Es ist nicht so, dass wir die Ersten sind. Es gibt viele Länder, in denen es schon eine Liberalisierung gibt. Dort sieht man, es ist nicht zu einem Anstieg der Nutzerzahlen gekommen, wenn es eine liberalere Regelung gibt. Mir ist auch, gerade als Gesundheitspolitikerin, an dieser Stelle wichtig: Natürlich ist Cannabis nicht harmlos. Cannabis ist, genau wie Alkohol oder andere Drogen, nicht harmlos. Ein eigenverantwortlicher Umgang mit Cannabis aber ist bei Erwachsenen genauso möglich wie beim Alkohol oder bei Zigaretten.
Natürlich gibt es Schäden beim Konsum, besonders im frühen Alter, also bei Kindern und Jugendlichen: Gedächtnisstörungen, Angst, Depressionen, Kreativitätsverlust und vieles mehr! Auch dazu haben wir in der Expertenanhörung der Deputation für Gesundheit und Verbraucherschutz einiges gehört. Natürlich gibt es auch gesundheitliche Risiken, gerade wenn man regelmäßig kifft: Es gibt Apathie, Verstimmungen und natürlich auch Abhängigkeitsentwicklung. Darum – das war uns auch im Antrag sehr wichtig – haben wir gesagt, wir wollen hier einen besonderen Fokus und Schwerpunkt auf Prävention und Jugendschutz setzen.
Wir setzen auf Information, auf Prävention, und wir müssen Kinder und Jugendliche starkmachen. Wir müssen aufklären und beraten und effektive Hilfe da, wo es nötig ist, anbieten. Es nützt eben nichts, sich mit dem Zeigefinger hinzustellen und immer zu sagen: Das ist alles ganz, ganz böse! Das alleine nützt überhaupt nichts!
Da wir wissen, dass viele Erstkonsumentinnen und Erstkonsumenten sehr jung sind, müssen wir auch bei den Eltern ansetzen. Darum haben wir diesen Punkt in den Antrag aufgenommen. Wir wollen die bestehenden Beratungs-, Informations- und Unterstützungsangebote überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Ist denn das, was wir momentan schon machen, dass zum Beispiel in den Schulen über Gefahren von Drogen, auch von Cannabis, gesprochen wird, überhaupt das Richtige, oder braucht es vielleicht andere Ansätze?
Klar ist auch: Wenn wir über eine regulierte Abgabe von Cannabisprodukten sprechen, und dazu wollen wir gern kommen, dann wird es die nur ab einem Alter von 18 Jahren geben!
Sehr wichtig in dieser Debatte finde ich: Jedes konsumierte Gramm Cannabis in Bremen, in Bremerhaven und in Deutschland überhaupt kommt momentan vom Schwarzmarkt. Wer sich im Moment mit Cannabis, mit Hasch versorgen möchte, kann das eigentlich an jeder Ecke bekommen, ohne dass er nach dem Alter gefragt wird, ohne dass er wüsste, was genau er da kauft. Gerade die Kriminalisierung führt doch dazu, dass der Stoff, der eben bei kriminellen Dealern gekauft wird, mit Glas, mit Bleistäuben oder Ähnlichem gestreckt wird, damit er schwerer wird und man mehr Gewinn in der eigenen Tasche hat. Mit einer kontrollierten Abgabe ließe sich das vermeiden. Das heißt, es geht hier auch um Gesundheits- und Verbraucherschutz.
(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hinners [CDU]: Dann wird der Staat zum Dealer! – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Das ist er beim Alkohol schon lange!)
Herr Hinners sagt gerade, dann würde der Staat zum Dealer! Nein, das ist eben nicht so! Es ist wirklich etwas anderes, ob man eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene hat, ob man fragt: „Bist du wirklich 18 Jahre alt?“, und: „Woher kommt eigentlich der Stoff?“, oder ob man das alles dem Schwarzmarkt überlässt, weil wir es verbieten und verteufeln, und am Ende den Effekt hat, dass sich Menschen einen noch größeren gesundheitlichen Schaden zufügen, nicht nur durch das Kiffen, sondern durch irgendeinen anderen Mist, der auch noch in diesem Zeug drin ist.
Wir wissen von der Alkoholprohibition, die es vor längerer Zeit einmal in den Staaten gab, dass es da einen großen Schwarzmarkt für Alkohol gab. Als man diese Prohibition, die viele Todesopfer gefordert hat, endlich aufgehoben hat, ist der Schwarzmarkt komplett weggebrochen, und zwar in kürzester Zeit. Darum gehen wir auch beim Thema Cannabis davon aus, der Schwarzmarkt würde, wenn es zu einer kontrollierten Abgabe an Erwachsene käme,
zumindest sehr stark eingedämmt werden. Auch die Frage der Haftung könnte geklärt werden, wenn dann wirklich gesundheitliche Schäden auftreten.
Polizei und Justiz würden entlastet werden. Momentan wird alles strafrechtlich verfolgt, egal um wie viel Gramm es geht, ob es nur für den eigenen Konsum ist oder nicht. Hier könnten wir Personalressourcen deutlich besser einsetzen und nicht Dutzende von Bremer Polizistinnen und Polizisten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz damit beschäftigen, dass sie kiffende Menschen strafverfolgen. Sie sollen sich auf die Dealer konzentrieren, das wäre absolut in unserem Interesse.
Ich komme zum Schluss! Mit den weiteren Argumenten komme ich gern in die zweite Runde, werbe aber sehr nachdrücklich für die Unterstützung unseres Antrags. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich die Aufregung höre, die wir manchmal spüren, wenn wir über die Entkriminalisierung einiger Drogen reden, frage ich mich: Wer beobachtet eigentlich, was in unserer Gesellschaft passiert? Es gibt keine Kultur ohne Drogen, keine Kultur, die ohne Drogen auskommt. Manche Religionen sind als Weinkulte oder sonstige Kulte entstanden und haben heute noch deutlich diese Charaktere. Insofern muss man fragen, welche Drogen unsere Gesellschaft akzeptiert und welche nicht. Man muss sich auch fragen, welche Gründe das hat. Ein Grund war, um eine gesellschaftliche Gruppe auszugrenzen.
Wir Freie Demokraten wollen in einer Gesellschaft leben, die keine Menschen ausgrenzt, nur weil sie anders sind und man sich ein Merkmal sucht, beispielsweise, dass sie gewisse Substanzen konsumieren und andere eben nicht. Darin kann man sich sehr schnell unterscheiden, aber das ist kein Grund für eine Unterscheidung.
Einerseits müssen wir uns die Frage stellen: Welche Schädigung gibt es? Die Schädigung ist auch in der Anhörung deutlich benannt worden: Wer früh konsumiert, schädigt sich.
Ich habe dann gefragt: Wie ist das, wenn jemand im Erwachsenenalter anfängt? Da konnte mir niemand mehr sagen, der schädigt sich und seine Hirnentwicklung, sondern da ist es anders.
Die nächste Frage ist: Was darf der Staat unter Strafrecht stellen? Ist es eine Aufgabe des Staates, jemanden strafrechtlich zu verfolgen, der nur sich selbst gefährdet? Wir Freie Demokraten sagen: Nein, Selbstgefährdung muss nicht unter Strafe gestellt werden!
Bleibt also die Frage, welche Gefahren für andere davon ausgehen. Jugendschutz hatte ich angesprochen. Wenn Gefahren für andere da sind, müssen wir überlegen, wie man das angehen kann. Es ist kein selbstgefährdendes Verhalten, wenn ich Blei zu mir nehme, von dem ich nicht weiß, dass es in der Substanz drin ist, wenn ich Glas zu mir nehme, das man, glaube ich, nicht essen soll – Lebensmittelchemiker könnten das bestätigen, Hauke Hilz – wenn ich Substanzen zu mir nehme, die nicht gut für den Körper sind. Das ist fremdgefährdendes Verhalten, dafür muss man Leute drankriegen können. All das können wir nur, wenn wir das Rechtssystem und das Regime an dieser Stelle ändern.
Abhängige aus? Wenn es kriminell ist, kann der Staat keinen Sozialarbeiter hinschicken, der dem Konsument sagen kann: Halt, stopp, du nimmst hier etwas Verbotenes! Als Staat können wir mit Therapeuten erst auf Menschen zugehen und wirklich tätig werden, wenn die Menschen sich dem auch öffnen können und dafür einen geschützten Raum haben, in dem man miteinander sprechen kann.
Wer sich genauer anschauen will, wie so etwas funktioniert, möge sich die Heroinpolitik in Portugal anschauen.
Wir reden jetzt über andere Substanzen, aber dort wird auch mit Schwerstabhängigen anders umgegangen als bei uns, eine Frage, die wir hier vielleicht auch noch diskutieren sollten.
Man muss aber genau schauen: Wie gehe ich mit den Substanzen um, und welche Folgen hat das? Welche Möglichkeiten gibt es, das Ganze zu entkriminalisieren? Sie finden in mir keinen, der sagt: Das ist toll, nehmt das Zeug! Nein, es ist schädlich, man sollte es lassen oder sehr bewusst damit umgehen wie mit anderen Drogen eben auch. Wir werden der Probleme, die es gibt, aber nicht Herr. Wir können den Jugendschutz verbessern, und wir können ganz andere Dinge machen, wenn wir ideologiefrei darüber nachdenken, welche Notwendigkeiten es gibt. Deswegen sind wir dabei und unterstützen diesen Antrag.
Einzig bleibt: Wir würden lieber etwas auf Bundesebene ändern. Wir wissen auch nicht, ob dieses Modellprojekt, das hier angeregt wird, am Ende durchkommt. Einen Versuch ist es aber wert, und es zeigt vielleicht, wie ein steter Tropfen am Ende den Stein höhlen kann, dass wir hier entkriminalisieren müssen, weil wir dann wirklich Qualität sichern, Verbraucherschutz gewährleisten und Jugendschutz machen können. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hinners, Sie haben eben reingerufen: Der Staat als Dealer! Ich habe vor ungefähr vier Jahren eine Einladung Ihres Ortsverbandes in Walle angenommen, und genau da haben Sie das auch schon gesagt. Weil ich in diese Debatte die Entkriminalisierung von Cannabis und die Überlegung eingebracht habe, ob man zum Beispiel Heroin an Schwerstabhängige abgibt, hat der
Inspektionsleiter damals gesagt: Ich bin unbedingt dafür! Warum denn nicht? Wenn das verhindert, dass ich 80-Jährige habe, die von Schwerstabhängigen umgehauen werden, finde ich das völlig in Ordnung.
Nur so viel zur Vorbemerkung, Herr Hinners! Es ist nicht so, dass diese Diskussion nicht breit geführt wird, deswegen habe ich diese Einleitung gemacht.
Ich finde die Entwicklung in den letzten zwei Jahren sehr erfreulich. Als wir vor zwei Jahren die Große Anfrage eingereicht haben, war das noch der Aufreger in der Sommerpause: DIE LINKE will entkriminalisieren! Es waren nicht so viele Abgeordnete da. Der damalige Geschäftsführer der SPD-Fraktion hat dann der Presse gesagt: Spricht eigentlich nichts dagegen, aber wir sind in einer Haushaltsnotlage, so ein Modellprojekt können wir nicht machen.
Wir hatten vor eineinhalb Jahren die Debatte über unseren Antrag, da war die Koalition noch sehr gespalten. Die Grünen haben sich offen gezeigt, die SPD: Nein, machen wir nicht, ist Teufelszeug! Jetzt haben wir hier einen wirklich hervorragenden Antrag. Das sage ich klar und eindeutig.
Der Antrag ist detailscharf, und er greift viele Forderungen auf, die wir auch erhoben haben. Er geht sogar weiter, zum Beispiel bei der Frage Führerscheinstelle und – es gibt noch zwei, drei andere Dinge im Detail – was die kontrollierte Abgabe, das Modellprojekt angeht, bei dem ich sage: Das haben Sie wirklich richtig gut gelöst! Meinen Respekt! Deswegen, das wird nicht verwundern, werden wir dem Antrag zustimmen.
Wir sind sehr erfreut über diese doch relativ zügige Dynamik, die diese Debatte in den letzten zwei Jahren bekommen hat. Es muss auch dringend eine Dynamik in den Bundesländern, aber auch im Bund hineinkommen, denn die Drogenpolitik wird heutzutage allgemein nur noch von Polizei und Justiz gestaltet und jede zehnte Person in der Bremer JVA ist wegen Drogendelikten inhaftiert.
Über 10 000 Personen, das hat der Kollege Zicht schon gesagt, sind bei der Polizei als Konsumentinnen und Konsumenten in einer Datenbank gespeichert. 2 734 Ermittlungsverfahren wurden durch die Polizei im letzten Jahr nur wegen Besitzes und Erwerbs von Cannabis eingeleitet, nicht wegen Handels. Wie gesagt, Drogenhandel ist nicht dabei, und alle anderen Drogen sind in dieser Statistik auch nicht
erfasst. Das sind über 1 000 Ermittlungsverfahren mehr als noch im Jahr 2008, und bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft sind rechnerisch 60 Personen dauerhaft mit der Bearbeitung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gebunden.