Es gibt aber auch umkehrende Studien, die geprüft haben, wie es in den Ländern aussieht, in denen eine kontrollierte Legalisierung stattgefunden hat. Und siehe da: Sie hat nicht zu mehr Konsum geführt. Das ist eine Behauptung, die gern von Befürwortern der Verbote vorgebracht wird. Es gibt ganz interessante Untersuchungen aus Spanien und Portugal, wo Drogen legalisiert worden sind. Sie sagen nicht nur, dass der Konsum nicht nur nicht angestiegen ist, sondern dass er in einigen Bereichen zurückgegangen ist. Vor allem sind alle problematischen Begleiterscheinungen sozialer oder gesundheitspolitischer Art mit einem missbräuchlichen Drogenkonsum zurückgegangen.
Damit komme ich für die erste Runde zum Schluss! – Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter, eine Gewerkschaft der Kriminalpolizei, kritisiert die Regelungen im Betäubungsmittelgesetz. Der Vorsitzende Schulz erklärte vor Kurzem, aus Sicht des BDK wäre es sinnvoll, Drogenkonsumenten zu entkriminalisieren: „Wir halten das Strafrecht in diesem Bereich nicht für das geeignete Mittel“.
Die Kripo beklagt vor allem, dass Aufwand und Ertrag der Drogenbekämpfung in keinem Verhältnis mehr zueinander stehen und deshalb auch lange nicht die gewünschten Effekte erbringen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Thema Drogen haben wir hier schon öfter besprochen, oftmals nicht illegale Drogen, aber natürliche, freigegebene Drogen. Nach der Freigabe des Verkaufs von Cannabis in vier US-Bundesstaaten liegt die Cannabisfreigabediskussion wieder einmal im Trend. Es gibt Befürworter, aber auch Kritiker einer Freigabe. Auf der Seite der Befürworter wird von Einsparungen und positiven volkswirtschaftlichen Effekten gesprochen. Die Kritiker betonen, dass Cannabis keine harmlose Substanz sei und gesundheitliche und soziale Risiken beinhalte.
Diese Risiken sind nach deren Meinung abhängig davon, auf welche Weise, unter welchen Umständen und in welcher Häufigkeit Cannabis genutzt wird. Diverse Mediziner behaupten, dass Cannabis sehr wohl Gesundheitsschäden verursacht, sie behaupten auch, dass jahrelange Studien nicht beachtet wurden. In den Studien wurde eine große Anzahl Drogenkonsumenten 40 Jahre lang beobachtet. Wenn die Droge Cannabis schon im jugendlichen Alter verwendet wurde, wurden des Öfteren Verhaltensstörungen festgestellt. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Cannabis häufig eine Einstiegsdroge ist. Das bedeutet, wenn Jugendliche früh Cannabis konsumieren, greifen sie im jungen Erwachsenenalter wesentlich leichter zu den harten illegalen Drogen. Ein weiteres Argument ist, dass die Einstiegsquoten bei 12- bis 14Jährigen immer um die 28 Prozent lagen. Heute sollen sie bei 15 Prozent liegen, und nach der Meinung der Mediziner sind diese Erfolge durch Prävention entstanden.
Vergleichen wir diesen Sachverhalt, muss man sagen, dass dies auch den Nichtraucherschutzgesetzen ähnelt, die wir hier verabschiedet haben. Deshalb sagen wir, nach den gegenwärtigen Erkenntnissen sollte Cannabis erst einmal nicht freigegeben werden.
In Berlin, am Görlitzer Park, wurde mit der Freigabe von Cannabis sehr liberal umgegangen. Inzwischen haben sich dort aber immer mehr Dealer mit härteren Drogen verbreitet, und das Viertel ist kaum noch zu beruhigen, das kann man in der Presse lesen. Die dortigen Erfahrungen zeigen natürlich, dass sich ein Drogenbetrieb kaum begrenzen lässt.
Wir halten es für notwendig, die Gesellschaft in Bezug auf die Auswirkungen des Cannabiskonsums besser aufzuklären und zu sensibilisieren. Das Ziel muss sein, das Bewusstsein eines jeden Menschen zu stärken sowie das eigenverantwortliche Handeln positiv zu beeinflussen. Im Land Bremen werden viele Aktivitäten und Maßnahmen hinsichtlich der Suchtprävention engagiert betrieben. Gerade bei der jüngeren Generation müssen die Konzepte und Strategien der Suchtprävention verstärkt ausgerichtet werden. Die Broschüre des Lehrerfortbildungsinstituts im
Umgang mit Suchtmittelkonsum in der Schule kann ich als gutes Beispiel nennen. Hier haben wir schon einige Fortschritte erzielt.
Inzwischen planen einige Städte in Deutschland, zum Beispiel Köln und Frankfurt, Modellprojekte, die für unser Bundesland wichtige Erkenntnisse liefern können. Diese Projekte müssen nach ihrem Nutzen für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten genau bewertet werden. Wir sagen aber, warten wir doch erst einmal die Ergebnisse ab, bevor wir hier solche Projekte starten, wie Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben.
Für die Prävention ist für uns auch eine Entkriminalisierung notwendig. Dabei spielt die Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine zentrale Rolle. Der Senat sollte sich auch für eine bundesweit einheitliche Eigenbedarfsgrenze für Erwachsene hinsichtlich des Besitzes von Cannabis einsetzen, denn die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind sehr kontraproduktiv.
Für uns steht gegenwärtig die Prävention im Mittelpunkt unserer Antidrogenpolitik. Wir wollen abwarten, was die Modellprojekte in anderen Kommunen über die Freigabe und Verkäufe von Cannabis ergeben werden. Wir wollen auch die Entwicklungen in den USA weiterhin beobachten. Von dort wird teilweise berichtet, dass der Konsum unter Jugendlichen seit der Freigabe gestiegen sein soll. Wir meinen, wir sollten weiterhin an unserem Methadonprogramm festhalten und unsere Linie der Prävention, der Hilfe und auch der Repression zunächst einmal nicht verlassen. Deshalb bitten wir Sie, den Antrag der LINKEN in die Gesundheitsdeputation zu überweisen, und wir werden ihn dort weiter bearbeiten.
Ein anderer Aspekt ist für uns die Freigabe von Cannabis bei einer medizinischen Schmerzbehandlung. Dazu werde ich in meinem zweiten Redebeitrag berichten. – Danke!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und zu fördern sind die Ziele einer vernünftigen Drogenpolitik, und diese Ziele erreicht die aktuelle Gesetzeslage gerade nicht.
Bitte erlauben Sie mir zu Beginn eine persönliche Bemerkung! Ich bin Ärztin für seelische Erkrankungen, Psychiaterin. Ich behandele seit 20 Jahren Menschen mit seelischen Störungen und auch viele Menschen mit Suchterkrankungen sowie Folgestörungen von Cannabis und anderen noch illegalen Substanzen. Es liegt mir gänzlich fern, die Folgen vom Cannabis- oder Rauschmittelkonsum allgemein zu verharmlosen, aber – und das ist für mich und meine Fraktion entscheidend – es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass die aktuelle Gesetzeslage Menschen vor schädlichen Auswirkungen von Drogenkonsum schützt, diese Sichtweise teilen wir mit vielen Experten.
Möglicherweise ist sogar das Gegenteil der Fall. In der jüngsten „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ findet sich folgende Schlagzeile: „Schützt unsere Kinder, stoppt die Prohibition!“ Darunter steht: Es sind nicht Kiffer, Junkies, Sozialromantiker, die am lautesten für die Legalisierung von Drogen eintreten, es sind längst Richter und Polizisten, die sagen, wirklich gefährlich ist das Verbot, und das sagen viele Ärzte, Suchtberater und viele andere Experten auch.
Darum fordert auch der Bremer Strafrechtlicher, Professor Dr. Lorenz Böllinger – Frau Vogt hat darauf hingewiesen –, gemeinsam mit etwa der Hälfte der deutschen Strafrechtslehrerinnen und Strafrechtslehrer die Einsetzung einer Expertenkommission auf Bundesebene, um das geltende Strafrecht grundlegend zu überprüfen. Aus Sicht meiner Fraktion ist die aktuelle Drogenpolitik gescheitert, gehört gründlich auf den Prüfstand gestellt und muss neu ausgerichtet werden.
Zunächst muss man sich darüber klar werden, dass nicht jede Form von Rauschmittelkonsum automatisch schlimme Folgen hat und nicht jeder Rauschmittelkonsum in eine Sucht mündet, aber das kann passieren. Noch entscheidender ist, Legalität oder Illegalität einer Substanz messen sich in unserem Rechtssystem nicht an der Schädlichkeit. Alkohol ist überall und ständig problemlos zu bekommen. Welche Auswirkungen übermäßiger Alkoholkonsum haben kann, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Auch Spielsucht, Online-/Mediensucht haben zerstörerische Auswirkungen, das ist alles legal, und wer käme auf die Idee, Alkohol zu verbieten.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: In den USA hat es so etwas schon gegeben! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Das hat es schon gegeben!)
Kommen Sie aktuell auf die Idee, Herr Kollege Tschöpe, jetzt ein Alkoholverbot zu fordern, weil es schädlich ist?
Ja, es ist Weihnachtsmarktzeit, wie kämen Sie dazu? Wie also ist zu rechtfertigen, dass Konsumenten von Drogen wie Cannabis schon für kleine Mengen kriminalisiert und verfolgt werden? Wie ist zu rechtfertigen, dass der Staat ein Vielfaches für die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten ausgibt als für Prävention und Gesundheitsaufklärung?
Wohlgemerkt, für die Strafverfolgung der Menschen, die konsumieren, nicht etwa für die Strafverfolgung der Dealer und Kriminellen, die hinter dem ganzen Schwarzmarktgeschäft stehen, wird ein Vielfaches dessen ausgegeben, was für Prävention an Mitteln zur Verfügung steht. Das ist nicht vernünftig zu rechtfertigen.
Wie ist zu begründen, dass es vielfältige medizinische Erkenntnisse gibt, dass beispielsweise in der Schmerztherapie und bei Multiple Sklerose Cannabis sehr gut hilft, in anderen Ländern diese Therapie auch problemlos zugelassen ist und die Patientinnen und Patienten in Deutschland, auch wenn Ärzte die Behandlung verordnen, Schwierigkeiten haben, diese Medikamente zu finanzieren? Das ist rational nicht zu begründen, und deshalb haben wir auch einen entsprechenden Antrag der Koalition zu diesem Thema vorgelegt.
Was also ist zu tun? Wir Grüne fordern auf Bundesebene die Einsetzung einer Expertenkommission bestehend aus Juristen, Ärzten, Kriminologen, in der Prävention Tätigen und Wissenschaftler. Dort soll das bestehende Strafrecht grundlegend auf den Prüfstand gestellt und Empfehlungen zur Novellierung vorgelegt werden. Wir wollen keine parteipolitische Debatte – es scheint im Moment eine solche zu sein –,
wir wollen wissenschaftlich begründbare Expertenhinweise, und denen wollen wir dann folgen. Wir Grüne meinen, als ersten Schritt sollte man Cannabis zu medizinischen Zwecken freigeben, so, wie es unser gemeinsamer Antrag vorsieht.
Außerdem können wir uns gut vorstellen, dass eine Expertenkommission zu dem Ergebnis kommt, dass eine kontrollierte Abgabe von Cannabis für erwachsene Menschen zukünftig in Deutschland erlaubt werden soll.
Wir halten das auch für einen wichtigen Schritt, um den mafiösen und hochkriminellen Drogenmarkt auszutrocknen. Das sehen übrigens nicht nur wir Grünen oder die LINKEN so, sondern auch eine Gruppe von Staatschefs rund um den früheren UNGeneralsekretär Kofi Annan. Künftig sollten wir finanzielle und personelle Ressourcen nicht mehr in die Strafverfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten stecken –
ich komme zum Ende; letzter Satz! –, sondern das Geld sinnvoll für Prävention und Gesundheitsförderung in Kita und Schule investieren.