Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Das sind die drei großen Schwerpunkte unserer Anfrage. Was hat der Senat geantwortet? Leider sind die Antworten des Senats an vielen Stellen enttäuschend. An einzelnen Stellen wurde in der Antwort des Senats sogar nachweisbar gelogen.

Erstens lässt sich feststellen, dass die Zahl der Einsatzstunden bei der Polizei deutlich angestiegen ist. Interessanterweise ist das genau seit der Saison der Fall, in der im Senat und in der Koalition die Gebührendebatte geführt wurde. In der abgelaufenen Saison hat sich das Niveau wieder auf einen eher durchschnittlichen Wert eingependelt. Dazu muss gesagt werden, dass die Polizei Bremen einen immer höheren Teil der Einsatzstunden übernimmt, weil es schwieriger ist, Polizeieinheiten aus anderen Bundesländern hinzuzuziehen.

Die Zahl der angezeigten Straftaten und der registrierten Verletzungen bewegt sich seit fünf Jahren auf einem relativ konstanten Level. Ein Stadionbesuch ist im Jahr 2015 also nicht unsicherer, als er es vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten war, Ganz im Gegenteil!

Zu den viel diskutierten Auseinandersetzungen zwischen linken Ultras und neonazistischen Hools beim Nordderby und bei den anschließenden Heimspielen finde ich es bemerkenswert, dass bis heute keine Ermittlungsverfahren gegen rechte Hooligans geführt werden. Diese Tatsache erhöht das Vertrauen der Ultras in Polizei und Justiz eher nicht, um es vorsichtig zu sagen. Wir haben nämlich ebenfalls gefragt, ob es Ermittlungen gegen polizeibekannte Bremer Nazis gibt, die an den Krawallen von HoGeSa beteiligt sind. Auch hierzu sagt die Antwort ganz klar, bisher werden keine Strafverfahren gegen diese Leute geführt. Umfangreiche Ermittlungen, Hausdurchsuchungen, U-Haft und Aufenthaltsverbote gibt es sehr wohl gegen die Ultras. Es ist durchaus festzustellen, dass es eine gewisse Einseitigkeit gibt.

Zweitens komme ich auf die Auseinandersetzung beim Nordderby im April zurück. Es gab die Schlägereien an der Verdener Straße. Man hätte unserer Meinung nach mit verschiedenen Maßnahmen diese heftige Eskalation wahrscheinlich verhindern kön

nen. Dem Polizeiführer war ab 14 Uhr bekannt, dass sich in der Kneipe eine größere Gruppe gewaltsuchender Hools aufgehalten hat. So steht es in der Antwort des Senats. Gleichwohl hat die Polizei Stunden später, nämlich um 17.30 Uhr, nichts unternommen, um ein erstes Aufeinandertreffen zwischen Ultras und Hooligans an dieser Stelle zu verhindern. Über die spätere Auseinandersetzung sagen einige, dass die Einheit, die vielleicht dafür verantwortlich war, dass Ultras in Richtung dieser Kneipe gedrängt worden sind, aus Hessen kam und man diese Auseinandersetzung hätte vermeiden können, wenn ortskundige Polizisten mit einem direkten Kontakt zur Polizeiführung dort gewesen wären.

Da diese Fragen aber Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind, möchte ich hier nur sagen, dass sich durchaus relevante Fragen auftun, ob Strategie, Informationsweitergabe und polizeilicher Vollzug so sinnvoll waren. An dieser Stelle gehe ich aber nicht ins Detail. Wir werden das vielleicht noch einmal nach der gerichtlichen Auseinandersetzung erörtern müssen.

Unabhängig von den von mir bislang aufgeworfenen Fragen ist auffällig, dass seit zwei Jahren eine Zunahme von Vorfällen und Auseinandersetzungen zu verzeichnen ist. In diesem Zusammenhang muss man sich auch einmal die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, dass Stadionverbote in größerem Umfang verhängt werden. Es wird nicht allen bekannt sein, aber nach dem Abschiedsspiel von Torsten Frings sind viele Stadionverbote gegen den Willen des SV Werder Bremen verhängt worden. Ehrlich gesagt, je mehr mit Stadionverboten belegte Personen bei Heimspielen in der Umgebung des Stadions sind, desto höher ist vermutlich das Konfliktpotenzial. Man könnte noch einmal darüber diskutieren, ob das überhaupt sinnvoll ist. Ich hoffe, dass die vor ein paar Wochen angekündigte Aufhebung von Stadionverboten für die Zukunft eine positive Auswirkung hat und sich Szenen wie im April in Zukunft nicht wiederholen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Dabei belasse ich es für diese Runde und bin gespannt auf die Debatte.

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Welt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier ein sehr ernstes Thema. Ich finde die Fragestellung an den Senat sehr einseitig. Bevor ich in das Thema einführe, möchte ich aber ausdrücklich die Arbeit der vielen Polizistinnen und Polizisten wertschätzen, die ständig bei Wind und Wetter und teilweise unter Gefahr für Leib und Leben bei den unsäglichen Auseinandersetzungen der

in der Anfrage der Fraktion DIE LINKE genannten Fangruppen einschreiten müssen.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Meiner Meinung und meiner Erfahrung nach geschieht das in einem hoch qualifizierten Beruf mit immer schwierigeren Aufgaben. Die Rahmenbedingungen in diesem Beruf haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Darüber wird man hier in diesem Hause auch noch einmal sprechen und verhandeln müssen.

Erwähnt werden müssen hier zudem die zahlreichen Organisationen, Vereine und Verbände sowie explizit unsere Feuerwehr, die teilweise ehrenamtlich dazu beitragen, dass unsere Großveranstaltungen in Bremen und Bremerhaven überhaupt stattfinden können. Klar ist, hier wird Außerordentliches geleistet. Es ist schon ungeheuerlich, dass Beamte hoch aufgerüstet mit Schutzwesten und scharfer Bewaffnung Veranstaltungen wie Fußballspiele überhaupt begleiten müssen.

Zur Großen Anfrage: Hier möchte ich auf einige erschreckende Zahlen hinweisen, die aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgehen und sich förmlich aufdrängen. Anhand der Statistiken, die uns hier vom Senat vorgelegt werden, müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, dass es in dem Zeitraum von 2011 bis heute insgesamt 75 verletzte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und 42 verletzte unbeteiligte Personen gab. Ich hätte gern mehr über die Art der Verletzungen erfahren. Das gibt die Antwort des Senats leider nicht her.

Im Zeitraum 2011/2012 ist am Rande einer Veranstaltung im Zusammenhang mit einem Fußballspiel sogar eine Person gestorben. Das ist unglaublich und nicht zu akzeptieren, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Die Behandlung dieser Großen Anfrage wurde schon zweimal verschoben. Die Zahlen aus der Antwort des Senats haben sich seit den letzten Veranstaltungen ganz sicher weiter negativ verändert.

Ich erinnere an das Fußballspiel am 22. November in Hannover und den Einsatz mit über 300 Polizeibeamten, die unsere traurigen Fans nach Bremen begleiten und später auch wieder gegen diese Personen einschreiten mussten. Es gab 128 Festnahmen. Das ist eine traurige und völlig inakzeptable Bilanz für Sportereignisse von überregionaler Bedeutung, an denen Menschen, die eigentlich fußballbegeisterten Fans mit ihren Familien, mit Freude teilnehmen sollten.

(Beifall SPD, FDP)

Solche negativen Vorkommnisse sind wahrlich keine gute Werbung für unsere beiden Städte. Auch wenn

diese Phänomene bereits andernorts beobachtet werden könnten, darf man hier nicht resignieren und den Zustand als gegeben akzeptieren. Wir müssen als Gesellschaft, wir müssen als Abgeordnete dagegenhalten, zusammen mit der Polizei!

(Beifall SPD, CDU, FDP)

Die Zahlen, die uns der Senat in seinen Antworten für die letzten fünf Jahre zur Kenntnis gibt, stimmen auch mich als erfahrenen Polizeibeamten sehr nachdenklich, und es verärgert mich auch, das muss ich einmal ehrlich zugeben. Wenn ich mir die vorgelegten Zahlen ansehen, komme ich in dem vom Senat beschriebenen Zeitraum bei den strafrechtlichen und polizeilichen Festnahmen, also allen freiheitsentziehenden Maßnahmen, auf eine Gesamtzahl von 1 309 Tätigkeiten der Polizei. Diese Zahl muss man einmal sacken lassen, dann ergibt sich eine ungefähre Vorstellung von dem ungeheuren Arbeitseinsatz, den die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hier leisten müssen.

Betrachtet man dazu die 239 Körperverletzungsdelikte, die 55 Strafanzeigen wegen Widerstands und die weiteren 600 Strafanzeigen – wirklich 600 Straftaten! –, die in stundenlangen Arbeitsprozessen nicht nur dokumentiert, sondern in der Folgezeit auch durch anstehende Maßnahmen wie Durchsuchungen, die intensiven Vernehmungen und die anstehenden Gerichtsverfahren mitunter sehr zeitintensiv begleitet werden müssen, erscheinen mir zumindest diese eigentlich wunderbaren Veranstaltungen immer wieder in einem ganz anderen Licht, leider!

Darum appelliere ich von hier aus an diese rechten und linken oder auch unpolitischen Gruppierungen: Tragt eure Auseinandersetzungen an den Stammtischen mit Worten aus, oder geht ins Fitnessstudio, um euch dort abzureagieren, aber lasst unsere Familien, Freundeskreise und Arbeitskollegen, die zusammen ein Fußballspiel genießen wollen, mit euren gewalttätigen Auseinandersetzungen in Ruhe!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, ALFA)

Es geht auch nicht nur darum, dass Unbeteiligte verletzt werden können, sondern auch um die ständigen Drohkulissen, die geschaffen werden. Jeder, der schon einmal bei einem sogenannten Rotspiel dabei war, zum Beispiel gegen den HSV im Nordderby, wird wissen, wovon ich spreche. Die Polizei in unseren beiden Städten hat den klaren Auftrag, den Bürger zu schützen, und diesem Auftrag kommt unsere Polizei auch trotz enger Personaldecke immer gewissenhaft nach. Da gibt es keine Unterschiede zwischen rechts und links, die Polizei ist da neutral, das ist doch vollkommen klar.

Selbstverständlich gilt das auch für die Menschen in diesen unterschiedlichen gewalttätigen Gruppen. Alle

Behauptungen oder Mutmaßungen, die hierbei in eine andere Richtung gehen, sind ganz klar falsch. Rechte Hooligans und gewalttätige Ultras haben in unseren Städten nichts zu suchen. Wir wollen keinen braunen Sumpf,

(Beifall SPD, CDU, FDP)

und wir wollen keine Gewalt aus der linken Ecke. Springerstiefel und vermummte Feiglinge, die meinen, in Gruppen besonders stark zu sein, haben hier in unserer Mitte keinen Platz.

(Beifall SPD, CDU, FDP)

Demonstrationen von rechten Gruppen, die nur dem Zweck dienen, die Gesellschaft zu spalten und Ängste zu schüren, finde ich verachtenswert. Inwieweit unsere Gesellschaft das auf Grundlage des Grundgesetzes ertragen muss, darüber müssen Gerichte im Einzelfall befinden. Das Gleiche gilt für Zusammenkünfte anderer gewalttätiger Gruppierungen, auch der Linken. Im Endeffekt sind es dann wieder Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die die Versammlungsfreiheit gewährleisten müssen, ganz egal, wie die eigene Überzeugung ist und wie schwer es ihnen oft fällt.

Es darf hier nichts verharmlost werden, ganz besonders nicht durch politische Parteien, Fraktionen oder einzelne Abgeordnete.

(Beifall SPD, CDU, FDP)

Die Entwicklung der Bremer Fanszene seit den Achtzigerjahren von einer stark rechtsradikal geprägten Kurve bis in die heutige Zeit mit einer klaren Gegenbewegung ist mir bekannt, genauso wie die Übergriffe im Ostkurvensaal, Konflikte in der Nähe bekannter Kneipen oder an der sogenannten Verdener Treppe und so weiter. Trotzdem oder gerade deswegen ist es mir ein persönliches Anliegen, das habe ich gerade schon angedeutet, auch hier nicht zu vergessen, dass Gewalt nicht ausschließlich von rechten Gruppierungen ausgeht. Linke oder rechte Gewalt bleibt Gewalt und ist zu verabscheuen!

(Beifall SPD, CDU, FDP)

Im Grunde genommen könnte es uns also egal sein, welchen vorgeschobenen Grund es für eine Prügelei oder einen Angriff gibt,

(Glocke)

aber gerade auch die neuesten Erfahrungen lehren uns, wie wichtig es ist, den Konflikt zu überstehen, auch um polizeilich damit umgehen zu können. Dazu gehört es auch auszumachen, dass die Gewalt nicht

nur von rechts kommt, um sich ein umfassendes Bild zu machen und mit der Situation besser umgehen zu können.

Die Wichtigkeit, die Konflikte zu verstehen, geht auch aus den Antworten des Senats auf diese Anfrage hervor. In Einsatznachbereitungen stellt sich heraus, was gut und was weniger gut gelaufen ist, und vor allem, wie man darauf reagieren kann.

(Glocke)

Ich merke, meine Redezeit ist zu Ende, deshalb werde ich den Rest meiner Rede noch einmal kurz zusammenfassen!

Ich habe großes Vertrauen in unsere Polizei und in die Staatsanwaltschaft, die hier die schwierige Aufgabe hat, immer wieder in zahlreichen Ermittlungsverfahren und auch gegen Personen aus der antifaschistischen Ultra-Szene und gegen Personen aus der rechten Szene zu ermitteln, und ich habe Respekt vor den Richterinnen und Richtern, denen es gelingen muss, hier gerechte Urteile zu fällen.

Ermittlungsverfahren gegen Gewalttäter und alle diejenigen, die in Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben, gehen immer konkrete Ermittlungsansätze voraus, sie sind nicht willkürlich aus der Luft gegriffen, wie gelegentlich unterstellt wird.

Die Aufklärung von strafbaren Handlungen aus speziell diesen Konflikten ist eine sehr ernste Angelegenheit, der Ermessensspielraum für die Ermittler ist dabei deutlich eingeschränkt, wohl kaum vorhanden. Als verantwortliche Politiker haben wir natürlich die Aufgabe, ein Auge darauf zu haben, und dieser Aufgabe kommen wir Abgeordneten nach.