Protokoll der Sitzung vom 21.01.2016

In den letzten Wintern bedeutete dies, dass Bremen in der kalten Jahreszeit keine Abschiebungen von besonders schutzbedürftigen Personen in die Balkanstaaten durchgeführt hat. Der Grund waren die schon genannten katastrophalen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse für viele Betroffene aus diesen Herkunftsländern.

Meine Damen und Herren, an dieser Realität hat sich nichts Wesentliches geändert, und zwar insbesondere für Roma und andere Minderheiten.

Es hat sich allerdings geändert, dass mittlerweile Albanien, Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, Mazedonien,

Montenegro und Serbien vom Bundesgesetzgeber zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt worden sind. Außerdem haben sich Bund und Länder im September zur konsequenten Umsetzung bestehender Ausreisepflichten verpflichtet. Vor diesem Hintergrund hat das Innenressort entschieden, die Winterregelung in diesem Jahr nicht zu erneuern.

Unsere Fraktion trägt das nur unter einer Voraussetzung mit: Wenn Betroffene vortragen, ihnen drohe nach dem Vollzug der Abschiebung Obdachlosigkeit oder ähnliches Elend, dann erwarten wir, dass die Ausländerbehörden in Bremen und Bremerhaven in jedem Einzelfall sorgfältig sicherstellen, dass niemand bei Eiseskälte in existenzielle Nöte abgeschoben wird.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Uns wurde zugesichert, dass das so gehandhabt wird. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, wie wichtig dieser verantwortungsvolle Umgang für unsere Fraktion ist.

In einer Zeit, in der manche meinen, die Flüchtlingsproblematik wäre durch konsequentes Abschieben zu lösen, gilt ein Bekenntnis für humanitäre Standards vielen als Signal zur falschen Zeit. Wir sagen: Nein, ein solches Bekenntnis ist genau das richtige Signal zur richtigen Zeit, zu jeder Zeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir hätten uns daher durchaus vorstellen können, den weitergehenden Antrag der Linksfraktion zu unterstützen. Auf Wunsch unseres Koalitionspartners werden wir ihn jedoch ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren über etwas, das nicht stattfindet, die Abschiebung von Menschen, die alt und krank sind und vom Tode bedroht wären, wenn sie im Winter dorthin abgeschoben würden. Das findet nicht statt, dafür gibt es heute rechtliche Mittel, die von diesen Menschen und natürlich von ihren Rechtsvertretern, ihren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, genutzt werden. Insofern muss man sich die Frage stellen, worum es hier geht.

(Zuruf DIE LINKE)

Wir reden ja über Bremen, und wenn es in Bremen nicht stattfindet, dann muss man sich fragen, was dieser symbolische Antrag hier soll.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Freie Demokraten wissen, dass der Bund die Gesetze verschärft hat. Was ich davon halte, habe ich hier schon deutlich gesagt. Was das für die Balkanstaaten und auch für die dortigen Minderheiten bedeutet, wissen wir ebenfalls. Eine Aussetzung der Abschiebung kommt nur noch für drei Monate in Betracht. Was aber in der Debatte noch gar keine Rolle gespielt hat, ist, dass, bevor abgeschoben wird, die Menschen aufgefordert werden, das Land zu verlassen, und die Möglichkeit haben, freiwillig auszureisen. Auch das ist eine Option, von der einige Gebrauch machen, andere nicht, aber sie haben damit – und auch das gehört zur Redlichkeit dazu – die Gelegenheit, den Winter zu umgehen. Es ist ja durchaus so, dass man dann selbst strategisch damit umgehen kann, wann man wo ankommt, und dass man dort dann eben nicht auf der Straße sitzen muss, sondern sich in einem Gebiet des Landes befindet, wo man zumindest vor der Kälte geschützter ist, als wenn man unvorbereitet dorthin kommt. Deswegen wollte ich die Debatte um diesen Aspekt noch erweitern.

(Beifall FDP)

Wir werden den Antrag ablehnen, weil er ein Thema behandelt, das für Bremen nicht die Relevanz hat. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP, SPD)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich die Mitglieder des Kreisverbandes Junge Union Bremen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal bin ich schon etwas irritiert. Wir arbeiten jetzt so viele Jahre zusammen, und das Thema Ausländer, Flüchtlinge, beschäftigt uns bereits seit vielen Jahren. Wir haben häufig in der Deputation für Inneres, wo auch DIE LINKE präsent ist,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Und die Grünen auch!)

die Grünen auch,

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Alle anderen auch!)

die Fragen diskutiert, und es gab eigentlich so einen großen Konsens in diesem Haus, dass wir diese Dinge mit Maß angehen und humanitäre Aspekte für uns einen großen Stellenwert haben. Ich weiß nicht, wie viele Erlasse wir in den letzten Jahren gemeinsam

formuliert haben, um Jugendliche zu fördern, ihnen den Schulabschluss zu erleichtern, dass sie hier bleiben können. Wir haben gemeinsam die – –. Wie heißt unsere Organisation? Wir haben eine Einrichtung, die – –.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Härtefallkommission!)

Genau, die Härtefallkommission! Sie ist auch eines unserer Lieblingskinder, die wir in den letzten Jahren aufgewertet haben, indem wir die Mehrheiten verändert haben. Wir haben viele Organisationen mit einbezogen, um einfach dieses Instrument zu stärken. Ich habe auch gestern, glaube ich, wieder drei neue Anträge bekommen, die ich mir erst einmal anschauen muss, aber ich habe meistens ein gutes Gefühl, dass dann, wenn die Härtefallkommission die Dinge aufbereitet hat, auch ich dieser Empfehlung folgen werde.

Ich sage noch einmal, wir haben eine klare Rechtsgrundlage seit dem 26. Oktober, ich will hier nicht noch einmal wiederholen, welche Staaten dann als sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden sind. Im Grunde genommen bedeutet dies nur eine Beschleunigung des Verfahrens, denn die Quote der Anerkennungen tendiert ja in diesen Bereichen immer gegen ein Prozent, teilweise gegen null. Wir haben es gestern am Beispiel von Marokko, Algerien, Tunesien debattiert. Es ist doch so, dass kaum jemand von dort anerkannt wird, und deswegen ist das nun auch keine grundlegende Veränderung in unserer Außenpolitik, sondern eine Fortsetzung dessen, was wir bisher gemacht haben.

Der Bund hat angekündigt, dass er sich um die Verbesserungen der wirtschaftlichen und sozialen Situation dieser Menschen im Kosovo und im Westbalkan kümmert, insbesondere für die Roma. Man hat sich überlegt, wie man das Ganze mit Programmen unterstützen kann, aber ich sage auch, diese Entscheidung hat durchaus eine Signalwirkung gehabt. Wenn man sich die jetzigen Zugangszahlen anschaut, dann spielt in der Tat der Westbalkan keine Rolle mehr. Wir sprechen da noch von einem oder zwei Prozent in der Gruppe der Flüchtlinge, die täglich eintreffen, daher haben wir auch dann auf Bundesebene dieser Regelung unsere Zustimmung erteilt. Wie gesagt, im Bundesrat hat dazu die Mehrheit nicht gereicht.

Es bleibt auch dabei, wir haben in der Vergangenheit immer darauf gesetzt, dass Menschen freiwillig die Bundesrepublik Deutschland verlassen, und wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Deswegen fördern wir auch gerade angesichts der aktuellen Entwicklung die Rückkehrberatungen, insbesondere bei der AWO. Wir haben die Stellen aufgestockt, damit man diese Beratung verbessern kann, und es gibt inzwischen eine ganze Anzahl von Programmen, die man all denjenigen anbietet, die bereit sind mitzuwirken. Das heißt, man kümmert sich darum, und man schaut, wie ist es mit dem Schulbesuch der Kinder, mit der Aufnahme einer Ausbildung, den Arbeitsplät

zen und natürlich den Wohnungen. Das sind alles Dinge, die heute organisiert werden. Ich sage einmal, wenn ein Problem konkret darin besteht, dass man keine Wohnung hat, gibt es niemand, der dann darauf besteht, dass der Zeitpunkt der Rückführung sofort sein muss, sondern dann wird das eben einmal um drei Wochen hinausgeschoben. Die Praxis zeigt uns das, und diese irre Vorstellung, dass wir hier nun Kinder nehmen, sie allein in den Kosovo bei minus zehn Grad in die Kälte schicken, das ist so absurd!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Da finde ich es äußerst angenehm, dass in diesem Hause die Mehrheitsverhältnisse so eindeutig sind. Wie erwähnt, wir werden so weitermachen, die Rückkehrberatung ausbauen, und wir werden natürlich dann auch im Einzelfall immer genau hinsehen. Es gilt das geltende Recht! Danach hat jeder einen Anspruch darauf, dass man fragt, ob er bleiben kann – vorübergehend –, ob es eine Duldung gibt, wenn ein Teil der Familie erkrankt ist. Das haben wir in der Vergangenheit getan, wir machen es heute, und deswegen, das muss ich sagen, habe ich für diese Debatte heute kein Verständnis. – Danke!

(Beifall SPD, CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/195 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, ALFA, Abg. Ravens [parteilos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Bürgerrechte verteidigen – Verfassungsklage gegen das „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (Vor- ratsdatenspeicherung) einreichen! Antrag der Fraktion der FDP vom 16. November 2015 (Drucksache 19/143)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Professor Stauch.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 16. Oktober hat der Bundestag die Vorratsdatenspeicherung beschlossen, zum wiederholten Mal. Mit der Zustimmung des Bundesrates und der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten ist das Gesetz inzwischen in Kraft. Das war ein neuer Versuch, die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung mit neuem Etikett in Deutschland wieder einzuführen.

Angesichts des grausamen Terrors in Paris, Anfang des Jahres 2015, und angesichts der feigen Morde und der vielen Toten damals hat mich das Geschehen besonders erschüttert, denn was in Paris passierte, war ein direkter Angriff auf uns alle und auf unsere freie Demokratie, auf Gleichheit und Brüderlichkeit. Es war ein hinterhältiger Angriff auf unsere Werte.

Wie antwortet man darauf? Mit eben der Einschränkung der Werte durch Sozial- und Christdemokraten, den Generalverdacht und das Beschneiden der Privatsphäre von 80 Millionen Menschen in Deutschland! Lassen Sie mich an dieser Stelle ganz deutlich in Richtung CDU und SPD sagen: Es ist absurd, auf einen Angriff auf die Freiheit mit der Einschränkung der Freiheit zu antworten!

(Beifall FDP, DIE LINKE)