Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

Blöd ist, wenn dieselben Mittel, mit denen man

diese Bakterien zu töten versucht, in Nahrungsmitteln, in Kosmetika und in Kleidung enthalten sind und die Anwendung dort dazu führt, dass Bakterien entste hen, die nicht mehr durch Triclosan beziehungsweise Desinfektionsmittel getötet werden können. Dann hat man genau den gegenteiligen Effekt erzielt, das heißt, es sind, wie es auf medizinisches Neudeutsch heißt, „multiresistente Keime“ entstanden. Das sind Keime, die kriegst du nicht mehr umgebracht, selbst wenn du andere Antibiotika verwendest. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger und guter Grund, den Einsatz von Substanzen wie Triclosan nur auf den wirklich notwendigen Bereich zu begrenzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Solche Substanzen gehören zu der Gruppe, zu der

auch DDT gehört. Wer erinnert sich? DDT – Unkraut vernichtungsmittel, Insektizid, Bakterizid – wurde irgendwann in den Eiern von Pinguinen am Nordpol gefunden. Das ist kein Scherz! Diese Substanzen haben eine ganz unangenehme Eigenschaft.

(Abg. D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grü nen]: Pinguine gibt es nicht am Nordpol!)

Entschuldigung! Frau Dr. Schaefer korrigiert mich völlig zu Recht. Bei meinen Biologie-Kenntnissen hätte ich wissen müssen, dass es am Nordpol keine Pinguine gibt.

(Heiterkeit)

Eisbären legen keine Eier. Aber es gibt auch bald

keine Eisbären mehr am Nordpol, weil er abschmilzt. Das ist aber ein anderes Problem. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Frau Dr. Schaefer, dass sie mich korrigiert hat.

DDT wurde in den Eiern von Pinguinen am Südpol

gefunden; in Südafrika, am Kap, gibt es sie auch. Die Entwicklung ist besorgniserregend. Wir wissen, wenn Substanzen wie Triclosan bis dorthin gelangen, vergiften wir damit unsere Kinder von Anfang an. Diese Stoffe sind schon in dem Blut von Nabelschnü ren und in der Muttermilch nachgewiesen worden. Sie haben die verdammt unangenehme Eigenschaft, dass man für sie sehr schwer Grenzwerte festlegen kann. Das betone ich an dieser Stelle.

Es gibt immer Schlaue, die sagen, 0,3 Prozent

von irgendetwas könne nicht gefährlich sein, weil das ja so wenig sei. Dann stellt man aber fest, wie bei Triclosan, dass es selbst in geringen Mengen zu Leberschädigungen, zu Ansammlungen in der Na senschleimhaut und dadurch bedingte Infektionen führt und dass das Wachstum bestimmter Bakterien dadurch beschleunigt wird, und beschließt dann, den Grenzwert noch etwas zu senken, doch dann stellt man fest, dass das immer noch nicht genug ist.

Dieses Senken von Grenzwerten schafft eine trü

gerische Sicherheit, die es meines Erachtens bei ganz bestimmten organischen Chemikalien nicht geben sollte, nämlich bei denen, die ähnlich wie Hormone wirken. Wir wissen, dass sehr viele Kör perfunktionen durch Hormone gesteuert werden, und die Stoffe, über die wir reden, haben ähnliche chemische und physikalische Eigenschaften wie Hormone. Sie sind in kleinsten Mengen gefährlich, und sie haben die unangenehme Eigenschaft, sich im Körper anzureichern.

Bei Triclosan gibt es noch eine weitere unange

nehme Eigenschaft, wenn es dem Licht ausgesetzt ist, zersetzt es sich – soweit mir das bekannt ist – in eine Form von Dioxin. Wer sich noch daran erinnert, das ist die Chemikalie, von der vergleichsweise viele Menschen in Seveso ganz schrecklich vergiftet worden sind. Man darf es nicht mehr in die Umwelt gelangen lassen. Wir tun es aber, indem wir zulassen, dass solche Stoffe als fragwürdiges Desinfektions mittel im Alltag benutzt werden. Ich finde, das ist nicht in Ordnung. Triclosan muss auf den ärztlichen Bereich beschränkt bleiben und hat in anderen Be reichen nichts zu suchen. Ich bin deswegen dafür, es zukünftig nicht mehr anderen Stoffen beizufügen. – Danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das

Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und

Herren! Meine Kollegin Frau Ryglewski ist ja schon im Detail auf die Gefährdungen, die von Triclosan ausgehen, eingegangen, deswegen möchte ich das nicht wiederholen. Eines ist aber doch klar, Triclosan oder andere gesundheitsschädliche Substanzen ha ben einfach nichts in Kosmetika oder in Zahnpasta zu suchen. Desinfektionsmittel sind in bestimmten Bereichen, in denen besonders hohe Hygienestan dards gelten, wichtig, ja sogar wie in Krankenhäusern überlebenswichtig, aber eben nicht unbedingt im nor malen Haushalt oder gar in Kosmetikartikeln, denn, und darauf sind meine beiden Vorredner auch schon eingegangen, sie können Resistenzen bei Bakterien erzeugen. Das ist besonders in Krankenhäusern ein riesiges Problem, und deswegen gilt bei dem Einsatz von Desinfektionsmitteln im Alltagsgebrauch die Maxime von Coco Chanel: Weniger ist mehr!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Neben den Verboten und Verwendungseinschrän

kungen, die im Antrag ja zu Recht gefordert werden, sollten wir aber, glaube ich, einen weiteren Aspekt ins Auge fassen, nämlich die Aufklärung von Ver braucherinnen und Verbrauchern. Die Werbung gaukelt uns ja vor, dass es unser Ziel sein sollte, alles bis hin zu Schneidebrettern für die Küche sollte blitzeblank sauber, porentief rein und antibakteriell sein. Doch zu welchem Preis? Resistente Keime oder auch andere Materialien, bei denen wir bisher noch gar keine genaue Risikoabschätzung haben, wie zum Beispiel von Silber- und Titannanopartikeln in Sonnencremes und so weiter!

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht

propagieren, dass Sie jetzt nicht mehr zu Hause putzen sollten, aber unser Immunsystem funktioniert eben auch nur, wenn es ab und zu trainiert wird. Chloreiniger, Fungizide, Nanopartikel oder Desin fektionsmittel lösen also oftmals gar kein Problem, sondern schaffen erst welche. Im Regelfall reichen ein normaler Haushaltsreiniger auf Seifenbasis oder Tensidbasis oder eine ganz normale Zahncreme, mit der man einfach mechanisch die Zähne reinigt. Ist alles immer porentief rein, wirft ein untrainier tes Immunsystem der kleinste Keim aus der Bahn. Noch schlimmer ist es, und darauf wurde auch schon eingegangen, wenn es ein resistenter Keim ist und keine Antibiotika mehr helfen.

Meine Damen und Herren, Triclosan hat weder

etwas im Putzschrank noch in Kosmetika etwas zu suchen, es ist in die EU-Liste der Stoffe aufzuneh men, deren Konzentration in der Umwelt überwacht werden muss. Ich bitte Sie deshalb, unterstützen Sie diesen Antrag! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen

und Herren! Wir debattieren hier heute den Antrag „Resistenzen vermeiden – Gebrauch von Triclosan reinigern einschränken“. Meine Vorredner haben schon viel über die Wirkungen und Auswirkungen, über den Einsatz von Triclosan oder anderen Stoffen und den Konsequenzen, die daraus gezogen werden, erzählt. Nun könnte ich das hier alles wiederholen, sagen, dass ist alles gut, und mich wieder hinsetzen,

(Beifall bei der SPD)

das mache ich aber nicht. Wir können das so unter stützen, das sage ich Ihnen, und wir stimmen diesem Antrag auch zu.

Deswegen möchte ich den Schwerpunkt meiner

Rede auf die resistenten Keime legen. Resistente Keime beziehungsweise Antibiotikaresistenz wird ein immer größeres Thema in unserer Gesellschaft. Seriöse Schätzungen sagen, dass es aufgrund von Resistenzen zu 7 000 bis 15 000 Sterbefälle pro Jahr in Deutschland kommt, in Europa bis zu 25 000 Sterbefälle.

(Zurufe)

Na ja, ich sprach von seriösen Schätzungen!

(Heiterkeit)

Die Tendenz ist aber steigend, und um den Proble

men entgegensteuern zu können, ist unser Lebensstil und sind unsere Gewohnheiten zu überdenken. Eine Umfrage hat ergeben, dass 64 Prozent der Verbraucher dieses Thema beunruhigt und dass 53 Prozent aller Befragten die Schuld an den Resisten zen der Massentierhaltung zuschreiben. Doch das Problem und der Ursprung von Resistenzen können nicht unter dem Motto, einfache Fragen, einfache Antworten abgehandelt werden. Die Ursachen sind vielschichtig, dass haben viele Untersuchungen aus vielen Studien schon gezeigt.

Das Bundesinstitut für Risikobewertungen hat

jetzt eine Auswertung von verschiedenen Studien vorgenommen und festgestellt, dass 5 Prozent der Resistenzen auf Antibiotika auf den Einsatz von Medikamenten in der Tiermedizin zurückzuführen sind. Die Staphylococcus-aureus-Keime werden dabei hauptsächlich über den direkten Kontakt zu Tieren übertragen und nicht nur über den Verzehr von Lebensmitteln. Gefährdet sind dabei natürlich wieder Landwirte und Tierärzte.

Die Studie des Bundesinstituts bringt auch zu Tage,

dass die restlichen 95 Prozent der antibiotikaresis tenten Keime aus der Humanmedizin kommen. Wie kann das sein? Ärzte, die viel zu schnell Antibiotika verschreiben bei einer fehlenden Diagnostik, viel zu oft werden prophylaktisch Breitbandantibiotika eingesetzt, und die Patienten nehmen diese Medi

kamente oftmals nicht bis zum Ende ein, und das bildet Resistenzen. Dass 80 Millionen Deutsche jähr lich mehr Antibiotika verbrauchen als die gesamte Tiermedizin, das muss man auch beachten.

Meine Damen und Herren, das Thema der Resis

tenzen ist sehr vielschichtig, und es ist deswegen besonders wichtig, dass das neue Tiermittelarzneige setz strikt angewendet wird, dass die Humanmedizin ihrer Verantwortung nachkommt und dass dieses komplexe Thema von beiden zusammen gelöst wird. Einseitige Schuldzuweisungen, wie es manche ja gern machen, sind hier fehl am Platz.