Gerade dauerhaftes Schulschwänzen ist aber ein Alarmsignal, auf das wir reagieren müssen. Dass darauf bereits heute umfassend reagiert wird, zeigt uns auch die Antwort des Senats. Es gibt umfassende Konzepte, eines ist zum Beispiel das Handbuch „Schulabsentismus“, die darin beschriebenen Verfahren bieten den Schulen rechtliche und theoretische Hintergrundinformation für den Umgang mit Schulschwänzern. Das Ziel ist grundsätzlich eine frühe und angemessene Ursachenintervention. Dabei ist uns der Kontakt zu den Erziehungsberechtigten besonders wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Daneben gibt es zum Beispiel auch die Lenkungsgruppe „Schule“ oder das ressortübergreifende Handlungskonzept „Stopp der Jugendgewalt“, was wir hier auch schon öfter diskutiert haben.
Viele Straftäter haben in ihrer Kindheit unter Armut und mangelnder Perspektive gelitten. Letztlich werden zwar nur wenige Kinder aus solchen Familien kriminell, aber wo Kriminalität entsteht – das weiß man –, liegen ihre Gründe oft in der Chancen- und Perspektivlosigkeit. Wer also Aussicht auf eine erfolgreiche legale Karriere in der Mitte der Gesellschaft hat, wird nur selten den Weg der Illegalität einschlagen. Dies können zum Beispiel Ganztagsschulen ansatzweise bieten.
Ein möglichst weitreichender Ausbau von gebundenen Ganztagsschulen mit Mittagstisch und strukturiertem Angebot ist deshalb auch aus diesem Aspekt sehr erstrebenswert.
Jede schulische Ausbildung sollte unbedingt in einem Abschluss münden, um anschließend eine Berufsausbildung oder ein Studium machen zu können,
damit die Jugendlichen eben nicht perspektivlos und damit chancenlos in der Gesellschaft sind. Genau deshalb ist auch die jetzt beschlossene Ausbildungsgarantie so besonders wichtig!
Bremen bietet für Jugendliche, die Gewalterfahrungen im familiären Umfeld erleben müssen, diverse Maßnahmen, wie unter anderem das Kinder- und Jugendschutztelefon. Es gibt außerdem niedrigschwellige Unterstützung, wie zum Beispiel das Bremer Jungenbüro, den Deutschen Kinderschutzbund, Kreisverband Bremen e. V., das Mädchenhaus e. V., Schattenriss und so weiter. Alle diese Träger haben unterschiedliche Schwerpunkte und bieten Hilfe, Beratung und Unterstützung an. Diese Institutionen sind wichtige Eckpfeiler für die Stabilisierung Einzelner und damit auch der gesamten Gesellschaft.
Sogenannte Schwellen- und Intensivtäter, also insbesondere Jugendliche und Heranwachsende, die immer wieder strafrechtlich auffallen, werden schon jetzt in Bremen und Bremerhaven unter besondere Beobachtung gestellt. Damit es gar nicht erst dazu kommt, dass bereits Jugendliche eine kriminelle Karriere aufbauen, sind tatzeitnahe Verhandlungen erforderlich. Während sogenannte Warnschussarreste gegebenenfalls noch eine abschreckende Wirkung entfalten können, sehen wir Haftzeiten in den allerseltensten Fällen als sinnvoll für eine Verbesserung der Jugendkriminalität an. Die Rolle der Eltern ist bei der Kriminalitätsprävention natürlich genauso wichtig. Erfährt der Betroffene die richtige familiäre Unterstützung, ist eine positive Wendung wesentlich wahrscheinlicher.
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass in Bremen und Bremerhaven schon sehr viel getan wird, um Jugendkriminalität frühestmöglich zu verhindern, aber nur derjenige, der Familien- und Schulpolitik, Jugend- und Arbeitsmarktpolitik, Stadtteil- und Wohnungsbaupolitik zu einem gesamtpolitischen Ansatz für eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft miteinander verzahnt, wird im gleichen Zug auch nachhaltig und erfolgreich Jugendkriminalität – und damit auch später Erwachsenenkriminalität – verhindern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Jugendkriminalität ist seit Jahren rückläufig, vor allen Dingen – und das ist eigentlich die positive Nachricht – werden die jugendlichen Intensivstraftäter weniger. Die CDU argumentiert nun natürlich, dass der Anteil der Delikte der Jugendlichen in der PKS –
ich habe das Wort gerade mit Kriminalpolizei durcheinandergebracht –, der polizeilichen Kriminalstatistik, mit 21 Prozent immer noch über dem Bevölkerungsanteil der Jugendlichen liege, der sich auf 18 Prozent belaufe, und deshalb mehr getan werden müsse.
In der CDU-Anfrage geht es um drei Schwerpunkte, sie wurden hier schon genannt: Verhinderung von Schulschwänzen – Schulabstinenzverhinderung –, Ahndung von Gewalt in der Familie und die schnellere Aburteilung von jugendlichen Straftätern. Die Antwort des Senats fällt aufgrund der verschiedenen Fragen relativ komplex aus, zumindest in dem Bereich Schulvermeidung und Schulabstinenz.
Der Senat führt aus, dass es ein „Handbuch Schulabstinenz“ gibt, in dem die Handlungsketten definiert sind und eigentlich auch deutlich gemacht werden soll, wie mit Schulvermeiderinnen und Schulvermeidern umzugehen ist. Es gibt dann das Konzept „Schulvermeidung spürbar senken“, das aktuell überarbeitet wird, und außerdem werden beim Deutschen Roten Kreuz und bei der WAWEG zwei Projekte gegen Schulschwänzen durchgeführt. Es gibt einen Schulvermeidungspräventionsausschuss, in dem Schulleitungen, ReBUZe, Jugendgesundheitsdienst, das Amt für Soziale Dienste und die Polizei zusammen über Strategien gegen Schulabsentismus beraten. Diese Gremien arbeiten auch im Rahmen von „Stopp der Jugendgewalt“.
Der Handlungsleitfaden aus dem Handbuch sieht aufsuchende Besuche bei den Eltern durch Lehrkräfte vor, außerdem legt er im Zweifelsfall Bußgelder für Eltern von schulschwänzenden Kindern fest. In Bremen und Bremerhaven wurden im vergangenen Schuljahr 160 solcher Bußgelder festgesetzt.
Die CDU hat genau diese Maßnahmen, nämlich ein Handlungskonzept und ein Präventionsgremium gefordert. Wenn man der Antwort des Senats in diesem Punkt der Schulvermeidung glauben darf, scheint es das alles bereits jetzt zu geben, und es scheint auch zu funktionieren. Ich muss hier allerdings ganz ernsthaft sagen, es hängt wie immer auch von den eingesetzten Ressourcen ab, ob die vielen Papiere und Konzepte auch praktisch umgesetzt werden können. Eine von der CDU geforderte Extraschule für Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer will der Senat hingegen nicht, und ich unterstütze das an dieser Stelle ganz ausdrücklich, weil ich die überhaupt nicht für sinn- und zweckführend halte.
Ich habe allerdings unabhängig von den Fragen, ob es genügend Ressourcen gibt, werden eigentlich die Maßnahmen zur Vermeidung von Schulvermeidung, die auf den Weg gebracht worden sind, umgesetzt, bewähren sie sich in der Praxis, ein paar ganz persönliche Anmerkungen zu den Antworten des Senats auf die achte Frage. Ich bin nämlich aus per
sönlicher Erfahrung davon überzeugt, dass Maßnahmen aus dem Handbuch des Schulabsentismus nicht unbedingt immer zwingend umgesetzt werden. Ich möchte das einmal an ein paar Beispielen deutlichen machen.
Mich hat noch nie jemand, kein Klassenlehrer, geschweige denn die Schulleitung, auf einen Tag unentschuldigtes Fehlen meines Sohnes angesprochen –
er hat die Schule beendet, Herr Hinners! –. Im letzten Schuljahr hat nämlich mein noch nicht volljähriger Sohn, als er sich noch nicht selbst entschuldigen konnte, im Winter eine Grippe gehabt, ich glaube, fast zehn Tage lang, und er hat meine Entschuldigung vergessen abzugeben, wie es manchmal so bei 17Jährigen ist, die sich gerade auf das Abitur vorbereiten oder andere Sachen im Kopf haben. Ich bin auf diese fast zehntägige Erkrankung nie angesprochen worden, weder von irgendeiner Kursleiterin noch einem Kursleiter, noch von dem Tutor, noch von der Schulleitung. Ich habe es erst gemerkt, als im Abschlusszeugnis im Abitur 42 unentschuldigte Fehlstunden standen und ich aus allen Wolken gefallen bin. Zuhause habe ich dann erfahren habe, dass er vergessen hatte, die Entschuldigungen abzugeben.
Daher habe ich auch aus ganz persönlichen Gründen meine Zweifel, ob die Maßnahmen, die in diesem Handbuch stehen, tatsächlich auch umgesetzt werden, insbesondere an Schulen, an denen Lehrerinnen und Lehrer schon genug andere Probleme haben. Ich finde aber, dass es schlimmere Beispiele gibt, er muss jetzt mit diesem Abschlusszeugnis leben, aber es hat in meinem Bekanntenkreis durchaus Erfahrungen gegeben – und nicht nur in den vergangenen Jahren –, dass Kinder schon in einem frühen Stadium, also in der fünften oder sechsten Klasse, häufiger fehlten, ohne dass es irgendeine Rückmeldung aus den Schulen gab.
Die Eltern haben sich dann irgendwann einmal gewundert, weil es zum Teil natürlich auch erhebliche Probleme bei den Kindern gab, die diesem Schulvermeidungsverhalten zugrunde lagen. Die meisten Kinder gehen nicht nur nicht zur Schule, weil sie Lust auf den Bolzplatz haben, sondern weil sie irgendwelche Probleme haben, sei es mit Mitschülern, sei es mit Lehrern oder seien es auch andere psychische Probleme, die auch nicht erkannt werden, wenn es nicht die Rückmeldung aus der Schule gibt, dass das Kind überhaupt nicht in die Schule geht.
Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier ist noch deutlicher Handlungsbedarf gegeben. Ich glaube nicht, dass es ausreicht, wenn wir schöne Handbücher haben, sondern man muss sich auch wirklich einmal konkret mit der Praxis beschäftigen.
Zum Punkt 2, „Gewalt in der Familie“: Der Senat möchte das Anzeigeverhalten bei Gewalt in der Familie erhöhen und verweist auf verschiedene Träger der Jugendhilfe, auf Beratungsstellen und ihre Projekte. Ich halte das auch für sehr wichtig.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige wenige Punkte an dieser Stelle noch eingehen, die in der Diskussion auch eine Rolle gespielt haben.
Ich bin der Kollegin Frau Güngör schon einmal sehr dankbar für den Hinweis darauf, dass nicht grundsätzlich jeder Schulvermeider oder jede Schulvermeiderin gleich zum Kleinkriminellen oder zum Kriminellen wird, aber wir wissen auch, dass die kriminellen Karrieren, die wir uns anschauen, meistens mit diesem Thema korrespondieren. Es ist daher schon wichtig, sich dem Thema Schulvermeidung auch noch einmal zu stellen. Mein Eindruck, den ich sowohl aus der Antwort des Senats, aber auch aus den Gesprächen vor Ort gewonnen habe, ist der, dass wir in diesem Bereich insgesamt ordentlich aufgestellt sind, dass wir den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht scheuen müssen, dass wir klare Abläufe auf dem Papier haben und mit den ReBUZen, also mit den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren, ein weiteres Instrument haben, um das uns sicherlich viele Städte beneiden.
Ich möchte auf einen Punkt gern eingehen, den die CDU nachgefragt hat, nämlich die Frage, ob man eigentlich immer gleich ein Bußgeld verhängt. Der Senat beantwortet das aus der Sicht meiner Fraktion korrekt, indem er sagt, dem Bußgeld sollten immer eine pädagogische Abwägung und eine pädagogische Arbeit vorangestellt werden. Ich finde, diese Verfahrensweise des Senats inhaltlich richtig, meine Damen und Herren!
Wir müssen einfach auch anerkennen, dass es Familiensituationen gibt, in denen ein Bußgeld überhaupt nichts ausrichtet, Kinder wachsen nämlich in Familien auf, in denen sie überwiegend damit beschäftigt sind, sich selbst und ihr Leben zu organisieren, sodass gelegentlich die Frage auch zu Recht gestellt werden muss, ob die Familie eigentlich noch das richtige Umfeld für die Kinder ist. Die Ahndung mit ei
nem Bußgeld ist aus meiner Sicht als zweitrangig anzusehen, an erster Stelle stehen das Wohl der Kinder und Jugendlichen und die pädagogische Abwägung.
Frau Kollegin Vogt hat einen von bestimmt 1 000 Einzelfällen in Bremen benannt. Wenn man über dieses Thema diskutiert, gibt es in der Tat immer wieder auch Fälle, in denen man als Abgeordneter durchaus die Stirn runzelt. Ich glaube aber, man kann in der gesamten Breite feststellen, dass Bremen über ein funktionierendes Netzwerk im Bereich der Prävention verfügt.
Dass allerdings auch, und das kennen wir aus vielen Bereichen, die handelnden Akteure vor Ort ganz entscheidend für die Frage der Umsetzung verantwortlich sind, da machen wir uns doch nichts vor! Die Zeiten, in denen die Polizei in der Schule kein gern gesehener Gast war, sind doch mittlerweile vorbei. Heute ist es in den Schulen so, dass sich die Polizei den Fällen tatsächlich in guter Zusammenarbeit mit der Schule stellt, es da einen engen Austausch gibt und wahrscheinlich gelegentlich auch der Datenschutz – das sage ich einmal ganz vorsichtig – beiseite geräumt wird, um dem Kind oder dem Jugendlichen zu helfen. Ich glaube, dass dieses gemeinsame Handeln von Polizei und Schule an der Stelle auch richtig ist, meine Damen und Herren!
Der Kollege Hinners hat ja weiter danach gefragt, wie es eigentlich mit den Gründen für Gewalt aussieht. Ich glaube, dass das ein sehr spannendes und interessantes Thema ist, dem wir uns eigentlich mit einer eigenen Großen Anfrage hätten widmen können. In diesem Bereich muss zentral im Blick behalten werden, dass der Umgang mit Konflikten gelernt wird und der Teufelskreis unterbrochen werden muss, denn diejenigen, die später Gewalt anwenden, haben sie zumeist im Kindes- und Jugendalter selbst erfahren. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist die Eingriffsschwelle, auch darauf haben Sie vorhin hingewiesen, Herr Kollege Hinners. Wann geht das Jugendamt eigentlich in eine Familie hinein? Diese Diskussion führen wir hier öfter, und wir müssen anerkennen, dass es da auch rechtliche Hürden gibt. Gelegentlich würde man sich aus der Außenperspektive vielleicht ein früheres Eingreifen wünschen, gleichwohl geht es nicht um „Wünsch dir was“, sondern um die Einhaltung des Rechtsstaates, auch die sollten wir jetzt und in der Zukunft gewährleisten.
Letzter Punkt: Stopp der Jugendgewalt! Dazu gab es dieses Mal ja gar keine Frage, nur indirekt. Ich glaube, dass es grundsätzlich erst einmal der richtige Weg ist, den der Senat gewählt hat, nämlich sich diesem Problem ressortübergreifend zu stellen, die Vernetzung zwischen den einzelnen Dienststellen voranzutreiben und genau zu schauen, dass nicht jede einzelne Dienststelle, ob es die Polizei, das Ressort
Bildung oder Soziales oder die Jugendgerichtshilfe ist, für sich selbst, sondern alle gemeinsam an dem Kind und dem Jugendlichen arbeiten.
Wir können über die Ausführung dieses Konzeptes noch lang und intensiv diskutieren, Sie wissen, dass wir gelegentlich auch einmal ein Fragezeichen setzen, was die Umsetzung angeht. Ich glaube aber, dass es im Großen und Ganzen eine vernünftige Struktur ist, eine vernünftige Struktur, die wir auch im Bereich des ehemaligen Jugendeinsatzdienstes der Polizei umgesetzt haben, der jetzt der Jugendsachbearbeiter ist. Ich erinnere mich noch an die Diskussionen hier im Parlament, in denen wir gefragt haben, warum das in Bremerhaven eigentlich so gut klappt und Bremen das anders macht. Ich glaube, dass die jetzige Struktur eine ist, die bei der Polizei weiterhelfen kann.
Insgesamt, sehr geehrter Herr Kollege Hinners, will ich Sie zum Ende noch darauf hinweisen, dass ich Ihren Schluss bezüglich der Verurteilungsquote, wir bräuchten mehr Personal, zumindest sportlich finde, um das einmal ganz höflich zu formulieren,