Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Seien Sie alle ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung fort.

4. Fortschrittsbericht zur Umsetzung von GenderMainstreaming in der bremischen Verwaltung

Mitteilung des Senats vom 19. November 2013 (Drucksache 18/1155)

Wir verbinden hiermit:

4. Fortschrittsbericht zur Umsetzung von GenderMainstreaming in der bremischen Verwaltung

Bericht und Antrag des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau vom 16. Dezember 2014 (Drucksache 18/1686)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Meine Damen und Herren, der 4. Fortschrittsbericht zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming in der bremischen Verwaltung vom 19. November 2013, Drucksache 18/1155, ist von der Bürgerschaft (Land- tag) in ihrer 52. Sitzung am 12. Dezember 2013 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für die Gleichstellung der Frau überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 18/1686 seinen Bericht und Antrag dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard als Berichterstatterin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen kurz den Bericht unseres Ausschusses vorstellen, dessen Erstellung jetzt doch eine ganze Weile gedauert hat, das möchte ich doch vorwegschicken. Um es noch einmal ganz kurz zu erläutern: Der Bericht ist vom 12. Dezember 2013, wir haben ihn auch Anfang des Jahres 2014 zur Kenntnis genommen und beraten und sind gemeinsam zu der Auffassung gekommen, dass es durchaus gerechtfertigt wäre, auf einige Ressorts noch einmal einzugehen und sie auch in einem persönlichen Gespräch beziehungsweise in einer Ausschusssitzung zu befragen, wie ihre Fortschritte bezüglich Gender-Mainstreaming aussehen.

Das ist auch hier auf der ersten Seite erläutert, wir waren nämlich mit den Feststellungen nicht so ganz zufrieden und möchten noch einmal darauf hinweisen, dass wir insbesondere die Ressorts Bildung und Wissenschaft, Gesundheit, Inneres und Sport sowie

Kultur und auch Wirtschaft, Arbeit und Häfen nebst Justiz und Verfassung eingeladen haben.

Sie können also sehen, dass wir uns sehr intensiv mit diesem Bericht befasst haben und auch noch einmal intensiv die Ressortvertreter und -vertreterinnen befragen konnten. Ich möchte diesen an der Stelle auch noch einmal ausdrücklich danken. Es hat sehr gut funktioniert, alle haben das durchaus ernst genommen und sich auch sehr ausführlich den Fragen gestellt, und die Diskussionen waren ausgesprochen interessant. Wir haben sogar von manchen Sitzungen sehr ausführliche Wortprotokolle. Wer also interessiert ist, kann sich das gern noch einmal zu Gemüte führen.

Im Ergebnis möchte ich Ihnen sagen, wenn man sich das im Einzelnen ansieht, gibt es durchaus Licht, aber es gibt auch sehr viel Schatten, ich würde gern nur auf ein paar Aspekte eingehen! Insbesondere diejenigen, die wir eingeladen haben, haben wir uns natürlich auch noch einmal näher angesehen. Das heißt jetzt nicht, dass die anderen Ressorts von uns ignoriert wurden, so möchte ich das nicht verstanden wissen, aber es erschien uns bei den Eingeladenen durchaus sinnvoll, noch einmal bei ihnen nachzufragen.

So möchte ich zum Beispiel sagen, beim Ressort Inneres und Sport ist es durchaus positiv, dass ein Auftrag zur Erstellung eines Sportentwicklungsplans in Auftrag gegeben wurde, das ist schon einmal ein guter Schritt. Wir haben uns natürlich vorgestellt, dass es so etwas schon lange gibt, aber nein, auch dort sind wir erst in einem Prozess. Des Weiteren wurde auch im Bereich der Polizei natürlich auf Vereinbarkeiten eingegangen, und, um ein Beispiel zu nennen, bei der Feuerwehr ist es sehr positiv, dass die Sporttests verändert wurden und Kriterien verändert wurden, um den Bereich auch für Frauen zugänglich zu machen.

Spannend war es insofern im Bereich Gesundheit, als er aufgrund des anderen Ressortzuschnitts unter einen anderen Gender-Mainstreaming-Auftrag gefallen und erst vor kurzer Zeit eigenständig geworden war. Diesbezüglich gab es hier noch keine eigenständigen Ergebnisse. Wir haben uns dort mit der Umstrukturierung des GeNo-Konzerns, wenn man das so sagen darf, beschäftigt in dem Sinne, dass man sagen kann, wie es in Zukunft aussehen soll, damit dort auch Frauen entsprechende Aufstiegsmöglichkeiten bekommen. Gerade wenn man in einem solchen Prozess ist, wäre es wichtig, diese Chancen hier zu ergreifen. Das war quasi ein Gegenstand unserer Diskussion.

Wenn ich das an der Stelle noch einmal kurz zusammenfassen darf: Es zog sich durch alle Ressorts, dass die Erfüllung des Landesgleichstellungsgesetzes mit dem, was man unter Gender-Mainstreaming versteht, verwechselt wurde.

Uns ging es nicht nur darum – was auch wichtig ist, das möchte ich jetzt nicht in Abrede stellen –, dass

die eigenen Behörden entsprechend dem Landesgleichstellungsgesetz funktionieren, sondern dass die Verwaltung es auch umsetzt. Damit wirken wir in die Gesellschaft hinein. Das ist durchgängig verbesserungswürdig und wurde in vielen Antworten schlichtweg vermengt.

Wichtig wäre mir an dem Punkt zu sagen: Wenn man keine Analyse und Reflexion zu seiner Verwaltung hat, kann man das natürlich auch schlecht umsetzen, wenn man den politischen Auftrag hat, in die Gesellschaft zu wirken. Das gehört schon zusammen. Trotzdem darf man diese beiden Bereiche nicht vermischen.

Gender Budgeting kommt nur mühsam voran. Bislang ist es so, dass wir immer noch darum kämpfen, dass die Daten überhaupt vorliegen. Das zieht sich auch durch alle Ressorts. Ich möchte nicht auf den einzelnen Aspekt eingehen, aber das ist etwas, wo man sagen kann: In Bereichen wie Wirtschaft, Arbeit und Häfen, in denen die EU Quoten für Frauen und für Migrantinnen und Migranten vorschreibt, funktioniert das. Wenn das nicht der Fall ist, gerät das eher aus dem Blick. Wir haben dafür Leitfäden. Es gibt letztendlich die Vereinbarungen, aber die Umsetzung hängt nach wie vor an schweren Ketten.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen, der sich auch durchzieht. Das sind die Senats- und Deputationsvorlagen und wie sie auf den Genderaspekt eingehen. Es ist ganz spannend, dass Ressorts hier zum Teil – –. Ich möchte das einmal kurz anführen: Wirtschaft, Arbeit und Häfen hat 15 Punkte, eine Checkliste für Deputationsvorlagen. Die haben wir ein paar Monate später vorgelegt bekommen, was sehr positiv ist. Interessant ist nur, dass leider sehr wenig davon in real umgesetzt wird. Weder bei Wirtschaft noch bei Arbeit, noch bei Häfen, wie auch in den anderen Ressorts, ist das letztendlich die Richtlinie, nach der diese Vorlagen ausgerichtet sind.

Dabei geht es über den öffentlichen Raum bis hin zur Berufswahl, bis hin zum Gewerbegebiet, bis hin zur Gewalt gegen Frauen. Alle Aspekte werden in dieser wirklich fantastischen Checkliste, wie ich sagen muss, angesprochen. Nur leider finde ich davon wenig in den Senatsvorlagen, wenn ich das danach durchdekliniere. Das heißt also, das ist wieder ein Beweis dafür, dass hier von den Kriterien hervorragend gearbeitet wird, aber es in der Praxis leider nicht so gut aussieht.

Die Implementierung von Gender-Mainstreaming bei den bremischen Beteiligungsgesellschaften: Da gibt es noch eine Menge zu tun. Das ist etwas, was sich auch überall wiederfindet. Ich möchte das jetzt noch einmal anführen, weil das über die einzelnen Ressorts hinausgeht. Es wird Ihnen einleuchten, dass Sie diese Einzelvorgänge, beispielsweise Hochschule und Wissenschaft, in diesem Bericht nachlesen können. Es ist so, dass bei der bremischen Professorenbesetzung der weibliche Anteil sehr gut ist. Auf der

anderen Seite haben wir aber ein hohes Maß an Projektförderung, das heißt, wir haben wieder die zeitliche Befristung. So könnte ich Ihnen viele Beispiele nennen, in denen gute Ansätze vorliegen, aber die Verstetigung nicht funktioniert.

Diese Prüfung muss aber durchgängig gemacht werden. Wenn wir sehen, dass das seit zehn Jahren in Angriff genommen wird – wir haben nicht nur einen Bericht, der die letzten zwei, drei Jahre bzw. den beschriebenen Zeitraum umreißt, sondern der auch weiter zurückliegt –, dann ist das so etwas wie ein Resümee. Auf der einen Seite haben wir uns mit sehr vielen kleinteiligen Problemen – wie soll ich sagen? – haarklein auseinandergesetzt, aber wir haben auf der anderen Seite auch immer wieder den Eindruck gewonnen: Wenn’s eng wird, wenn die Personalausstattung knapp ist, wenn die Zeit knapp ist, dann fällt der Zusammenhang hinten herunter. Das darf nicht sein.

Ich möchte abschließend sagen: Wir haben – weil jetzt das Ende der Legislaturperiode ist – eine Vielzahl von Themen beackert, die wir in den Ressortberichten wiedergefunden haben. Diese Themen hatten wir auch in den einzelnen Sitzungen beraten. Wir haben uns selbstverständlich auch mit den – wie soll ich sagen? – Defiziten und den Dingen, bei denen es nur langsam vorangeht sehr intensiv beschäftigt. Das betraf wirklich fast alle Ressortbereiche, die uns zur Verfügung stehen.

In dem Zusammenhang ist es mir wichtig zu betonen, dass besonders in diesem Ausschuss klar geworden ist, dass es fraktionsübergreifend sehr viele Parallelen zu den von uns gesehenen Problemen gibt. Ich nehme an, das ist selbstverständlich, auf der anderen Seite aber auch wieder nicht. Dazu muss man ganz ehrlich sagen, gerade, was Gleichstellung und Frauenpolitik anbelangt, dass es möglich ist, hier noch einmal an einem Strang zu ziehen. Das finde ich als eine sehr positive Entwicklung, wobei ich nicht verschweigen will, dass man, wenn man die Tür des Ausschusses hinter sich gelassen hat, eigentlich wieder in all diesen anderen Zwängen steht, die auch noch eine Rolle spielen.

Bei der Frage, wie wir bei der Gleichstellungspolitik in diesem Land vorankommen, habe ich festgestellt, dass dieser Ausschuss doch eine große Rolle spielt. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Ressorts, der ZGF und den Fraueninstitutionen spielt dabei eine wichtige Rolle.

Ich möchte mich, weil es gut passt, noch einmal explizit bei den Ausschussmitgliedern für die gute Zusammenarbeit bedanken. Wir haben uns schließlich in der Kombination zusammengerauft. Gerade bezüglich der frauenpolitischen Sprecherinnen Sibylle Böschen, Doris Hoch und Luisa-Katharina Häsler für die CDU, die erst seit kürzerer Zeit dabei ist – vorher war es Elisabeth Motschmann –, finde ich es wichtig zu sagen: Obwohl es diesen großen politischen

Unterschied gibt, haben wir alle ein Bewusstsein dafür, was die Geschlechterdiskriminierung anbelangt, auch wenn das manchmal politisch immer wieder auseinanderläuft.

An der Stelle jedenfalls herzlichen Dank, und soweit erst einmal zum Ausschussbericht!

(Beifall)

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Hoch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ausschussvorsitzende hat den gemeinsamen Bericht des Ausschusses hier ausführlich vorgestellt. Wir haben ihn im Ausschuss gemeinsam lange beraten, hat sie gesagt, es war interessant, und dann haben wir diesen Bericht auch gemeinsam verabschiedet. Deshalb kann ich meine Ausführungen auf ein paar Punkte reduzieren, die mir aber sehr wichtig sind.

Dieser 4. Fortschrittsbericht ist nicht nur ein Bericht darüber, was sich in den letzten Jahren getan hat, er ist auch ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre, denn mit Beschluss im Februar 2002 hat der Senat die Grundlage für die Implementierung des Ansatzes des Gender-Mainstreaming in der Bremer Landespolitik gelegt. Die Ressorts wurden damit aufgefordert, die Geschlechterperspektive in ihre jeweiligen Politikund Tätigkeitsfelder sowie in ihr praktisches Verwaltungshandeln einzubeziehen. Dies war ein ganz wichtiger Beschluss, es war der Schritt hin zu einem anderen Politikverständnis, und das war, denke ich, ein Meilenstein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Durch eine geschlechterdifferenzierte Sichtweise sollen strukturell bedingte Ungleichheiten in den Geschlechterverhältnissen in allen Gesellschaftsbereichen sichtbar gemacht werden. Die Strategie des Gender-Mainstreamings beruht auf der Erkenntnis, dass formal geschlechtsneutrale Politik häufig die traditionellen Geschlechterverhältnisse beabsichtigt, manchmal auch unbeabsichtigt reproduziert. Um das zu ändern, ist Gender-Mainstreaming ein wirksames Instrument, denn Chancengleichheit bedeutet nicht nur die formale Gleichstellung der Geschlechter, sondern die gleiche Partizipation von Männern und Frauen zum Beispiel im wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Leben. Dafür ist es erforderlich, bereits in der Planungsphase von Maßnahmen, Programmen und Gesetzen die Geschlechterperspektive aufzunehmen, und das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wenn man das beherzigt und machen will, dann braucht man Genderwissen und Genderkompetenz, sonst kann es nicht gelingen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Daran hapert es noch – meine Kollegin hat das ausgeführt –, das war erkennbar an der Frage der Genderprüfungen. Dort stehen manchmal Formulierungen, die dem nicht entsprechen, und man merkt, dass es denjenigen, die das geschrieben haben, an dieser eben beschriebenen Kompetenz fehlt. Da müssen wir besser werden, daran müssen wir arbeiten, und das trifft auf beide Städte zu.

In Bremerhaven haben wir in dem Bereich auch etliche Defizite. Wir haben dort einen Antrag eingebracht – Herr Bödeker, vielen Dank noch einmal, dass Sie uns da auch unterstützt haben! –, der jetzt kontinuierliche Fortbildungen der Führungskräfte verbindlich vorschreibt.

Ich habe aber auch noch eine andere Forderung, auch hier an die Kolleginnen und Kollegen: Wenn man betrachtet, was dort geschrieben steht, und auch bewerten will, ob Genderkompetenz in den Bereichen vorhanden ist, dann erwarte ich auch von den Kolleginnen und Kollegen hier, dass sie Genderkompetenz und Genderwissen haben, denn sonst kann man eine Verwaltung nicht kontrollieren, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wenn man noch einen Schritt weiter geht, sollten auch die eigenen Initiativen in Zukunft bei Anfragen geschlechtergerecht formuliert werden und diesen Punkt auch beherzigen.

Ich kann überblicken, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, weil die Grünen damals diesen Antrag in das Parlament eingebracht haben. Inzwischen gibt es eine Akzeptanz, und es ist ein fester Bestandteil. Am Anfang wurden sehr viele Witze darüber gemacht, und es wurden hier auch wirklich Reden gehalten, die nachlesenswert sind, so sage ich es einfach einmal. Wir haben frauenpolitisch auch immer darauf geachtet, dass unsere Befürchtung nicht eintritt, dass Frauenförderung gegen Gender-Mainstreaming ausgespielt wird. Beim Gender-Budgeting müssen wir in Zukunft noch besser werden, es muss mehr Schub bekommen.

Ich denke, Sie haben an meiner Rede gehört, dass ich eine starke Befürworterin dieses Prinzips bin, und ich hoffe, dass ich Sie dafür auch begeistern kann! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Aytas.