Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Senator Dr. Lohse.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage eins: Die Schaffung eines dauerhaften Bestandsschutzes für Fahrgeschäfte wird aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des bewährten dynamischen Sicherheitskonzepts und des verhältnismäßigen wirtschaftlichen Aufwandes für den Betreiber in Relation zum gewährleisteten Sicherheitsniveau nicht beabsichtigt. Die Beibehaltung des derzeitigen Genehmigungsverfahrens ermöglicht den Betreibern einen sicheren Betrieb mit verhältnismäßig wirtschaftlichem Aufwand auch ohne Gewährung eines dauerhaften Bestandsschutzes.

Zu Frage zwei: Der Arbeitskreis Fliegende Bauten wurde mit Beschluss der 127. Bauministerkonferenz durch die Fachkommission Bauaufsicht beauftragt, die Systematik der Genehmigung Fliegender Bauten und mögliche Varianten im Hinblick auf die Hinweise

der Schausteller zu untersuchen. Dabei wurde auch die Variante der unbefristeten Ausführungsgenehmigung untersucht und festgestellt, dass diese in der Konsequenz Nachteile für die Genehmigung stellen und für die Schausteller bedeutet. Ein wesentlicher Nachteil für die Schausteller wäre, dass die unbefristete Ausführungsgenehmigung nur auf Grundlage der geltenden neuen technischen Baubestimmungen erteilt werden könnte. Die alte Norm wurde bereits 2005 zurückgezogen und darf nicht mehr angewendet werden. Außerdem sind sowohl höhere Kosten der wiederkehrenden Prüfung durch externe Prüfstellen als auch höhere Forderungen gegenüber Schaustellern im versicherungstechnischen Bereich zu erwarten. Die Beibehaltung der jetzigen Genehmigungssystematik Fliegender Bauten wurde durch die Fachkommission Bauaufsicht im April 2016 bereits mehrheitlich befürwortet. Die Initiative einer unbefristeten Ausführungsgenehmigung kann aufgrund der überwiegenden Nachteile und Schwierigkeiten im Vollzug nicht unterstützt werden. – Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege Kottisch, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie schreiben in der Antwort auf Frage zwei, dass die Beibehaltung der jetzigen Genehmigungssystematik Fliegender Bauten von der Fachkommission Bauaufsicht mehrheitlich befürwortet wird.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Schreiben?)

Wer ist Mitglied in dieser Fachkommission Bauaufsicht?

Das reiche ich Ihnen gerne nach. Das sind die zuständigen Stellen der Länder.

Ist das bremenspezifisch, oder ist das bundesweit?

Nein, bundesweit! Das läuft alles unter der Bauministerkonferenz und ihren Unterausschüssen. Dies ist eines der Organe.

Herr Kollege Kottisch, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie schreiben in der Antwort auf Frage zwei, dass die unbefristete Ausführungsgenehmigung, also sozusagen der Bestandsschutz, nur auf der Grundlage der geltenden neuen TA-Bestimmung erfolgen kann. Nun wissen wir aber, dass die anderen europäischen Länder einen Bestandsschutz ermöglicht haben und Bayern die Initiative auch startet. Wie machen die das? Wie können andere Länder diesen Bestandsschutz einrichten und wir nicht?

Wie es die anderen Länder machen, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir eine Reihe von Gerichtsurteilen haben, nicht nur in der untersten Instanz. Zunächst hatten wir ein Urteil aus Niedersachsen, bei dem das Verwaltungsgericht entschieden hat, dass man Bestandsschutz nicht aufgrund der alten Norm gewähren kann, weil sie eben nicht der konkreten Gefahrenabwehr dient. Das ist dort die Anforderung. Das ist inzwischen auch durch ein OVG-Urteil, OVG Lüneburg, vor einiger Zeit bestätigt worden. Wir haben also eine klare Rechtsprechung.

Sie müssen sehen, dass diejenige Person, die den Bestandsschutz gewährleistet und im Rahmen der Prüfung in der Behörde gegenzeichnet, eine sehr hohe persönliche Verantwortung trägt. Diese Verantwortung wird in Deutschland von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Behörden seit den Ereignissen um die Love Parade sehr viel stärker gespürt. Vielleicht hat es in anderen Ländern keine vergleichbaren Ereignisse gegeben, die dazu führen, dass diese Sensibilität und dieses Bewusstsein bei den Verwaltungsmitarbeitern so ausgeprägt sind, rechtlich auch in festen Schuhen stehen zu wollen.

Herr Kollege Kottisch, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich verstehe die Argumentation sehr gut. Nun haben wir aber am 21. April des letzten Jahres, eindeutig nach dem Love-Parade-Unfall in dieser Bürgerschaft über alle Fraktionen hinweg einen einstimmigen Beschluss gefasst,

(Abg. Senkal [SPD]: Ja! – Zuruf Abg. Rupp [DIE LINKE])

der sich eindeutig dafür ausgesprochen hat, den Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte zu gewährleisten. Wir fordern den Senat unter Punkt zwei im Erschließungsteil dazu auf, die landesrechtliche Norm entsprechend anzupassen und uns dahin gehend einen Bericht zu erstatten. Das ist bis heute nicht erfolgt. Insofern verstehe ich nicht ganz, wie das mit dieser Antwort zusammenpasst.

Die Bürgerschaft hat den Senat aufgefordert, im Rahmen der Bundesbauministerkonferenz eine bundeseinheitliche Regelung abzustimmen, die die rechtliche Voraussetzung für den Bestandsschutz alter Anlagen sicherstellt – jetzt wird es interessant –, sofern keinen neuerlichen Gefahrenmomente entdeckt werden und die Betriebssicherheit auch weiterhin gewährleistet ist. Es ist jetzt so, dass eine Norm kein staatliches Gesetz und auch keine behördliche Willkür ist. Eine Norm ist eine technische Regel, die von den Marktakteuren, nicht von der Verwaltung, sondern von den Unternehmen des Marktes auf Basis der Kenntnis aktueller technischer Gegebenheiten entwickelt wird.

Diese Norm wird dann zugrunde gelegt, wenn die Verwaltung prüft, ob ein Fahrgeschäft den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Es kann auch immer nur einen allgemein anerkannten Stand der Technik geben und nicht mehrere. Das gilt in dem Moment, in dem eine neue Norm neue Gefahrenmomente aufgrund von Ereignissen beschreibt oder darauf reagiert, wie wir sie hier in Bremen auch gehabt haben. Wir haben im Jahr 2011/2012 zwei sehr ernste, zwei sehr schwerwiegende Unfälle auf der Bürgerweide gehabt. Einmal war es bei der Osterwiese, einmal war es beim Freimarkt. Deshalb sind wir auch außerordentlich sensibilisiert. In dem Moment, in dem wir eine neue Norm mit den Regeln haben, die auf solche Unfälle Bezug nimmt, haben wir neue Erkenntnisse. Dann können wir diesen alten Bestandsschutz nicht gewährleisten. Das findet sich in Übereinstimmung mit den Gerichtsurteilen. Wir können Ihnen das gern noch einmal schriftlich berichten, wenn etwas aussteht. Es ist bei uns auch sehr intensiv geprüft worden. Wir schreiben Ihnen gern noch etwas dazu auf, sodass es auch nachvollziehbar ist. Die Sache ist an der Stelle aber sehr eindeutig.

Herr Kollege Kottisch, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, es leuchtet mir ein, was Sie sagen. Es muss aber in irgendeiner Form einen Ermessensspielraum geben, weil andere Länder anders vorgehen. Insofern möchte ich Sie fragen, wie hoch der Ermessensspielraum in solchen Fragestellungen eingeschätzt wird.

Der Ermessensspielraum liegt letztlich darin, ob die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter in der Verwaltung das persönliche Risiko eingehen möchte, einen dauerhaften Bestandsschutz auszusprechen, dann aber auch dafür geradezustehen, wenn es zu Unfällen, möglicherweise mit Personenschäden, kommt. Wir haben hier eine klare Rechtsprechung und eine klare Rechtslage. Das habe ich versucht zu erläutern.

Herr Kollege Kottisch, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Zunächst einmal bin ich dankbar, dass Sie sich der Thematik weiter widmen wollen. Ich möchte Sie fragen, ob wir diesen schriftlichen Bericht, den Sie uns zuleiten, dann noch einmal persönlich diskutieren können, da es mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz einleuchtet, wenn wir auf der einer Seite einen Bürgerschaftsbeschluss haben, der in diesem Hause einstimmig ist, und Sie dann auf der anderen Seite behaupten, dass der Verwaltungsangestellte die volle Verantwortung zu übernehmen hat.

Der Bürgerschaftsbeschluss, den Sie uns gegeben haben, ist konditioniert, sofern

keine neuen Gefahrenmomente entdeckt werden. Eine neue Norm heißt: Es gibt neue Erkenntnisse, wir müssen die Sicherheitsbestimmungen anpassen. Ich soll hier keine Rückfragen stellen, aber man muss sich fragen, welches Problem eigentlich gelöst werden soll. Wir sind hier in guten Gesprächen mit den Schaustellen, auch was diese wiederkehrenden Prüfungen anbelangt. Es gibt auch eine Mitwirkungsbereitschaft. Wir haben auch mit dem Vorsitzenden des Schaustellerverbandes gesprochen. Es gibt eine Mitwirkungsbereitschaft. Wir sind auf einem guten Weg.

Man sollte vielleicht eines sehen, nämlich dass dieser dauerhafte Bestandsschutz verlockender klingt, als er ist. Wenn man einen solchen dauerhaften Bestandsschutz einmal erteilt hat, befindet man sich in einem statischen Sicherheitskonzept. Wir sind jetzt in einem dynamischen Sicherheitskonzept, das heißt, dass wir, wenn es neue Erkenntnisse gibt, entsprechende Prüfungen vornehmen und schauen, ob die Fahrgeschäfte noch entsprechend stabil sind. Es geht auch um Zelte und andere Dinge, auch bei Stürmen und solchen Ereignissen. Es betrifft also nicht nur Fahrgeschäfte.

Wenn wir uns in einem statischen Sicherheitskonzept bewegen und diesen dauerhaften Bestandsschutz einmal aussprechen, dann würde die erste neue Erkenntnis dazu führen, dass dieser Bestandsschutz endgültig gebrochen wird. Dann böte er weniger Schutz, was die langfristige Investitionssicherheit anbelangt. Man muss auch bedenken, dass die Norm, die im Jahr 2012 eingeführt worden ist, nach einer sechsjährigen Übergangszeit eingeführt wurde. Sie ist mit den Akteuren intensiv diskutiert worden. Jetzt sind weitere vier Jahre ins Land gegangen, das heißt, wir haben zehn Jahre Übergangszeit. Man muss sich dann auch irgendwann einmal fragen, wie lange man dann noch Bestandsschutz für veraltete Anlagen, die sich den Prüfungen, ob sie heute noch sicher sind, entziehen wollen, gewährleisten soll und wer die Verantwortung dafür übernehmen soll.

(Abg. Senkal [SPD]: Die werden doch jedes Mal überprüft!)

Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Strohmann.

Ich möchte von Ihnen gern noch einmal wissen, in welchem Zusammenhang die Ereignisse in Duisburg zu der Sicherheit der Fliegenden Bauten stehen. Das hab ich ehrlicherweise nicht verstanden.

Sie stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Es hat sich nur in Duisburg gezeigt, dass am Ende die Menschen, die gerichtlich belangt wurden, die Mitarbeiter in der Verwaltung waren und nicht die politisch Verantwortlichen, die gesagt haben, sie bestehen darauf, dass diese Veranstaltung

dort durchgeführt wird. Die Verwaltungsmitarbeiter dort hatten Sicherheitsbedenken ins Feld geführt und sind letztlich dann – ich weiß nicht ganz genau, auf welche Weise – dazu veranlasst worden, das entgegen ihrer eigenen Überzeugung zu genehmigen. Die standen am Ende vor Gericht und nicht die politisch Verantwortlichen, die es veranlasst haben. Das ist die einzige Analogie, auf die ich abgehoben habe.

Herr Kollege Strohmann, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Habe ich das jetzt so verstanden, dass sich das eine zwischen politischer Klasse und Verwaltung abgespielt hat, es aber bei Fliegenden Bauten doch eine sehr engmaschige Prüfung durch den TÜV, durch Institutionen, durch die Bauverwaltung gibt? Da gibt es doch gar keinen politischen Einfluss. Deswegen glaube ich, dass da gar kein Zusammenhang besteht, so wie Sie es darstellen.

Wenn Sie mich auffordern, einen dauerhaften Bestandsschutz auszusprechen und zu gewähren, obwohl die technischen Erkenntnisse und die Norm dagegen sprechen, und ich würde mich dem beugen, würde ich das als politische Einflussnahme empfinden. Ich müsste dann auch meinen Mitarbeitern sagen, dass sie die Norm beiseitelegen und einen Bestandsschutz unterschreiben sollen. Was ist das anderes als eine politische Einflussnahme?

Herr Kollege Strohmann, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich will das jetzt nicht weiter ausführen. Es soll ja eine Fragestunde sein und kein Dialog. Ich möchte Sie aber trotzdem noch einmal fragen, weil Sie die beiden Unfälle in Bremen erwähnt haben. Ist Ihnen bekannt, dass die Unfälle im Zusammenhang mit der neuen EU-Norm standen, dass Ursache dieser Unfälle war, dass diese eben nach der neuen Norm gebaut wurden und deswegen dieser Unfall entstanden ist?

Eine neue Norm verursacht keine Unfälle. Diese Geräte hatten Verschleißerscheinungen und Materialermüdungserscheinungen. Inwieweit die Fahrgeschäfte nach der alten Norm noch zugelassen werden und nach der neuen Norm nicht mehr, kann ich Ihnen heute nicht beantworten. Dazu müsste ich mir den Fall intern noch einmal genau aufbereiten lassen.

Herr Kollege Strohmann, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie wissen schon, dass die neue Norm im Grunde genommen auf Gewichte ab

gestimmt ist, dass beispielsweise mit der alten Norm im Durchschnitt auf 75 Kilogramm Personengewicht abgestellt wird und jetzt auf 100 Kilogramm Personengewicht. Mehr ist das im Grundsatz eigentlich nicht, weil Sie jetzt gerade von Verschleißteilen sprechen. Das eine hat soweit mit dem anderen nicht direkt zu tun.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Es geht aber um die die Unfallursachen!)

Die kinetischen Kräfte, die wirken, wenn Sie in einem schnell drehenden Karussell mit vier Personen à 100 Kilogramm anstelle von vier Personen à 75 Kilogramm sitzen, sind schon andere. Ich weiß gar nicht, ob das mit der zweiten oder dritten Potenz der Gewichtszunahme gerechnet wird. Das verläuft nicht immer linear. Da muss man natürlich auf Fakten Rücksicht nehmen, beispielsweise den Fakt, dass das Durchschnittsgewicht der Bevölkerung in den letzten Jahren zugenommen hat.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Nicht bei jedem!)

Die durchschnittliche Körpergröße hat zugenommen. All diese Dinge spielen eine Rolle. Wir wenden die neuen Normen auch nicht sklavisch an, sondern schauen jeweils, ob bezogen auf das konkrete Fahrgeschäft bestimmte Aspekte angesichts der neuen Norm anders zu beurteilen sind als in der Vergangenheit. Nur darauf beziehen sich dann die wiederkehrenden Prüfungen, die mit einer Verhältnismäßigkeit einmal für ein Jahr oder einmal für fünf Jahre, je nachdem wie die Einschätzung und die Beanspruchung ausfällt, vergeben werden. Man geht schon mit sehr viel Augenmaß vor. Deswegen frage ich noch einmal, welches Problem wir eigentlich lösen wollen.

Moment! Bevor ich Herrn Strohmann das Wort erteile: Jetzt verlässt gerade die Klasse des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums den Besucherring. Wahrscheinlich wollen sie jetzt diskutieren. Ich möchte es nicht versäumen, Sie ganz herzlich hier im Hause der Bremischen Bürgerschaft begrüßt zu haben und wünsche Ihnen weiterhin einen schönen Aufenthalt!

(Beifall)