Andreas Kottisch
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Herr Kollege, mich würde einmal interessieren, wie Ihre Aussage zum Schwerlasttransport-Terminal in Cuxhaven zusammenpasst mit der Haltung der Fraktion der FDP, den OTB in Bremen nicht unterstützen zu wollen.
Ist auch die letzte, verspreche ich. Sie hatten gesagt, wir seien Letzter bei der wirtschaftlichen Entwicklung, also wortwörtlich. Wie passt das denn mit den Fakten zusammen, dass wir in den letzten Jahren ständig die höchsten Bruttoinlandsprodukte pro Kopf hier erzielt haben?
Schauen Sie sich einmal die Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer an. Das ist doch Unsinn, was Sie erzählen.
Frau Senatorin, Sie sehen, das ist ein wichtiges Thema, das die Zukunft bestimmt.
Insofern würde ich gern darauf hinweisen, ich habe gerade noch einmal – –.
Darauf komme ich übrigens auch gleich noch einmal. Ich habe gerade noch einmal recherchiert. Wir
haben in Bremen das DFKI bereits im Jahr 2009 hier als volles Institut gegründet und die Vorläufer bereits im Jahr 2006, wir sind also bundesweit ganz weit vorn. Wie schätzen Sie denn die Leistung der vorhergehenden Senate ein, eine solche Institution so frühzeitig hier installiert zu haben, wobei zehn Jahre später erst die Begeisterung entsteht?
Frau Grobien hat ja gerade darauf hingewiesen, dass es eine private Initiative gibt, die jetzt seitens des Senats aufgegriffen wird. Meinen Sie nicht auch, dass das geradezu der Idealzustand ist, wenn der Staat Rahmenbedingungen schafft, private Initiativen sich gründen und der Senat dann diese aufgreift und sie noch weiter stärkt, anstatt jetzt selbst Artefakte in die Welt zu setzen?
Nun gibt es in der KI-Forschung mittlerweile Thesen, die sagen, dass durch den zunehmenden Einsatz von KI im Lebensalltag sich tatsächlich auch die natürliche Intelligenz zumindest verändert. Insofern finde ich es ganz spannend, auch eine entsprechende Begleitforschung zu organisieren. Ist Ihnen das bekannt, ob es so etwas in Bremen schon gibt, oder würden
Sie das einmal recherchieren, dass wir auch das auf den Weg bringen? Weil ich in der Tat finde, dass Technik das eine, Anwendung und Auswirkung von Technik das andere ist.
Ist im Rahmen der weiteren Planungen auch die Abstimmung mit der Universität gewährleistet?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin bereits einige Jahre Mitglied dieses Parlaments und fühle mich erinnert an Debatten, die wir nach der VulkanPleite hatten. Insofern muss ich noch etwas zu dem Thema Standortqualität sagen. Damals, als Zehntausende Arbeitsplätze verloren gingen, viele davon in Bremen, hatten wir ein wirkliches Standortproblem. Es ging darum, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu erhöhen. Heute haben wir eine stark diversifizierte Unternehmenslandschaft mit guten Industriebetrieben. Unsere heutige Wettbewerbsfähigkeit ist mit der von damals in keinster
Weise zu vergleichen. Ich warne davor, unseren Wirtschaftsstandort schlechtzureden.
Wir haben hier hervorragende Bedingungen. Man muss etwas daraus machen. Man spricht insoweit auch von Resilienz. Die Resilienz des Standortes Bremen ist wunderbar. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute Abend zwei Anträge, zum einen den Antrag „Bremens Stärken besser für Gründungen und Start-ups nutzen“ und zum anderen den Antrag „Innovationspolitik im Land Bremen neu aufstellen“.
Lassen Sie mich zu dem ersten Antrag, dem Start-up-Antrag, damit beginnen, dass ich mich bei allen demokratischen Fraktionen dieses Landtages bedanke, die alle gemeinsam und, wie ich finde, mit großer Mühe diesen Antrag
auf den Weg gebracht haben. Das Ganze begann damit, dass wir auch die Start-up-Szene einbezogen haben. Danach hat Fraktion für Fraktion diesen Antrag noch verbessert. Ich freue mich über das Ergebnis. Ich glaube, dass es ein gutes ist und dass die Start-ups neben Existenzgründungen allgemein als Thema sehr wichtig sind.
Start-ups stehen für die Prosperität einer Region. Sie sind super wichtig für uns. Sie fördern durch den Wettbewerb, den sie initiieren, die Innovationsfähigkeit regionaler Unternehmen. Insofern fördern sie auch die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. Sie sind für einen erfolgreichen Strukturwandel notwendig. Wir alle kennen das. Irgendwann brechen Alt-Industrien und an diesen Standorten Strukturen und Arbeitsplätze weg. Das muss kompensiert werden. Das kann nur durch vitale, agile und zukunftsorientierte Unternehmen geschehen. Das sind Start-ups mit einer hohen Wachstumsrate.
Start-ups bieten Beteiligungschancen für etablierte Unternehmen. Für diese ist es interessant, sich an Start-ups zu beteiligen, weil sie ihre eigene betriebliche Wettbewerbsfähigkeit darüber fördern, ihr eigenes Wachstum mitorganisieren können, die Innovationsfähigkeit und auch den eigenen Strukturwandel im Unternehmen mithilfe solcher Beteiligungen oder durch die Einbindungen derartiger Start-ups nach vorn bringen können.
Was ist für Start-ups wichtig? Für sie ist es neben der Netzwerkmöglichkeit mit diversen Strukturen, die sie brauchen - darauf gehe ich später noch ein, wenn es die Zeit zulässt -, extrem wichtig, dass sie vernünftig mit Kapital ausgestattet werden. Stichwort Wagniskapital. Ich denke, dass wir im Bereich der SeedFinanzierung, also ganz am Anfang der Gründungsfinanzierung, sehr gut sind, aber im Bereich Wachstumsfinanzierung noch eindeutig Potenzial erschließen können und müssen.
Darum fordern wir in diesem Antrag, die Bremer Aufbau-Bank zu stärken und die Beteiligungsmöglichkeiten an Start-ups auszubauen. Ich freue mich, dass Herr Stapp als Geschäftsführer der Bremer Aufbau-Bank hier ist. Vielen Dank für Ihr Interesse! Ich denke, es ist wichtig, dass die Bremer Aufbau-Bank die Möglichkeit bekommt, noch stärker als bisher in das Wachstum von Unternehmen zu investieren.
Wir fordern das aber nicht isoliert, sondern wir fordern ebenfalls, dass auch das private Engagement großer Unternehmen verstärkt er
Landtag
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möglicht wird. Ich habe gehört, dass es insoweit beihilferechtliche Probleme gibt, dass also Unternehmen ab einer gewissen Größe Schwierigkeiten bekommen, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen. Auch das muss geheilt werden. Dafür muss es Wege geben.
Wir halten es für notwendig, dass die Bremer Aufbau-Bank einen Beirat, bestehend aus mittelständischen Bremer Unternehmerinnen und Unternehmern, erhält, sodass Expertise durch diese Menschen in diesen Beirat einfließt und dadurch frühestmöglich die Marktfähigkeit der Start-ups evaluiert wird und auch die weltweiten Geschäftskontakte dieser Unternehmerinnen und Unternehmer genutzt werden, um die Start-ups zu unterstützen. Hauptziel dieser Idee ist es, ein gemeinschaftliches finanzielles Engagement von Bremer Aufbau-Bank und Privatunternehmen aus Bremen zu organisieren. Ich denke, wenn sich ein privates Unternehmen, das weiß, wie bestimmte Geschäftsideen einzuschätzen sind, an einem Unternehmen finanziell beteiligt, dann kann das für die Bremer Aufbau-Bank durchaus ein Beleg dafür sein, dass dieses Geschäftsmodell Zukunft hat.
Eine weitere Idee, die vielleicht nicht ganz so leicht umsetzbar ist, die wir aber dennoch in den Antrag aufgenommen haben, ist die eines Start-up-Fonds. Wir meinen, es könnte für die Ansiedlung von Start-ups ein echter Wettbewerbsvorteil sein, wenn wir einen solchen Start-up-Fonds hätten.
Das ist auch eine gute Anlagemöglichkeit für Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt im Sinne der Standortförderung.
Ich habe gehört, dass die Glocke hinter mir geklingelt hat. Vielleicht darf ich noch einen letzten Satz zum Thema Vernetzung sagen.
Das zweite wichtige Thema neben der Kapitalausstattung ist das der Vernetzung. Ich habe es schon angesprochen. An dieser Stelle möchte ich dem Senat und auch der AufbauBank für die Idee danken, ein START Haus zu planen und in Kürze umzusetzen. Wir halten das für richtig. Sie kommen damit auch unserer Forderung nach, die Instrumente der staatlichen Wirtschaftsförderung für Gründerinnen und Gründer und Start-ups durch Fokussierung zu stärken.
Ich werde ein zweites Mal nach vorn kommen und das weiter ausführen. - Vielen Dank an dieser Stelle!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind noch eine Antwort darauf schuldig, warum wir den Innovationsantrag ablehnen. Das möchte ich noch zum Besten geben, auch wenn es jetzt schon relativ spät ist. Vielleicht schaffen wir es, noch drei bis vier Minuten gemeinsam zu debattieren.
Lassen Sie mich vorweg noch einmal kurz auf das START Haus eingehen, das ich zum Schluss meines ersten Beitrags erwähnt habe. Ich finde es sehr wichtig, dass dort die Möglichkeit der Vernetzung auch mit den etablierten Unternehmen und insbesondere mit den Industrieunternehmen, die wir hier in unseren Clustern haben, besteht. Bremen kann sich darüber freuen, dass ein sehr großer Industriebesatz vor Ort ist und verschiedene Sekto
ren repräsentiert sind wie eigentlich in keiner anderen Stadt.
Insofern finde ich die Idee gut, dass man auch die Start-up-City, so wie Lencke Steiner es fordert, ein Stück weit fokussiert, eine Positionierung im Markt erreicht und sagt, dass wir für Start-up-Ansiedlungen und für Start-upEntwicklungen, die einen Industriebezug haben, besonders gut sind. Ich glaube, damit liegen wir ganz gut.
Ich muss noch einmal betonen, wie gut ich es finde, dass wir diesen Antrag gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ich finde, das, was Robert Bücking gesagt hat, dass wir von hier aus die Welt retten sollen, ist keine Spinnerei und keine Utopie. Das muss der Ansatz sein. Das muss die Idee sein. Das muss man wollen.
Dann kommt auch etwas Gutes dabei heraus.
Warum lehnen wir den Antrag der CDU und der FDP ab?
Sie fordern in diesem Antrag eine regionale FuE- und Technologietransferplattform, aber erklären nicht, was Sie darunter verstehen. Sie fordern auch - das hat auch Herr Kollege Rupp schon erwähnt - ein grünes Gründerzentrum in Hochschulnähe, ohne zu erklären, was Sie eigentlich damit wollen und was Sie darunter verstehen. Im Übrigen ist das eine Forderung, die wir schon einmal abgelehnt haben. Das haben wir auch ausführlich begründet und gesagt, wir möchten lieber die privaten Initiativen, die es gibt, unterstützen. Dinge wie das Kraftwerk der swb, den Coworking Space bei neusta oder weserwork finden wir gut.
Das ist auch der Grund, warum wir damals ein öffentlich finanziertes Culture Startup Center der FDP abgelehnt haben. Insofern glauben wir, dass der private Ansatz besser ist.
Sie fordern die Verankerung der Gründungsförderung in allen Fächern der bremischen Hochschulen, so steht es in Ihrem Antrag. Das halten wir nicht nur für unrealistisch und blauäugig, sondern wir halten es auch für nicht vereinbar mit der Hochschulautonomie. Wir können deshalb diesen Antrag nur ablehnen, weil wir ihm inhaltlich nicht zustimmen können. So einfach ist das. Es ist kein reflexartiges Ablehnen, sondern es ist wirklich inhaltlich begründet.
Landtag
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Herr Kastendiek, Ihr Antrag hat auch gute Ansätze, das ist überhaupt keine Frage. In einem Punkt haben Sie völlig recht: Der Technologie- und Wissenstransfer könnte eindeutig verbessert werden, hier haben wir ein Defizit. Es ist auch kein ausschließlich bremisches Problem, sondern es ist ein bundesweites Problem. Dennoch, finde ich - frei nach dem Motto, von hier aus verändern wir die Welt -, sollten wir dieses Thema noch einmal bearbeiten, und das werden wir auch tun.
Für unsere Fraktion haben wir es bereits entsprechend entschieden. Zusammen mit den Kollegen Gottschalk und Reinken habe ich mir schon intensive und weitreichende Gedanken gemacht. Wir wollen dieses Thema genauso gründlich und intensiv bearbeiten, wie wir es mit dem Startup-Antrag gemacht haben. Wir werden auch in diesem Fall wieder auf Sie zukommen, vielen Dank, dass Sie es angesprochen haben.
Das sind doch Themen, die sich nun wirklich nicht für einen Wahlkampf eignen, sondern es sind Themen, die wir bearbeiten müssen, um Gründerinnen und Gründern beim Startup zu helfen und das Klima hier entsprechend positiv zu gestalten. Weiterhin wollen wir den Wissenstransfer optimieren. Wir kommen also wieder auf Sie zu. Vielleicht können wir einen gemeinsamen Antrag verabreden, aber heute - und das gestatten Sie mir - freuen wir uns zunächst einmal über den gelungenen und sehr breit getragenen Startup-Antrag.
Ich bedanke mich noch einmal bei den Oppositionsparteien für ihre Unterstützung. - Ihnen danke ich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zunächst einmal dankbar, dass wir dieses Thema heute debattieren können, insofern ist das ein guter Aufschlag. Startups sind wichtig. Warum, brauche ich, glaube ich, nicht zu begründen, das ist durch die Beiträge meiner Vorrednerrennen ausführlich dargestellt worden.
Erlauben Sie mir einen kleinen Exkurs, da in bei den Anträgen von Gründerkultur gesprochen wird.
Man könnte auch von Gründerinnenkultur oder von Gründungskultur sprechen.
Aber sehen Sie mir nach, dass ich vielleicht auch im Laufe meines Beitrags ab und zu Gründerkultur sage, ich meine immer auch Gründerinnenkultur. Es wird immer suggeriert, wenn von Gründungskultur gesprochen wird, dass wir einen großen Abstand zu dem haben, was es in den USA gibt – Silicon Valley als Benchmark für Gründerkultur. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Wirtschaftssysteme zwischen den USA und Deutsch land sehr unterschiedlich sind, und auch der von dem großen österreichischen Ökonomen Alois Schumpeter aufgezeigte Prozess der schöpferischen Zerstörung funktioniert sehr unterschiedlich.
In den USA, behaupte ich, funktioniert er in einer Dramatik mit destruktiven Innovationen, und in Eu ropa funktioniert er so nicht. Das kann man allein dadurch sehen, indem man sich einmal die Eigen tümer der großen Kapitalgesellschaften oder auch die Rangliste der Milliardäre anschaut. Da gibt es in den USA Bill Gates, Mark Zuckerberg, Jeff Be zos, Lerry Ellison, die sind ganz weit oben, das sind alles Selfmade-Milliardäre. In Deutschland sind es Familien wie Quandt, Otto, Schaeffler, Kühne, das sind alles Unternehmenserben und hier die reichsten Menschen. Dies zeigt, dass die Unterschiede im Un ternehmertum zwischen den USA und Deutschland sehr groß sind und das Gründerverhalten ein sehr unterschiedliches ist.
Allein der Vergleich zwischen Otto und Amazon stellt den Unterschied dar. Das sind nun auch Konkurrenten auf dem Markt. Während Otto zwar durchaus ein innovatives Unternehmen ist, aber eine evolutionäre Entwicklung vom Katalogwesen zum elektronischen Warenhaus im Internet genommen hat, haben wir es bei Amazon mit einer wirklich diskutablen Innovation zu tun.
Das wird auch offensichtlich, wenn man sich die Plattformökonomie im IT-Bereich ansieht. Das wird im Übrigen auch bei der Luft- und Raumfahrt deut lich. Da gibt es Gestalten wie Elon Musk oder Jeff Bezos in den USA, während die Raumfahrtindustrie in Europa eher konservativ ist. Insofern bin ich sehr froh darüber, dass wir in Bremen ein Gründungsun ternehmen wie OHB haben.
So unterschiedlich das Unternehmertum und das Gründerverhalten auch ist, so unterschiedlich ist auch das gesellschaftliche Feedback. Während man in den USA mindestens drei Insolvenzen hingelegt haben muss – das dient praktisch als Qualifikation, dass man Erfahrung gesammelt hat, um anerkannt zu werden –, wird man in Deutschland eher naserümp fend betrachtet, wenn man eine Insolvenz hinter sich hat, weil dann gemeint wird, damit sei das Versagen
vorprogrammiert. Dieser Person wird dann einfach nichts mehr zugetraut.
Sehr wichtig ist mir, dass das Finanzierungsverhalten genauso unterschiedlich ist. Dazu muss man sich nur die Verteilung von Venture-Capital im Jahr 2015 an sehen. Dafür ist allein im Silicon Valley eine Summe von 34 Milliarden US-Dollar investiert worden. In Deutschland waren es 3,9 Milliarden. Das ist nur ein Bruchteil davon und zeigt auf, wo die Unterschiede liegen. Der Abstand zwischen den USA und Deutsch land nimmt im Übrigen zu.
In Berlin verändert sich die Situation zum Glück ein wenig. In Berlin wird mehr als die Hälfte aller VentureCapital-Investitionen getätigt. Im ersten Halbjahr war es eine knappe Milliarde Euro. In Berlin landet damit mehr als die Hälfte des Venture Capital. Dann folgen im Städtevergleich München und Hamburg. Im Ländervergleich – Frau Bergmann, das haben Sie eben sehr schön aufgezeigt – ist Bremen eigentlich gar nicht so schlecht. Wir stehen beim Gründerverhalten auf Platz vier. Das kann man auch auf den Einsatz von Venture-Capital übertragen. So schlecht sind wir nicht. Deshalb ist es auch angebracht, die Dinge aufzuzeigen, die in Bremen gut laufen.
Wir werden beide Anträge ablehnen. Die Gründe dafür möchte ich aufzeigen. Allein die Forderung des Antrags der FDP, die Gründerkultur in Bremen und in Deutschland müsse verändert werden, überfordert eine Landesregierung. Das sollten meine Ausfüh rungen deutlich gemacht haben. Wie soll man das machen? Das schafft ein Staat so nicht. Dazu gehört vielmehr die Privatwirtschaft. Darauf werde ich in meinem zweiten Beitrag noch eingehen.
Es wird aber auch deutlich, dass das Gründerverhal ten, die Gründerkultur oder die Gründerinnenkultur, zumindest aus der Sicht der FDP in Bremen weder besser noch schlechter ist als in Deutschland. Ich behaupte sogar, sie ist besser als im Bundesdurch schnitt. Daher ist es schwierig, solche Debatten zu führen, wie wir es hier tun, wenn man dabei nicht die guten Strukturen würdigt, die man hat. Das möchte ich gerne tun.
Ich war gestern Abend zum Beispiel im Weser-Stadion. Da machte die Firma Neusta Werbung und sagte: Besuchen Sie uns in unserem Startup. Ich möchte wissen, in welchem deutschen Bundesligastadion Startup-Werbung gemacht wird. Neusta ist ein Un ternehmen mit 1 000 Mitarbeitern. Ich weiß, dass es solche Unternehmen in Hamburg und Berlin nicht gibt. Der Neusta-Startup-Inkubator ist ein Substrat für Gründungen und eine wunderbare Struktur. Das muss genauso erwähnt werden wie weserwork Coworking Space, das BITZ, dass TTZ und der t.i.m.e.Port in Bremerhaven, wenn man über dieses Thema redet.
In meinem zweiten Beitrag werde ich weitere zu würdigende Beispiele aufzeigen. Die müssen wir zur Grundlage nehmen, um dann darauf basierend weiterzuarbeiten. – Der Präsident hustet.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Bergmann, ich habe in meinem ersten Beitrag versucht, zu verdeutlichen, dass es eben nicht im Wesentlichen eine Frage von Bürokra tismus oder von steuerlichen Anreizen ist, was dazu führt, dass vermeintlich weniger privates Kapital investiert wird als in den USA. Das ist es nicht, denn in Berlin funktioniert es. Dort gibt es Investoren, die irgendwann einen Kulturwandel vollzogen haben und sich als strategische Investoren in Berlin auf den Markt begeben haben.
Es sind tatsächlich diese historisch gewachsene Un ternehmerinnen- und Unternehmerkultur und die Un terschiede zwischen den beiden Wirtschaftssystemen in den USA und in Deutschland. Diese gilt es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu überwinden. Vielleicht gelingt uns das. Ob wir es aber genauso haben wollen wie in den USA, weiß ich gar nicht. Das ist eine ganz andere Frage. Sie haben in Ihrer ersten Rede von sozialer Marktwirtschaft gesprochen. Insofern wäre das wirklich eine Debatte, für die wir mehr als zweimal fünf Minuten bräuchten.
Liebe Frau Steiner, liebe Frau Bergmann, Ihre Anträge sollen suggerieren, dass wir keine gute Gründer-
und Gründerinnenkultur in Bremen haben. Das ist einfach falsch!
Nein, das steht da! Wenn man das liest, dann will man es herstellen, und wenn man es herstellen will, wird suggeriert, dass man es nicht hat. Insofern möchte ich – das habe ich in meinem ersten Beitrag schon an gekündigt – die bestehenden Angebote wie B.E.G.IN, Neusta oder weserwork würdigen. Dabei möchte ich nur die laufende Woche in Ihr Bewusstsein rücken. Heute ist in Bremen im Excellerator der SWB eine Open Pitch Night. Gestern war zu lesen, dass Merce des Benz Bremen und SWB Smart Tech Trophy 2016 ausrichten. Mit Mercedes Benz und SWB sind zwei der größten Arbeitgeber in der Region gemeinsam aktiv, um neuen Geschäftsideen rund um die Stadt der Zukunft Starthilfe zu geben. Ebenfalls war gestern zu lesen, dass das Bremische Startup-Unternehmen Sensosurf den bundesweiten Gründerwettbewerb Weconomy gewinnt. Ebenso war gestern über einen virtuellen Flug über Mars und Mond zu lesen. Eine neue Anwendung namens Bennet-Server sei in der Jacobs University konzipiert worden. Vorgestern stand ein großer Artikel in unserer regionalen Zeitung, in dem auf die „Höhle der Löwen“ hingewiesen wurde.
Papa Türk und Reishunger wurden als zwei Unter nehmen dargestellt, die in Bremen erfolgreich die Gründerinnen- und Gründerszene durchlebt haben.
Gleiches gilt für Toby Rich oder Mexican Tears, die alle das Brutprogramm Bremens durchlaufen haben. In einem Fall gibt es sogar noch ein Mikrodarlehen, in einem weiteren Fall eine offene Unternehmens beteiligung, und in einem weiteren Fall liegt ein Antrag auf Landesinvestitionsförderung vor. Die vier Unternehmen waren in der „Höhle der Löwen“ und waren alle erfolgreich. Das sind mehr als fünf Prozent der Unternehmen, die sich dort dargestellt haben. Fünf Prozent ist doch eine gute Quote.
Vorgestern war zehnjähriges Bestehen von Bella donna, Gründerinnen- und Gründerkultur. Darauf gehen Sie in Ihren Anträgen gar nicht ein. Das müssen Sie doch auch einmal sehen. Oder nehmen wir den Artikel von heute, den Sie zitiert haben: Veranstal tungsreihe „Waschecht für Bremer Startup-Szene beleben und Ideen von Anfang an unterstützen“. Ich finde das Super.
Bremen ist ein sehr spannendes Pflaster, sagt Pa panouskas, der Geschäftsführer und Gründer der Hamburger Agentur Assassin Design. Ich habe das Gefühl, dass viele interessiert sind, aber dass es für sie noch nicht genügend Bühnen gibt. Eine weitere Bühne finde ich toll. Ich begrüße immer mehr Bühnen und immer mehr Aktivitäten. Selbst der Wirtschaftsrat Deutschland – zumindest ist bei mir diese Woche eine Einladung eingegangen – macht am 29. September eine Veranstaltung und fragt: Wie gründerfreundlich ist eigentlich Bremen? Ich kann nur empfehlen: Gehen Sie dieses Thema positiv an, denn wir haben eine super Gründerkultur.
Wir müssen darauf aufbauen. Wir müssen Mut ma chen, wir müssen Perspektiven aufzeigen, und wir müssen dazu beitragen, dass es diese Kultur gibt, und nicht über irgendwelche fadenscheinigen oder parteipolitisch motivierten Anträge diskutieren.
Meine Meinung ist ganz klar: Wir brauchen kein Startup-Culture-House, wie es die FDP fordert. Wir brauchen kein Gründerzentrum im Grünen im Techno logiepark, wie die CDU es fordert, wenn – ich mache eine Einschränkung – es keine privaten Initiatoren gibt, die das machen,
wie zum Beispiel beim Betahouse in Hamburg, in Barcelona und in Berlin – in Köln ist es übrigens Pleite gegangen – oder wie zum Beispiel in der Fabrik in Berlin. Ich finde das super. Frau Steiner, wenn Sie sagen, Sie gründen hier demnächst ein StartupCulture-House, dann haben Sie mich an Ihrer Seite.
Das unterstütze ich, das finde ich total super. Die Initiative muss aber von Privaten ausgehen.
Ich möchte es am Ende meiner Rede noch einmal sagen dürfen, Herr Präsident! – Wir müssen die gu ten bestehenden Strukturen noch besser vernetzen, vermarkten und würdigen. Nur so geht es. Es muss eine positiver Kultur entstehen, ein positives Klima, sonst bewirken wir das Gegenteil.
Ich mache ein Angebot an alle Fraktionen in diesem Haus. Die SPD-Fraktion hat eine Kleine Anfrage eingereicht und versucht gerade, ganz fundiert he rausarbeiten zu lassen, wie die Gründerszene hier im Moment ausschaut. Lassen Sie uns das bitte zur
Grundlage nehmen und vom gesamten Haus einen gemeinsamen Antrag einbringen, den wir gemeinsam beschließen. Lassen Sie uns gemeinsam vorangehen und das tun, was notwendig ist, um die Situation noch besser zu machen, als sie heute schon ist! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Frau Steiner, ganz kurz nur: Ich finde es gut, dass wir diesen positiven Abschluss haben und sagen: Wir machen etwas gemeinsam. Abgeschrieben haben wir von Ihnen nicht. Ich würde mich noch einmal in mei nem Büro erkundigen, aber das ist dort, glaube ich, entstanden. Vielleicht liegt es auch am Thema, dass sich Fragestellungen überschneiden.
Die Zahlen, die Sie eben vorgetragen haben, sind zum größten Teil auch darauf zurückzuführen, dass wir eine haushaltslose Zeit hatten und keine Mittel fließen konnten, vor allem die eine Null, die Sie er wähnten. Meine Rede war noch zum Teil durch die Kritik beeinflusst, die es vor einiger Zeit gab. Das
war zeitlich deckungsgleich, damit haben Sie nichts zu tun. Aber mit dem Eingang Ihrer Anfrage gab es einen großen Bericht im „Weser-Kurier“. Drei Grün der haben sich darüber beschwert, dass in Bremen keinerlei Strukturen existieren würden und ihnen überhaupt nicht geholfen würde.
Daraufhin habe ich mich erkundigt und gefragt: Wie kann es angehen, dass ihnen nicht geholfen wurde? Darauf wurde mir gesagt: Moment, sie haben auch ein Grundprogramm durchlaufen. Sie waren sogar persönlich beim Bürgermeister und haben dort vor sprechen dürfen. Dann habe ich gefragt: Was kann man als Staat noch tun, um eine positive Gründerkultur zu etablieren? – Lassen Sie uns das als Basis nehmen, vielleicht auch, um den Appell an die Privatwirtschaft zu richten und die Kultur in dieser Richtung zu opti mieren – alle gemeinsam! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bremen und Bremer haven als wachsende Städte weiterzuentwickeln ist aus meiner Sicht die einzige Chance, sowohl die fiskalpolitische Eigenständigkeit unseres Bundeslan des als auch dessen Selbstständigkeit zu erhalten, denn nur zusätzliche Arbeitsplätze und Einwohner, die sich hier wohlfühlen, führen zu den notwendigen Einnahmeerhöhungen, um lebens- und liebenswerte Städte zu gestalten.
Es ist kein Geheimnis, dass bereits heute in vielen Bereichen mehr ausgegeben werden könnte bezie
hungsweise teilweise auch müsste, aber die bremische Haushaltsstruktur ist bekannt. Unter anderem führen hohe Zinslasten und eine aus bremischer Sicht unge rechte Steuerverteilung dazu, dass Wirtschaftskraft auf der einen Seite und Finanzierungsspielräume auf der anderen Seite in Bremen nicht positiv korrelieren. Auch im Bereich Wirtschaft könnte beziehungsweise müsste mehr ausgegeben werden.
Ich möchte einige Beispiele nennen, in die man in vestieren könnte: noch stärker in die Gewerbeflä chenentwicklung, noch stärker in die Kommuni kationsinfrastruktur, Verkehrsinfrastruktur, in die Innovationsförderung und Kultur- und Kreativwirt schaft, in die betriebliche Investitionsförderung, in die Innenstadtentwicklung, in die Tourismusförderung, und so weiter, und vieles mehr. Das ist aber leider so nicht möglich, wie ich eben ausgeführt habe.
Insofern besteht gerade in den Zeiten, in denen wir leben, in Zeiten knapper Haushalte, die Kunst der Politik darin, pointierte strategische Schwerpunkte zu setzen. Ich meine, das ist vor dem Hintergrund der schwierigen Rahmenbedingungen sehr gut gelungen.
Die Haushaltsansätze für das Wirtschaftsressort schaf fen einen unter diesen Umständen bestmöglichen Rahmen für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspo litik. Lassen Sie mich das anhand einiger Beispiele konkretisieren. Die wirtschaftspolitische Lage ist stabil und gut, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen steigt seit Jahren konstant. Wir haben heute eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige Wirt schaftsstruktur. Das war nicht immer so. Ich kenne auch Zeiten, in denen das nicht so war. Das heißt nicht, dass wir immer weiter den Strukturwandel angehen und fördern müssen, aber eine Strukturschwäche, wie wir sie beispielsweise noch zu Zeiten der Bremer Vulkan hatten, ist überwunden.
Die definierten wirtschaftspolitischen Cluster, in klusive der Automobilwirtschaft, sind der Sockel für ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum. Das ist das Ergebnis einer Politik. Die unternehmensna hen Dienstleistungsunternehmen in Bremen, zum Beispiel aus der IT-Wirtschaft, profitieren von dieser Wirtschaftspolitik und sind selbst Wachstumstreiber. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrneh men, darauf hinzuweisen, dass Bremens IT-Wirtschaft richtig gut ist, richtig klasse ist, und dass diese ITWirtschaft zusammen mit einer guten Wissenschaft die Grundlage dafür ist, dass die Zukunftsfähigkeit dieses Standortes auf gutem Boden steht, Stichwort Digitalisierung der Gesellschaft und so weiter.
Was machen wir im Bereich Infrastruktur und Ge werbeflächen? Wir schaffen mit der Erweiterung der
Hansalinie die Voraussetzung, dass Mercedes und die Zulieferer weitere Arbeitsplätze schaffen können. Wir sichern somit den Automobilstandort Bremen im Osten unserer Stadt ab. Wir schaffen mit dem Eco MaT in der Airport-Stadt eine anwendungsorientierte unternehmensnahe Forschungseinrichtung, um den Wissenstransfer zu fördern. So sichern wir den Luft- und Raumfahrtstandort Bremen nachhaltig ab. Wir investieren in Bremerhaven in die Infrastruktur und schaffen damit die Voraussetzungen dafür, dass die Werftindustrie – ich betone ausdrücklich auch die interessanten Zuliefererbetriebe – eine neue Zukunft erhält, und auch hier gute sozialversicherungspflich tige Arbeitsplätze geschaffen werden.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Industriepolitik! Wir haben lange an der Lloyd Werft festgehalten. Das hätten andere Regierungen vielleicht anders gemacht. Ich finde, das ist am Ende durch das Investment von Genting erfolgreich ausgegangen.
Wir investieren zudem in die Überseestadt – ich nenne exemplarisch die Projekte Weiche Kante, die Öffnung des Großmarkts, den Schuppen 3 – und leisten somit einen wirtschaftspolitischen Beitrag für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung im Bremer Westen. Wir investieren nicht nur in Hardware, wir stellen auch mehr Geld für die Kultur- und Krea tivwirtschaft zur Verfügung, als wir zu Anfang der Legislaturperiode gedacht haben. Wir haben auch das Innovationsprogramm LuRaFo für die Luft- und Raumfahrt auf den Weg gebracht, um Bremen als Innovationsstandort zu stärken.
Wie gesagt, es könnte immer mehr sein. Ich persönlich wünschte mir auch mehr. Ich wünschte mir auch, dass wir es schaffen, in Zukunft die Expansionsnotwen digkeiten intensiv anzugehen, aber das, was wir im Moment ausgeben können, wird aus meiner Sicht strategisch richtig ausgegeben, richtig priorisiert und auf eine vernünftige Art und Weise investiert. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Beabsichtigt der Senat bei Erhalt der heutigen Überwachungsdichte und des heutigen Sicherheitsniveaus eine gesetzliche Grundlage für den dauerhaften Bestandsschutz sicherer Fahrgeschäfte zu schaffen, um geleistete Investitionen zu schützen?
Zweitens: Wird sich der Senat, wie von den Schaustellerverbänden gefordert, im Bundesrat der Initiative des Freistaats Bayern anschließen, der zufolge Ausführungsgenehmigungen für fliegende Bauten unbefristet erteilt werden sollen?
Sie schreiben in der Antwort auf Frage zwei, dass die Beibehaltung der jetzigen Genehmigungssystematik Fliegender Bauten von der Fachkommission Bauaufsicht mehrheitlich befürwortet wird.
Wer ist Mitglied in dieser Fachkommission Bauaufsicht?
Ist das bremenspezifisch, oder ist das bundesweit?
Sie schreiben in der Antwort auf Frage zwei, dass die unbefristete Ausführungsgenehmigung, also sozusagen der Bestandsschutz, nur auf der Grundlage der geltenden neuen TA-Bestimmung erfolgen kann. Nun wissen wir aber, dass die anderen europäischen Länder einen Bestandsschutz ermöglicht haben und Bayern die Initiative auch startet. Wie machen die das? Wie können andere Länder diesen Bestandsschutz einrichten und wir nicht?
Ich verstehe die Argumentation sehr gut. Nun haben wir aber am 21. April des letzten Jahres, eindeutig nach dem Love-Parade-Unfall in dieser Bürgerschaft über alle Fraktionen hinweg einen einstimmigen Beschluss gefasst,
der sich eindeutig dafür ausgesprochen hat, den Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte zu gewährleisten. Wir fordern den Senat unter Punkt zwei im Erschließungsteil dazu auf, die landesrechtliche Norm entsprechend anzupassen und uns dahin gehend einen Bericht zu erstatten. Das ist bis heute nicht erfolgt. Insofern verstehe ich nicht ganz, wie das mit dieser Antwort zusammenpasst.
Herr Senator, es leuchtet mir ein, was Sie sagen. Es muss aber in irgendeiner Form einen Ermessensspielraum geben, weil andere Länder anders vorgehen. Insofern möchte ich Sie fragen, wie hoch der Ermessensspielraum in solchen Fragestellungen eingeschätzt wird.
Zunächst einmal bin ich dankbar, dass Sie sich der Thematik weiter widmen wollen. Ich möchte Sie fragen, ob wir diesen schriftlichen Bericht, den Sie uns zuleiten, dann noch einmal persönlich diskutieren können, da es mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz einleuchtet, wenn wir auf der einer Seite einen Bürgerschaftsbeschluss haben, der in diesem Hause einstimmig ist, und Sie dann auf der anderen Seite behaupten, dass der Verwaltungsangestellte die volle Verantwortung zu übernehmen hat.
Herzlichen Dank! Sie hatten eben den Bundesverkehrswegeplan und die Notwendigkeit der Verlagerung der Verkehre von Straße auf Schiene und Flüsse angesprochen und sagten dann aber, die Mittelweser sei nicht dafür geeignet, ausgebaut oder begradigt zu werden. Welcher Fluss ist denn Ihrer Ansicht nach geeignet?
Eine Verlagerung von Straße auf Fluss findet nun aber komischerweise nicht statt. Was muss man denn tun, damit eine Verlagerung stattfinden kann?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren jetzt die Änderung des Bremischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe. Das tun wir in zwei Punkten: Der erste Punkt ist die freihändige Vergabe und beschränkte Ausschreibung nur mit Tarifbindung. Dazu wird später mein Kollege Dieter Reinken noch etwas sagen. Der zweite Punkt, den wir hier debattieren, sind die Wertgrenzen. Wir wollen die Wertgrenzen für freihändige und beschränkte Vergaben anheben. Dazu möchte ich im Folgenden einige Ausführungen machen.
Erlauben Sie mir, dass ich das Thema in einen etwas größeren Kontext stelle! Derzeit findet auf Bundesebene eine Modernisierung des Vergaberechts auf Basis der EU-Vergaberichtlinien statt. Ziele sind dabei, eine elektronische Vergabe zum Standard zu machen und darüber die Transparenz, die Effizienz und vor allem die Geschwindigkeit von Vergaben massiv zu steigern. Ich finde, das ist ein richtig guter Schritt, der da gemacht wird. Das ist im Prinzip der Rahmen, innerhalb dessen wir uns bewegen.
Die rot-grüne Koalition in Bremen hat in der letzten Legislaturperiode zwei Anträge zum Thema Vergabe auf den Weg gebracht. Zum einen die Einführung einer zentralen Servicestelle für Vergaben, zum anderen einen Antrag, der lautete: „Fit für die Vergabe“. Die Ziele waren auch hier: Transparenz, Effizienz und Geschwindigkeit von Vergaben steigern und auch – daraus machen wir keinen Hehl –, die regionale Wirtschaft für den Wettbewerb um öffentliche Vergaben befähigen, sie zu stärken, sodass ein Höchstmaß an Steueraufkommen hier im Lande verbleibt.
Lassen Sie mich kurz auf das Thema Transparenz beziehungsweise – ich nenne es beim Wort –: Korruption eingehen! Wir glauben nicht, dass hinter jedem Busch ein korruptes Unternehmen steckt. Wir glauben stattdessen, dass ein Klima der Angstfreiheit und des Vertrauens im Wesentlichen ein guter Standortfaktor für den regionalen Wettbewerb ist. Um das zu fördern
und auch um Gerüchten, Falschbehauptungen und einem Denunziantentum entgegenzutreten, stellen wir hohe Ansprüche an Transparenz. Wir wollen, dass die Verfahren idealerweise im Internet transparent dargestellt werden, für jeden nachvollziehbar, und auch dazu soll die von uns initiierte zentrale Servicestelle für Vergaben beitragen.
Ich komme im Zusammenhang mit den Wertgrenzen zum eigentlichen Thema der Effizienz und Geschwindigkeitserhöhung, dem Beitrag zum Bürokratieabbau. Niedrige Wertgrenzen bei öffentlichen Vergaben führen bei relativ kleinen Auftragsvolumina zu aus unserer Sicht unnötig hoher Bürokratie. Das möchten wir reduzieren. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Wertgrenzen in Bremen am niedrigsten sind. Sie zu erhöhen, ist durchaus zu verantworten. Es ist ein konkreter Beitrag zur Beschleunigung der Verfahren und zur Reduktion der Prozesskosten. Gerade die aktuelle städtebauliche Herausforderung in Bremen, die ein schnelles Handeln gebietet, ist ein weiteres Argument für die Erhöhung der Wertgrenzen.
Was tun wir konkret? Bei der freihändigen Vergabe erhöhen wir für alle Gewerke die Wertgrenzen von 10 000 auf 50 000 Euro. Bei der beschränkten Ausschreibung für Bau erhöhen wir die Wertgrenzen von 150 000 auf 500 000 Euro und für Dienstleistungen von 40 000 auf 100 000 Euro. Wir schaffen den Tatbestand der Begründung ab. Das ist mir persönlich ganz wichtig. Das heißt, es sind keine kreativen Begründungen mehr notwendig, warum innerhalb beziehungsweise unterhalb der Wertgrenzen freihändig vergeben respektive beschränkt ausgeschrieben werden kann. Das spart Zeit und Prozesskosten und am Ende durch die Auswahl verlässlicher Auftragnehmer Geld. Davon sind wir fest überzeugt, weil hierüber Fehler und teure Nachträge maßgeblich reduziert werden können.
Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf hinweisen, dass wir uns mit dem heutigen Beschluss unserer Schwesterstadt Hamburg annähern! Die CDU hätte gerne noch höhere Wertgrenzen gehabt. Wir hätten durchaus damit sympathisieren können, meinen aber, dass wir einen guten Kompromiss gefunden haben. Andere Bundesländer haben deutlich höhere Wertgrenzen als die, die wir jetzt beschließen. Wir meinen aber, wir machen einen richtigen Schritt. Schauen wir, wie sich das auch vor dem Hintergrund der Kritik des Rechnungshofes, die durchaus berechtigt ist, auswirken wird! Schauen wir, ob es wirklich zur Erhöhung der Preise kommt! Ich persönlich glaube das nicht. Ich gehe davon aus, dass wir unseren Vergabestellen höchstes Vertrauen schenken können,
im Rahmen der jetzt geschaffenen Wertgrenzen transparent und seriös zu arbeiten, die Prozesse zu beschleunigen, die richtigen lokalen Auftragnehmer für eine vertrauensvolle und qualitativ gute Zusammenarbeit auszuwählen und dabei die Prozesskosten deutlich zu reduzieren, ohne dass es am Ende höhere Auftragswerte geben muss.
Wir hoffen sehr, dass die Vergabestellen des Landes von diesen verbesserten Möglichkeiten der Vergabe intensiv Gebrauch machen werden. – An dieser Stelle läutet die Glocke, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kastendiek, ich würde mich freuen, wenn Sie noch einmal kurz nach vorne kommen und erklären, wo Sie in unserem Antrag die Punkte zwei, drei, vier, irgendetwas mit Existenzgründungen und Nebenangeboten, lesen. Die stehen in dem Antrag, den wir eingebracht haben und jetzt beschließen werden, nicht drin.
Das stand vorher einmal drin, aber nicht in dem Antrag, den wir jetzt beschließen!
Sie unterstellen uns, dass wir, selbst wenn es nur 10 bis 20 Prozent der Fälle sind, die von einer Tarifbindung betroffen sind, eine Symbolpolitik machen wollen! Mir fehlen die Worte. Selbst wenn wir nur zwei bis drei Prozent der Fälle darüber verbessern würden, wäre das doch ein Erfolg!
Ich habe in meinem ersten Redebeitrag durchaus Sympathie für Ihren Antrag geäußert. Ich wäre gern auch ein Stück weiter gegangen. Geben Sie doch zu, dass wir als Koalition hier einen richtigen, guten Schritt in die richtige Richtung machen, und versuchen Sie nicht, Nebelkerzen zu werfen!
Vielen Dank, Frau Bernhard, dass Sie das so bewertet haben, wie Sie es in Bezug auf die Wertgrenzen getan haben! Ich finde, das ist eine richtige Einstellung, und darüber freue ich mich sehr. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch die
SPD-Fraktion legt großen Wert darauf, dass wir am Ende hier in Bremen sämtliche Fördermittel bekommen.
Das möchte ich hier einmal konstatieren. Das sieht unser Koalitionspartner genauso. Das ist uns wichtig.
Aber anders als die Opposition – zumindest DIE LINKE hat sich hier schon geäußert – sehen wir hier kein Riesenproblem und schon gar keinen Ansatz eines Skandals. Sie haben das Bürokratiemonstrum genannt, Herr Rupp. Wir haben es in der Tat mit einer sehr schwierigen Struktur zu tun. Ja, es sind Fehler gemacht worden, die letztlich dazu geführt haben, dass es einen Zahlungsstopp durch die EU-Kommission gegeben hat.
Das ist aber auch nichts Ungewöhnliches. Das stellt man fest, wenn man in andere Bundesländer schaut. Das passiert nicht nur in Bremen. Auch das haben Sie, glaube ich, konstatiert. Insofern weise ich gern noch einmal darauf hin, warum es zu solchen Fehlern kommen kann oder – wie ich fast behaupten möchte – warum solche Fehler fast schon vorprogrammiert sind. Neben einer zwischenzeitlichen Personalknappheit – die ist auch in der Antwort auf die Große Anfrage konstatiert worden – haben wir es hier mit einer sehr komplizierten Behördenstruktur zu tun. Da gibt es eine ESF-Bescheinigungsbehörde. Da gibt es eine EFRE-Bescheinigungsbehörde. Da gibt es eine ESF-Verwaltungsbehörde und eine EFRE-Verwaltungsbehörde. Da gibt es Zwischengeschaltete Stellen. Da gibt eine gemeinsame ESF- und EFRE-Prüfbehörde, und das Ganze wird auch noch einmal von der EU-Kommission geprüft. Also auch da gibt es noch einmal eine Prüfinstanz. Wer da hundertprozentig durchschaut, den bitte ich, sich einmal mit mir zusammenzusetzen, damit man das einmal alles diskutiert – nicht nur hinsichtlich der Sinnhaftigkeit, sondern auch hinsichtlich der Transparenz.
Dann gibt es alle sieben Jahre noch Überlappungen von Förderperioden. Das führt auch dazu, dass die Fehleranfälligkeit steigt. Hinzu kommt – das gehört zur Wahrheit auch dazu, Herr Rupp –, dass die EUKommission erst sehr spät überhaupt mitgeteilt hat, wie die Prüfregeln auszusehen haben, und mit deutlich gestiegenen Anforderungen an Verfahren und Dokumentation gekommen ist. Da können Fehler passieren. Das muss man einfach zugestehen.
Trotzdem sagt auch die SPD-Fraktion, sie sieht die Notwendigkeit, dass alles getan wird, damit uns nichts entgeht. Aus diesem Grund haben wir uns in der Deputation auch häufiger über den aktuellen Sachstand informieren lassen. Insofern kann ich heute sagen: Mein Gefühl ist, dass uns das Ressort in unseren Deputationssitzungen regelmäßig umfassend über die Situation informiert hat. Wir wissen, dass der Staatsrat in einem intensiven Austausch mit Brüssel steht und
versucht, Lösungen zu finden, um die Fehler, die nun einmal passiert sind, aus eben gesagten Gründen zu bereinigen. Dass es auch Deals gibt, ist im Umgang mit der EU-Kommission offensichtlich normal. Das machen auch andere Länder. Da muss eben diese Komplexität, die scheinbar nicht mehr zu handeln ist, durch einfache Lösungen substituiert werden. Anders geht es scheinbar nicht.
Die Organisationsstrukturen in Bremen sind verbessert worden. Es ist Personal eingestellt worden. Die Prüfbehörde ist zum Senator für Finanzen verlagert worden, um eine größere Neutralität, aber auch eine größere Personalstärke zu schaffen.
Nach der Antwort auf die Große Anfrage, für die ich übrigens dankbar bin – ich finde es gut, dass Sie sie eingebracht haben, Herr Rupp –, sehe ich die Situation etwas anders als Sie, denn sie attestiert, dass alles getan wird, um am Ende hier in Bremen sämtliches Fördergeld aus der Förderperiode 2007 bis 2013 zu bekommen.
Für die SPD-Fraktion will ich auf der einen Seite sagen: Das ist die Interpretation, die wir haben. Auf der anderen Seite haben wir – wie Sie – aber auch ganz klar die Erwartung in Richtung Senat, dass alles getan wird, um zum einen das Fördergeld für diese Förderperiode zu bekommen, zum anderen aber auch die Träger, die von diesen Mitteln profitieren, zu schützen, indem das Geld entsprechend ankommt oder Lösungen gefunden werden für den Fall, dass am Ende tatsächlich ein kleiner Rest übrigbleibt, der hier nicht ankommt.
Wir gehen allerdings nach der Antwort auf die Große Anfrage von Folgendem aus: Schauen Sie sich allein die Antwort auf die Frage vier an! Darin steht eindeutig, dass für ESF bereits erreicht wurde, dass hier sämtliches Geld ankommen wird, und man für EFRE davon ausgeht, dass das ebenfalls erreicht wird. Insofern besteht Grund, alles zu tun, dass wir hier keinen Verlust erleiden, aber es besteht kein Riesengrund zur Sorge, dass wir viel Geld verlieren werden. Wir werden – das ist uns wichtig – die Augen offenhalten, dass die Projektträger nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, dass die Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten wird. Das ist letztlich das, worauf es unseres Erachtens ankommt.
Wie gesagt: kein Grund, einen Skandal auszurufen! Lassen Sie uns das Thema alle miteinander ganz entspannt angehen – Kollege Kastendiek kommt gleich nach vorn, er wird auch etwas sagen –, dass Bremen keinen Verlust erleidet. Wir gehen davon aus, dass es nicht der Fall sein wird. – An dieser Stelle zunächst einmal vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist ja doch noch eine ganz spannende und erfreuliche Debatte, die wir hier führen.
Doch, das finde ich erfreulich! Ich komme gleich noch dazu. Es ist erfreulich, weil es dazu beiträgt, dass wir hier Transparenz bekommen. Es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, dafür zu sorgen, dass Transparenz entsteht. Wir sind Volksvertreter. Wir sind dazu da, der Öffentlichkeit die Situation zu präsentieren, wie sie tatsächlich ist.
Darum, Herr Rupp, können Sie uns auch kein – wie nannten Sie es? – inadäquates Problembewusstsein vorwerfen. Zum einen habe ich mich eben explizit bei Ihnen bedankt, dass wir heute diese Große Anfrage hier diskutieren. Das ist in Ordnung. Zum anderen habe ich eben in meinem ersten Redebeitrag
darauf hingewiesen, dass wir, auch die Regierungsfraktionen, diverse Male das Ressort gefragt haben, wo wir stehen, wie der Status ist. Das ist nichts, was die Opposition für sich reklamieren kann. Das ist nicht der Fall.
Im Übrigen haben wir dieses Thema schon vor einigen Monaten – ich meine, das war in der letzten Legislaturperiode – schon einmal debattiert, nämlich als die Fehler entstanden sind, haben das hinsichtlich der Problemlage diskutiert. Insofern: Uns ein fehlendes Problembewusstsein vorzuwerfen, ist falsch!
Herr Kastendiek, Sie müssen aber auch bei der Wahrheit bleiben! Ich fand, in Ihrer Rede haben Sie ein paar Dinge sehr unschön dargestellt. Ich will nicht sagen, dass Sie die Öffentlichkeit an der Nase herumführen. Zu sagen, 14 Millionen Euro seien schon weg, ist Quatsch.
Entschuldigen Sie, das ist einfach falsch!
Die sind, wie auch alle anderen Zahlen bis zur 60Millionen-Euro-Grenze, die Sie hier aufgemacht haben, aus dem Haushalt vorfinanziert. Die sind nicht weg.
Inwieweit wir die im Rahmen der Verhandlungen mit Brüssel wiederbekommen – darauf hat der Kollege Fecker völlig richtig hingewiesen –, wissen wir jetzt noch nicht.
Wir gehen davon aus – Sie können gleich noch einmal nach vorne kommen – –.
Kommen Sie gleich nach vorne und erklären Sie es uns hier! – Sie haben gesagt, das Geld sei weg. Das Geld ist nicht weg! Dabei bleibe ich.
Wir können zum jetzigen Zeitpunkt keinen Schaden identifizieren.
Das wissen wir alles, wenn die Verhandlungen mit der EU-Kommission abgeschlossen sind. Das wird Ihnen sicherlich auch der Staatsrat gleich noch einmal erklären, wenn Sie es nicht verstanden haben.
Ich gehe davon aus, dass wir das in einigen Monaten wissen werden. Dann kennen wir die Situation. Jetzt – da hat der Kollege Fecker völlig recht – ist das völlige Glaskugelleserei. Ich habe überhaupt keine Lust, mich daran zu beteiligen. Ich möchte nur, dass wir hier fair bleiben und keine Tatsachen vertauschen.
Sie sagen, Personalüberhang auf der einen Seite, Personalmangel auf der anderen Seite. Ein Personalüberhang ist eine Größe in Relation zur Personalzielzahl. Den haben wir in der Tat, weil die Ziele entsprechend niedrig angesetzt werden, wenn man Personal abbaut.
Herr Kollege Dr. Hilz, die SPD baut nicht unendlich Personal auf. Diese Koalition baut seit vielen Jahren Personal ab, um den Sparzielen gerecht zu werden. Dann hat man natürlich entsprechend niedrige Personalzielzahlen. Wenn man dann einen Überhang hat, ist die Schlussfolgerung daraus, dass man sich sehr ambitionierte Ziele steckt.
Ein Personalmangel hingegen beschreibt die Situation in Bezug auf die zu erledigenden Aufgaben. Da bin ich bei den LINKEN. Da haben sie recht, dass wir viel zu viele Aufgaben haben und dafür viel zu wenig Personal. Das ist die Situation, wie wir sie haben. Das ist nichts Neues. Das haben wir alle erkannt. Insofern muss man auch bei der Wahrheit bleiben, Herr Kastendiek, und darf hier nicht einfach solche Größen durcheinander werfen und die Öffentlichkeit sowohl mit falschen Behauptungen hinsichtlich der Personalsituation im Ressort als auch mit falschen Behauptungen irgendwelcher Gelder, die weg seien, täuschen. Das können wir hier so nicht stehenlassen.
Wir als SPD-Fraktion gehen davon aus – ich sage das noch einmal ganz deutlich, ich glaube, Kollege Fecker hat das eben genauso gemacht –, dass der Senat, und ganz vorne, vorweg das Wirtschaftsressort, alles dafür tun wird, dass uns hier kein Schaden entstehen wird. Kollege Rupp, wir wissen natürlich: Wir werden wahrscheinlich einen Zinsschaden haben. Der ist da. Darum können wir nicht herumreden, ja. Aber darüber hinaus erwarten wir, dass das Geld hineinverhandelt wird, dass es in unser Bundesland hineinkommt. Nach der Antwort auf diese Große Anfrage sind wir positiv. Wir sind optimistisch. Wir gehen davon aus, dass es gelingen wird. Wir wünschen dem Senat dabei gutes Gelingen. Aber ich lobe den Senat nicht – da hat der Kollege Kastendiek recht –, sondern wir fordern ihn dazu auf, alles dafür zu tun, dass die Träger nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Ich stelle fest, aus den 17 Millionen Euro respektive 60 Millionen Euro sind jetzt 14 Millionen Euro geworden. Es ist richtig: Die sind dort aufgeführt. Es entspricht dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip, dass man das als Verlustvortrag einstellt.
Die Aussage, das sei weg, ist falsch. Wir befinden uns in einem kameralistischen System. Noch einmal: Wie viel von diesem Geld am Ende weg sein wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Wir befinden uns in Verhandlungen, auch diese 14 Millionen Euro hineinzuverhandeln. Wir als SPD-Fraktion drücken dem Senator dafür die Daumen. Wir gehen davon aus und wollen auch, dass das alles wieder hereingeholt wird. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein die Unternehmen in Japan und in Europa haben in den letzten drei Jahren auf die sinkende Stahlnachfrage mit dem Abbau von Kapazitäten reagiert. China hat es nicht getan, im Gegenteil! In China haben wir die Struktur, dass die Stahlwerke in Staatshand sind. Dort ist das Gegenteil passiert.
Lassen Sie mich einen kurzen Blick in die Vergangenheit richten! Der Kollege Kastendiek hat das auch getan. Im Jahr 2008 gab es eine Weltwirtschaftskrise. China hat ein gigantisches Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht.
Zur Wahrheit gehört, dass alle froh waren, dass das passiert ist. China hat damals praktisch die Rolle der USA übernommen und ist zum Motor der Weltwirtschaft geworden. Es hat massiv davon profitiert. Wie der Einfluss Chinas auch heute noch auf unsere regionale Wirtschaft wirkt, kann man beispielsweise heute im „Weser-Kurier“ lesen. Ich zitiere aus dem heutigen Artikel zur Konjunkturlage:
„‚Die wirtschaftliche Schwäche Chinas trübt auch im Land Bremen die Konjunkturaussichten‘, sagt Andreas Otto, Leiter des Geschäftsbereichs Standortpolitik, Häfen, Verkehr bei der Handelskammer Bremen. Das wird wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Personalpolitik haben. Die Zahl der Angestellten im Großund Außenhandel wird nach Erwartungen der Unternehmen in den kommenden Monaten wohl sinken, auch die Investitionsbereitschaft sei mehr als zurückhaltend.“
Sie sehen, das hängt alles miteinander zusammen. Es ist einfach ein komplexes Konstrukt. Zu sagen, wir ziehen da einfach einmal Zölle ein, ist nicht so ein
fach, das will wohlüberlegt sein. Fakt ist aber – darauf hat auch Herr Kastendiek hingewiesen –, dass es unabhängig vom weiteren Konjunkturverlauf nach 2008 in China nicht gelungen ist, die Kapazitäten wieder abzubauen. Deswegen haben wir heute diese Überkapazitäten bei Stahl, Beton und auch anderen Grundstoffen.
Ich will einmal eine Zahl nennen. Im Jahr 2014 hatten wir in China allein 327 Millionen Tonnen Überkapazitäten. Die Nachfrage der EU liegt gegenwärtig bei 150 Millionen Tonnen. Das macht die Dimensionen deutlich. Das zeigt auf, dass wir es hier mit einem Strukturproblem zu tun haben, dass es nicht eine Situation ist, die sich kurzfristig lösen lässt. Hier haben wir vielmehr ein strukturelles Problem, das man auch mit mittel- und langfristigen Maßnahmen entsprechend bearbeiten muss.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die chinesische Führung in den letzten Jahren immer wieder versprochen hat, die Stahlproduktion zu senken. Das heißt, das Problembewusstsein in der chinesischen Führung ist durchaus vorhanden. In China will man auch den Marktkräften eine zentralere Rolle zugestehen. Aber es es gibt in China in den einzelnen Provinzen aber eben auch Lokalregierungen. Diese Lokalregierungen verhindern das einfach, indem sie Entlassungen verbieten und die Staatsbetriebe vor Ort anweisen, die Kapazitäten aufrechtzuerhalten. Das zeigt das Dilemma. Selbst wenn China – ich sage es einmal so – es wollte, hat China es schwer, auf diese Situation zu reagieren, weil die Lokalregierungen dort eine kräftige Machtposition haben.
Darum ist es aus unserer Sicht richtig, dass die EU reagiert hat. Die EU ist traditionell sehr freihandelsorientiert. Das ist aus unserer Sicht auch grundsätzlich gut so. Hierin liegt auch begründet, dass das Einziehen von Zöllen, also die Einschränkung des Freihandels, nur sehr umständlich erfolgen kann. Das hat gute Gründe. Hier liegen aber gute Gründe vor. Ich glaube, zwischen den hier anwesenden Fraktionen in diesem Hause besteht insofern kein Dissens.
Die EU-Kommission hat nun also für kaltgewalzte Flachstahlerzeugnisse Zölle zwischen 13,8 Prozent und 16 Prozent eingeführt. Vor dem Hintergrund, dass die USA über Zölle von mehreren hundert Prozent diskutieren, mag das mickrig erscheinen. Allerdings weise ich darauf hin, dass vor dem Hintergrund, dass China ein riesiger Absatzmarkt für die hiesige Wirtschaft ist, ein vorsichtiges Vorgehen in diesem Bereich durchaus sinnvoll erscheint. Es ist ein erstes Zeichen. Man sollte jetzt beobachten, wie China insgesamt darauf reagiert, aber auch, wie in China, also auch in den Provinzen, darauf reagiert wird.
Über dieses vorsichtige Vorgehen wird meines Erachtens im Wesentlichen die Gefahr eines Handelskrieges verhindert. Ich möchte kurz erwähnen, dass allein die deutsche Automobilbranche in China einen Marktanteil von 20 Prozent hat und zwei Drittel der aus der EU nach China gehenden Warenlieferun
gen aus Deutschland kommen. China ist also durchaus, wie ich bereits eingangs kurz aufgezeigt habe, eine für uns absolut relevante Größe. Ich denke, wir sollten alles tun, einen Handelskrieg zu vermeiden. Also ein vorsichtiges Vorgehen, aber ein Zeichen ist hier durchaus notwendig! Die eingeführten niedrigen Zölle sind aus meiner Sicht das richtige Zeichen. Dies ist nicht nur aus wirtschaftspolitischer und wettbewerbspolitischer Sicht gut begründet, denn faire Handelsbedingungen sind die Voraussetzungen für freien Handel, sondern auch aus ökologischen und umweltpolitischen Gründen zu begrüßen.
Ganz deutlich muss nämlich einmal gesagt werden, dass die deutschen Stahlwerke die technologisch besten und saubersten der Welt sind. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, in irgendeiner Form Nichtpragmatismus oder an Religiosität grenzendem Glauben an Freihandel den Vorzug zu geben, sondern hier muss einfach pragmatisch vorgegangen und verhindert werden, dass – ich wiederhole ein Zitat von Professor Hickel – die „Dreckschleudern“ aus China überleben und die sauberen Stahlwerke vor Ort ihre Produktion einstellen müssen. Das würde jeglichen technischen Fortschritt in dieser Branche verhindern.
Darum haben wir unseren Antrag sehr konkret formuliert und ganz konkret aufgezeigt, was wir uns vorstellen, Kollege Kastendiek. Wir haben zum einen darauf hingewiesen, dass wir uns wünschen und Hilfe anbieten, damit sich die hiesige Stahlindustrie mit der Wissenschaft ins Benehmen setzt und schaut, wo in Sachen Energie- und Ressourceneffizienz noch Optimierungspotenzial besteht und Wissenstransfer stattfinden kann. Das möchten wir mit auf den Weg bringen und nach allen Kräften fördern. Zum anderen treten wir dafür ein, dass der Erhalt des Vertrauensschutzes bei bestehenden Anlagen zur industriellen Erzeugung von Eigenstrom weiterhin möglich ist und sich der Senat der Bundesratsinitiative des Saarlandes anschließt.
In unserem Antrag gibt es ganz konkrete Forderungen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen, Herr Kastendiek, weil unser Antrag konkreter ist. Wenn ich gleich ein zweites Mal nach vorn komme, kann ich noch ein bisschen konkreter begründen, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.
Jetzt erst einmal grundsätzlich die Aussage, dass wir unseren Antrag als wesentlich geeigneter finden, nicht nur naturgemäß!
Lassen Sie mich noch einen Satz sagen!
Ein letzter Satz muss erlaubt sein, Herr Präsident!
Ich beginne mit einem Satz, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch auf die Gefahr hin, jetzt vielleicht mein Pulver zu verschießen, möchte ich vor dem einen Satz, den ich vorher auch ankündige, auf Frau Bernhard eingehen.
Frau Bernhard, zunächst einmal muss man konstatieren, dass es keine Stahlproduktion ohne den Ausstoß von CO2 gibt. Ich glaube, weder die Koalition noch die anderen hier anwesenden Oppositionsparteien wollen die europäischen Bedingungen für den CO2-Ausstoß lockern. Hier geht es vielmehr darum, dass annähernd faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden.
Ich habe eben kurz mit meinem Kollegen Reinken gerechnet. Ich hatte in meinem ersten Beitrag gesagt, dass die Überkapazität in China bei 327 Tonnen – –.
Bei 327 Millionen Tonnen liegt! 3,5 Millionen Tonnen werden in den Stahlwerken in Bremen pro Jahr produziert. Stellt man die Relation her, so stellt man fest, es sind 93 Stahlwerke, die irgendwo in China verteilt die Landschaft verschmutzen und dafür sorgen, dass es überall Smog gibt. Wir wollen einfach die saubersten Stahlwerke der Welt schützen. Es ist wichtig, dass man sich das vergegenwärtigt! Es geht darum, die saubersten Stahlwerke der Welt zu schützen
und dort den Innovationsprozess ein Stück zu fördern, damit der CO2-Ausstoß noch weiter reduziert werden kann. Das kann nur dort passieren, nicht auf der anderen Seite der Welt, wo heute der Dreck in die Welt geschleudert wird.
Jetzt komme ich zu dem Satz, er ist mir nämlich sehr wichtig: Ich finde das 20-Prozent-Klimaziel der EU in Bezug auf die Energie- und Ressourceneffizienzsteigerung völlig in Ordnung. Daran sollten wir auch festhalten, aber das ist nur sinnvoll, wenn wir den industriellen Teil am Bruttoinlandsprodukt in der EU erhöhen, und zwar idealerweise auf 20 Prozent. Diese Steigerung haben wir mit unserem Antrag gefordert, weil wir nur so – das knüpft an das an, was ich eben gesagt habe – eine fortschrittliche und klimafreundliche Industrie entwickeln können. Alles andere würde dazu führen, dass wir vom Ausland her verdreckt werden. Das wollen wir nicht. Das haben Sie auch gesagt, Frau Bernhard.
Eine Deindustralisierung, die eine Zeitlang echt en vogue war, kann nicht das Ziel sein. Wenn man glaubt, man könne mit Deindustralisierung Umweltschutz betreiben, ist man auf der völlig falschen Fährte.
Im Gegenteil, das führte nicht nur beim Klimaschutz in die völlig falsche Richtung, das führte auch zu Rückschritt und, wie ich behaupte, zu extremer Armut in Europa.
Jetzt möchte ich noch einen Satz zum Senat sagen: Es gehört sich, den Senat einmal zu loben. Ich finde, dass der Senat im Rahmen seiner Möglichkeiten ganz hervorragend agiert hat. Wir sollten nicht glauben, dass ein relativ kleiner, wenn auch technologisch toller Standort, wie ich eben aufgezeigt habe, der Teil des weltgrößten Stahlkonzerns ist, seitens des Senates in irgendeiner Form regiert werden kann. Ich glaube, da machen wir uns auch nichts vor. Unser Senat hat aber mit der Einberufung des Stahlgipfels sehr klug reagiert. Unser Senat hat auf Kommunikation gesetzt. Sowohl der Bürgermeister, der Präsident des Senats, als auch der Wirtschaftssenator haben sich mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zusammengesetzt und knüpfen damit, wie ich hier an dieser Stelle einmal so deutlich sagen muss, an eine gute Tradition an. Wenn es genau in dieser Konstellation zu Zeiten von Klaus Wedemeier nicht schon einmal passiert wäre, gäbe es die Stahlwerke an dieser Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr.
Insofern Gratulation! Wir finden es richtig, wie der Senat hier handelt. Wir ermuntern dazu, weiterhin ganz eng mit den Stahlwerken, mit beiden Seiten, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, im Gespräch zu bleiben und zu schauen, wie man die Kapazitäten hier erhalten kann. Ich glaube, heute wird niemand widersprechen, wenn ich sage, es ist gut, dass wir die Stahlwerke hier haben.
Die Bürgerschaftsfraktionen der SPD und der Grünen konkretisieren mit unserem Antrag das, was wir seitens des Senats erwarten, das brauche ich nicht
noch einmal auszuführen. Ich betone, dass sowohl der Senat als auch die Bürgerschaftsfraktionen alles in ihrer Macht Stehende tun, um diesen wichtigen Industriebetrieb, diesen wichtigen Arbeitgeber, aber eben auch diesen – das knüpft an das an, was Herr Kastendiek gesagt hat – für die Familienunternehmen wichtigen Auftraggeber in dieser Stadt zu halten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir fragen den Senat: Erstens: Teilt der Senat die Befürchtung, dass die Novelle des Kulturgutschutzgesetzes dazu führen könnte, dass die Zahl der Leihgaben an deutsche Museen durch private Kunstsammler abnehmen wird und es zu einer Verlagerung von Kunst ins Ausland kommt? Zweitens: Mit wie vielen Ausfuhranträgen sowie zusätzlichen Kosten für die Länder und die Wirtschaft rechnet der Senat infolge der Gesetzesnovelle? Drittens: Wie bewertet der Senat den Vorschlag, den Schutz national wertvoller Kulturgüter vor Abwanderung ins Ausland ähnlich wie in Frankreich oder Großbritannien durch die Verbindung der Ausfuhrgenehmigungspflicht mit einem staatlichen Vorkaufsrecht sicherzustellen?
Frau Staatsrätin, sollte das Gesetz in der Form novelliert werden, gibt es ja die Notwendigkeit der Kategorisierung der Kulturgüter dahingehend, was nationales Kulturgut ist. Es gibt Grenzen, Wertgrenzen, grundsätzliche sachliche Einschätzungen, aber ob bestimmte Kulturgüter diese Grenzen überschreiten, wird irgendjemand festlegen müssen. Insofern interessiert mich schon, wie in dem Zusammenhang Ihre Vorstellungen sind, ob Sie dort die Behörde verpflichtet sehen und gegebenenfalls auch auf externen Sachverstand zurückgreifen wollen. Gibt es Ideen, wie das geschehen soll?
Mich würde interessieren, was Ihre persönliche Vermutung dafür ist, dass Bremen in beide Richtungen überzeichnet, sowohl beim Reichtum als auch bei der Armut. Sie haben sich ja sehr intensiv damit beschäftigt. Mich interessiert es einfach. Haben Sie eine Vermutung, woran es liegen mag, dass Bremen diese Sonderrolle einnimmt?
Können Sie kurz darstellen, was Sie in diesem Zusammenhang unter einer marktwirtschaftlichen Lösung verstehen?