Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beabsichtigte Regelung ist überhaupt nicht rechtsfest. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Eine Bewährungsstrafe wird dann verhängt, wenn keine Wiederholungsgefahr vom Täter ausgeht und wenn die Sozialprognose günstig ist. Mit diesen Voraussetzungen können Sie die Ausweisung nicht rechtfertigen. Was wollen Sie eigentlich?

(Beifall DIE LINKE)

Auf einmal wird die schwarze Null öffentlich infrage gestellt. Man denkt sich, schön, endlich! Das geschieht aber nur, um das Personal bei der Polizei aufstocken zu können. Es steht außer Frage, dass auch die Polizei unter den Kürzungsrunden der letzten Jahre gelitten hat, ich frage mich allerdings, aus welchen Gründen die öffentliche Infrastruktur und die schwarze Null nur für die Polizei infrage gestellt werden, aber nicht für Bildung, Ausbildung, für Beschäftigungsprogramme, für Erzieherinnen und Erzieher,

die auch gebraucht werden, um ein soziales Gefüge wiederherstellen zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Ehrlich gesagt, es gibt viele weitere Vorschläge, die in den letzten Wochen in den Medien gestanden haben und die überhaupt nicht haltbar sind. Die CDU hat reflexartig eine Ausweitung der Videoüberwachung gefordert. Es gibt in Bremen drei Plätze, die sehr gut videoüberwacht sind, und zwar ist es der Bahnhofsvorplatz, es ist die Discomeile, und es ist das Sielwalleck.

(Zuruf Abg. Hinners [CDU])

Auf diesen Plätzen werden die meisten Straftaten begangen! Vor welchen Situationen soll uns eigentlich die Videoüberwachung schützen? Das ist mir völlig unklar.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das debattieren wir ja noch!)

Bei der Aufklärung von Straftaten hilft uns die Videoüberwachung auch nicht weiter. Ihre Forderungen sind deshalb doch purer Populismus, die Sicherheit suggerieren sollen, obwohl durch sie keine Sicherheit entsteht.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn ich mir die bisherigen Regelungen anschaue, die für die Ausweisung gelten, dann waren sie bisher immer umstritten. Die Ausweisungsverfügungen sind auch immer wieder aufgehoben worden, und zwar dann, wenn die Ausweisung straffällig gewordene Menschen und ihre Familien betroffen hat, obwohl die weiteren Familienmitglieder nicht straffällig geworden waren. Die Ausweisungsverfügungen haben einer richterlichen Überprüfung nicht Stand gehalten. Es liegt sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor, der die Ausweisung eines wegen Drogenhandels verurteilten Niederländers zu einer langjährigen Haftstrafe für nicht rechtmäßig erklärt hat, weil der Schutz der Familie und das Recht auf Familie und den Familienzusammenhalt nach Artikel 8 EMRK Vorrang hat. So einfach ist das!

Man muss der Öffentlichkeit einfach einmal sagen, dass Sie hier von Dingen reden, die eigentlich gar nicht umsetzbar sind. Wenn Sie jetzt argumentieren, es sei gerade das Problem, dass wir diese Gesetze haben, dann müssen Sie auch so ehrlich sein und sagen, dass Sie diese Gesetze nicht mehr wollen, und dann reden wir hier von einer anderen Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Vogt, mich hat es eben ein bisschen gewundert – das muss ich wirklich sagen –, weil Sie sonst immer ganz stark für den Opferschutz einstehen,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Habe ich doch!)

dass diese laute Stimme offenbar nicht vorhanden war. Ich habe das Gefühl gehabt, dass es Ihnen langsam mehr um den Täterschutz geht. Ihre Ausführungen wundern mich also sehr.

(Beifall FDP, CDU – Zuruf Abg. Frau Vogt [DIE LINKE])

Ich habe Ihnen sehr wohl zugehört, liebe Frau Vogt, deswegen wunderte es mich, dass das gerade aus Ihrer Ecke kommt.

(Zurufe Abg. Frau Vogt [DIE LINKE] – Glocke)

Frau Kollegin Vogt, Sie hatten 20 Minuten Zeit, Ihre Sicht der Dinge vom Rednerpult aus darzulegen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Langsam bekomme ich hier aber einen Hals! Davon wurde ich aber 10 Mi- nuten lang unterbrochen!)

Bitte hören Sie jetzt zu, was die anderen Kolleginnen oder Kollegen vom Rednerpult aus zu sagen haben! – Bitte, Frau Steiner!

Die Silvesternacht stand bisher symbolisch immer für einen positiven Neuanfang. Sie stand dafür, dass man mit der Vergangenheit abschließen konnte. Das, was allerdings in dieser Nacht in Köln und in Hamburg geschehen ist, ist tief erschütternd und traurig. Es sind Dinge, die man nicht einfach wegwischen kann und die es in diesem Ausmaß bisher noch nie gegeben hat.

(Beifall FDP, CDU)

Es ist zu sexuellen Übergriffen und nicht nur dazu gekommen, sondern weitergehend war es vor allen Dingen ein Angriff auf unseren Rechtsstaat, und zwar in einer ganz neuen Dimension. Ja, es hat schon immer sexuelle Übergriffe gegeben, aber seien wir doch einmal ehrlich, es ist doch egal, ob es sich um sexuelle oder um körperliche Gewalt handelt, Fakt ist, dass Gewalt in unserer Mitte überhaupt keinen Platz hat.

(Beifall FDP, CDU)

Nach dem heutigen Kenntnisstand – und auch das lässt sich nicht von der Hand weisen – hatte die Mehrheit der Kölner und Hamburger Täter keinen deut

schen Pass, und die Mehrheit stammt wohl doch aus Nordafrika. Gerade nach den Geschehnissen von Köln und Hamburg brauchen wir eine offene Debatte. Ja, vielleicht bin ich mit 30 Jahren dort ein bisschen anders, und ja, ich weiß auch, dass wir keine rühmliche Geschichte haben, und sie lässt sich nicht wegdiskutieren, aber trotzdem ist es an der Zeit, dass wir uns nicht immer wieder in die geschichtliche Zwangsjacke begeben, sondern dass wir frei und offen diese Themen diskutieren können.

(Beifall FDP, CDU)

Es kann jedenfalls nicht angehen, dass die Polizei Informationen zur Herkunft der Täter rein aus politischen Gründen zurückhält.

(Beifall FDP)

Es ist an diesem Ort wirklich falsch verstandene Political Correctness. Passiert ist, dass das Vertrauen in den Staat hier erschüttert ist. Das darf so nicht weitergehen.

(Beifall FDP)

In der Bevölkerung spürt man jetzt leider den Meinungsumschwung überall, und es kommt ja nicht von ungefähr, sondern ist eine deutliche Reaktion auf die gefühlte Lähmung unseres Rechtsstaates. Schauen Sie sich doch einmal die Umfrageergebnisse der AfD an, die als Rechtspopulisten mittlerweile bei 12,5 Prozent liegen. Das ist ein Ausdruck der Angst, aber nicht des kreativen Fortschritts oder von Lösungen. Es zeigt auch, wie groß die Unsicherheit in der Bevölkerung ist und wie sehr das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat erschüttert wurde. Ich kann das zum Teil auch gut verstehen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin vor zwei Jahren ohne Probleme gern auch nachts durch die Bremer Innenstadt gelaufen. Mittlerweile fühle ich mich als Frau nicht mehr sicher, wenn ich abends am Bahnhof ankomme, sondern nehme auch für eine kurze Strecke ein Taxi, weil ich nicht mehr allein durch die Stadt gehen möchte. Ich bin sicherlich nicht die einzige, der es so geht. Da können Sie murren, wie Sie wollen, liebe Damen. Es werden noch mehr in der Situation sein, auch wenn sie es hier in diesem Kreis nicht zugeben wollen. Das Gefühl habe ich auch nicht erst seit Silvester, sondern schon länger. Ich frage Sie allen Ernstes: Warum muss immer zuerst etwas passieren? Warum können wir nicht vorher reagieren? Stattdessen kommen wir in die Bedrängnis, jetzt zu reagieren. Es ist schlimm, dass zuerst so etwas Schreckliches geschehen muss, bevor hier gehandelt wird.

(Beifall FDP)

Ich glaube nicht, dass immer neue und schärfere Gesetze helfen, wenn man diese dann nicht durchset

zen kann. Es kommt darauf an, das Gesetz auch durchsetzen zu können. Dafür benötigen wir mehr Polizisten, eine viel höhere Polizeistärke. Darauf werden wir morgen eingehen.

(Beifall SPD – Abg. Senkal [SPD]: Da bin ich gespannt!)

Diese dramatische Unterbesetzung und -versorgung der Polizei vom Personal und vom Inventar her ist katastrophal. Wir haben das lange vor Köln schon festgestellt, deswegen werden wir morgen noch einmal gesondert darüber reden.

Das zweite grundlegende Problem ist die scheinbare Handlungsunfähigkeit des Staates. Es ist nicht verantwortbar, dass wir solidarisch mit Menschen sind, die hier den Rechtsstaat mit Füßen treten. Wenn Gäste und Zuwanderer in unserem Land massiv straffällig werden, dann können und werden wir das nicht akzeptieren.

(Beifall FDP)

Für jeden Menschen muss hier klar sein, dass man sich an die Gesetze zu halten hat. Da ist eine weitere Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes wahrscheinlich nicht der richtige Weg. Schließlich gibt es schon Verschärfungen, die jetzt zum 1. Januar 2016 vorgenommen wurden. Vielleicht kommt es gerade in der Umfrage und in der öffentlichen Debatte gut an, wenn man über die Verschärfung der Gesetze spricht und sie dort verlangt. Man darf aber nicht verschweigen, dass sie auch umgesetzt werden müssen. Das ist eben nicht so einfach zu gewährleisten.

Wir haben heute Morgen die Zahlen gelesen. 21 000 Abschiebungen gab es im Jahr 2015. Wenn Abschiebungen möglich sind, dann müssen sie auch vollzogen werden. Es gibt bei Abschiebungen aber viele Probleme, die einen Vollzug nicht zulassen, wie zum Beispiel fehlende Rückführungsabkommen. Wir hier in Bremen werden jedenfalls nicht dafür sorgen können, dass es endlich – –.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Bremen schließt keine Rückführungsabkommen!)

Genau das sage ich gerade, wenn Sie mir zuhören!

Wir hier in Bremen werden nicht dafür sorgen können, dass es endlich Rückführungsabkommen mit den Maghreb-Staaten gibt, und dass die bestehenden Abkommen mit zum Beispiel Marokko und Algerien auch durchgesetzt werden. Auch das werden wir hier nicht allein entscheiden können, sondern da ist der Bund in der Verantwortung. Trotzdem helfen uns weiterer Aktionismus und weitere Scheindebatten hier nicht weiter. Wir benötigen mehr Personal bei der Polizei, um geltendes Recht wirksam umsetzen zu können.

(Beifall FDP)

Noch zwei Sätze zum Schluss! Es ist essenziell, dass sich die Bürger auf den Rechtsstaat verlassen können und Vertrauen in ihn haben. Gerade deshalb benötigen wir noch mehr Polizei. Gerade deshalb müssen wir Antworten finden, wenn unser Rechtsstaat so massiv missachtet wird. Dazu gehören Gesetze, aber dazu gehört eben auch genügend Polizei, um sie durchzusetzen, wie ich es betont habe. Beides gehört zusammen. Für uns gehört beides zusammen, deswegen werden wir uns dafür stark machen. – Danke!

(Beifall FDP)