Protokoll der Sitzung vom 21.01.2015

die Situation der betroffenen Menschen zu verbessern und ihren berechtigten Bedürfnissen nachzukom men. Das ist die beste Bestätigung, die wir alle als Parlamentarier für einen Antrag erwarten können. Für diese sehr umfassende Antwort mit all ihren Er kenntnissen danke ich dem Senat und wünsche uns allen: Ärmel hochkrempeln, Gas geben und einen Bericht nach einem Jahr wieder vorlegen!

Aus diesen genannten Gründen, liebe Kollegin

nen und Kollegen der CDU, ergibt sich für uns die Ablehnung des Antrags, denn einen Beschluss zu einem Beschluss zu fassen, ergibt keinen Sinn! – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das

Wort Frau Dr. Kappert-Gonther.

Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die

Grünen): Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Das Thema ist sehr relevant, das haben auch die beiden Vorrednerinnen schon gesagt, in Bremen und Bremerhaven leben circa 3 000 geistig behinderte Menschen. Wir wissen, dass psychische Erkrankungen und Suchterkrankungen in dieser Bevölkerungsgruppe häufiger sind als in der Durchschnittsbevölkerung, und wir wissen auch – das geht unter anderem auch aus der Antwort des Senats hervor, die jetzt seit einigen Tagen vorliegt –, dass etwa nur ein Drittel dieser Menschen mit geistiger Behinderung seelischen Erkrankungen, wovon eben Suchterkrankungen ein Teil sind, adäquate Hilfe in unserem Bundesland findet. Das ist tatsächlich skandalös, und es darf so natürlich nicht bleiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Idee der CDU ist, jetzt noch einmal ein spezia

lisiertes Konzept für die Suchtprävention – also einen Anteil von seelischen Behinderungen – für diese nun ja auch schon spezielle Menschengruppe vorzulegen. Das ist für uns auch ein Grund – neben dem, was Frau Schmidtke schon ausgeführt hat, dass es eben dieses umfassende Konzept jetzt geben soll –, Ihrem Antrag nicht zustimmen zu können, weil wir die grundsätzliche Haltung haben, dass alle Menschen dann, wenn sie es brauchen, ein auf sie individuell zugeschnittenes psychiatrisch-psychotherapeutisches Behandlungsangebot bekommen müssen. Genau dafür setzen wir uns schon während der ganzen Le gislaturperiode ein, aber wir meinen eben nicht, dass das bedeutet, für jede Patientengruppe wiederum ein kleinteiliges spezialisiertes Konzept zu benötigen.

Wir meinen auch, dass es nicht in jedem Fall sehr

spezialisierte Angebote geben muss, sondern dass das Ziel sein muss, alle Menschen innerhalb der

Regelversorgung zu behandeln, also Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, Männer, Frauen, Menschen, die in Deutschland und woanders geboren worden sind, jeder muss genau das Angebot bekommen, das er oder sie benötigt.

Bei der Prävention ist es tatsächlich auch so, dass

es manchmal so die Vorstellung gibt, es gäbe für bestimmte Personengruppen hochspezialisierte, präventive Möglichkeiten. Dem ist nicht so, son dern präventive Faktoren wirken generell auf alle Menschen sehr günstig, nämlich wenn wir ein Le bensumfeld haben, in dem man der werden kann, der man ist und dann auch sein darf, wer man ist.

Es kann in Ausnahmefällen einmal sinnvoll sein,

auch Behandlungsangebote für spezielle Gruppen anzubieten. Deshalb sind wir auch der Auffassung, dass wir das Medizinische Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderungen einführen sollten, denn wenn diese Menschen, die als Kinder schon dort behandelt wurden, dann B dem 18. Lebensjahr plötzlich kein spezielles Angebot mehr bekommen, könnte das dann schon bedeuten, dass sie schlechter versorgt werden.

Wir haben aber immer die Forderung erhoben,

dass dieses Zentrum, wenn auch wir es einführen möchten, mit der Regelversorgung verzahnt werden muss, sonst macht man nämlich einen Fehler. Wenn man davon ausgeht, dass diese Patientengruppe dort dann sehr gut versorgt wäre, dann würden alle ande ren Ärzte und Therapeuten vergessen, sich darum zu kümmern. Das würde dieser Patientengruppe dann eher schaden, und das wollen wir natürlich nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Weil wir eben wissen, darauf hat Frau Schmidtke

schon hingewiesen, dass wir für geistig behinderte Menschen in Bremen und Bremerhaven – im Übrigen auch bundesweit, da sind wir gar keine Ausnahme, bei uns ist es sogar ein bisschen besser als im Bundes durchschnitt – immer noch ein deutlich schlechteres Angebot haben, haben wir den entsprechenden Antrag vorgelegt. Im Antrag steht, wir wollen ein Konzept für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung haben, wozu auch die Suchterkrankungen gehören.

Die sehr guten konzeptionellen Überlegungen und

die sehr gute Analyse, die der Senat durchgeführt hat, liegen jetzt vor. In der Analyse sind eine ganze Reihe Problemfelder benannt. Das beginnt mit der mangelnden Ausbildung vieler Therapeuten, das ist auch ein Punkt, der in Ihrem Antrag steht. Das geht weiter bis dahin, dass Ärzte und Therapeuten auch erst einmal sehr unsicher sind, wie man über haupt mit geistig behinderten Menschen umgeht, und auch von ihrer Haltung häufig noch nicht die Offenheit haben – das gilt natürlich nicht für alle –, die wir uns wünschen. Auch die Verbindung mit der

Eingliederungshilfe ist noch nicht optimal, da muss man einiges tun, das ist in der Vorlage des Senats sehr gut ausgewiesen.

Unsere Meinung ist, dass wir nun auf der Grundlage

dessen, was vorgelegt wurde, gemeinsam mit den Anbietern, aber vor allem auch mit den Betroffenen und deren Interessenvertretern diese Konzepte für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen entwickeln müssen, und dazu gehören selbstverständlich auch die Suchterkrankungen. An dieser Stelle jetzt aber ein noch detaillierteres Konzept zu fordern, führt unserer Meinung nach nicht weiter und birgt die genannten Gefahren. Darum lehnen wir Ihren Antrag ab, und zwar nicht, weil wir das Thema nicht für wichtig erachten, es ist höchst relevant, und wir werden uns weiterhin gemeinsam, so hoffe ich doch, mit allen Fraktionen hier stark machen, die Versorgung für geistig behinderte Menschen zu verbessern. Darauf freue ich mich! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr

Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE wird dem Antrag der CDU heute zustimmen, weil wir die Sachlage eigentlich genau umgekehrt sehen, wie sie Frau Dr. Kappert-Gonther eben dar gestellt hat.

(Abg. Frau D r. K a p p e r t - G o n t h e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Kommt ja nicht oft vor!)

Ja, aber das soll es geben! Die CDU hat eine Kleine

Anfrage zum Thema Suchtprävention und Suchter krankung bei geistig behinderten Menschen gestellt. In der Antwort wurden vom Senat durchaus auch sehr freimütig und sehr richtig Defizite zugegeben und beschrieben. Ich will einmal sagen, die Planung für ein Behandlungszentrum, die jetzt umgesetzt werden soll, findet natürlich auch unsere vollständige Zustimmung, das ist überhaupt keine Frage, aber trotzdem erscheint es uns sehr sinnvoll, wenn man sich einmal ein bisschen umhört, die vielen Träger speziell auch hinsichtlich der Suchterkrankungen zu unterstützen.

Wir haben mittlerweile eine relative Trägervielfalt,

weil wir die Inklusionsrechte von geistig behinderten Menschen in der jüngeren Zeit wesentlich erweitert haben. Das führt dann aber auch dazu, dass die Probleme teilweise größer geworden sind. Die CDU beschreibt dies in ihrem Antrag, und wenn man sich umhört, hört man vom Martinsclub oder Netzwerk Selbsthilfe schon einiges, von dem man sagen kann, sie versuchen schon – eigentlich aufgrund mangelnder

Ansprechpartner – so etwas wie eine Suchtprävention oder Suchthilfe für sich zu organisieren, weil es für die Träger einfach wichtig ist.

Die Suchtproblematik – ich denke, das weiß Frau

Dr. Kappert-Gonther auch ganz genau – gehört natürlich auch in den Gesamtkanon psychischer Erkrankungen, aber trotzdem glaube ich, dass im Alltag vor Ort, und das zeigt sich eigentlich überall, sehr oft mit Suchtproblematik anders umgegangen werden muss. Dazu hat die CDU, wie ich finde, einen guten Antrag gestellt. Darin steht nicht, ihr müsst dies und jenes machen, sondern es ist die Aufforderung, bis zu einem bestimmten Datum ein Konzept, das bestimmte Punkte berücksichtigen soll, vorzulegen, und DIE LINKE findet, dass das ein guter Ansatz ist, der überhaupt nicht im Gegensatz zu dem Zentrum steht, aber das Zentrum wird die Suchtproblematik beim Martinsclub oder anderen Trägern deshalb nicht aus der Welt schaffen.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Frau D r. K a p p e r t - G o n t h e r [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischen

frage der Abgeordneten Frau Dr. Kappert-Gonther?

Ja, klar!

Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die

Grünen): Zur Klarstellung, Herr Erlanson: Ich habe nicht gesagt, dass man alle psychischen Erkrankun gen gleichbehandeln und mit ihnen gleich umgehen sollte. Ich habe auch nicht gesagt, dass man nun alles in einen Topf werfen sollte. Ich habe gesagt, dass es jetzt auf unseren Antrag hin ein Gesamtkonzept geben soll, wovon die Suchterkrankungen ein Teil sind, und es macht unserer Meinung nach keinen Sinn, dafür extra noch einmal ein Konzept zu erstellen, sondern man sollte das Spezifische der Suchterkrankungen in dieses Gesamtkonzept integrieren.

Das war jetzt eine Kurzinter

vention.

(Abg. Frau D r. K a p p e r t - G o n t h e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war eine Kur zintervention, Herr Präsident!)

Sie müssen nicht darauf eingehen. Können Sie