Protokoll der Sitzung vom 15.06.2016

greifbares Ergebnis gezeitigt. Es ist unwidersprochen, dass bis zu 8 Millionen Euro jährlich für niedersäch sische Landeskinder verausgabt werden. Das ist ein Betrag, den Niedersachsen übrigens auch bezahlen müsste, wenn es die Kinder selbst beschulen würde. Das Problem ist nun noch drängender geworden. Konnte man in der Vergangenheit noch als Krücke mit der Kapazitätsauslastung argumentieren, gilt auch das in Zeiten einer starken Zuwanderung und einer allgemein steigenden Schülerzahl eben nicht mehr. Kommen Sie in Ihrer Not auch nicht mit sonst so häufig genannten Gründen wie dem seinen Verpflichtungen angeblich nicht nachkommenden Bund. Erstens sind und bleiben Sie zuständig. Zweitens hat der Bund zum Beispiel mit der Übernahme der BAföG-Kosten schon für Entlastungen auf der Einnahmeseite gesorgt, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Sie kommen aber nicht nur auf der Einnahmesei te nicht auf den grünen Zweig. Manches in Ihrer Ausgabepolitik ist ebenso haarsträubend. Für die Container-Interimslösung am Ohlenhof werden Sie zum Beispiel 3 Millionen Euro bezahlt haben. In meinem nächsten Leben verkaufe oder vermiete ich Ihnen Container, meine Damen und Herren. Das habe ich mir ganz fest vorgenommen.

(Beifall CDU – Abg. Güngör [SPD]: Da bin ich dabei! Bei den Containern! Bei dem Leben weiß ich nicht!)

Bleiben wir bei den Kriterien. Die Kriterien steuern Bildung und dazugehörige Ressourcen nämlich gerade nicht auf Sicht, sondern vorausschauend. Wenn man das wie Sie nicht macht, läuft man am Ende hinterher und wird schnell kurzatmig. So ist es zum Beispiel auch bei Ihrer Personalpolitik. Die leidet manchmal gar nicht nur am fehlenden Geld, sondern daran, dass Sie die personelle und notwendige Vorsorge in diesem Bereich einfach nicht zeitgerecht getroffen haben, dass Sie die notwendi gen Kapazitäten zur Aus- und Fortbildung einfach nicht oder zum Teil nicht mehr haben und dass Sie die Konkurrenz anderer Bundesländer auf diesem Arbeitsmarkt entweder nicht wahrgenommen oder unterschätzt haben. Übrigens nicht nur bei den Lehr kräften im engeren Sinne, sondern zum Beispiel auch im Bereich der Schulsozialarbeit! Jetzt erhöhen Sie die Zahl der Referendariatsstellen. Ja, richtig! Wenn Sie aber nicht gleichzeitig auch die Strukturen der Personalsteuerung in den Blick nehmen, ist auch das am Ende nur halbherzig, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Ich nenne gern noch ein zweites Beispiel. Bildung im digitalen Zeitalter muss mit den Entwicklungen außerhalb der Schule Schritt halten. Wir haben noch

immer nicht überall WLAN im notwendigen und im sozialen Umfeld zumeist längst selbstverständlichen Umfang. Das ist übrigens auch nicht in erster Linie eine Frage des Geldes, denn in diesem Bereich stehen Ihnen zusätzliche Einnahmen zur Verfügung.

Wir müssen in der Politik, auch in der Bildungspolitik, endlich unsere Kleinheit in Geschwindigkeit umset zen. Dann werden Sie auch in der Öffentlichkeit in Bremen und Umgebung die notwendige Überzeu gung und den notwendigen Rückhalt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

All das macht Ihre Bildungs- und Haushaltspolitik insgesamt – freundlich formuliert – wenig überzeu gend. Der von Ihnen vorgelegte Haushalt weckt wenig Hoffnung auf Besserung. Sie wirken immer getrieben und laufen irgendwie hinterher. Sie agie ren nicht, sondern Sie reagieren, und das meistens langsam. Sie bleiben in einem Feld Schlusslicht, das eigentlich Motor einer Zukunftsgestaltung sein sollte. Das ist umso schlimmer, als sich die Zukunftschancen unserer Jugend auch aus diesem Grunde in dieser Republik auseinanderzuentwickeln drohen. Das hat auch mit Geld, aber eben nicht nur damit zu tun. Es hat auch mit Ihnen zu tun. Wenn zum Beispiel in einer vorgelegten Schulstand ortplanung zumindest Berufsschulen gar nicht und Gymnasien fast gar nicht vorkommen, ist eben auch das eine Botschaft. Es ist handwerklich fragwürdig und ein Zeichen der Rückkehr der Ideologie in die Bildungspolitik, wo eigentlich pragmatisches Handeln und der Willen der Beteiligten das Erforderliche und der Maßstab sein sollten. Lassen Sie mich deshalb auch hier sagen, wir sind grundsätzlich für den Kon sens im Bildungswesen. Ein stumpfes „Weiter so!“ ist aber keine konsensfähige Politik, meine Damen und Herren. Eigentlich benötigen wir in der Bildungspolitik 2016/2017 einen Aufbruch. Den haben Sie mit Ihrem Haushaltsentwurf wiederum erkennbar nicht erwirkt und bewirkt. Sie wirken mühselig und getrieben. Sie steuern nach. Ihre Reformen bleiben Stückwerk. Das kann das, was die Koalition an Nachbesserungen dankenswerterweise, aber unzureichender Weise auf den Weg gebracht hat, auch nicht heilen. In diesem Sinn werden wir Ihren Haushalt ablehnen. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Linnert, Sie haben eben zu Recht die hohen Sozialleistun gen in Bremen beklagt. Das ist genau der Punkt, an

dem wir die Sanierungsvereinbarung grundsätzlich kritisieren. Das ist auch genau der Unterschied zwi schen der Regierung und uns. Wir sagen nicht, es ist ein Problem, wenn Sie gesonderte Haushalte für Flüchtlinge und Integration aufstellen, sondern wir sagen, es ist ein Problem, dass Sie diesen Kurs der Schuldenbremse und der Sanierungsvereinbarung insgesamt beibehalten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will Ihnen auch begründen, warum! Sie sagen, wir zahlen zu viele Sozialleistungen. Das bedeutet, dass wir in Bremen zu viele Menschen haben, die nicht im Erwerbsleben stehen. Einer der vorgelagerten Bereiche, die dafür sorgen sollten, dass Menschen in Ausbildung und Erwerbsleben kommen, ist nun einmal der Bildungsbereich. Dieser ist in Bremen seit Jahren chronisch unterfinanziert.

(Beifall DIE LINKE)

Die Probleme sind im Grunde bekannt. Es fehlt Perso nal. Gebäude sind alt und müssten saniert werden. In den letzten Jahren wurden Gruppen- und Klassengrö ßen angehoben. Im Prinzip hat genau das Gegenteil von dem stattgefunden, für das diese Koalition in der ersten Legislaturperiode angetreten ist. Nicht umsonst gibt es insbesondere vor den Haushaltsaufstellungen regelmäßig Hilferufe von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern und von Eltern. So war das auch jetzt.

Dramatisch geändert hat sich, dass die Umsetzung der Inklusion auch im schulischen Bereich, zu der Deutschland verpflichtet ist, aufgrund dieser Politik gefährdet ist. Spätestens dann, wenn sich zurück haltende Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich sonst wirklich nicht öffentlich äußern, Brandbriefe schreiben, vor einem Scheitern der Inklusion war nen und sagen, inzwischen bestehe in Bremen die Gefahr, dass alle Kinder und Jugendlichen hinter ihren Möglichkeiten zurückblieben und im Bremer Bildungssystem nicht mehr angemessen gefördert würden, muss im Bildungsbereich massiv nachge steuert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen haben wir auch hierzu den größten Teil unserer Änderungsanträge gestellt. Wir sagen, wir wollen Menschen eine Möglichkeit geben, sich in diesem Leben zu behaupten, an Erwerbstätigkeit teilzunehmen und Wahlfreiheit für ihr Leben zu haben. Deswegen sagen wir, im Kita- und im Bil dungsbereich muss massiv zugelegt werden. Dazu haben wir Änderungsanträge gestellt.

Allein zum Auffangen der fluchtbedingten zusätzli chen Aufgaben benötigen wir im Jahr 2017 über das Senatsprogramm hinaus weitere 12,3 Millionen Euro.

Damit Inklusion, Ganztagsbetrieb und Armutsbe kämpfung gelingen können, benötigen die Schulen darüber hinaus im Jahr 2017 weitere 27 Millionen Euro. Das hört sich nach viel an. Es spart aber am Ende zum Beispiel bei den Sozialleistungen, wenn man das Geld investiert.

(Beifall DIE LINKE)

Von diesem Summen ist natürlich auch immer ein angemessener Anteil an die Stadt Bremerhaven zu geben. Das ist ein Punkt, der in Ihrem Integrations paket viel zu wenig bedacht wird. Hier muss man genau hinsehen.

Um den drängenden Kapazitätsmangel bei den Kin dertagesstätten auszugleichen, sind im Jahr 2017 außerdem 23,4 Millionen Euro an Investitionen und Personal in den Kitas der Stadtgemeinde Bremen nötig.

(Beifall Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen])

Die Koalition hat zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Das ist richtig, Herr Kollege Güngör! Zum Teil ist es aber so, dass das Ressort dies gegenfinan zieren muss. Dann fehlt das Geld woanders, zum Beispiel beim LIS. Das ist hinsichtlich der Anhebung der Ausbildung nicht entsprechend bedacht worden.

(Abg. Güngör [SPD]: Die Ausbildungskapazitäten werden erhöht!)

Insgesamt reicht das, was Sie machen, nicht!

Zum Versprechen, nach der Wahl zur Minderung des Unterrichtsausfalls 200 zusätzliche Stellen ein zurichten! Natürlich sind davon erst 120 Stellen real finanziert. Das Flexibilisierungskonto ist hier schon hinreichend thematisiert worden. Wir fordern in einem der Anträge, auch die anderen 80 Stellen müssen auskömmlich finanziert werden. Das ergibt für das Jahr 2017 zusätzliche 2 Millionen Euro, die der Senat ausgeben muss.

Der Senat geht davon aus, dass zwar nicht in diesem, aber im Schuljahr 2017/2018 weitere mindestens 500 zusätzliche Schülerinnen und Schüler fluchtbedingt eingeschult werden müssen. Hinzu kommen aber noch andere. Das heißt, wir benötigen natürlich auch neue Klassenverbände. Was der Senat und die Koalition hier vorlegen, ist viel zu wenig. Wenn man diese Berechnungen ernst nimmt, müssten 16 weitere Klassenverbände eingerichtet werden. Auch das kostet Geld.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Güngör [SPD]: Wenn Sie uns wieder überholen wollen, müssen Sie Ihre Zah len erhöhen!)

Geflüchtete Kinder und Jugendliche werden in Bre men bereits in bestehende Klassen aufgenommen.

Deswegen benötigen wir zusätzliche Klassenver bände, denn diese Klassen werden viel zu groß, und zwar insbesondere in den Stadtteilen, in denen man sowieso schon armutsbedingte Problemlagen hat und eigentlich kleinere Klassen bräuchte. Der Senat hat lediglich 20 Stellen zur Kompensation dieser über großen Klassen vorgesehen. Das ist lächerlich. Wir fordern im Schnitt eine Stelle pro Schule. Das würde noch einmal 115 Lehrerinnen und Lehrer über die Planungen des Senats hinaus bedeuten, liebe Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Aufgrund der Schließung des Studiengangs „Deutsch als Zweitsprache“ haben wir in diesem Bereich einen Fachkräftemangel. Deswegen muss in diesem Be reich eine Weiterbildung eingeführt werden. Diese müsste an der Universität liegen. Wenn man sie einrichtet, würde das im Jahr 2017 vergleichsweise minimale Kosten in Höhe von 200 000 Euro für den Wissenschaftshaushalt bedeuten. Diese müssen wir erbringen. Sonst jammern wir in zwei Jahren immer noch über den Fachkräftemangel im Bereich der Sprachförderung, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall DIE LINKE)

Im Bereich Inklusion haben die Koalitionsfrakti onen nachgelegt und zusätzlich 56 neue Stellen eingerichtet. Die Finanzierung finde ich zum Teil abenteuerlich, nämlich wenn die Eltern sie durch gestiegene Mensakosten zahlen müssen. Bremen hat so geringe Mensakosten, weil wir die ärmsten Eltern der Bundesrepublik haben.

(Abg. Güngör [SPD]: Die armen Eltern zahlen kei nen Beitrag, Frau Kollegin! Die armen Eltern zahlen keinen Beitrag! Das ist Quatsch, was Sie erzählen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, finanzieren Sie das ordentlich und nicht auf Kosten der Mensen!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Güngör [SPD]: Die sind doch jetzt beitragsfrei!)

Wenn man sich die Beratungszahlen an den ReBUZ und die Förderquoten ansieht –

(Unruhe)

Können Sie einmal für Ruhe sorgen? –

(Abg. Frau Krümpfer [SPD]: Das sind Lügen, die da erzählt werden!)

stellt man fest, auch diese 56 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer sind viel zu wenig. Insgesamt benötigen

wir 106. Das ergeben die Beratungsfälle und die tatsächlichen Förderquoten.

Kommen wir zu dem eigentlich wichtigen Teil. Das ist nämlich der Bereich, der in Ihren Koalitionsentwürfen komplett fehlt. Das ist der Bereich Armutsbekämp fung. Wir haben das selektivste Bildungssystem in ganz Deutschland. Wir haben die Eltern mit dem geringsten Einkommen. Wir haben die höchste Ar mutsquote und seit Jahren in diesen Stadtteilen die geringsten Bildungschancen, obwohl Rot-Grün 2007 mit dem Versprechen angetreten ist, das ändern zu wollen. In den ganzen Entwürfen zur Bildung sehe ich überhaupt nichts, um Armutsbekämpfung zu realisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)