Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Diese Einschätzung teilen wir ebenfalls, und wir halten es für wichtig und richtig, für eine verbesserte Erwerbsintegration von Migranten und Migrantinnen sobald wie möglich eine abgestimmte und einheitliche Strategie aller Arbeitsmarktakteure zu erarbeiten. Zu den Akteuren gehören unter anderem die Agentur für Arbeit, die Bremer Jobcenter, die Sozialpartner und auch die Kammern. Es ist – das will ich nicht unerwähnt lassen – auch ein guter Anfang, dass sich einige Vertreter dieser Gruppen im Rahmen des Bündnisses für soziale Zusammenhalt bei der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung zusammengesetzt haben.

Ich möchte noch direkt auf einige Punkte des Senatsberichts eingehen. Gleich zu Beginn greift er das Thema Stadtamt auf, wobei für mich die Ausländerbehörde die relevante Stelle ist. Der Senat betont, dass er Strukturen und Personalstärke an die gestiegenen Anforderungen angepasst hat. Man orientiert sich immer am Leitbild einer gelebten Willkommenskultur. Die Orientierung an einem solchen Leitbild macht aber noch keine Willkommenskultur. „Von wegen willkommen“, titelte vor einigen Wochen der „Weser-Kurier“. Herr Mäurer gestand in dem Artikel ein, dass die vorgenommene Personalverstärkung mit den steigenden Flüchtlingszahlen nicht mithalten könne.

Ich würde sagen: Willkommenskultur ist erst vorhanden, wenn die Kunden wirklich etwas davon mer

ken. Wenn diese Willkommenskultur bei den Kunden nicht ankommt, dann braucht man das auch nicht schönzureden.

Der Senat erwähnt auch den Vertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften und mit der Alevitischen Gemeinde als Signal einer vertiefenden Zusammenarbeit. Das, was nach der Unterzeichnung bis heute passiert ist, ist allerdings sehr überschaubar und wäre auch ohne diese Verträge möglich gewesen. Als Beitrag gegen Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit nennt der Senat ein Pilotprojekt für anonymisierte Bewerbungsverfahren, das im Jahr 2015 im Bildungsressort verankert werden soll.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Antrag dazu aus der CDU-Fraktion kam und sich die Koalition mit einer Zustimmung sehr schwer getan hat.

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Der Bei- rat lässt grüßen!)

Schließen möchte ich mit einer Aussage aus den kritischen Anmerkungen des Bremer Rates. Dort steht: In allen 14 Handlungsfeldern wurden Anstrengungen unternommen und auch Teilerfolge erzielt. Dennoch bleibt viel zu tun im dynamischen Feld von Partizipation und Integration.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste rufe ich Frau Dr. Mohammadzadeh auf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gern mit zwei Anmerkungen in Richtung CDU bezüglich der Redebeiträge, die von ihnen kamen, beginnen.

Frau Grönert, der Rat für Integration hat sich nicht nur zu Geschehnissen auf der Straße oder in Unterkünften im Emigrationsbereich geäußert, sondern er ist auch voll beteiligt an vielen Gremien und Ausschüssen. Es wurden viele Diskussionen – auch mit Politikern – geführt, auch Workshops wurden durchgeführt. Dort wurde sozusagen geäußert, sowohl was draußen passiert als auch das, was die politische Ebene kommentiert – beides zusammen. Nur zu sagen „von draußen“, das stimmt einfach nicht.

Weil Sie die Frage der U3-Betreuung so hervorgehoben haben, Frau Häsler – das ist auch unser Anliegen, und wir kümmern uns auch darum –, müsste ich von Ihnen eigentlich auch einen kritischen Punkt zum Betreuungsgeld hören, das von Ihnen, von der CDU/CSU, eingeführt wurde.

(Zuruf der Abg. Frau H ä s l e r [CDU])

Das haben Sie nicht, weil genau das dazu führt,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

dass gerade die Migrantengruppen nicht an den Strukturen der frühkindlichen Bildung beteiligt sind.

(Abg. Frau H ä s l e r [CDU]: Das Betreu- ungsgeld kann keine Ausrede für Politik sein!)

Das nur zu den Anmerkungen, die ich am Anfang machen wollte!

Ich möchte mich gern zu ein paar Aspekten aus dem Zwischenbericht äußern, weil man sich die Mühe gemacht hat und ein Bericht vorgelegt worden ist. Ich denke, dieser Bericht beeindruckt mich weil sich durch diesen Bericht wie ein roter Faden zieht, dass bei der Integration diese zwei Bereiche Bildung und Ausbildung eine zentrale Rolle spielen. Zur gleichberechtigten Teilhabe sind natürlich die Deutschkenntnisse und eine fundierte vorschulische, schulische und berufliche Bildungsbeteiligung wichtige Voraussetzungen. Ich denke auch, dass die Bildung einen Weg in die Gesellschaft ebnet, damit die Menschen auch Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Also, Bildung ist ein Fundament für eine Selbstübernahme, eine Selbstverantwortung in ein gesichertes Leben.

(Zuruf des Abg. D r. v o m B r u c h [CDU])

Ich möchte dazu auch noch hervorheben, dass bei allen diesen Faktoren auch die Frage des Aufenthaltsrechts, die Regelung der Absicherung des Aufenthalts, eine zentrale Frage ist, und ob die Kinder und Jugendlichen unserer Gesellschaft auch mit einer gesicherten Aufenthaltserlaubnis durch diesen Prozess gehen können. Für die Bildungsintegration sind viele Unterfelder von entscheidender Bedeutung, und das wird meiner Ansicht nach in dem Bericht auch sehr deutlich dargestellt.

Ich finde, dass in dem Bericht eine wichtige und sehr mutige Aussage gemacht wird, von der ich möchte, dass sie nicht untergeht: In diesem Bericht wird bezogen auf Bildung gesagt, das System müsse sich an die Menschen anpassen, denen man dienlich sein will. Hier wird meiner Ansicht nach auch erstmals angesprochen, was Integrationspolitiker und Bildungsexperten schon lange wissen: Eine Anpassung des Bildungssystems ist bei uns überfällig, und zwar nicht nur an die demografische Realität, sondern auch an den Stand der Bildungswissenschaft und Pädagogik. Nicht nur mangelnde Deutschkenntnisse von Schülerinnen und Schülern, nicht nur der Bildungsstand der Eltern und die sozioökonomische Situationen der Familie, sondern auch Defizite in unserem Schulsystem beeinträchtigen die Bildungschancen und die Integration der Migranten. Insofern finde ich es sehr entscheidend, dass auch dieser Bericht zur Bildungssituation der Migrantinnen und Migranten in Bremen das Thema der Integration begleitet.

Ich möchte gern auch noch hervorheben, dass die Entwicklung des Integrationskonzepts in der Stadtgemeinde Bremerhaven etwas anders gewesen ist:

(Glocke)

Sie hat das erste Integrationskonzept im Jahr 2013 verabschiedet und natürlich auch alle diese Themen hervorgehoben.

Einen letzten Punkt möchte ich noch anführen! In diesem Bericht gibt es leider keine Aussagen über Religionen, zu Kopftuchproblemen, zur Gewalt in den Schulen und auf dem Schulweg, zur Drogenproblematik, zum Waffeneinsatz, zu Rassismus, Antisemitismus und zur Behindertenfeindlichkeit, das habe ich in diesem Bericht vermisst. Ich denke aber, dass wir in Zukunft noch viel Zeit haben, im nächsten Bericht darauf einzugehen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der sehnlichst erwarteten Mittagspause will ich mich auf ganz wenige Anmerkungen beschränken! Die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, nie war die Vielfalt in Deutschland größer, 16,5 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund – in Bremen ist es mehr als ein Viertel unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger –, und die meisten davon sind deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Deswegen ist Integrationspolitik nicht eine Politik der Mehrheit für eine Minderheit, sondern es geht darum, die Vielfalt gemeinsam zu gestalten, in Respekt, Toleranz und im Miteinander, und das machen wir in Bremen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieser vorgelegte Entwicklungsplan ist ein Beispiel für Dialog, und ich schließe mich dem Dank, insbesondere an den Bremer Rat für Integration und an die Integrationsbeauftragte, an.

Im Übrigen kommt es nicht häufig vor, dass der Senat einen Bericht vorlegt und gleichzeitig dazu eine kritische Anmerkung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Frau M o h a m m a d - z a d e h [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist richtig!)

Das dokumentiert, dass es eine fortwährende Beteiligung gibt, und fortwährend heißt zum Beispiel, dass

wir morgen – Frau Kollegin Quante-Brandt und ich – mit dem Bremer Rat für Integration zusammensitzen, wie schon wiederholt in der letzten Zeit, um natürlich weiter diesen Weg zu gehen, der nötig ist, ihn gemeinsam zu gestalten.

Die Bilanz ist ansehnlich, die Erfolge sind da, das ist dargelegt, aber niemand hat doch Zweifel daran, dass die Herausforderungen nach wie vor groß sind, übrigens nicht nur im Verhältnis von staatlichen Maßnahmen, sondern im gesamtgesellschaftlichen Bereich. Es geht um Arbeitsleben, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe, und nicht alles ist durch staatliche Maßnahmen zu regeln. Darum bemühen wir uns, zum Beispiel bei der größeren Beteiligung bei der frühkindlichen Bildung, aber es kommt auf eine Haltung und ein Klima in dieser Gesellschaft an,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

und da darf ich einmal sagen, ich bin dankbar dafür, dass wir im Januar auf dem Bremer Marktplatz und an vielen anderen Stellen unserer Stadt und in Bremerhaven vor dem Columbus-Center gezeigt haben, was wir sein wollen, nämlich eine weltoffene, tolerante und bunte Stadt. Das ist die Grundlage einer Politik des Miteinanders und der Teilhabe. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von den Mitteilungen des Senats, Drucksachen 18/1680 und 18/1779, Kenntnis.

Damit treten wir in die Mittagspause ein.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.18 Uhr)

Vizepräsidentin Schön eröffnet die Sitzung wieder um 14.47 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer der Berufsschule für Großhandel, Außenhandel und Verkehr, die Klasse 9 d des Gymnasiums an der Willmsstraße in Delmenhorst, Schülerinnen und Schüler im

ersten Lehrjahr zur/zum Verwaltungsangestellten der Verwaltungsschule Bremen und Betriebsratsmitglieder der Stadtwerke Bremen AG.

Seien Sie alle ganz herzlich willkommen!