weiterentwicklung neuer Kommunikationstechnologien geht auch eine Weiterentwicklung krimineller Energie und Fantasie, neuer krimineller Geschäftsmodelle einher. Es würde mich wundern, wenn es anders wäre. Wo Klein- oder Großkriminelle ihr Geschäft wittern, schlagen diese auch zu. Dabei sehen sich die Verbraucherschützer und die Politik in einem Wettlauf mit den Internetfallen der neuen Art. Die digitalen Fallenstellerinnen und Fallenstel––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
ler agieren im Gegensatz zu früheren Türgeschäften, als man dem Gangster ins Auge sehen und eine Personenbeschreibung der Täterinnen und Täter erstellen konnte, heute aus dem Off, buchstäblich aus dem Hinterhalt, der irgendwo auf der Welt sein könnte.
Wie kann man diese greifen, die Spur zu ihnen verfolgen und ihr Werk stoppen?
Das weltweite Internet ist eine große globale Spielwiese, auf der viele vieles versuchen und es auch tun. Dazu gehören leider auch immer wieder nicht so saubere oder gar kriminelle Aktivitäten. In dieser schwierigen Gemengelage stecken wir. Es ist ein schwieriger Wettlauf, denn die Kriminellen können in der Regel weitaus schneller agieren, als wir reagieren. Dass dieser Wettlauf also oft nicht zu gewinnen ist, ändert nichts daran, dass wir an ihm teilnehmen müssen. Unsere Aufgabe ist und bleibt es, digitale Kriminalität ebenso ernst zu nehmen wie jede andere Form der Kriminalität,
den Feind zu identifizieren, Verantwortliche zu identifizieren und die digitalen Fallensteller, so gut es geht, gar nicht erst dazu kommen zu lassen, ihre Fallen zu stellen. Dabei dürfen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht nur auf die Politik verlassen – das natürlich auch, deshalb beschließen wir ja heute diesen Antrag! –, die Konsumentinnen und Konsumenten sollten sich aber auch ein Stück auf sich selbst und ihren gesunden Menschenverstand verlassen und nicht gleich irgendwo etwas anklicken, wenn verführerisch auf einem Werbebanner versprochen wird „Reichtum in fünf Minuten!“ oder „Klicken Sie jetzt hier, dann haben Sie das große Los gezogen!“.
Mit diesem Antrag fordern wir den Senat auf, tätig zu werden und Möglichkeiten der digitalen Übertölpelung zu erschweren und sich für deutliche gesetzliche Regelungen einzusetzen, die das Stellen von Kostenfallen im Internet klar unattraktiver werden lassen. Ich bin mir sicher, dass sich einiges ändern wird, wenn, wie wir im Antrag fordern, zum Beispiel Web-Bezahlvorgänge von vornherein gesperrt sind und nur nach ausdrücklichen textförmlichen Erklärungen der Nutzer freigeschaltet werden können. Das ist so, wie wenn das Schloss zur fest verschlossenen Tür von uns oder von den Usern absichtlich aufgeschlossen wird: Die Tür geht auf, und wir treten ein. Da sind wir auch selbst verantwortlich.
Eine weitere Forderung, ein Schwerpunkt für mich ist, dass die Mobilfunkanbieter bei Factoring-Verträgen die Forderungen selbst eintreiben müssen. Im Gegensatz zur Button-Lösung, bei der ja erst am Ende des möglichen Vertragsvorgangs das Okay gegeben
wird, muss der User, wenn er es denn will, hier aktiv tätig werden, es ist sozusagen eine umgekehrte Button-Lösung. Wer nun doch gern solch ein Geschäft tätigen will und eventuell zahlen muss, kann dies natürlich gern weiter tun. Erst nachdem das Webbuilding bewusst vom Anwender aktiviert wurde, darf die Reklame erscheinen, öffnet sich das Tor in die mögliche Falle. Das kann jeder, der es mag, weiterhin machen, das obliegt jedem selbst.
Wir wollen mit diesem Antrag aber jene schützen, die das nicht wollen, die unbedarft und gutgläubig, vielleicht auch aus Versehen, irgendwo auf dem Smartphone-Bildschirm etwas verursachen, was sie gar nicht beabsichtigen. Damit werden die Verbraucher ein Stück vor sich selbst geschützt, können sich aber gleichzeitig auch nicht schützen lassen. Ich hoffe nun, wenn die Forderung in unserem Antrag eines schönen Tages Wirklichkeit geworden ist, dass die Konsumenten auch von dieser neuen Sicherheitsschranke und den Möglichkeiten Gebrauch machen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser aktuelles Wirtschaftssystem basiert unter anderem elementar auf Marktmacht. Wer über Macht am Markt verfügt, kann Bedingungen wie Quantitäten, Qualitäten und Preise bestimmen oder zumindest maßgeblich beeinflussen. Diese Marktmacht wird oft missbraucht für Ausbeutung, schlechte Qualität sowie für Preistreiberei oder Preisdumping. Anzustreben ist eine grundlegend andere Form des Wirtschaftens, eine Form, bei der nicht nur der möglichst günstigste Preis oder der Profit regiert, sondern die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick genommen wird,
eine Form, bei der die sozialen Bedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter, Produzentinnen und Produzenten und all die anderen, die an unserem globalen Wirtschaftsleben teilnehmen, menschenwürdig sind, bei der so produziert wird, dass es keinen Raubbau an der Natur und auch nicht an den Menschen gibt, sodass also im originären Wortsinn nachhaltig produziert wird, bei der die Produkte, die wir alltäglich benutzen und konsumieren, unser Wohl––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
befinden steigern und nicht voller Schadstoffe und voller Schande stecken, bei der jene, die unsere Waren herstellen, angemessen und auch würdig entlohnt werden.
In Sachen faire Löhne wird sich bei der Agrarministerkonferenz, die morgen und übermorgen in Würzburg stattfindet, etwas Schönes ereignen, hoffe ich, denn alle rot-grünen Minister werden einem Antrag des niedersächsischen Landwirtschaftsministers, Herrn Meyer, zustimmen, der einen Mindestlohn von 8,50 Euro in allen Bereichen der Lebens- und Ernährungswirtschaft vorsieht, also in den Schlachthöfen, in der Fleischindustrie und auch bei den Erntehelfern.
Das Land Bremen als Einkäufer hat eine immense Marktmacht. Der größte Konsument Bremens ist Bremen, die Bandbreite der Produkte reicht von Textilien und Naturstein über Tee und Kaffee bis hin zu Blumen und Spielwaren. Wo die Macht groß ist, ist auch die Verantwortung groß. Auch vor dem Hintergrund der schweren Unfälle in der Textilindustrie, der Meldungen über Gift in Kinderspielzeug oder der Skandale in der Lebensmittelindustrie ist es elementar wichtig, dass wir genau schauen, wie, wo und unter welchen Umständen all das, was Bremen beschafft, hergestellt wird.
Diese genannten Skandale sind ein Weckruf. Aus meiner Sicht gehören Ausbeutertextilien, Ausbeuterspielwaren und Ausbeuterfleisch nicht in öffentliche Einrichtungen und tunlichst auch nicht in die privaten Haushalte. Das ist meine Vision.
Seit der Verabschiedung des Tariftreue- und Vergabegesetzes im Jahr 2009, das die rot-grüne Koalition auf den Weg gebracht hat, ist viel passiert. Wir haben nun mit der Antwort des Senats eine sehr ausführliche und umfassende Übersicht darüber erhalten, was sich in Sachen sozialer und ökologischer öffentlicher Beschaffung tut, gleichzeitig aber auch, was sich noch nicht tut. Um es in ein Bild zu bringen: Die Antwort zeigt sehr schön, dass wir in Bremen inzwischen in die richtige Richtung sehen und auch richtige Schritte in diese Richtung tun, der Weg aber noch sehr weit ist.
Der Senat listet einige prominente Beispiele für faire Beschaffung auf, so etwa den Teppich im Senatssaal, der nachweislich nach den Sozialstandards des Zertifikats STeP und unter Einhaltung der ILO-Kernar
beitsnormen produziert wurde. Das ist gut, löblich und begrüßenswert, eben der Blick und der erste Schritt in die richtige Richtung. Dabei darf es aber nicht bleiben. Die für den Teppich im Senatssaal angelegten Kriterien müssen auch für alle anderen aktuellen und künftigen Teppichanschaffungen gelten.
Ich will das gar nicht als Kritik verstanden wissen, sondern eher als Sensibilisierung dafür, wie weit der Weg noch ist. Bisher wurde ein aus rund 3 000 Artikeln bestehendes Portfolio des klassischen Verwaltungsbedarfs auf Ökoprodukte umgestellt. Auf diesem Gebiet wird laut Antwort des Senats vorbildlich und verantwortungsvoll agiert. Der eingeschlagene Weg der Ökologisierung soll weitergegangen werden.
Positiv ist auch, dass für den Beschaffungsbereich Umwelt eine Stelle geschaffen wurde, die über die Haupteinkäuferin Immobilien Bremen hinaus auch die Beschaffungsstellen für Kraftfahrzeuge und für den Schulbedarf berät. Sie berät nicht nur bei zentralen Beschaffungsvorgängen, sondern – sofern nötig – auch bei dezentralen Einkäufen, wobei aus meiner Sicht die fairste und ökologischste Kfz-Beschaffung wäre, keine Kraftfahrzeuge mehr zu beschaffen und an ihrer Statt, sofern möglich, am Carsharing teilzunehmen.
Bisher macht leider nur das Umweltressort von der Möglichkeit des Autoteilens Gebrauch, das wünsche ich mir auch von den anderen Ressorts. Auch hier ist also noch viel zu tun.
Obwohl aber noch ein langer Prozess vor uns liegt, freue ich mich besonders darüber, dass der Blick nicht mehr nur auf Anschaffungspreise gerichtet ist, sondern auch und immer stärker soziale, ethische und ökologische Vorgaben eine Rolle spielen. Besonders gefreut hat mich, dass der Senat eine soziale und ökologische Beschaffung auch als Baustein für die Umsetzung globaler Gerechtigkeit sowie den globalen Umwelt- und Klimaschutz sieht. Wir können mit der Veränderung unseres Bremer Einkaufsverhaltens also durchaus über Bremen hinaus positiv auf die Welt einwirken.
Hoffnungsvoll stimmt mich auch die Einschätzung des Senats, dass eine Umstellung auf ökologische Produkte bis zum Jahr 2020 in weiten Teilen realisierbar ist. Das wäre in sieben Jahren, und sollte ich dann noch Mitglied dieses Hauses sein, werde ich natürlich wieder danach fragen.
Es befindet sich also vieles in Bremen auf dem Weg, aber ganz besonders vor dem Hintergrund, dass man Hauptstadt des fairen Handels sein möchte, darf das nicht alles sein. Es darf nicht nur ein paar Vorzeigeprojekte geben, mit denen man sich ganz groß als fair und ökologisch nach außen darstellt, wichtig ist für mich, dass das im Alltag auch außerhalb der Bezeichnung Hauptstadt des fairen Handels stattfindet. Faire Beschaffung muss Standard sein, muss im Alltag verankert werden.
Meine Vorstellung ist, fair und ökologisch werden der Normalfall, ohne irgendwelche Label und Siegel. Nur das, was am Ende nicht mehr sozial und ökologisch hergestellt wurde, bekommt zur Orientierung der Verbraucher ein Zertifikat, einen Stempel mit dem Aufdruck „Unfairtrade“.
Ein Beispiel zu den Siegeln: In der Mitteilung des Senats wird immer wieder auf die Zertifizierung durch das Siegel „OEKO-TEX Standard 100“ hingewiesen. Dieses Siegel gibt aber leider nur Auskunft darüber, welche Stoffe die Textilien enthalten, wenn sie bei den Endkunden angelangt sind und von ihnen getragen werden, also was hier an krebserregenden Stoffen, Pestiziden oder Ähnlichem eventuell enthalten ist. Es klärt aber überhaupt nicht darüber auf, wie die Lieferkette aussieht, also der Anbau der Baumwolle, die Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern und so weiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusätzlich zu dem, was schon passiert, hat sich der Senat letzte Woche noch einmal deutlich zur fairen Beschaffung und zur Ausübung seiner Marktmacht bekannt. Auch darüber freue ich mich sehr.
Nicht nur die öffentliche Hand ist bei der möglichst fairen und ökologischen Beschaffung gefragt, auch wir selbst als Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein wenig Marktmacht und sollten insbesondere mit Blick auf die Unfälle in Bangladesch und Pakistan beim Kauf unseres Anzugs, des schönen Sommerkleides oder des T-Shirts die immer größer werdenden Möglichkeiten des fairen Handelns nutzen und erweitern. – Ich bedanke mich beim Senat für die umfassende Antwort!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Imhoff, ich bin noch ganz angetan von dem Antrag. Mit Ihrem Antrag „Bremer essen regional“ rennen Sie bei uns natürlich offene Türen ein, Herr Imhoff. Ihr Antrag ist nicht nur aus den von Ihnen schon genannten Gründen, wie weniger Verkehr, Stärkung der Wirtschaftskraft vor Ort, Arbeitsplätze sichern und Klimaschutz, ganz besonders wichtig und nötig, sondern auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse bezüglich der Ernährungsskandale. Ich freue mich, dass diejenigen, die Ihrem Antrag heute zustimmen werden, erkannt und begriffen haben, was zu tun ist, und auch richtig abstimmen werden.
Der Bezug regional erzeugter Nahrungsmittel ohne lange Lieferketten, ohne lange Lieferwege, ohne viele Stationen auf diesen Wegen ist eine der nötigen Antworten, und zwar nicht nur auf die Lebensmittel- und Futtermittelskandale aus dem März, sondern überhaupt auf das völlig aus den Fugen geratene System der mittlerweile globalen und nicht mehr zu kontrollierenden Nahrungs- und Futtermittelproduktion.
Dieses System setzt auf eine möglichst kostengünstige Erzeugung, auf Nichtrückverfolgbarkeit der Erzeugungs- und Lieferketten, auf Anonymität, schlicht gesagt, auf Masse statt Klasse und auf das Nichtwissen und auf die Gleichgültigkeit vieler Konsumenten. Der Bezug von in der Region erzeugten Produkten hingegen ist die Gegenbewegung dazu. Er kann wieder Bewusstsein schaffen für das, was es in der Region eigentlich gibt, und dafür, was unsere Landwirte eigentlich so bieten und was sie können. Das ist eine ganze Menge.
Wir sollten dies auch wieder wertzuschätzen und anzuerkennen wissen. Die Besinnung auf heimische Produkte kann dabei helfen. Die heimische Küche hat eine Menge zu bieten. Das zeigt ein Besuch auf den Wochenmärkten, wo Bäuerinnen und Bauern ihre lokalen Erzeugnisse anbieten. Für unsere Grundversorgung ist eigentlich vor allem von Frühjahr bis Herbst alles vorhanden, was der Mensch braucht.
Oder Sie suchen direkt die Höfe auf, zum Beispiel im Blockland, in Borgfeld, Oberneuland, Bremen-Nord oder auch in Niedervieland! Es ist eine wunderbare Erfahrung, wieder zu lernen, welche kulinarischen Möglichkeiten hier vor Ort vorhanden sind, welche Gemüse- und Obstsorten wann ihre Zeit haben, und sich auch wieder darauf zu freuen. Ich möchte deshalb „Bremer essen regional“ um „Bremer essen auch saisonal“ ergänzen.
An dieser Stelle möchte ich auf die Saisonkalender für Obst und Gemüse hinweisen, die es in der Verbraucherzentrale und bei Umweltverbänden gibt. Sie geben genau Auskunft darüber, was wann seine Zeit hat. Ich zeige Ihnen den Saisonkalender der Grünen, den Sie kostenlos bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der Schlachte bekommen können. Ich habe ansonsten auch einige mitgebracht.
Ja, kann hier jemand sagen, wann Feldsalat seine Zeit hat?
Die Obst- und Gemüsesorten, über die dieser Saisonkalender Auskunft gibt, sind natürlich Erzeugnisse, die hier vor Ort angebaut werden, nicht irgendwo weit weg, und nicht mit dem Flugzeug herangeflogen oder mit dem Lkw herbeigeschafft werden.
Es gibt in Bremen und im Umland auch eine ganze Reihe von Höfen, auf denen Schweine, Hühner oder Kühe artgerecht und zum Teil sogar nach den strengen Bioland- oder Demeter-Richtlinien gehalten werden. Auch diese Höfe können aufgesucht werden. Wer dort sieht, wie mit den Tieren umgegangen wird, wie man ihnen ein Leben vor dem Tod gewährt, auch wenn sie dann für unsere Ernährung getötet werden, begreift, dass es eine Sache ist, Tiere in den Mastfabriken im Expresstempo zu mästen und zu quälen, aber eine ganz andere Sache, anständig mit den Tieren umzugehen.
Diese Erfahrung macht man auch am einfachsten und am ehesten in der Region, und sie schafft Vertrauen und die Bereitschaft, für eine ordentliche Tierhaltung etwas mehr Geld auszugeben, als wir gemeinhin gewohnt sind.
Aus der Region sollten aber nicht nur die Lebensmittel, sondern tunlichst auch die Futtermittel für die Tiere kommen. Ein Flächenpotenzial für die hiesigen Futtermittel ist eigentlich vorhanden, ich denke dabei unter anderem an die vielen Flächen, auf denen unter Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden konventioneller Mais für die Biogasanlagen in Monokultur angebaut wird. Dort könnte durchaus auch Sinnvolleres angebaut werden.
Ich denke auch an die vielen Flächen, die von unserem Fleischkonsum vernichtet werden. Wenn wir
den Blick auf die Region, auf regionales Essen richten, müssen wir den Blick auch dahin richten.
Das habe ich doch gerade erzählt.
Ich sehe einmal von meinem eigenen Essverhalten ab, das tut hier nichts zur Sache. Es geht ja nicht um mich, sondern um das Wohl aller!
Es ist natürlich klar, dass nicht ganz Bremen mit Erzeugnissen aus der Region versorgt werden kann, aber einen vielleicht gar nicht so kleinen Beitrag kann die Region leisten, und wenn die Nachfrage, befördert auch durch diesen Antrag, nach heimischen Produkten steigt, wird auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft in der Region gestärkt. Zu diesen Nachfragerinnen und Nachfragern sollte aber auch die Kommune, die Stadt mit ihren vielen öffentlichen Einrichtungen und der dazugehörigen Marktmacht gehören.
Nicht zuletzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Rückkehr oder Rückbesinnung auf heimische Erzeugnisse ist auch ein ganzes Stück weit eine Rückbesinnung, eine Rückkehr zu uns selbst. Ich danke Herrn Imhoff für diesen Antrag. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr zu begrüßen, dass wir anlässlich der aktuellen Nahrungsmittelskandale die Themenfelder Lebensmittelsicherung und -kontrolle, Verbraucherbewusstsein, Verbraucherhandeln und Tierhaltung hier debattieren und dass dazu auch verschiedene Anträge vorliegen, die sich mit verschiedenen Schwerpunkten dem Thema widmen. Ich sehe es nämlich nicht, dass wir hier einer Meinung sind. Frau Grobien, es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen unseren beiden Anträgen: Sie fordern lediglich einen Bericht, und wir fordern den Senat zum Handeln auf. Es ist an der Zeit, etwas anderes zu verlangen als nur einen Bericht.
Auch wenn es in Bremen keine industrielle Tierhaltung gibt und Bremen kein Agrarland ist, tragen wir dennoch Verantwortung, ist doch das Land Bremen als Großkonsument durchaus ein großer und gewichtiger Akteur mit großer Marktmacht.
Bei der Deklarierung von Pferdefleisch als Rindfleisch und bei der Falschdeklarierung von Eiern als Bio-Eier, die keine Bio-Eier waren, handelt es sich ohne jeden Zweifel um schwere Fälle von Täuschungen der Verbraucherinnen und Verbraucher und möglicherweise um Betrug.
Gerade der Eierskandal zeigt, dass es nicht nur Fälle von Täuschungen der Verbraucherinnen und Verbraucher sind, sondern auch um Tierleid geht.
Es wurden Hühner auf weit weniger Fläche als zulässig und vorgegeben gepfercht. Es ist also eigentlich kein Eierskandal, sondern ein Hühnerhaltungsskandal. Ich möchte anfügen, bei den meisten Skandalen führt die Spur immer wieder in die Tierhaltung, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
und zwar in eine sehr brutale Tierhaltung. Wir sind dafür sehr verantwortlich.
Der Eierskandal ist mehr als ein kleinerer Etikettenschwindel oder eine leichte Mogelei. Die Ursache des Skandals dürfte wie so oft die Profitgier in der Nahrungsmittelindustrie gepaart mit der nötigen kriminellen Energie sein. Hinzu kommt, dass die Kontrollen bestenfalls löcherig waren und sind. Wer weiß, was wir täglich alles essen, ohne es zu wissen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen, so gut es geht, sicher sein können, dass das, was auf der Verpackung steht, auch darin enthalten ist, und zwar nur das und nichts anderes.
Wir Politikerinnen und Politikern müssen handeln. Wir müssten es schon längst getan haben, viel länger als die aktuellen Skandale alt sind, denn der wirkliche Skandal ist die Alltäglichkeit, die Normalität und die buchstäbliche Gewöhnlichkeit von Nahrungsmittelskandalen, die uns in regelmäßigen Abständen ereilen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen endlich umfassend vor solchen Praktiken geschützt und umfassend informiert werden. Ist das überhaupt möglich?
Nehmen wir diese Lasagne eines Discounters, die wahrscheinlich allein am heutigen Tag mehrere Tausend Mal verkauft wird! Sie kostet 1,69 Euro, ein echtes Schnäppchen! Hier sind, natürlich kleingedruckt, circa 20 Zutaten aufgeführt, die alle von irgendwo auf dieser Welt kommen – keiner weiß, woher sie kommen oder welche Wege, Produktionsketten oder Lieferketten dahinterstecken – und die dann zu einem, ich nenne es einmal Brei,
da wird von einer Mahlzeit gesprochen, verarbeitet werden. Darin stecken viele Wege, eventuell Tierleid und die Arbeit vieler Landwirtinnen und Landwirte. Ich finde, es ist eine Schande, dass man den Menschen so etwas als Mahlzeit verkaufen will.
Allein die Zutat Schwein enthält die Stationen Geburt der Ferkel, Mast in einem Schweinestall – bei dem geringen Preis der Lasagne tippe ich auf weniger tiergerechte Haltung –, Transport zum Schlachthof, wer weiß, wie weit es war und wie es den Tieren auf diesem ergangen ist, und von dort in Einzelteilen zur Endfertigung, um so zu enden. Das ist nur eine Lieferkette mit mehreren Stationen.
Insgesamt dürften bei den verschiedenen Lieferketten für jede Zutat dieses Fertiggerichts sehr viele Stationen zusammenkommen. Jede birgt große Risiken, an jeder Station besteht die Gefahr, dass jemand umdeklariert, panscht, streckt oder eine andere den Kunden täuschende Tätigkeit vornimmt, wenn er oder sie nur über ausreichend kriminelle Energie und kriminelle Kreativität verfügt.
Wir fordern den Senat deshalb auf, sich dafür einzusetzen, dass es eine finanzielle Beteiligung der Unternehmen an den entsprechenden Kontrollen gibt, die mit Betrug erzielten Gewinne abgeschöpft werden, das Strafmaß sich erhöht und – das ist ein Punkt, der mir sehr am Herzen liegt – endlich eine vernünftige Kennzeichnung der Haltungsform von tierischen Produkten stattfindet, wie es bei Eiern schon der Fall ist.
Realistischerweise wird es keine zu 100 Prozent sichere und gründliche Kontrolle und auch keine hundertprozentige Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher geben, aber die Weichen müssen gestellt werden, damit wir dem 100-Prozent-Ziel möglichst nahekommen.
Kontrollen und Transparenz sind die eine Seite der Medaille, Kriminalität gibt es überall, aber anders als in anderen Bereichen des Lebens sind die Skandale in der Lebensmittelbranche längst Teil des Systems. Es ist dieses System, das auf weite Wege, auf Tierleid in der Massentierhaltung, auf Bezug billigsten Futters und Marketingillusionen von glücklichen Kühen und Hühnern bei gleichzeitigem Niedrigstpreis beruht. Dieses System stinkt, es ist faul, marode und krank.
Die Nahrungsmittelkonzerne sind natürlich Teil dieses Systems, aber auch wir Verbraucherinnen und Verbraucher sind ein Teil davon. Es ist nicht so, dass nur die Konsumentinnen und Konsumenten von den Unternehmen abhängig sind, sondern umgekehrt, die Unternehmen sind auch von uns abhängig.
Wir entscheiden mit jedem Kauf über diese oder jene Form der Produktion, den Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – dabei möchte ich auch den Blick auf „Amazon“ richten, wie wir jüngst erfahren haben –, die Form der Tierhaltung und unserer eigenen Gesundheit. Diese Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet eine genauso große Verantwortung und Verpflichtung. Wer bei der Ernährung auf Nummer sicher gehen will und wessen Geldbeutel es halbwegs hergibt, bezieht seine Lebensmittel direkt, zum Beispiel die regionalen und saisonalen Produkte von Hofläden oder Wochenmärkten. Das ist unsere Entscheidung!
Falls wir eine Zukunft ohne Lebensmittelskandale wollen, müssen wir dieses System grundlegend verändern. Nötig sind Qualität statt Quantität, weniger, dafür gutes Fleisch, regionale Produktionskreisläufe, kurze Wege von den Erzeugern zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern und von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu den Erzeugern.
Ich möchte an dieser Stelle auf den Antrag des Kollegen Imhoff, den wir hier heute leider nicht besprechen und beschließen, hinweisen, der mit seinem wunderbaren Antrag auch eine Antwort auf die Skandale gegeben hat, das passt jetzt sehr schön. Falls Herr Imhoff am Radio zuhört, die besten Genesungswünsche!
Dieser Appell und die Aufforderung richten sich natürlich nicht nur an die Privatkonsumentinnen und -konsumenten, sondern auch und vielleicht vor allem an den Senat: Bitte sorgen Sie dafür, dass weniger Fleisch auf die Teller in den öffentlichen Einrichtungen, Mensen, Kantinen und Cafeterien kommt und dies bitte aus artgerechter Haltung! Wenn wir nicht bei uns selbst anfangen, wird sich dieses System nicht verändern. – Danke!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Senat! Ich habe eine kurze Frage. Ich habe vorhin die Bitte, den Appell an Sie gerichtet beziehungsweise Sie aufgefordert, dass das Land Bremen als Marktakteur mit großer Mehrheit auch selbst tätig werden kann und bei der Beschaffung von Lebensmitteln hinschaut, wo wir sie kaufen, vielleicht auch regional. Können Sie dazu noch einmal Stellung nehmen?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen einen Finanzierungsvorschlag machen, der auch in meiner Rede enthalten war: einfach weniger Fleisch! Das hat nichts mit Verzicht zu tun, nicht dass wir den Spaß am Leben verlieren und auch nicht dass die Grünen den Menschen den Spaß verderben möchten. Es ist vielleicht ein wunderschönes Gefühl, einen vegetarischen Tag und sechs Fleischtage umzukehren. Dann bekommt man es mit weniger Fleisch, dafür auch in besserer Qualität hin, und man freut sich wieder auf den, früher hieß es Sonntagsbraten. Ich glaube, „zurück zum Sonntagsbraten“ bedeutet, den Blick nach vorn zu richten. Es bedeutet auch eine Wertschätzung der Tiere und des Gerichts, sich wieder auf Fleisch zu freuen, statt es als Gewohnheit hinzunehmen und als irgendetwas, das wir einfach nur so essen. – Danke!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hat Frau Ryglewski schon sehr viel zur Deputationsvorlage gesagt. Ich will deshalb noch einmal ein Preisbeispiel anführen und benennen, worum es geht und warum ich finde, dass die Provision jetzt von den Vermietern getragen werden soll. Der Themenkomplex bezahlbare Mieten, sozialer Wohnungsbau, Mietspiegel und Maklergebühren findet mittlerweile und erfreulicherweise immer wieder und immer mehr Niederschlag in der Politik und in den Medien. Aktuell versetzen Mieterhöhungen Menschen, die wenig Geld haben, in Angst und Sorge, wie aktuell bei der BREBAU, die ab April 2013 den Mietzins gleich um 20 Prozent erhöhen will. Es ist wichtig und erfreulich, dass die Politik und die Gesellschaft sich dieser Thematik zunehmend annehmen, den Maklergebühren kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu. Diese Gebühren stellen in vielen Fällen eine nicht zunehmende Hürde dar, um überhaupt eine Wohnung zu bekommen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Eine Vermieterin oder ein Vermieter will eine Wohnung vermieten. Da sie sich aus welchen Gründen auch immer nicht selbst um die Vermietung kümmern wollen, wird ein Makler beauftragt. Die Wohnung misst 35 Quadratmeter, die Kaltmiete beträgt 390 Euro. Als erste Zahlung bedeutet dies, also bevor man in die Wohnung eingezogen ist, eine Eintrittsgebühr in Höhe von über 2 000 Euro, fast 1 000 Euro davon sind Maklergebühren, über 750 Euro sind für das Deponat, und dann kommt noch die erste Warmmiete dazu. Für einkommensschwache Interessenten ist dies eine hohe, oft nicht zu nehmende Hürde. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass diese knapp 1 000 Euro Maklercourtage von denen entrichtet werden sollen, die diese Kosten nicht verursachen. Die Maklerin und der Makler sollen selbstverständlich für ihre Arbeit und für ihre Leistung entsprechend den ihnen zustehenden Lohn bekommen, aber bitte von denen, die die Maklerkosten verursachen, von denen, die die Makler beauftragt haben.
Nachdem wir uns eine kleine Bedenkzeit gegönnt haben, die Vorlage der Deputation vorliegt, bin ich sehr froh darüber, dass wir hier heute eine Regelung über die komplette Zahlung der Maklergebühren, und nicht die Hälfte, wie im Oktober angedacht, beschließen werden. Das Honorar, das die Makler für ihre Tätigkeit bekommen, muss ihrer Leistung und ihrer Befähigung entsprechen. So müssen sie, wie man der Vorlage der Deputation auch entnehmen kann, zum Beispiel das Gesetz zur Regelung zur Wohnungsvermittlung beachten, eine Versicherung abgeschlossen haben, Buch führen und ähnliche Formalien können. Aus meiner Sicht reicht dies aber nicht aus.
Besonders wichtig und nötig sind Kenntnisse über die Situation und die Zustände vor Ort in der zu besichtigenden Wohnung. Wenn Fragen zum Beispiel zum baulichen oder energetischen Zustand gestellt werden oder wenn irgendwo Kabel aus der Wand ragen, Flecken auf den Wänden entdeckt werden et cetera, sind dies Beispiele, bei denen die Maklerinnen und Makler beweisen können, dass sie über die nötige Sachkunde im Hinblick auf energetische und bauliche Fragen verfügen.
Die Erfahrungen, die ich bei verschiedenen Wohnungsbesichtigungen gemacht habe, rufen geradezu nach einem entsprechenden Befähigungsnachweis. Die Mieterinnen und Mieter und auch die Vermieterinnen und Vermieter dürfen zu Recht erwarten, dass die Makler können, was sie tun.
Ein Befähigungsnachweis stärkt die Branche und stärkt alle seriösen Maklerinnen und Makler, die eine gute Dienstleistung anbieten. Diese Dienstleistung soll dann natürlich auch entsprechend entlohnt werden.