Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

Das Rechenwerk der LINKEN behauptet nun, der Haushalt hätte eingehalten werden können, ohne eine Haushaltssperre zu beschließen und ohne die Ressorts zu verpflichten eigene Sparanstrengungen zu unternehmen. Sie werfen der Koalition vor, die Ausgabendisziplin zu halten und Mehreinnahmen in die Verringerung der Neuverschuldung zu stecken. Sie blenden dabei wiederholt aus, dass Bremen sich verpflichtet hat, die Ausgaben zu begrenzen und Mehreinnahmen zur Schuldentilgung einzusetzen. Was Sie hier beantragen, ist nichts anderes, als die mit dem Stabilitätsrat verhandelten Grundlagen zu verlassen und auf die 300 Millionen Euro Zinshilfe zu verzichten. Das wäre nämlich die Folge.

(Beifall bei der SPD)

Damit Ihre Argumentation nicht gestört wird, blenden Sie auch die Mehrausgaben aus, jedenfalls in einem Teil Ihres Antrags, in einem anderen Teil Ihres Antrags nehmen Sie das durchaus zur Kenntnis. Einige der Mehrausgaben, die insgesamt auf uns zugekommen sind, sind schon genannt worden. Ich möchte zur Gedächtnisauffrischung auch noch kurz daran erinnern, um was es eigentlich gegangen ist.

Es ging um die Absicherung, damit fing es an, der Schulsozialarbeit. Es ging um die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Es ging um die Assistenzleistungen für behinderte Schüler. Es ging um die Zuweisung zur Stiftung Wohnliche Stadt, um den Privatzuschuss. Es ging um die einzufangenden Mindereinnahmen bei der Spielbankeinnahme. Es ging um Mehrausgaben für das Stadtamt, und das ist noch einmal die vollständige Liste. Das bedeutet, wir haben deutlich mehr Ausgaben als im Haushaltsanschlag ursprünglich vorgesehen worden waren. Da die Ausgaben gleichzeitig vereinbart gedeckelt sind, mussten die Ressorts Anstrengungen unternehmen, um den Haushalt nicht ins Unendliche steigen zu lassen. Der Schritt war notwendig!

Dann gibt es ja noch den Vorwurf, dass für Derivatgeschäfte Gelder zurückgelegt werden. Das kann ich nun für nicht so ganz falsch halten, und Herr Rupp hat das im Grunde genommen auch eben eingeräumt. Wenn ich nämlich betrachte, dass die Haushaltsprobleme jetzt maßgeblich dadurch gelöst werden, dass wir durch solche Zinsgeschäfte einen Spielraum im bestehenden Haushalt insgesamt erwirtschaften können. Die Zinsminderausgaben kommen durch diese Derivatgeschäfte auch in diesem Haushalt zustande, deshalb ist der Einsatz zur Absicherung dieser Geschäfte auch sinnvoll und vertretbar.

Es gibt einen einzigen Punkt, bei dem ich bereit bin, näher darüber nachzudenken, und er betrifft die Information über die Entwicklung der Zinsausgaben. Ich finde, wir können uns im Haushalts- und Finanzausschuss noch einmal darüber unterhalten, inwieweit es in die Controllingberichte deutlicher eingehen kann. Das Gesamtkonstrukt der LINKEN, das sie hier vorgelegt hat, folgt aber dem alten Prinzip, das sie hier immer vortragen: Nimm, was du bekommen kannst, ignoriere die Abmachung, und gebt doch einfach mehr Geld aus.

(Beifall bei der SPD)

Das kennen wir aus jeder Haushaltsberatung, das ist wahrlich nachhaltige Finanzpolitik! Wenn wir den Weg gehen wollen, dann müssten Sie schon jetzt anfangen zu überlegen, wie Sie das Bundesland Bremen überhaupt noch handlungsfähig halten wollen. Das, was Sie hier vorschlagen, ist verantwortungslos, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Kau.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir erörtern diesen Antrag der LINKEN vor einer Situation, die wir inzwischen alle deutlich spüren. Das heißt, es klemmt im Haushalt und unser Land hat erhebliche Finanzierungsprobleme. Wir kommen in bestimmten Bereichen wirklich an die Grenze unserer Handlungsfähigkeit und sind sehr stark eingeschränkt.

Das wird ja zum Beispiel an der Besoldungsproblematik und an dem Motivationsverlust bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich, wir haben die Anhörung gerade hinter uns. Handelnde in der Stadt, also Mitarbeiter, die Institutionen leiten, schildern eigentlich immer wieder, dass es inzwischen wenig Spaß macht, weil selbst Notwendiges nicht mehr möglich ist und Dringendes zurückgestellt werden muss. Das heißt, durch die Einschränkungen seitens des Stabilitätsrats und durch die Konsolidierungshilfen ist Bremen jetzt wirklich in einer Situation, die mehr als bedenklich ist.

(Bürgermeisterin L i n n e r t: Man, man, man!)

Die Haushaltssperre vom Juli, die interessanterweise – ich habe es hier schon einmal kritisiert – ohne Bremerhaven vollzogen worden ist, hat dann anfänglich nur von Risiken gesprochen, die mit 60 Millionen Euro beziffert wurden. Risiken haben ja nun unterschiedliche Qualitäten. Die einen sind die, die Sie kennen und benennen, Frau Linnert. Dann gibt es solche, die eigentlich bekannt sein müssten, die auch von uns oft angesprochen werden, aber immer wieder geleugnet werden. Dann gibt es eben noch die unbekannten Risiken, wie zum Beispiel jetzt die Flüchtlingsproblematik. Das sind ja Imponderabilien, die konnte nun wirklich keiner vorhersehen, sie schlagen aber auch ganz erheblich zu Buche.

Mit Ihrem Deckungskonzept vom 30. September 2014 waren die Mehrausgaben schon auf 102,7 Millionen Euro gestiegen, das muss man sich einmal vor Augen führen. Zu dem Zeitpunkt waren die Budgetrisiken schon bei 72,7 Millionen Euro und die Beamtenbesoldung, die ja jetzt in einem ersten Schritt vorübergehend vollzogen wird, kommt noch einmal mit 30 Millionen Euro dazu. Das soll hier heute in zweiter Lesung beschlossen werden. Darin stecken auch noch erhebliche Imponderabilien. Wir wissen, dass Klagen anhängig sind. Wir wissen, dass das höchstwahrscheinlich noch einmal entschieden werden wird, und im Zweifel ist auch noch einmal nachzulegen. Die nächste Besoldungserhöhung steht jetzt im Frühjahr auch schon an.

Welche Quellen nutzen Sie? Sie verschieben einerseits teilweise dringende Investitionen. Ich erinnere nur einmal an meinen Rechnungsprüfungsbericht, aus

dem hervorgeht, dass allein im „Pavement“, also bei der Straßenoberfläche, ein Investitionsstau von 240 Millionen Euro besteht. Man müsste über zehn Jahre 24 Millionen Euro jährlich ausgeben, wir geben dafür im Jahr lediglich acht Millionen Euro aus. Infrastruktur ist eines der riesigen Themen, die in Bremen anstehen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Schauen Sie doch einmal den Bund an! Das ist eine bundesweite Debatte!)

Ich rede von Bremen! Ich weiß es!

Dann kommen als Hauptquelle die Zinsminderausgaben hinzu, also das, was man höher kalkuliert hat, das aber glücklicherweise nicht eintritt. Am Anfang waren es einmal 65 Millionen Euro, Herr Rupp spricht jetzt von 85 bis 90 Millionen Euro. Das heißt, es kommen weitere dazu. Das ist jetzt kein Verdienst von Sparanstrengungen, sondern das ist der Glücksfall eines historischen Zinstiefs, das wir so noch nie erlebt haben. Es ist meiner Meinung nach ein politischer Zins, es ist kein Marktzins mehr. Wir dürfen dabei auch nicht verkennen, dass Stiftungen, die Gutes leisten, Sparer, Rentner, die wir darauf verwiesen haben, dass ihre gesetzliche Rentenvorsorge nicht ausreichend ist, sondern dass sie privat vorsorgen müssen, keinen Cent Zins mehr bekommen. Im Grunde genommen ist es das, was Sie gern mögen, Herr Dr. Güldner, die Enteignung der Sparer und der vermögenden Leute.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer hat denn beschlossen, dass es die niedrigen Zinsen gibt?)

Das ist eine Situation, in der diese Ausgaben drastisch sinken und gleichzeitig die Steuereinnahmen wie nie zuvor sprudeln. Auch die Steuerprognose, die gerade vorgelegt worden ist, sieht weitere Einnahmensteigerungen vor. Das ist eigentlich die ideale Situation für eine Finanzsenatorin.

In der Situation werden dann einmal diese 18 Millionen Euro von den Ressorts verlangt, das kann man nicht ganz leugnen, gleichzeitig nimmt man sich noch einmal einen Schluck aus der Derivatenpulle. Bei den Derivaten möchte ich noch einmal mit einem ganz kleinen Exkurs etwas zu den Zinsänderungsrisiken sagen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wer erzählt uns das jetzt hier?)

Herr Dr. Kuhn, Sie haben ja im Haushalts- und Finanzausschuss angefragt, die Zinsänderungsrisiken sollen ja alle optimal gesichert sein. Die Einnahmen aus zusätzlichen Geschäften, hängen dann von der Qualität ab. Derivate bergen eine Menge an Risiken,

es ist eine Meinung am Tage X auf einen Tag Y in der Zukunft, und die Frage ist dann, ist es ein negativer oder ein positiver Marktwert.

Es landen also nicht längst alle Derivate auch auf einem positiven Ertragswert, sondern sie können einem auch ganz erheblich auf die Füße fallen. Dann stellt sich in der Tat die Frage, wenn wir es für die nächsten Haushaltsjahre verhandelt haben, ist es nicht doch irgendwo – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – ein Finanzpuffer, der angelegt wird, um dann, wenn die Zeiten kommen, in denen man wieder Geld braucht, aus den positiven Marktwerten der Derivate dann andere Geschenke zu machen und andere Wünsche zu erfüllen.

Herr Rupp, ich möchte zu Ihnen kurz etwas sagen! Sie sagen, der Haushaltszustand sei nicht alarmierend. Diese Auffassung teile ich nicht. Ich finde, die finanziellen Verhältnisse, die wir vorfinden, sind inzwischen in der Tat alarmierend. Ich halte Derivate nur dann für eine vernünftige Sache, wenn es wirklich um Zinsbegrenzungen geht, aber risikoreiche Derivate, das haben wir ja mit den negativen Marktwerten bei der Subprime-Krise in aller Deutlichkeit gesehen, dabei ist Stroh zu Gold gesponnen worden und über Hedgefonds sind Milliardenwerte auf der Welt vernichtet worden, die ja in diese Haushalte hineingespielt haben.

Herr Dr. Kuhn, Gesetzesbruch haben wir an anderer Stelle ja inzwischen hinreichend. Ich meine, es werden Gesetze aufgehoben, es werden Gebührenerhöhungen wieder zurückgenommen, die Verfassungsgerichte urteilen über Dinge, und es stehen noch Urteile aus, wie Herr Liess es im Haushalts- und Finanzausschuss dargestellt hat. Gesetzesbruch haben wir in dieser Koalition nun wirklich in Hülle und Fülle jetzt erlebt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Liess sagt, es wäre das erste Mal, dass sich jemand zum Haushalt bekennt. Wir können das als Oppositionspartei nicht tun. Das unterscheidet uns sowohl von den Sozialdemokraten als auch von den LINKEN.

(Abg. T s c h ö p e [CDU]: Es ist gut, wenn man mit der Verfassung nichts zu tun hat!)

Was den Antrag anbelangt, so würden wir vom Grundsatz her dem Antrag der LINKEN sehr ungern zustimmen. In der Thematik trifft es teilweise wirklich die Jonglage, die hier im Haushalt vorgenommen wird. Die Antragspunkte sind allerdings mit einigen Fehlern versehen, und nicht alle sind sinnhaft. Aus diesem Grund werden wir uns von der CDUFraktion aus enthalten. – Danke sehr!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Kollege Rupp.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wette ja immer mit mir selbst, welche Stehsätze von Verantwortungslosigkeit hier genannt werden, wie zum Beispiel das machen wir immer so. Ich habe ein bisschen VEB oder ähnliche Vorwürfe vermisst, die kamen jetzt nicht, die heben Sie sich wahrscheinlich für das nächste Mal auf.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, Kombinat fehlt noch und sinnlose Schuldenmacherei, alle diese ganzen Stehsätze ziehen in dieser Debatte überhaupt gar nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Im Kern bleiben zwei Dinge übrig: Sie haben am 18. Juli 2014 eine Pressekonferenz abgehalten. Die Finanzsenatorin hat der Presse mitgeteilt, dass es ein großes Haushaltsrisiko gibt. Sie hat das alles aufgezählt. Sie hat in dieser Pressekonferenz nicht ein Wort darüber verloren, dass es auch Mehreinnahmen gibt und dass wir Minderausgaben haben. Das steht nicht in dieser Presseerklärung. Wenn das nicht ein Indiz dafür ist, dass man diesen Haushalt schlimmer redet als er tatsächlich ist, dann weiß ich nicht, welche Indizien Sie sonst noch brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für mich ist es ganz klar, Sie wollen eine Haushaltnotlage herbeireden, die schlimmer ist, als sie es in Wirklichkeit ist. Sie wollen keineswegs zugeben müssen, dass es in diesem Haushalt auch positive Entwicklungen gibt, sodass diese Form von Sparzwang und Kürzungszwang möglicherweise nicht nötig ist.

Wenn man die Minderausgaben, die Mehrausgaben, die Mindereinnahmen und die Mehreinnahmen zusammenrechnet, dann bleibt in der Tat übrig, dass Sie zusätzliche Zinssicherungsgeschäfte in Höhe von 20 Millionen Euro machen.

Sie haben das Geld doch nachträglich im Haushalt beantragt, dann war das ja vorher offensichtlich gar nicht geplant.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was heißt „zusätzlich“ geplant?)

Dann sagen Sie, wir müssen 20 Millionen Euro bei den Ressorts kürzen.

(Bürgermeisterin L i n n e r t: Nein!)

Ich sage noch einmal, was gekürzt wird: die Zuschüsse für Vereine für die Sanierung von Sportan

lagen, die bedarfsgerechte Herrichtung von Schulräumen, Zuschüsse an freie Träger zum Betrieb von Kindertagesstätten. Das sind viele Punkte, bei denen ich ziemlich sicher bin, dass die 300 000 Euro, die 250 000 Euro und die 37 000 Euro, die gekürzt werden, ganz dringend gebraucht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen finde ich es unzulässig, dass Sie diese 20 Millionen Euro durch weitere Kürzungen im Haushalt finanzieren. Ich bin dafür, das nicht zu tun und diese 20 Millionen Euro in der Tat über Kredite zu finanzieren, weil das gut angelegtes Geld ist.