Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Möglicherweise gibt es da auch noch weitere Unterschiede! – Heiterkeit – Abg. D r. K u h n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Wie steht Herr Ehmke dazu?)

Ich sage ja, irgendwo passe ich dort auch hinein, Herr Dr. Kuhn!

Es ist allerdings so, und das ist an der Stelle ja vielleicht auch nicht das Schlimmste, dass diese Meinungspluralität durchaus auch in anderen Parteien vertreten ist. Ich will es nicht übertreiben, aber ich möchte dann doch gern darauf verweisen, dass die ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU, Andrea Voßhoff, in ihrer neuen Funktion mittlerweile eine ganz engagierte Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung ist. Sie sagt: „Ich sehe nicht, dass eine Vorratsdatenspeicherung mit den strengen Auflagen des EuGH noch den Effekt erzielt, den die Sicherheitsbehörden mit diesem Instrument erreichen wollen.“ Das ist die Einschätzung von Frau Voßhoff, wie gesagt, vielleicht in neuer Rolle und Funktion, aber ich finde das auch nicht schlimm.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Herrn Münch könnte ich auch zitieren, der ist aber nach meinem Wissen weder in der SPD noch in der CDU und hilft uns hier an der Stelle politisch auch nicht weiter.

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Aber der weiß, worum es geht! – Abg. H i n n e r s [CDU]: Er weiß, wovon er spricht!)

Ich möchte nur sagen, dass bei diesem Thema offensichtlich eine Meinungspluralität vorhanden ist, und zu behaupten, dass die Datenschutzbeauftragten alle nicht wissen, wovon sie sprechen, ist, finde ich, eine etwas riskante Aussage.

Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass es bei den Sicherheitsbehörden und bei der Polizei ein Interesse an der sogenannten Vorratsdatenspeicherung und den Mindestspeicherfristen gibt, weil doch völlig un

bestreitbar ist, dass solche Instrumente hilfreich für die Aufklärung von Straftaten wären. Das ist doch völlig klar, das bestreitet auch niemand.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Doch!)

Nein, ich habe Herrn Hamann ja auch zugehört! Er hat gesagt, es sei nicht belegt, dass es essenziell notwendig sei, das ist aber etwas anderes. Es ist ja die Frage, ob man ohne Vorratsdatenspeicherung eigentlich nichts mehr ermitteln kann, oder ist die Frage, ob es einem eigentlich hilft zu ermitteln. Natürlich hilft die Speicherung von Daten und möglichst vielem Wissen beim Ermitteln von Straftaten. Das wäre auch so, wenn wir überall eine Videoüberwachung hätten – das würde auch helfen –, das wäre auch so, wenn wir flächendeckend DNA-Profile anlegen würden, auch das würde natürlich bei der Aufklärung von Straftaten helfen. Natürlich würde vieles helfen. Die Frage, die man aber doch stellen muss, ist, ob der Nutzen, den man bei der Aufklärung von Straftaten gewinnt, so groß ist, dass er auf der anderen Seite den Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte rechtfertigt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist eine Abwägungsentscheidung, die man treffen muss. Das gilt insbesondere dann, wenn wir eine anlasslose Speicherung von Daten vornehmen. Wir haben hier ja nicht die Situation, dass wir zunächst den Verdacht einer strafbaren Handlung haben und dann anfangen, Informationen über Leute zu sammeln, sondern schon einmal prophylaktisch über jeden oder jede Daten sammeln, weil die Möglichkeit besteht, dass irgendwann gegen diese Personen der Verdacht einer Straftat aufkommt. Diese Situation ist eine Abwägungsentscheidung, die die Politik treffen muss, und ich finde, dass sie vertretbar in die eine sowie in die andere Richtung ausfallen kann.

Der Senat hat eine Abwägungsentscheidung getroffen, er hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Vorratsdatenspeicherung nicht zu unterstützen. Diese Linie des Senats steht und besteht fort.

Um auch ein bisschen die Dramatik aus der Situation herauszunehmen, habe ich mich gerade noch einmal rückversichert – die eine Seite dieses Hauses sagt ja, dass der Senat sich im Bundesrat umgehend für die Vorratsdatenspeicherung starkmachen soll, während die andere Seite sagt, wir sollten ganz engagiert gegen die Vorratsdatenspeicherung kämpfen –, dass der Bundesrat in dieser Legislaturperiode noch zweimal tagen und sich in keiner dieser beiden Sitzungen mit der Frage der Vorratsdatenspeicherung befassen wird. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1715 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

„Soziale Stadt“ ressortübergreifend weiterentwickeln

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 21. Oktober 2014 (Drucksache 18/1597)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 17. Februar 2015

(Drucksache 18/1746)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Werner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag eingereicht, weil uns aufgefallen ist, dass die vom Bund zur Verfügung stehenden Gelder für die Stadtumbau- und Stadtsanierungsprogramme „Soziale Stadt“ immer wieder einmal nicht rechtzeitig oder nicht vollständig abgerufen werden. Wir haben darüber ausführlich in der Baudeputation gesprochen. Das ist bis jetzt kein verlorenes Geld, sondern es fließt parallel zur Umsetzung der angemeldeten und bewilligten Projekte in den Bremer Stadtteilen. Wenn es dort bei der Realisierung stockt, dann stockt auch der Mittelfluss, es wird aber ja noch nachgeholt.

Dennoch kann man sich ja fragen, wenn das über ein paar Jahre in Folge so ist, ob es dann nicht Möglichkeiten gibt, wie man es besser machen kann, das auch gerade vor dem Hintergrund, dass das Bundes

bauministerium die Mittel für die Städtebauförderung insgesamt ganz deutlich erhöht hat, was vor der letzten Bundestagswahl alle Parteien hier in der Bürgerschaft gefordert haben. Es gab eine Erhöhung von 455 auf 700 Millionen Euro im Jahr, für das Programm „Soziale Stadt“ von 40 auf 150 Millionen Euro deutschlandweit. Für Bremen könnte das ab dem kommenden Jahr fast eine Verdoppelung der Mittel bedeuten.

Der Senator für Bau, Herr Dr. Joachim Lohse, hat angekündigt, die Programme mit den Stadtteilen zusammen weiterzuentwickeln, und mit unserem Antrag fordern wir den Senat jetzt auf, diese Programme konzeptionell und strategisch gemeinsam über alle Ressorts zu entwickeln.

Wir schlagen vor, dass nach dem guten Vorbild der Kooperation des Bildungsressorts mit dem Bauressort beim Bau von Schulen und in dem Programm „Lernen vor Ort“ – darüber haben wir gestern ausführlich gesprochen – auch Projekte und Strategien entwickelt werden, wie sich zum Beispiel das Gesundheits- und das Sportressort, das Kulturressort intensiver in diese Programme einbringen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Freizeitangebote und die außerschulischen Bildungs- und Teilhabeangebote haben eine sehr wichtige Funktion für die Lebensqualität und die Integration in einem Stadtteil. Ich erinnere dabei an die Diskussion um die Bäder, sowohl um die beiden ganz großen als auch um die ganz kleinen, zum Beispiel die Bewegungsbäder in Walle, im Goosebad – so hieß das wohl – und das im Hulsberg-Viertel.

(Zuruf: Goosebad!)

Habe ich doch gesagt: Goosebad und Hulsberg-Viertel. Die über die „Soziale Stadt“ und „Wohnen in Nachbarschaften“ vielfach geförderten kleineren Kultur- und Freizeitprojekte und Sportstätten – auch die nicht geförderten Privaten – und auch Kitas sollten strategisch in die Quartiersplanung einbezogen werden, wie wir das inzwischen bei den Schulen gewohnt sind.

Wir haben hier gestern laut und leidenschaftlich über die Entwicklung und die geeigneten oder ungeeigneten Maßnahmen im Bremer Westen gestritten. Jetzt haben wir alle eine Nacht darüber geschlafen. Für mich kann ich sagen: Ich lasse mir immer noch nicht ausreden, dass die konzeptionelle, die strategische und die stadtplanerische Arbeit sinnvoll ist, und dass sie die Basis für eine integrative Stadtentwicklung und die integrierte Zusammenarbeit aller Ressorts ist, die die Stadt mitentwickeln. Dazu sind Pläne und Personal und vielleicht auch einmal Prospekte und PowerPoint nötig und wichtig. Am wichtigsten ist, dass die Maßnahmen und die Angebote

ineinandergreifen, aneinander anschließen, aufeinander aufbauen, sich aufeinander beziehen und zueinanderpassen.

Ich glaube, am Freitag wird der „Campus Neustadt“ von der Hochschule und der Shakespeare-Company eröffnet. Dort sieht man, wie gut eine integrierte Stadtund Quartiersentwicklung auch für die sozialen Strukturen eines Stadtteils wirken kann und wirkt. Dieser „Campus Neustadt“, die Shakespeare-Company, die Oberschule und die Hochschule zusammen quer durchs Buntentor von den sanierten Wallanlagen über die neue Zwischennutzung des KuKun, Kultur- und Kuchen-Kombinats, die konsolidierte Zwischennutzung des Cafés „Radieschen“ und die Öffnung des Friedhofs für den Stadtteil, über die Schwankhalle, das Schnürschuhtheater bis in die Neubaugebiete in Huckelriede ist ein Quartier entstanden, das immer noch wächst. Das hat einen Struktur-, Image- und auch einen Generationenwechsel durchgemacht, blüht jetzt auf und wird wieder ein verjüngtes Quartier. Das erfolgte in einer guten Mischung aus Privatinitiative, wirtschaftlicher Initiative und mit Stadtsanierungsmitteln geförderter, finanzierter, geplanter Stadtsanierung.

Ähnliches steht in Walle an rund um das Osterfeuerbergquartier. Das hat Jürgen Pohlmann gestern ausführlich beschrieben.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Ausführlich!)

Das wird er bestimmt gleich noch einmal machen. Auch in Huchting, in Hemeling, in Bremen-Nord, zum Beispiel an der Grohner Düne, und im Umfeld der George-Albrecht-Straße werden soziale Stadtmittel sehr sinnvoll eingesetzt.

Wenn sich in die Planungen dieser sozialen Stadtprogramme auch die Aufgaben, die Anliegen und die Expertise privater Akteure und weiterer Akteure, wie die Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing, der Zwischennutzungsagentur oder der Denkmalpflege integrieren ließen, wäre das sicherlich produktiv und effektiv im Sinn Qualität der Prozesse und ihrer Ziele; und dann auch im Sinn des Abrufs der Mittel durch Bremen, die der Bund zur Verfügung stellt.

Kurz zu unserem Antrag: In dem Beschluss wird ein Bericht im I. Quartal 2015 gefordert. Das muten wird dem Senat nicht mehr zu, das in drei Tagen zu machen, sondern wir würden das auf das III. Quartal ändern.

Dem Antrag der LINKEN werden wir nicht zustimmen, und zwar aus zwei Gründen: Der erste Beschlusspunkt ist die Begründung unseres Antrages. Ich glaube, in der Sache sind wir uns einig, das habe ich eben beschrieben. Dass die Mittel nicht abgerufen wurden, war der Anlass dafür, diesen Antrag zu schreiben. Das steht auch drin.