Dann kam im August 2015 die nächste Hiobsbotschaft: Der Elektrokonzern Siemens will sich mit einem neuen Werk in Cuxhaven ansiedeln und dort 200 Millionen Euro in die Produktion von Antriebsgondeln für Windkraftanlagen investieren, die dann gleich über Cuxhaven verschifft werden. An der neuen Produktionsstätte sind 1 000 neue Arbeitsplätze geplant. Kurze Zeit später entschied sich auch der Windkraftanlagen
hersteller Ambau für den Standort Cuxhaven. Auch diese für das Land negative Entwicklung schien den rot-grünen Senat nicht nachdenklich zu stimmen, um den Bau des Terminals im Blexer Bogen noch einmal kritisch zu hinterfragen.
Heute vor einer Woche hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Arbeiten für den Bau des neuen Offshore-Terminals in Bremerhaven erst einmal eingestellt werden müssen. Die Richter folgten damit im Eilverfahren einem Einspruch des Bundes für Umwelt und Naturschutz, der Zweifel daran geäußert hatte, dass sich das Land Bremen seinen eigenen Offshore-Hafen planrechtlich genehmigen darf. Nach Auffassung des Klägers hätte das Planverfahren von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes durchgeführt werden müssen und nicht von der bremischen Wasserbehörde. Die Richter sahen das genauso.
Interessanterweise will heute keiner Verantwortung für diese schallende gerichtliche Ohrfeige übernehmen. Die Senatoren Günthner und Dr. Lohse zeigen sich verwundert und schieben die Schuld auf den Bund, der die eigene Zuständigkeit für die Planfeststellung offenbar verneint haben soll.
Wenn man solch ein umstrittenes Großprojekt plant, muss man mit dem Widerstand der Bevölkerung und der Umweltverbände rechnen und sich bei allen getroffenen Entscheidungen notfalls dreimal juristisch absichern. Man kann sich nicht darauf zurückziehen, dass die Bundesbehörde eine eigene Zuständigkeit verneint hat. Hier war das Land Bremen in der Pflicht und versucht nun, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Wenn es in der SPD-Fraktion offenbar niemanden gibt, der die Notwendigkeit dieses steuergeldfinanzierten Millionengrabs kritisch hinterfragt, ist das peinlich. Stattdessen werden, wie man gestern den Medien entnehmen konnte, Durchhalteparolen ausgegeben und Geschlossenheit demonstriert, als gebe es bei diesem Terminalprojekt gar kein finanzielles Risiko. Wir reden hier immerhin von einem steuergeldfinanzierten Großprojekt, bei dem 180 bis 200 Millionen Euro auf dem Spiel stehen, von der Umweltzerstörung durch das etwa 25 Hektar großen Bauvorhabens ganz zu schweigen. Ich finde es erschreckend, wenn sich führende SPD-Vertreter trotz Pleiten, Pech und Pannen bei diesem Millionenprojekt weiterhin an den Offshore-Terminal klammern wie der Kapitän an das Steuerrad der untergehenden Titanic.
Ich habe gestern und heute mit großem Interesse den Bremer und Bremerhavener Medien entnommen, dass sich Senator Dr. Joachim Lohse in Bezug auf die Zuständigkeit für das Genehmigungsverfahren des Offshore-Terminals wie folgt geäußert hat:
„Meine Behörde hat nach intensiver Abstimmung mit der Bundeswasserstraßenverwaltung das Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Wir können deshalb die Feststellung des Verwaltungsgerichts, hier sei die Bundesbehörde und nicht das Land zuständig gewesen, nicht nachvollziehen und nicht hinnehmen.“
Senator Dr. Lohse teilt also der Öffentlichkeit mit, dass es intensive Absprachen zwischen der Landes- und der Bundesbehörde in Bezug auf das Planfeststellungsverfahren gegeben haben soll. Im Oktober 2014 hatten wir Bürger in Wut in einer Anfrage an den Bremer Senat genau diese Problematik der Zuständigkeit thematisiert, denn wir waren damals schon der Auffassung, dass sich das Land nicht selbst einen Offshore-Terminal genehmigen kann, sondern die Bundeswasserstraßenverwaltung für das Planfeststellungsverfahren zuständig ist. Damals fragten wir den Senat: „Sind im Vorfeld der Planung für den Bau des OTB Absprachen mit der aus hiesiger Sicht zuständigen Bundeswasserstraßenverwaltung zur Genehmigung des Projektes getroffen worden, und wenn ja, was ist der Inhalt dieser Absprachen?“ Der Senat antwortete knapp: „Nein“! – Es gab also keinen Austausch mit dem Bund über die Frage der Planfeststellung.
Doch, so haben Sie geantwortet! Sehr verehrter Herr Senator Lohse, wie verhält sich diese Senatsantwort eigentlich zu der von Ihnen gestern in den Medien getroffenen Aussage, dass intensive Absprachen mit der Bundeswasserstraßenverwaltung getroffen wurden? Entweder haben Sie damals das Parlament belogen, oder Sie haben gestern die Presse belogen. Deshalb fordere ich Sie auf, hier und heute zu erklären, wie es zu diesen zweifelhaften und gegensätzlichen Aussagen kommen kann!
Unabhängig von der Frage, warum es hier zu widersprüchlichen Aussagen kam, bleibt festzustellen, dass die Arbeiten für den geplanten Offshore-Hafen aufgrund des Verwaltungsgerichtsurteils auf unbestimmte Zeit ruhen werden. Selbst wenn der Senat nun Rechtsmittel einlegt, ist es ungewiss, ob das Oberverwaltungsgericht zu einer gegenteiligen Auffassung gegenüber dem erstinstanzlichen Richterspruch kommt und den Baustopp widerruft. Wenn nicht, dann wird es vermutlich Monate bis zur Hauptverhandlung dauern. Auch dann ist der Ausgang des Verfahrens ungewiss, weil die Verwaltungsrichter in ihrer Urteilsbegründung schon haben durchblicken lassen, dass es in der Hauptsache erheblichen Beratungs- und Klärungsbedarf gibt.
Wenn man sich in einer Sache verrennt, lieber Bremer Senat, dann muss man auch den Mut haben, diese Fehler einzugestehen und die Konsequenzen zu ziehen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! Der Offshore-Terminal ist viel zu spät geplant worden, die Rentabilität des steuergeld
finanzierten Großprojekts ist nach wie vor äußerst fraglich, und andere Städte in Deutschland und Europa haben bereits verladefähige Terminals und stehen damit im direkten Wettbewerb um die begrenzten Anlagekapazitäten. Die Landesregierung ist daher gut beraten, schnell die Reißleine zu ziehen und das Projekt Offshore-Terminal zu beerdigen. Das hochverschuldete Bundesland Bremen kann sich nicht noch ein weiteres millionenteures Subventionsgrab leisten. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will kurz auf einzelne Aspekte eingehen, die angesprochen worden sind. Vorhin hatte ich vergessen, Folgendes zu beantworten: Herr Kastendiek kritisierte, dass der BUND im Vorfeld an diesem Projekt beteiligt worden ist, das ganz blöd gewesen sei und zu einem Nachteil in dem ganzen Verfahren geführt habe. Ich komme aus der Kommunalpolitik in Bremerhaven und habe es immer so verstanden, dass es bei Großprojekten sehr klug ist,
alle Beteiligten vor einem solchen Vorhaben an einen Tisch zu holen und möglichst miteinander darüber zu sprechen, damit man eigentlich all diese gerichtlichen Auseinandersetzungen im Vorfeld führt und abklärt, was diskutabel ist. Das war, glaube ich, der Zweck.
(Beifall SPD – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Hat ja nicht geklappt! – Abg. Röwekamp [CDU]: Hat sich das bewährt?)
Wir als SPD-Fraktion sind der Auffassung, dass es gute Tradition ist, das weiterhin zu machen. Für das Verhalten des BUND können wir als SPD-Fraktion aber keine Verantwortung übernehmen.
Wie gesagt, Herr Röwekamp, dafür können wir keine Verantwortung übernehmen! Die melden sich bei uns für ihre Veranstaltungen nicht ab und an, das ist auch ganz gut so.
Ja, ja! – Die andere Frage ist auch interessant. Sie diskutieren hier, dass es nicht klug sei, an dieser Stelle öffentliches Investment in die Hand zu nehmen, und Sie sagen, das sei unklug, weil Private das aufgrund des großen Risikos nicht übernähmen. Herr Dr. Hilz hat das vorhin angesprochen: Wir diskutieren heute über einen Antrag von Ihnen, von CDU und FDP, zur Mittelweseranpassung. Da haben Sie interessanterweise einen anderen Standpunkt.
Da sagen Sie, wir müssen Geld für eine öffentliche Investition in die Hand nehmen, damit dieser Investition ein Geschäft folgt. An dieser Stelle machen wir das. Wir bauen diesen OTB nicht für die nächsten zwei bis vier Jahre, in denen er trägt,
sondern wir wollen diesen OTB bauen, damit er die Grundlage für jahrzehntelange wirtschaftliche Entwicklungen und für ökologische Nachhaltigkeit bietet. Insofern ist das öffentliche Investment gerechtfertigt und stellt die Sinnhaftigkeit des Projekts nicht infrage.
Mit Blick auf die Mahner – ich will nur DIE LINKE und die FDP nennen – und die Fragen, ob das alles sinnvoll sei und ob die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener hinter diesem Projekt stünden, möchte ich Folgendes anmerken: Die Positionierung gegen das OTB ist gleichzeitig eine Positionierung gegen einen Großteil der Stadtgemeinde Bremerhaven.
Das zeigt sich nicht nur in den klaren Bekenntnissen der politischen Parteien in Bremerhaven, sondern auch darin, dass uns die Gewerkschaften fragen, wann es endlich losgeht, und darin, dass sich die Hochschule Bremerhaven, die Forschung und die Wirtschaft in Bremerhaven fragen, wann wir es endlich schaffen, dieses Projekt weiter auf den Weg zu bringen. Wenn man in Bremerhaven als Abgeordneter gewählt ist, ist es sinnvoll, an dieser Stelle auf die Stadtgemeinde Bremerhaven zu hören und zu sagen, wir stehen hinter diesem Projekt, statt Nebelkerzen zu werfen.
Noch ein Hinweis darauf, ob das sinnhaft ist: Ein großer Teil von uns war vor Kurzem beim 50. Geburtstag des Containers. Bei der Präsentation dort hat ein
Ingenieur geschildert, wie damals die Kritik in der Arbeitnehmerschaft und insgesamt war, auch bei den Ingenieuren, ob das alles sinnvoll sei und ein Investment, das sich lohne. Da muss man sagen: Ja, das hat sich gelohnt! Es hat sich gelohnt, dass man eine Vision hatte. Jetzt haben wir als Land die Vision, zu sagen, wir glauben an eine neue Energiepolitik und an die ökologische Nachhaltigkeit dieses Projekts. Wenn man an so etwas nicht glaubt, schafft man auch nicht die Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum. Das ist unsere Sache nicht!
Am Schluss möchte ich mich noch einmal gegen die Stimmung verwehren, die hier erzeugt wird. Es wird eine Diskussion wieder aufgemacht, die Sie wahrscheinlich, so schätze ich Sie ein, immer, wenn irgendein Hindernis kommt, wieder aufmachen werden, um zu sagen: Sehen Sie, wir haben Ihnen doch gesagt, das passt alles nicht!
In der Sache hat das Gericht nichts entschieden. Es ist eine reine Verfahrensfrage. Wir als Fraktion stehen weiter zum OTB und verwehren uns dagegen, dass Sie hier Legenden spinnen, es sei an irgendeiner Stelle falsch gearbeitet worden. Im Gegenteil, das wird vernünftig abgearbeitet. Wir stehen weiter dazu, dass alle Mittel eingesetzt werden, um das OTB zu realisieren, verwehren uns gegen den Eindruck, wir stünden nicht dahinter, und unterstützen den Senat. – Vielen Dank!
Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek. – Herr Kollege, Sie haben noch drei Minuten Redezeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da mir der Präsident zugeflüstert hat, dass ich nur noch drei Minuten habe, in aller Kürze wenige Stichworte: Wenn wir hier über den OTB diskutieren, geht es um politische Verantwortung, nicht mehr und nicht weniger.
Erst an zweiter Stelle stellt sich die Frage, Frau Dr. Schaefer, ob jemand etwas weniger richtig oder falsch gemacht hat. Fakt ist, wir haben eine Verzögerung von fünf bis sechs Jahren. Das mag mathematisch mit dem kleinen Einmaleins vielleicht ein bisschen schwierig sein: Der Terminal sollte Ende 2014 in Betrieb gehen, er geht aber nicht vor Ende 2019 in Betrieb, das macht mindestens fünf Jahre Verzögerung in diesem Projekt! Wenn Sie, Frau Dr. Schaefer, die Verantwortung für gewisse Aussagen, die vor x Jahren getroffen worden sind, auf die Schwierigkeiten
von Firmen in Bremerhaven übertragen, müssen Sie im Umkehrschluss auch die Konsequenzen der Fehler Ihres Handelns auf die derzeitige Situation reflektieren. Warum ist Siemens nicht gekommen? Warum ist Ambau nicht gekommen? Wenn die Argumentation für das Kauder- und Rösler-Papier und für die Vergangenheit gilt, dann gilt das genauso für Ihr Handeln, dann sind Sie unmittelbar für das Nichtkommen von Siemens und den Wegzug von Ambau verantwortlich, nicht mehr und nicht weniger!
Herr Eckhoff hat mit seiner Einladung vollkommen recht. Natürlich gibt es im Augenblick wieder eine Verunsicherung in der Branche.