Das Land Bremen ist bis heute ein weißer Fleck auf der Landkarte dieses Beratungsnetzwerkes. Deswegen sehen wir als CDU hier ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. Allerdings ist uns der Koalitionsantrag etwas zu vage. Daher haben wir dazu einen Änderungsantrag eingebracht. Dazu möchte ich im zweiten Redebeitrag noch etwas sagen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem es hier schon entsprechend ausgeführt wurde, erspare ich mir die weitere Situationsbeschreibung. Es gibt, finde ich, in dieser Frage keinen Grund und keine Berechtigung, noch länger zu warten. Damit komme ich auch gleich zum Kernpunkt unseres Anliegens.
Andere Bundesländer haben es längst. Das ist auch gerade erwähnt worden. In Niedersachsen gibt es seit 2013 Beratungsstellen, in Oldenburg, Hannover und Braunschweig ebenfalls. Darüber hinaus hat der DGB Beratungsstellen in Berlin, Frankfurt und anderen Städten. In all diesen großen Städten sind solche Stellen längst eingerichtet. Die Dringlichkeit steht völlig außer Frage.
Wir haben einen aktuellen Fall in Hannover. Dort wird das alte Siloah-Krankenhaus abgerissen. Es ist ganz interessant und ging auch gerade durch die Medien. Gesundheitspolitische Sprecher sehen das wahrscheinlich sofort. Auftraggeber ist das Klinikum Hannover. Dieses hat den Abrissauftrag an einen Subunternehmer weitergegeben. Dieses Subunternehmen arbeitet mit Arbeitern aus Bulgarien. Das ist jetzt alles von den Zusammenhängen her nicht neu. Die werden um ihren Lohn geprellt. Es gibt dubiose Arbeitsverträge, Barauszahlungen oder auch nicht, minimale Abschlagszahlungen und so weiter. Von einem Tarif ist weit und breit nichts zu sehen. Es gibt drei bis vier Euro pro Stunde. In den letzten zwei Monaten gab es überhaupt keinen Lohn mehr.
Im Auftrag des Klinikums sind Mindestlohn und Tariftreue vorgeschrieben. Der Zoll war auf der Baustelle, hat aber nichts feststellen können. Nur durch die Berichte der Arbeiter ist es jetzt ans Tageslicht gekommen, wie eigentlich die Verhältnisse aussehen. Das zeigt, das finde ich wichtig, wie entscheidend die Arbeit mit den Betroffenen ist, gerade weil sich viele Verstöße auf dem Papier nicht feststellen lassen.
Dass es hier gerade in Bremerhaven Bedarf gibt, hat sich inzwischen durch die verschiedenen Debatten und Auseinandersetzungen wohl leidlich herausgestellt. Ich finde es wichtig, den Betriebsratsvorsitzenden der Lloyd Werft zu zitieren. Das war letztes Jahr. Er hat das auch ständig in der Praxis erfahren. Wir müssen davon ausgehen, meinte er, dass das Ausmaß erschreckend und viel größer als bisher bekannt ist. Es scheint eine systematische Ausbeutung mobiler Beschäftigter stattzufinden, die besonders durch fehlende Sprach- und Rechtskenntnisse begünstigt wird.
Wir haben hier außerdem eine Deputationsvorlage vom März 2014, Zuwanderung von EU-Bürgern aus Osteuropa. Dort wird festgehalten, dass Beobachtungen der Polizei Anlass zu der Annahme geben, dass sich Arbeitsuchende als Tagelöhner auf Baustellen et cetera anbieten. Es ist zu vermuten, dass im Hintergrund Vermittler und Auftraggeber an der allgemeinen Lebenssituation der Menschen verdienen, indem sie sie in ausbeuterischer Weise dieser Beschäftigung zuführen.
In dieser Vorlage heißt es, dass es zwischen April 2013 und April 2014 eine Beratungsstelle für Zuwanderer in Bremerhaven gegeben hat. Offenbar wurde das
Projekt aber nicht fortgesetzt. In der erwähnten Deputationsvorlage wurde als eines der Ziele definiert: Die Neubürgerinnen haben Vertrauen in die staatlichen Institutionen. An der Stelle muss ich sagen, dass wir Wert darauf legen sollten, dass das nicht erschüttert beziehungsweise dass es erhalten bleibt. Durch solche Vorkommnisse wie in Bremerhaven wird solch ein Vertrauen natürlich massiv erschüttert. Die Art und Weise, wie damit in Bremerhaven zum Teil umgegangen wurde, ist aktuell nicht immer akzeptabel. Darüber haben wir heute Vormittag auch schon diskutiert. Das Anliegen des Antrags, endlich eine Beratungsstelle für mobile Beschäftigte einzurichten, ist also überfällig.
Ich möchte es auch noch einmal sagen. Sie brauchen nicht ein Konzept, sondern Sie brauchen definitiv diese Beratungsstelle. Ich denke auch, dass die Vorstellungen, wie so etwas aussehen soll und dass es auf tarif- und arbeitsrechtliche Problematiken eingeht, insbesondere flankiert wird mit entsprechenden Übersetzungen, ziemlich deutlich macht, was hier erforderlich ist. Das liegt hier auf der Hand. Es ist völlig unverständlich, dass wir jetzt erst wieder ein Konzept brauchen. Wahrlich ist der September nicht so utopisch übermorgen, es nicht tatsächlich bis dahin schaffen zu können vor dem Hintergrund, dass es das in Niedersachsen gibt. Das finde ich, ehrlich gesagt, schwer nachvollziehbar.
Wir brauchen pro Standort zwei bis drei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die das in den ein einschlägigen Sprachen können, einen Büroflyer et cetera. Erforderlich ist auch, dass die Leute aufgesucht werden können. Das wird dort an den Stellen im Übrigen getan.
Wir werden trotzdem dem Antrag von Rot-Grün zustimmen, weil wir das Anliegen mit Sicherheit teilen. Ich bin bei dem CDU-Antrag ein wenig verwirrt gewesen, weil es um die Einrichtung einer mobilen Beratungsstelle geht. Ich denke, dass auch ein Büro und ein Standort benötigt werden. Die mobile Beratungsstelle soll an bestehende Beratungsstrukturen angedockt werden. Das finde ich etwas schwierig, weil es diese Stelle, die wir eigentlich bräuchten, jetzt noch gar nicht gibt. Insofern brauchen wir die Einrichtung des Büros, damit die Menschen in die Lage versetzt werden –
Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Wir Freie Demokraten sind natürlich auch für eine Beratungsstelle für die mobile Beschäftigung. Wir setzen auf Aufklärung und unterstützen daher diese Beratungsstelle, die im besten Fall schlank aufgestellt ist und möglichst mobil auf die Betroffenen zugeht.
Für uns ist es aber wichtig, in dem Zusammenhang zu sagen, dass es Fälle gibt, in den Arbeitsrechte und teilweise die Menschenwürde dieser Arbeitnehmer verletzt werden. Für uns ist es vor allem aber auch eine Frage der Tonalität in den Anträgen, vor allem, mit welcher Haltung diese Anträge gemacht werden. Gerade beim Antrag der Koalition haben wir das Gefühl, dass Sie dort ein wenig über die Stränge schlagen. Sie schüren in dem Antrag eigentlich nur Vorurteile, denn nicht alle Arbeitgeber, die mobile Beschäftigte beschäftigen, sind Ausbeuter und gleich Menschenfeinde. Ja, es gibt schwarze Schafe, die gibt es überall. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir uns dagegen richten und etwas für die Menschen tun. Es ist aber nicht bei allen so.
Sie diskreditieren hier ganze Branchen. Zum Beispiel behaupten Sie, dass Transport- und Logistikunternehmen, die Fleischverarbeitung und das Handwerk mobile, billige Arbeitskräfte ausbeuteten und sich dabei illegal verhielten. Ganz ehrlich, hören Sie doch bitte auf, immer nur mit dem Finger auf die Menschen zu zeigen, die hier für Beschäftigung, Arbeit und Wohlstand sorgen!
(Beifall FDP – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Lesen Sie uns das einmal vor! Wo finden Sie das in unserem Antrag, Frau Steiner?)
Ein ideologiefreier Antrag, ein Antrag frei von Pauschalurteilen wäre uns lieber gewesen. Dennoch unterstützen wir diese Beratungsstellen und stimmen natürlich zu, dem Antrag der CDU auch. – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt zwei Erfolgsfaktoren bei der Beratung von mobilen Beschäftigten. Der erste ist, die Beratung möglichst in der Muttersprache der Ratsuchende anzubieten. Der zweite ist ein niedrigschwelliger Zugang durch eine aufsuchende Beratung am Arbeitsort beziehungsweise der Unterkunft. Häufig sind es für mobile Beschäftigte auch große Sammelunterkünfte. Als ich den Koalitionsantrag zum ersten Mal zu Gesicht bekommen habe, war mein erster Gedanke,
ob wir tatsächlich schon wieder eine neue Stelle bei der Vielzahl der bereits bestehenden Beratungsangebote, die wir haben, brauchen. Warum können es nicht Institutionen wie die Arbeitnehmerkammer, die Gewerkschaften, die AWO oder die Innere Mission durchführen?
Ich habe gelernt, dass eine Zuständigkeit der Arbeitnehmerkammer meist nicht gegeben ist, weil diese zum einen nur Arbeitnehmer berät und zum anderen nur solche, die in einem Unternehmen beschäftigt sind, das im Land Bremen ansässig ist. Das trifft jetzt nun auf die meisten mobilen Beschäftigten, die in Bremen arbeiten, aber nicht zu. Sie werden aus ihrem Heimatland entsandt, sind bei einer ausländischen Leiharbeitsfirma angestellt und arbeiten dann, wie wir wissen, als Werksvertragsbeschäftigte oder illegal als Scheinselbstständige.
Die Gewerkschaften beraten in der Regel nur ihre Mitglieder. Die Innere Mission und die AWO sind nicht befugt, in arbeits- oder tarifrechtlichen Fragestellungen zu beraten, sondern können hierzu nur an andere Stellen verweisen. Dafür müssen aber natürlich Organisationen existieren, die die entsprechenden Anliegen überhaupt bearbeiten können. Insofern ist ein zusätzliches Beratungsangebot notwendig, das diese Lücke schließt.
Als CDU-Fraktion sind wir jedoch der Meinung, dass dieses an bestehende Strukturen angedockt werden muss und kann. Wenn Arbeitnehmerkammer oder der DGB nämlich die Beratung mobiler Beschäftigter nicht aus den Beitragsmitteln ihrer Mitglieder finanzieren müssen, können auch sie die Beratung übernehmen. Dort existiert das erforderliche Know-how dafür, und es können Synergieeffekte genutzt werden. Außerdem werden so Doppelstrukturen vermieden, die sich Bremen als Haushaltsnotlageland weder leisten kann noch muss.
Wenn entsprechende Beratung bei DGB und Arbeitnehmerkammer aus Beitragsmitteln nicht möglich ist, muss dieses zusätzliche Beratungsangebot aus Landesmitteln oder kommunalen Mitteln finanziert werden. So funktionieren übrigens auch die Beratungsstellen, die es in den anderen Regionen gibt. Da kann man auch einmal ein wenig schauen. Dafür, liebe, Frau Böschen und lieber Herr Fecker und all diejenigen,
die es gesagt haben, bedarf es nicht erst der Erarbeitung eines Konzepts. Man muss an dieser Stelle das Rad gar nicht neu erfinden. Meine Empfehlung ist: Schauen Sie sich an, wie es woanders funktioniert, und übernehmen Sie es! Achten Sie in den Haushaltsberatungen darauf, dass die erforderlichen Mittel dafür eingestellt werden, und setzen Sie sich mit dem DGB und der Arbeitnehmerkammer in Verbindung! Das ist das, was unser Änderungsantrag impliziert. Insofern hoffe ich, dass die LINKEN dann vielleicht doch noch zustimmen.
Der Änderungsantrag der Fraktion der LINKEN geht in eine ähnliche Richtung. Was uns unterscheidet, ist jedoch unsere feste Überzeugung, dass die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte selbst mobil sein muss, um eine aufsuchende Beratung durchführen zu können. Sicherlich ist es richtig und notwendig, ein Büro als Anlaufstelle zu haben. Aber bei Menschen, die erst seit wenigen Wochen in Bremen oder Bremerhaven sind und unsere Sprache nicht sprechen, ihre Rechte und unsere Institutionen nicht kennen, hilft es nicht, hinter dem Schreibtisch auf sie zu warten. Diese Menschen müssen am Arbeitsort aktiv angesprochen werden.
Ja, beides! Ich sage eben, dass das eine dem anderen nicht widerspricht. Es muss ein Büro geben, aber auch mobil beraten werden. Ich will jetzt nicht vorschreiben, wie man sich dorthin bewegt. Es muss aber vor Ort sein.
Diese Menschen müssen an ihrem Arbeitsort aktiv mit mehrsprachigem Informationsmaterial, am besten durch Muttersprachler mit Fachkenntnissen im deutschen Arbeits‑, Tarif- und Sozialrecht angesprochen werden. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein ernstes Thema, bei dem wir heute auch die Kehrseite Europas kennenlernen. Wir haben es hier damit zu tun, dass in vielerlei Hinsicht Schutzstandards für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer negiert werden, dass Dumpinglöhne gezahlt werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgebeutet werden. Die Koalition hat es sich zur Aufgabe gemacht und das auch im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, diese mobilen Beschäftigten gezielter zu beraten. Diesen Auftrag haben wir in unserem Ressort bereits angenommen und sind dabei, das umzusetzen, in ein Konzept zu gießen, wie wir das Ziel am besten erreichen, diese Menschen zu beraten, damit sie die ihnen zustehenden Rechte einfordern können.
Mobil Beschäftigte, das liegt auf der Hand, sind mobil. Wir brauchen daher auch eine Mobilität in der Beratung. Wir haben uns ganz intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen zusammengesetzt und haben mit Ihnen gemeinsam beraten und uns
zunächst einmal aufklären lassen, wie konkret dort die Arbeit vonstattengeht. Wenn man es sich einmal anhört, ist es schon auch erschreckend, was man für Beispiele hört, in welcher Form die Ausbeutung betrieben wird. Jetzt haben wir in Teilbereichen, insbesondere beispielsweise im Vechtaraner Land, gerade dort in den Zerlegebetrieben, offensichtlich viele Schwierigkeiten. Jedenfalls gibt es dort ein extrem hohes Beratungsangebot. Aktuell genießen wir alle den Spargel, der von den Feldern kommt, von den Spargelbauern. Auch dort gibt es sicherlich einen Beratungsbedarf. Ich habe mich von fachkundiger Seite aufklären lassen, dass wir auch in Bremen ein paar Spargelbauern haben. Das ist aber in keiner Weise zu beanstanden. Ich will das gar nicht ins Lächerliche ziehen. Wir haben hier wirklich ein ernsthaftes Thema, sodass wir diese Beratungsstelle umsetzen wollen, und das möglichst bald.
Das Angebot muss mehrsprachig sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Beratungsstelle müssen darauf eingehen können. Wir brauchen die entsprechenden Printmaterialien. Sie wird sicherlich mit einem Bus ausgestattet werden. Allerdings macht es an den Landesgrenzen nicht halt. Auch heute ist es bereits so, dass sich Menschen aus Bremen bei den Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen beraten lassen. Das wird umgekehrt auch so sein. Dementsprechend plädiere ich sehr dafür, dass wir das mit den Niedersachsen gemeinsam, vernetzt tun, um eine möglichst große Vielzahl an Menschen erreichen zu können.
Wir werden über die Sommerpause alles Nötige vorbereiten, um zur Ausschreibung zu kommen und um ein Konzept, das wir entwickelt haben, umzusetzen. Das unterscheidet uns sicherlich von der Linksfraktion, liebe Frau Bernhard. Ohne Konzept geht es nun einmal nicht. Konzeptionslos ist Ihre Angelegenheit. Da wollen wir uns nicht einmischen. Wir machen es auf der Basis eines gescheiten Konzepts. Das machen wir über die Sommerpause. Das legen wir vor, sodass wir dann auch entsprechend in die Beratung kommen können. – Herzlichen Dank!