Ganz im Gegenteil! Das Geld fehlt dann den Unternehmen, denjenigen, die Arbeitsplätze schaffen, für Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Es geht um Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt, Herr Rupp, und diese kann man eben nur damit schaffen, dass man den Unternehmen auch die Möglichkeit belässt zu wirtschaften.
Langfristig lässt sich Arbeitslosigkeit – und auch das ist in der Debatte schon angeklungen – nur durch mehr und bessere Bildung bekämpfen. Aus dem Grunde ist es richtig, wenn hier der Schwerpunkt auf Bildung gelegt wird. Wenn der Fokus darauf gerichtet wird, durchgängig die Bildung zu betrachten; wir haben seit Langem gefordert, was immer noch nicht gänzlich umgesetzt wurde, diesen Bereich in das Bildungsressort zu verlagern. Das muss in der Verantwortung
dann auch umgesetzt und mit Plänen unterlegt werden. Es muss passieren. Dabei sind wir, nur muss dies zügig geschehen, denn die Kinder haben es verdient, dass es für sie und ihre Generation passiert und nicht erst irgendwann.
Ja, es ist richtig, dass wir etwas tun müssen, damit Jugendliche die Schule nicht ohne einen Abschluss verlassen, damit sie die Grundfertigkeiten haben, reif für eine Ausbildung sind, lesen, schreiben und rechnen können und, wie wir als FDP finden, auch werken können, damit sie eben in den Betrieben ihre Möglichkeiten und ihren Weg finden. Es geht dabei jedoch auch darum, die Jugendlichen zu motivieren, ihren Weg zu machen und sie dabei zu unterstützen, diesen zu finden.
Zugleich gilt es zu schauen, dass es einerseits viele Menschen gibt, die zu uns gekommen sind oder zu uns kommen werden, und dass es andererseits Menschen gibt, die gescheitert sind und ihren Abschluss noch nicht gemacht haben. Es gilt, diese Menschen nicht zu vergessen, wenn immer gesagt wird, wir müssen Bildung von Anfang an machen. Es gibt eben auch diejenigen, bei denen das nicht genützt hat, und für sie muss es die Möglichkeit geben, wieder den Anschluss zu finden, erneut hereinzukommen, die Qualifikation sowie den Abschluss nachzuholen, auch die Sprache zu erwerben, wenn sie hier als Zuwanderer kommen, um dann in das Bildungssystem integriert zu werden und ihre Abschlüsse zu machen, möglichst wenn sie noch Kinder und Jugendliche sind.
Es geht also darum, alle dort abzuholen, wo sie sind, damit sie den Einstieg finden in unser System und die Option haben, nicht in Armut zu leben, sondern ihre Möglichkeiten finden dadurch, dass sie selbst etwas leisten, sich selbst herausarbeiten können. Wie gesagt, das größte Armutsrisiko ist die Arbeitslosigkeit von Eltern, und nichts bekämpft Armut besser als ausreichende und auskömmliche Arbeitsplätze, und die schafft eben die Wirtschaft und nicht der Staat. Der erste Arbeitsmarkt sollte hier die Adresse sein, die wir anstreben, und das geht nur, wenn wir auch den Unternehmen und den Menschen, die dort investieren, die Luft lassen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich immer wieder verwundert,
wenn die FDP als Steuerpartei den Unterschied nicht kennt zwischen einer Körperschaft- und Vermögenssteuer.
Der Senat hat uns nun den abschließenden zweiten Bericht über die Lebenslagen im Land Bremen vorgelegt, und die Erkenntnisse bewegen sich, ich sage einmal, in der Spannbreite von ernüchternd bis erschreckend. Bevor ich jetzt auf die einzelnen Teilbereiche eingehe, möchte ich hervorheben, dass wir es begrüßen, dass in dem Bericht auch Maßnahmen angefügt sind an die einzelnen Bereiche, sodass man noch einmal sehen kann, was eigentlich ansteht.
Herr Janßen, ist Ihnen bekannt, dass viele, insbesondere Familienunternehmer, mit ihren privaten Vermögen für ihre Unternehmen haften und dass dadurch auch die Vermögenssteuer die Unternehmen belastet?
Ja! Ich würde behaupten, dass die gesellschaftliche Spreizung, die wir im Moment haben, durchaus eine Belastung für den Standort ist, auch was Arbeitsplätze angeht. Diese Debatte können wir gern an einer anderen Stelle noch einmal vertiefen.
Gut, jetzt möchte ich aber noch einmal zum Bericht zurückkehren. Vielleicht ein paar Zahlen vorangestellt, gleich werde ich auch noch einmal auf die Maßnahmen eingehen. Die Armutsquote ist in den letzten Jahren, seit dem Jahr 2007, erheblich angestiegen.
Ja, alles gut! Damit belegt Bremen mittlerweile eine traurige Spitzenposition im Ländervergleich, und wenn diese Entwicklung nicht schon für sich genommen problematisch wäre, ist es aus unserer Sicht ein besonderes Problem, dass sich die Entwicklung der Armut in Bremen und Bremerhaven auch noch einmal negativ vom Bundestrend abgekoppelt hat. Das heißt, dort, wo wir sowieso gesellschaftlich bereits Zuspitzungen erleben und schon sehen, dass wir eine Entwicklung der Armut haben, sehen wir in Bremen noch einmal eine besonders zugespitzte Armutsentwicklung, auch wenn wir es vergleichen mit anderen vergleichbaren Städten; nicht, dass gleich das Argument kommt, das wäre jetzt nur ein Symptom eines Status des Stadtstaates. Das ist es nicht. Also, wir sehen eine Abkoppelung vom Bundestrend, und das halte ich für einen Hilfeschrei, der eigentlich eine entschlossene politische Antwort erfordern würde.
Eine Armutsquote für sich genommen besagt aber noch nichts über die Gründe und auch nichts über die spezifische Situation, nichts über die Herausforderungen, die uns vor Ort bevorstehen. Sie ist zunächst einmal eine Zahl, die schon einmal ein Indikator ist. Wenn wir uns aber dann die besonderen Spezifika der Armut in Bremen ansehen, fällt auf, dass diese auch nicht so anders sind als im Bundesvergleich. Große Familien und Alleinerziehende sind besonders von Armut gefährdet, und das sind Punkte, die in ganz Deutschland auffallen. Deutschland ist nach wie vor kein Land mit einer kinderfreundlichen Gesellschaft. Kinder sind ein Armutsrisiko, das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, und das müssten wir eigentlich ändern.
Auch hier jedoch wieder der gleiche Punkt: Wenn insgesamt Alleinerziehende deutschlandweit besonders von Armut gefährdet sind, wenn insgesamt große Familien in Deutschland von Armut gefährdet sind, liegen wir in beiden Fällen in Bremen wieder darüber. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass wir diesen Zustand nicht auch noch einmal explizit als einen solchen benennen und überlegen, welche Maßnahmen wir in dem Zusammenhang ergreifen, und was eigentlich auch die Ursachen dafür sind, dass wir diese spezifische Situation vor Ort haben.
Was die Frage der Durchlässigkeit betrifft, zitiere ich auch noch einmal einen Satz aus dem Armutsbericht. In dem vorliegenden Bericht steht: „Falls es Aufstiege gibt, dann zumeist in eine mildere Form der Armut. Aufstiege in eine der Wohlstandszonen finden dagegen praktisch gar nicht statt.“ Das genau hat auch Frau Wendland schon treffend beschrieben. Wir haben eine verfestigte Armutssituation, die sich in den letzten Jahren weiterentwickelt hat. Es gibt kaum die Möglichkeit des Wechsels in höhere Stufen, das ist ein Problem der verfestigten Armutssituation, die nach und nach immer mehr prägend wird. Es ist an dieser Stelle auch nicht nur ein individuelles Problem der Menschen, nicht aufsteigen zu können. Es führt auch zu einer Segregation von Stadtteilen. Es führt zu einer Ballung von Sozialindikatoren. Es führt auch zu Spannungen, die in unserer Gesellschaft immer stärker zwischen den Stadtteilen zunehmen. Das ist kein individuelles, sondern ein massives gesellschaftliches Problem.
Kommen wir aber auch noch einmal zur anderen Seite der gleichen Medaille. Das ist Reichtum. Während die Armut immer weiter zunimmt, nimmt auch der Reichtum rasant zu. Seit dem Jahr 1996 sehen wir uns einer Verdoppelung der privaten Geldvermögen in Bremen gegenüber. Die Einnahmen aus Vermögen steigen rasant. Auch hier zeigt sich das gleiche Bild, was sich bereits bei Armut gezeigt hat. Während im Bundesdurchschnitt die Einkommen aus Vermögen zwischen den Jahren 2005 und 2011 um 21 Prozent angestiegen sind, sind sie in Bremen um 36 Prozent angestiegen. Das heißt, es ist wieder das gleiche Bild. Die Reichtumsentwicklung ist in Bremen erneut besonders zugespitzt. Auch das können wir so nicht hinnehmen.
Ich habe Ihnen nun viele Zahlen genannt. Jetzt würde ich gern noch einmal darauf hinweisen, dass in dem Bericht viele Maßnahmen vorgebracht werden. Da schließe ich mich den Äußerungen der CDU an. Viele der Maßnahmen sind relativ vage. Sie sind zwar von ihrer Zielrichtung her durchaus zu begrüßen, bleiben dabei aber stehen, keine konkreten Schritte zu verankern. Sie sind auch oft örtlich und zeitlich begrenzt. Oft sind es Projekte, die nach Beendigung der Finanzierung beispielsweise durch das Land oder durch Europa nicht durch das Land weitergetragen werden. Ich möchte das exemplarisch an ein paar Bereichen konkretisieren.
Mich würde interessieren, was Ihre persönliche Vermutung dafür ist, dass Bremen in beide Richtungen überzeichnet, sowohl beim Reichtum als auch bei der Armut. Sie haben sich ja sehr intensiv damit beschäftigt. Mich interessiert es einfach. Haben Sie eine Vermutung, woran es liegen mag, dass Bremen diese Sonderrolle einnimmt?
Das Problem ist, dass wir hier so viele verschiedene Bereiche zusammen diskutieren, wie es Herr Kollege Möhle schon angesprochen hat. Es ist schwer, diese Frage jetzt in einem kurzen Abriss zu beschreiben. Ich glaube, das Zusammenspiel zwischen einer verstärkten Segregation der Stadtteile, bei der Bildungspolitik, Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik zusammenfallen, macht es in Bremen zu einer besonderen Situation. Die Durchlässigkeit ist zurzeit sehr schwierig. Wenn in einer solchen Situation eine Kürzung und Sparpolitik vorgenommen wird, wie es derzeit der Fall ist, werden natürlich die Wege immer enger, um Wege aus der Armut zu entwickeln. Da brauchen wir ein entschlosseneres Vorgehen. Da benötigen wir mehr Perspektive, statt immer durch Einzelmaßnahmen zu versuchen, kleinteilige Veränderungen hervorzurufen.
Ich hatte eben gesagt, dass ich mich auf einzelne Bereiche beziehen möchte, die möglicherweise auch noch einmal Teile der Frage anschneiden können. Dabei glaube ich, die Frage ist größer als die, die ich jetzt in fünf Minuten umreißen kann.
Im Bereich Bildung gibt es zum Beispiel durchaus auch Tendenzen, von denen man sagen kann, sie sind gut, und wir nehmen sie zur Kenntnis. Wenn wir sehen, dass die Quote von Schulabbrecherinnen und Schulabbrechern abnimmt, ist das durchaus begrüßenswert. Es ist immer noch ein zu hohes Niveau. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Es gibt da aber durchaus hin und wieder gute Entwicklungen.
Allerdings attestiert der Bericht auch, dass die Zahl im Bereich der dualen Berufsausbildung abnimmt, die Zahl der Jugendlichen, die im Übergangsbereich geparkt werden, auf einem viel zu hohen Niveau stagniert und im gesamten Bereich der schulischen Bildung gerade Migrantinnen und Migranten zu oft durch das System fallen. Angesichts der gesellschaftlichen Situation ist das eine Aufgabe, der man sich in den nächsten Jahren viel deutlicher und viel klarer zuwenden muss.