Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Das macht das Engagement kaputt, das macht die Motivation, die an unseren Schulen in hervorragendem Maße da ist, kaputt, und es ergibt auch keinen Sinn.

Weil Sie, Frau Vogt, zumindest bis jetzt gerade – ich hoffe, dass es so bleibt –, wie ich fand, in einer sachlichen Art und Weise die Punkte nacheinander angesprochen haben, will ich auch in sachlicher Art und Weise auf die einzelnen Punkte eingehen.

Inklusion! Mein Eindruck von den Besuchen in den Schulen, von der Personalversammlung der Lehrer ist auch, dass es sich um ein Thema handelt, das fachlich-sachlich, aber auch emotional sehr viele Leute an den Schulen bewegt. Schon deshalb ist es wichtig zuzuhören. Schon deshalb ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, was eigentlich die Ursachen dafür sind, dass dieses Stichwort „Inklusion“ so viele Emotionen und auch so viel Kritik hervorruft. Es ist vollkommen undenkbar, dass wir heute mit der Inklusion besser stünden, wenn wir am Anfang mit einem Parallelsystem gestartet wären, indem wir Reste der Förderzentren weiter erhalten hätten, die in einem hohen Umfang Ressourcen gebunden haben, und gleichzeitig mit einigen Kindern intensiv an den Schulen unterrichtet hätten. Das wäre ein System gewesen, das beiden, sowohl den Kindern in den Förderzentren als auch den Kindern im Regelsystem, auf gar keinen Fall gerecht geworden wäre. Man hätte praktisch zwei halbe Sachen gemacht, die man, da beide sehr teuer, parallel gar nicht hätte finanzieren können.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: 15 andere Länder ma- chen es anders, Herr Güldner! 15 andere Länder!)

Es stimmt allerdings, dass diese für mich vollkommen alternativlose und aus Sicht der grünen Fraktion auch komplett unumkehrbare Entwicklung hin zu einer inklusiven Schule in dieser Übergangsphase natürlich auch Probleme bereitet. Wir werden uns diese Probleme – darüber hat man sich mit allen Fraktionen, auch der Opposition, geeint – kritisch, unabhängig anschauen, indem wir demnächst hier im Haus einen Antrag einbringen, der eine Evaluation der gesamten Schulreform – da steht die Inklusion im Zentrum – auf den Weg bringen soll. Ich erhoffe mir davon, dass sich ein von bremischen Verhältnissen völlig unabhängiges, kritisches Team die Verhältnisse anschaut und uns eine kritische Analyse liefert und wir dann gemeinsam beraten und beschließen können, wie wir an diesem Punkt weitermachen.

Es gibt aber auch schon kurzfristige Dinge, die wir schon heute tun können. Wenn ich mir anschaue, wie die Inklusion in den Schulen teilweise läuft, gibt es einen Punkt, der mir besonders aufgefallen ist. Dieser dreht sich um die sogenannten Zentren für unterstützende Pädagogik, die Abkürzung ZuP, Zentrum für unterstützende Pädagogik, ist vorhin auch schon gefallen. Das sind die Sonderschuleinheiten in den Schulen, die die Lehrerinnen und Lehrer bei der inklusiven Beschulung unterstützen sollen.

Bei Zentren denkt man immer an irgendetwas Größeres. Diese Zentren haben Leiter oder Leiterinnen. Das nennt sich dann ZuP-Leitung. In vielen Fällen handelt es sich um eine halbe oder eine Drittelstelle, weil es sich bei diesem ganzen Zentrum nur um eine Person handelt, die dann noch, gerade bei den Grundschulen, ihre eine Stelle über zwei oder drei Schulen aufteilen muss.

Ein Zentrum für unterstützende Pädagogik und eine Leitung desselben mit einem Drittel oder der Hälfte eines Stundendeputats einer Sonderschullehrerin oder eines Sonderschullehrers kann an einer ganzen Schule, egal ob es eine Grundschule ist, die etwas kleiner ist, oder eine Oberschule, nicht allein die Anforderungen der sonderpädagogischen Förderung erfüllen. Deswegen müssen wir aus meiner Sicht aufhören, sogenannte ZuP-Verbünde zu machen, bei denen sich diese eine Person noch zwischen verschiedenen Schulen aufteilt, sondern wir brauchen mindestens eine ganze volle Stelle, die an jeder Schule eine berechenbare, feste Ansprechgröße für die Lehrerinnen und Lehrer, für die Eltern und für die Schulleitungen ist.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist eine ganz konkrete Maßnahme. Wir müssen in den kommenden Haushaltsberatungen auch thematisieren, dass wir aufhören, mit einer halben oder einer Drittelstelle draußen so zu tun, als hätten wir ein Zentrum, und das Zentrum hätte auch noch eine Leitung. Das heißt, wir müssen in der Tat Probleme benennen. Wir müssen uns auch selbstkritisch anschauen, was wir gemacht haben. In bestimmten Punkten, in denen wir nicht zwei, drei Jahre auf die Evaluierung warten können, müssen wir auch kurzfristig handeln können, aber wir dürfen nicht nur darüber reden, sondern wir müssen es dann auch tatsächlich tun, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt, der immer wieder eine Rolle spielt, ist der Ganztag. Der Ganztag ist auch eine unumkehrbare, auch eine alternativlose Entwicklung, die in Bremen richtigerweise so auf den Weg gebracht worden ist. Der Ganztag ist auch richtig. Wir wollen jetzt folgende Entwicklung einschlagen, nämlich uns im Ganztag auf die Grundschulen zu konzentrieren

und zu sagen: Die Entwicklung, die wir bei den Oberschulen und den Gymnasien haben, frieren wir erst einmal ein. Wir wollen erst einmal alle Grundschulen zu Ganztagsschulen machen. Das ist genau der richtige Weg. Dafür brauchen wir die entsprechenden Mittel, die für den Ganztagsausbau im Grunde schon beschlossen sind. Sie müssen sich dann im Haushalt auch zahlenmäßig, wenn wir diesen politischen Beschluss haben, wiederfinden. Auch dafür wird die Koalition in den Beratungen sorgen!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben – die Kolleginnen und Kollegen haben es angesprochen – auch ein Problem mit den Schulleitungen. Um es ganz kurz im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zu erklären: Es geht darum, wie viel Zeit eine Schulleiterin oder ein Schulleiter neben dem Unterricht, den sie auch noch erteilen müssen, für die Managementaufgaben, für die Leitungsaufgaben einer Schule hat.

Ich teile vieles von dem, was hier gesagt worden ist. Meines Erachtens ist ein enorm wichtiger Faktor, dass es, da die Schulen erstens immer heterogener, sie zweitens mit immer mehr Aufgaben versehen sind und wir drittens eine selbstständige Schule wollen, auch Stunden Leitungszeit braucht, damit die Schulleitungen diese Managementaufgaben, diese Steuerungsaufgaben wahrnehmen können. Ich fand es sehr bedauerlich, dass diese Vereinbarung durch unterschiedliche Auffassungen teilweise auch in der Verwaltung aufgehalten worden ist. Ich gehe davon aus, dass wir in Kürze zu einer gemeinsamen Vereinbarung mit den Schulleiterinnen und Schulleitern kommen und diese Leitungsstunden eingeführt werden, damit die letzte Tranche dieser Entwicklung bis zum Sommer auch tatsächlich umgesetzt wird. Für meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kann ich ausdrücklich erklären, dass wir das wünschen. Wir brauchen starke Schulleitungen, die in dieser schwierigen Zeit die Schulen lenken und steuern. Dafür brauchen sie die entsprechenden Ressourcen. Wir stehen an ihrer Seite.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der nächste Punkt, der hier als „komplett Land unter“ beschrieben worden ist, ist die Ausstattung mit Gebäuden, mit Technik, der Sanierungsstand. Auch da gibt es keinen Sanierungsstand, von dem wir sagen können: Wir sind damit fertig, alle Gebäude sind saniert, es sieht super aus. Wir haben auch keinen Sanierungsstand, von dem man sagen kann: Da ist noch nichts gemacht worden,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das hat keiner gesagt!)

in jede Schule regnet es hinein, es stammt alles aus den Siebzigerjahren.

Alles das ist totaler Mumpitz. Wir haben vielmehr eine sehr unterschiedliche Situation. Wir haben hervorragend sanierte und neu gebaute Schulen. Wenn Sie da hineingehen, stellen Sie fest: Es ist eine Riesenfreude.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Zurufe)

Man kann aber doch einmal feststellen, es ist so, dass es eine Riesenfreude ist, in diese Schulen zu gehen. Das kann man doch einfach einmal sagen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ich habe überhaupt nicht über Sanierung gesprochen!)

Meine Damen und Herren, so, wie Selbstkritik für die Regierungsfraktionen selbstverständlich sein sollte, sollte es auch für Oppositionsfraktionen selbstverständlich sein, einmal zu sagen, dass wir solche Schulen haben, dass es wunderbar ist, dort hineinzugehen, dass sie neu saniert, neu gebaut worden sind und es ziemlich viele solcher Schulen in Bremen gibt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Güngör [SPD]: Die FDP hat darüber gesprochen!)

Lassen Sie mich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mir besonders am Herzen liegt, die Beschulung von Flüchtlingen. Wir haben in der Tat die Situation, dass unsere Schulen sehr unvorbereitet und teilweise spontan auf den Zuzug von Flüchtlingen reagieren mussten. Schaut man sich einmal an, dass diese Flüchtlingsbewegung – –.

(Zurufe)

In der Schuldebatte macht man das so. Die Lehrer machen das im Unterricht auch so, dass sie einfach einmal warten, bis Ruhe einkehrt.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Ich habe noch nie einen Leh- rer erlebt, der die Probleme so schönredet wie Sie! – Beifall FDP)

Herr Kollege Eckhoff, drei Viertel meiner Rede beziehen sich auf kritische Punkte unseres Schulwesens. Daran, dass Sie das nicht bemerken, sieht man, dass Sie nicht zuhören. Das haben Sie jetzt gerade bewiesen. Sonst hätten Sie es gemerkt, sehr verehrter Herr Kollege!

(Beifall FDP – Abg. Eckhoff [CDU]: Daran wird es ge- legen haben!)

Wir haben diese unvorhergesehene Entwicklung meines Erachtens mit großer Bravour gemeistert. Viele in den Schulen plus Ehrenamtliche plus Organisationen haben es geschafft, sich in vorbildlicher Weise um die Kinder und Jugendlichen der Flüchtlinge der

ersten Welle zu kümmern. Jetzt, da die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aufgrund eines Bundesgesetzes zurückgeht und die Prognose für die Zahl der ankommenden Familien mit Kindern geringer ist als im letzten Jahr, müssen wir von einer Phase der Notaufnahme, der Notbeschulung, des Notknopfes hin zu einer Konsolidierung kommen. Das heißt, wir müssen jetzt für diejenigen, die schon da sind, die Situation verbessern.

Angesichts der Punkte, die wir hier in der vorletzten Sitzung besprochen haben, kann ich mit Folgendem überhaupt nicht leben: Ich entnehme entsprechenden Berechnungen, dass wir immer noch 622 bereits vor dem November 2015 eingereiste Kinder und Jugendliche haben, die – trotz der Bekundungen des Senats, dass sie dann, wenn die Registrierung vorliegt, die Meldebestätigung vorliegt, in Vorkursen beschult werden – nicht beschult werden. Das halte ich für ein absolutes Unding. Ich fordere im Namen meiner Fraktion, dass die Beschulung dieser 622 Kinder so schnell wie möglich erfolgt! Wir verlieren sie sonst. Sie sitzen seit Monaten in den Einrichtungen und kommen in den Schulen nicht an. Ich appelliere an wer immer dafür verantwortlich ist, wer auch immer das zu organisieren hat: Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass diese Kinder in den Schulen ankommen! Wir verlieren sonst eine komplette Gruppe von über 600 Kindern und Jugendlichen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir brauchen über Integration und andere Probleme nicht mehr zu reden, wenn wir es versäumt haben, ihnen innerhalb einiger Monate einen entsprechenden Schulplatz in einem Sprachkurs anzubieten. So sollte der erste Schritt bei der Ankunft der Flüchtlinge in der Schule sein, das muss schleunigst korrigiert werden!

Zusammenfassend kann man sagen: Wir haben eine ganze Reihe von Problemen. Gefühlt, aber auch tatsächlich steht die Bewältigung der Inklusion im Zentrum. Dafür braucht es die entsprechenden Maßnahmen. Dafür braucht es die entsprechenden Ressourcen, die sich weitgehend in einem möglichst bald vorzulegenden Haushalt des Senats abbilden müssen. Das ist die ganz klare Position der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wo Kinder hinzukommen, wo Flüchtlinge in Kindergärten und Schulen kommen, müssen auch Menschen hinzukommen, die sie unterrichten, müssen auch Gelder für Materialien da sein, müssen auch Schulsozialarbeiter da sein, weil einfach die Zahl steigt. Das ist das Gegenteil einer demografischen Dividende. Es ist die Anforderung, dass wir die steigenden Schülerzahlen – sei es in Bremerhaven durch die EU-Zuwanderung, die dort im Vordergrund steht, zuzüglich der Flüchtlinge, seien es in Bremen die Flüchtlinge – in angemessener Form, die immer unserer Haushaltslage Rechnung trägt und deswegen nicht 100 Prozent sein wird, sondern immer

die finanzpolitische Vernunft walten lässt, im Haushaltsentwurf abbilden. Dort muss sich abbilden, dass es mehr Kinder sind!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Lassen Sie mich zum Ende sagen: Mich freut sehr, dass wir vermutlich in der nächsten Sitzung dieses Hauses gemeinsam die unabhängige kritische Evaluierung des Schulkonsenses, der Schulreform auf den Weg bringen werden. Wenn wir uns die Sache eben nicht schönreden lassen, sondern Leute finden, die sich die Bremer Schullandschaft kritisch anschauen, werden sie in der Summe zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, nämlich dass manche Dinge hervorragend laufen, manche so einigermaßen, und es an bestimmten Punkten große Probleme gibt. Es geht darum, uns im Detail aufzuzeigen, wo wir nachsteuern müssen, was wir besser machen müssen, wo die Probleme tatsächlich liegen, wo auch die Ursachen der Probleme liegen, und nicht nur zu sagen: Hier brauchen wir 20 Stellen mehr, hier müsste ein Kind mehr oder weniger in der Klasse sein. Wir alle wissen, dass das nicht die tatsächlichen Gründe für gute oder schlechte Schule sind. Wir alle wissen, wo die Ursachen für bestimmte Entwicklungen liegen, wo wir neue Ideen, neue Konzepte jenseits der Ressourcendiskussion brauchen.

Ich freue mich auf eine solche kritische Evaluierung sehr. Das kann der Start sein, dass wir hier in diesem Hause gemeinsam eine neue Schulreform, sozusagen ein Weitergehen dieses Schulkonsenses auf den Weg bringen können. Ich glaube, dass uns die Schulen danken würden, wenn wir das zustande brächten. Das ist eine Aufforderung an die Politik, der sich meine Fraktion sehr gern stellen wird. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Ich kann noch sagen, dass die CDU noch vier Minuten hat, die SPD auch noch vier Minuten und die FDP drei Minuten.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kohlrausch, ich freue mich jederzeit, hier über gute Bildung in Bremen zu debattieren. Ich habe in der Debatte allerdings einige konkrete Ansätze vermisst und bedauere, dass Sie doch die üblichen Rituale der Debatten zur Frage der Ressourcen in den Bildungsbereichen in den Landtagen überall in dieser Bundesrepublik nachverfolgt haben.

(Abg. Bensch [CDU]: Jetzt ist alles gut, oder?)

Nein, es ist überhaupt nicht alles gut! Ich habe mich in den letzten Wochen doch sehr deutlich positioniert,

wo wir in Schulen weitere Unterstützungsbedarfe sehen. Das werde ich hier auch gleich ausführen.

Zunächst möchte ich den Blick auf die Fakten richten, denn hier sind eben doch einige Dinge behauptet worden, die einer Überprüfung nicht standhalten können. Die „überstürzte Einführung der Inklusion“ ist ein solcher Punkt. Die Inklusion ist 2009 in allen Bremer Schulen eingeführt worden. Die Grundschulen waren zu dieser Zeit bereits inklusiv. Wir haben in der Zwischenzeit an erheblichen Stellen nachgesteuert und umstrukturiert, um das System weiter zu stabilisieren, insbesondere im Bereich der Grundschulen, die in der ursprünglichen Planung, weil sie schon inklusiv waren, zunächst gar nicht auf der Agenda standen.

Wir haben verstanden, dass in den Grundschulen weiterer Bedarf, weiterer Unterstützungsbedarf vorhanden ist, denn auch wir haben gesehen, dass die Zahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf steigt. Das ist kein bremisches Phänomen, sondern das ist ein Phänomen in der gesamten Bundesrepublik, dem sich Bildungspolitiker landauf, landab stellen müssen. An dieser Stelle haben wir nachgelegt.