Antrag der Fraktion der CDU vom 1. November 2011 (Neufassung der Drucksache 18/83 vom 1. November 2011) (Drucksache 18/91)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ab dem Frühjahr 2012 startet der Feldversuch zum Einsatz von Lang-Lkws – die Bezeichnung Gigaliner hat sich ein bisschen festgesetzt, obwohl das eigentlich etwas anderes ist – in Deutschland. In dem Feldversuch haben die Gigaliner eine Maximallänge von 25,25 Meter statt bisher 18,75 Meter und dürfen maximal 44 Tonnen anstatt der bisherigen 40 Tonnen wiegen. Soweit einmal zu den reinen Fakten! Jetzt zum Thema! Bevor wir jetzt über Chancen und Risiken, über reibungslose Güterverkehre und Effizienzgewinne, aber auch über Risiken für den Verkehr, die Ökologie und die Ökonomie sprechen, sollten wir erst einmal die Fakten kennen. Wenn ich mir einige Stellungnahmen der letzten Tage anschaue beziehungsweise anhöre, kann man das wirklich nur einfordern! Deshalb halte ich es für äußerst bedenklich, mit welcher Grundsätzlichkeit sich einige gegen diesen Feldversuch aussprechen. Dieser Feldversuch dient ja auch als Grundlage einer engagierten Debatte, die wir gern führen können. Die Diskussion über Vorteile und mögliche Risiken ist sehr wichtig. Einige Akteure setzen aber auf Stimmungsmache, Emotionalisierung und Empörungsduktus, so wird vor sogenannten Monstertrucks, die angeblich die Straßen gefährlicher und den Güterverkehr umweltbelastender machen, gewarnt. Ich fordere eine sachliche und ergebnisoffene Diskussion. Nach meiner Einschätzung werden diese LangLkws eine Lücke innerhalb der Warenverkehre in Deutschland ausfüllen, nicht mehr und nicht weniger. Bevor wir das aber wissen, müssen wir uns erst einmal auf die Fakten konzentrieren, und die bekommen wir nur mit einem Feldversuch. Was aber einige hier auch wieder einmal versuchen, nämlich die Straße mit der Schiene gegeneinander auszuspielen, ist, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, schlichtweg falsch!
Sie können sich nicht hinstellen und mehr Güterverkehr auf der Schiene fordern, wie Sie es ja getan haben, aber gleichzeitig Anträge gegen Güterverkehr auf der Schiene stellen. Das ist wirklich weit weg von der Lebenswirklichkeit, und das ärgert mich. Ich muss ehrlicherweise sagen, dieses Verhalten ist hochgradig scheinheilig!
Hören Sie endlich mit Ihrer frei von Fachwissen geprägten Ideologie gegen Warenströme und Logistik auf. Es ist einfach so, mit Lastenfahrrädern können Sie das nicht bewältigen. Das ist einfach so!
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit Ihrem Fachwissen können wir einfach nicht mit- halten, Herr Strohmann!)
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist unserem fachpolitischen Sprecher einfach nicht möglich, mit Ihnen mitzuhalten!)
Ja, genau, der dann Lastenfahrräder und alles andere auf die Schienen fordert, aber dann gleichzeitig sagt, nicht mehr so viel Schienenverkehr! Das ist eine fachliche Diskussion!
Sie müssen erklären, wie Sie in den nächsten Jahren die Waren, die täglich an den Häfen angelandet werden, in die restliche Republik transportieren. Das geht nur gemeinsam mit Schiene und Straße, und da wären die Gigaliner auch eine Möglichkeit. Es geht hier nicht darum, ob es im Moment sinnvoll oder sinnlos ist, sondern es geht erst einmal um einen Feldversuch, dass wir das erst einmal prüfen können, und dann können wir auf der Grundlage von Fakten diese Entscheidung treffen.
Dann komme ich noch einmal kurz zur SPD! Für das, was Sie im Moment abliefern, habe ich ehrlicherweise keine Worte.
Ich muss sagen, die Grünen sind ja in ihrer Weise verlässlich. Es wird etwas vorgeschlagen, und dann sagen sie, nein, das wollen oder können wir nicht. Das ist Verlässlichkeit. Was Sie aber machen, ist ein hochgradiges Herumwinden. Der eine sagt Ja, der andere Nein, die Bundestagsfraktion sagt, das wollen wir nicht, die Bürgerschaftsfraktion sagt, das wollen wir auch nicht und stellt Anfragen über Monstertrucks, alles sei ganz schrecklich, der SPD-Wirtschaftssenator sagt, die müssen wir unbedingt haben. Da frage ich mich jetzt – ich hoffe, dass ich eine Antwort bekomme –: Was wollen Sie eigentlich? Dann können wir darüber diskutieren!
Wir fordern Sie noch einmal auf, lassen Sie diesen Feldversuch zu, hängen Sie nicht Bremen in der Insellage zwischen Niedersachsen und Hamburg einfach ab! Wir sind nach wie vor ein Logistik- und Industriestandort. Sie müssen sich jetzt entscheiden, wohin wir wollen. Wollen Sie diesen Standort weiter beschädigen, oder wollen Sie weiterhin auch für Arbeits
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte schon Sorgen, dass Herr Strohmann uns Grüne nicht mehr lieb hat, aber das hat sich ja doch noch ganz erfreulich gedreht. Ihren fachpolitischen Beitrag habe ich soeben gesucht, aber nicht gefunden.
Ich will es trotzdem einmal versuchen. Die Bemessungsgrundlage für unsere Verkehrsinfrastruktur sind die jeweils größten zugelassenen Fahrzeuge. Die Problemanzeigen, die es bezüglich dieser Gigaliner gibt, sind ganz zahlreich. Es gibt ja verschiedene Namen wie Monstertrucks, Eurokombis, Ökoliner finde ich besonders charmant. Fangen wir einmal mit den Tunneln an! Jetzt werden Sie vielleicht sagen, es gibt bei uns keine Tunnel. Wir bauen bald aber einen in Bremerhaven. Meine Information ist, dass wir diesen noch einmal ganz neu planen müssten, wenn wir die Gigaliner zulassen, weil der Tunnel nämlich vom Brandschutz her gar nicht auf diese neuen Gigaliner ausgerichtet ist. Woher das Geld kommt, das frage ich mich wirklich. Das ist, denke ich, ein fachlicher Punkt, darüber sollten wir miteinander reden. Das heißt, bezüglich dieses Tunnels entstehen für Bremen, wenn wir die Gigaliner einsetzen, ganz erhebliche Kosten. Ich will einfach noch einmal ein paar andere Punkte fachlich in die Diskussion einbringen, damit sie verantwortlich wird, denn Ihr Antrag ist für mich nicht verantwortungsvoll!
Die Gigaliner sollen hier in einer Art Salamitaktik eingeführt werden. Niemand glaubt doch allen Ernstes, dass wir bei den 44 Tonnen stehenbleiben, denn in Skandinavien fahren schon Fahrzeuge mit 60 Tonnen bei einer ganz anderen Infrastruktur als bei uns. Es gibt Probleme, die auch schon in allen fachlichen Statements genannt worden sind. Selbst die Automobilindustrie ist in ihren Gutachten differenzierter als das, was Sie soeben gesagt haben.
Ich will ein paar Punkte ansprechen! Kreisverkehre sind aufgrund der ungünstigen Kurvenlaufeigenschaften der Gigaliner umzubauen, Bahnübergänge und Ampelschaltungen sind anzupassen, Brücken – wenn es dann wirklich zu den 60-Tonnen-Fahrzeugen kommt, und das ist zu befürchten – sind zum Teil auch neu zu konzipieren, weil sie diesem Gewicht nicht mehr standhalten. Es gibt dann ungünstige Fliehkräfte, wenn die Gigaliner in die Kurve gehen. Ich kann nur sagen, fachpolitisch, wenn ich es von der Verkehrsinfrastruktur her sehe, ist der Einsatz von Gigalinern großer Unsinn.
Dann kommen noch Autobahnrastplätze dazu! Es gibt keine Autobahnrastplätze für Gigaliner. Was machen wir dann mit ihnen? Fahren sie dann durch? Und dann? Was machen sie mit ihren Ruhezeiten? Diese Fragen stellen sich mir, und das ist nur die Verkehrsinfrastruktur.
Kommen wir zum zweiten Bereich, nämlich zur Verkehrssicherheit! Ich würde sagen, da ist die Bilanz dieser Gigaliner noch viel schlechter. Es leuchtet, glaube ich, ein, je mehr Achsen ein Fahrzeug hat, desto schlimmer wird es für schwächere Verkehrsteilnehmer bei den Abbiegevorgängen. Deswegen haben sich auch in seltener Einmütigkeit die Umweltund Verkehrsverbände – ADFC, BUND, ADAC, VCD, Allianz pro Schiene – dagegen ausgesprochen, Herr Strohmann. Das ist eine Allianz, wie wir sie ganz selten in Deutschland haben. Ich finde es trotzdem gut, weil das verantwortungsvoll ist.
Dann kommen wir noch zu ein paar anderen Bereichen! Sie haben die Ökobilanz dieser Ökoliner, die aber eigentlich diesen Namen nicht verdient haben, erwähnt. Es gibt auch da von der Bundesanstalt für Straßenwesen eine Untersuchung, die ganz klar ausweist, dass es einen Verdrängungswettbewerb geben wird. Das heißt, es wird Verkehr von der Schiene auf die Straße verlegt. Das wollen wir wirklich nicht! Dadurch wird die Ökobilanz, die auf den ersten Blick positiv zu sein scheint, ganz negativ.
Wirtschaftspolitisch – das war eigentlich Ihr Hauptargument, in den anderen drei Feldern konnten Sie ja nicht punkten – ist es auch nicht von guter Qualität, was diese „Ökogigamonsterliner“ eigentlich vorzuweisen haben. Ich habe gestern mit einer Spedition gesprochen – sie ist auch eine der größten zehn Speditionen in Bremen, fünf Speditionen haben mir da zugestimmt –, sie haben gesagt, das sei Unsinn. Sie haben auch gesagt, es gäbe nicht nur Kosten für die Infrastruktur der öffentlichen Straßen, sondern auch für die Unternehmen, die teilnehmen müssten. Sie haben gesagt, diese Gigaliner passten gar nicht in ihren Hof, sie hätten ihren Hof auf die 18,75-Meter-Lkws ausgerichtet, das sind jetzt aber 6,5 Meter mehr. Das führe zu erheblichen Umbaukosten. Ich
habe sie gefragt: Haben denn die CDU und die Handelskammer eigentlich mit euch gesprochen, als sie diese Vorschläge gemacht haben? Nein, das hätten sie nicht. Auch das ist wirtschaftspolitisch verantwortungslos, das sage ich ganz klar.
Es hat bestimmte Folgeerscheinungen: Arbeitsplätze – da werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen – wird es durch diese Gigaliner wohl nicht geben. Es wird auch nicht dazu kommen, dass wir dadurch eine Förderung der Regionalwirtschaft hinbekommen. Nein, es wird so sein, wie es jetzt schon ist: Unsinnigkeiten passieren, wie zum Beispiel die Krabben, die in der Nordsee gefangen, dann zum Pulen ganz weit weggebracht und wieder zurückgebracht werden, um sie dann an der Nordsee zu verkaufen.
Ich will noch gar nicht einmal von den Kosten für die Gesundheit und die Sicherheit sprechen, die dabei auch eine große Rolle spielen.
Es ist hochproblematisch, was Sie uns dort vorschlagen, und deswegen gibt es diese große Allianz gegen Gigaliner. Sie sehen schon, es gibt dort eine ganz differenzierte Sicht.
Ich sage ganz klar, unter bestimmten Bedingungen kann man über Gigaliner sprechen. Ich will das einmal ganz kurz nennen: Abbiege- und Bremsassistenten für Lkws gibt es schon. Das ist eine teure Geschichte, das würde aber zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr führen. Gigaliner mit einem Fahrer sind wegen der fehlenden Rastplätze völliger Unsinn, das habe ich schon erklärt. Das heißt, Gigaliner müssten, wenn man überhaupt darüber nachdenken will, zwei Fahrer haben. Das Dritte ist das Wichtigste, wenn die Speditionen mit diesen Gigalinern viel Geld verdienen wollen, dann müssen sie sich angemessen an den Infrastrukturkosten, die einfach entstehen, beteiligen. Solange das nicht in Sicht ist, und solange es dafür kein Konzept gibt, finde ich diese Initiative verantwortungslos. Damit komme ich an den Anfang meiner Rede zurück, deswegen lehnen wir Grüne Ihr Ansinnen ab, und zwar mit Ausrufezeichen! – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Strohmann, Sie haben gesagt, dass wir noch eine Sachdebatte führen müssen. Dazu passt nach meiner Einschätzung nicht, dass die Bundesregierung einem Feldversuch zustimmt und damit die Sachdebatte erst einmal beendet. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Sachfragen klären, bevor wir einen Feldversuch machen und große Lkws quer durch die Republik schicken, und nicht hinterher.
Das, was die Bundesregierung macht, passt nicht zu dem, was Sie gesagt haben. Die Chancen auf Beteiligung der Bundesländer sind damit deutlich geschmälert worden. Sie wissen, dass das Land Bremen bisher gesagt hat, wir wollen diese Gigaliner nicht, wir wollen keinen Feldversuch, und wir wollen vor allen Dingen Mitbestimmung über den Bundesrat haben. Jetzt so par ordre du mufti aus Berlin zu sagen, die Bundesratsbeteiligung ist uns egal, wir machen die Tür zu, jetzt kommen die Gigaliner, wir ordnen das jetzt an, ob nun alle mitmachen oder nicht, finde ich falsch, und es ist auch nicht sachdienlich. Wenn wir einen Feldversuch machen, der weite Teile des Feldes nicht beinhaltet, weil nicht alle mitmachen, wie schlüssig soll das denn werden, wenn man an der niedersächsischen Grenze aufhören muss zu testen, wenn man aus Mecklenburg-Vorpommern kommt? Das ist doch ein riesiges Problem, das ist nicht sachdienlich. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab!
Ihr Antrag nimmt ja das vorweg, was aus Ihrer Sicht aus dem Feldversuch herauskommen soll. Es ist schön, wenn man im CDU-Haus eine Glaskugel hat und ab und zu einmal hineinschaut, um schon einmal zu wissen, was in fünf Jahren herauskommt. Diese Glaskugel hätten wir auch gern. Ich finde, das ist wenig verlässlich.
Wenn Sie sich Ihren Antrag noch einmal genau anschauen, dann ist er auch von der Sache her zumindest in einem Teil falsch. Sie sagen in einem Satz, drei bisherige Lkws können durch zwei Gigaliner ersetzt werden. Das kann sein. Dann sagen Sie, diese Verringerung würde dazu führen, dass die Abnutzung der Straße verringert und die Wartungsintervalle verkürzt werden würden. Wir sagen ja auch, dass durch die Gigaliner die Straßen mehr abgenutzt werden. Ich glaube aber, Sie meinen das andere, dass nämlich die Wartungsintervalle verlängert werden. Ihr An––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.