Protokoll der Sitzung vom 24.08.2016

setzt werden beziehungsweise umgesetzt werden sollen. Ich hoffe, dass wir Parlamentarier weiterhin gemeinsam hinter der guten Idee der Palliativ- und Hospizversorgung stehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich den Vorsitzenden des Bundes der Steuer zahler Niedersachsen und Bremen, Herrn Bernhard Zentgraf, und unseren ehemaligen Kollegen Herrn Carl Kau. – Herzlich willkommen hier im Haus!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Dr. KappertGonther.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sind mit Tod und Sterben konfron tiert. Aber lange war die Beschäftigung damit, dass wir alle zum Tode hin leben, ein gesellschaftliches Tabu. Es ging so weit, dass sich eine ganze Gesell schaft im Grunde überhaupt nicht mit den Fragen beschäftigen wollte: Wie soll es sein, wenn wir zum Sterben kommen? Wie soll es sein, wenn unsere Angehörigen zum Sterben kommen?

Als junge Medizinstudentin habe ich noch erlebt, wie Menschen zum Sterben auf Station in den Materi alraum geschoben – man kann sagen: abgeschoben – wurden. Das gehört glücklicherweise inzwischen der Vergangenheit an.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Heute sind wir gesellschaftlich deutlich weiter. Das ist auch das Verdienst von Menschen, die unermüdlich für eine gute Sterbebegleitung kämpfen; Herr Mark Castens ist schon begrüßt worden.

Im Jahr 2015 ist das neue Hospiz- und Palliativgesetz des Bundes in Kraft getreten. Auf der Grundlage dieses Gesetzes konnte eine Vielzahl von Verbesserungen bei der Begleitung von Sterbenden erreicht werden. Endlich haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Palliativbetreuung, und das ist gut so. Es war höchste Zeit. Aber es bleibt immer noch genug zu tun!

Damit wir alle uns vergegenwärtigen, worüber wir überhaupt sprechen, möchte ich kurz auf die Frage eingehen, was Hospiz- und Palliativarbeit eigentlich ist. Menschen, die so schwer krank sind, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist, bedürfen einer Versor gung, bei der es nicht mehr, wie sonst in der Medizin, um Heilung oder Lebensverlängerung geht, sondern um den bestmöglichen Erhalt der Lebensqualität, die in diesem Zeitraum überhaupt noch machbar ist. Es

geht um Nähe, um Zuwendung, um die Linderung von Schmerzen.

Wir unterscheiden Palliativmedizin und Hospizar beit. Erstere hat in erster Linie das Ziel, medizini sche Erleichterungen zur Verfügung zu stellen, die Schmerzen zu lindern, auch im Krankenhaus. Bei der Hospizarbeit geht es um intensive menschliche Begleitung. Diese wird deutschlandweit überwiegend von Ehrenamtlichen geleistet. Das ist eine ganz tolle Sache! Dafür können wir gar nicht genug danken.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU)

Wir alle, die wir hier sitzen, und sicherlich auch die Menschen überall sonst wünschen sich eine solche Begleitung in Würde, mit Zuwendung, möglichst in Schmerzfreiheit für sich und für die Angehörigen. Eine solche Palliativ- und Hospizbegleitung hilft üblicherweise nicht nur dem Sterbenden selbst, son dern auch den Angehörigen. Das dürfen wir nicht vergessen. Selbst Menschen, die sich die Zeit nehmen können, sich um ihre Angehörigen im Sterbeprozess zu kümmern, sind in aller Regel überfordert. Das geht gar nicht anders, weil wir alle nicht wirklich wissen, wie das geht.

Aus all dem folgt, Palliativ- und Hospizarbeit ist eine Notwendigkeit für alle. Dabei gilt es, zwei Feststel lungen zu treffen:

Erstens. Es gibt eine hervorragende Entwicklung der Hospiz- und Palliativarbeit in Bremen und Bremerha ven. Die Kolleginnen und Kollegen in den stationären Hospizen, den ambulanten Hospizdiensten, dem Ambulanten Palliativdienst und der Palliativstation zum Beispiel am Klinikum Links der Weser leisten Großartiges.

Zweitens. Wichtig ist aber auch der Hinweis, dass dies noch nicht ausreicht. Das ist auch zu benennen. Die Angebote in Bremen und Bremerhaven sind immer noch zu rar gesät. So stellt es auch der Senat in seiner Antwort auf unsere Große Anfrage fest. Darin heißt es, dass das ambulante Palliativangebot zahlenmäßig für Bremen noch nicht ausreichend ist und ausgebaut werden muss.

Auch wenn der Senat darauf hinweist, dass der Bedarf nicht genau zu beziffern ist, so meinen wir doch, es ist offensichtlich, dass entsprechender Bedarf besteht. Dafür sprechen schon die Wartezeiten für Hospiz plätze und im Bereich der Palliativversorgung. In der Situation des Sterbens kann man nicht mehr lange warten, man hat nicht mehr die Zeit. Allein das ist Hinweis darauf, dass sich hier noch etwas tun muss.

Zwei Problemfelder stehen im Vordergrund. Das erste Problemfeld ist: Was passiert im stationären Hospiz? Welche Kapazitäten haben wir in der ambulanten Palliativversorgung?

Aber es gibt noch ein zweites Problemfeld, um das wir uns kümmern müssen; im Gesetz hat es jedenfalls

noch nicht ausreichend Niederschlag gefunden. Wo sterben die meisten Menschen? Im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen. Das Personal dort hat in der Regel weder die Zeit noch die entsprechende Aus- oder Weiterbildung, um eine wirklich gute Sterbebegleitung leisten zu können. Insoweit muss deutschlandweit, aber auch in Bremen noch sehr viel getan werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir müssen mehr in die Pflege investieren. Wir müssen deutlich mehr in die spezifische Aus- und Weiterbil dung von Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern, aber insbesondere auch von Altenpflegerinnen und Altenpflegern investieren, damit gute Sterbebe gleitung umfassend und nicht nur in spezialisierten Einrichtungen möglich wird.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Glocke)

Ich komme zum Schluss! – Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir die Problemfelder, die Sie in Ihrem Antrag benennen, teilen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen und demente Sterbende brauchen gute Angebote im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung. Sie fordern aber in Ihrem Antrag im Wesentlichen einen Bericht und keine richtungsweisende Weiterentwick lung. Wir finden, der Bericht liegt mit der Antwort auf unsere Große Anfrage vor. Daher sehen wir keine Veranlassung, dem Antrag der CDU-Fraktion zu entsprechen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dehne.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden. Auch ich finde es richtig und wichtig, dass wir heute über das Thema Hospiz- und Palliativver sorgung sprechen. Wir alle wissen, viele Menschen in unserer Gesellschaft werden älter. Im Alter treten schwere Erkrankungen, die Schmerzen verursachen, häufiger auf. Da ist die Palliativversorgung von gro ßer Bedeutung. Es geht um möglichst schmerzfreies Sterben; dort setzen die Hospize an.

Frau Dr. Kappert-Gonther hat schon ausgeführt, dass das Angebot an ambulanter und stationärer Versorgung auf diesem Gebiet in Bremen erwei tert beziehungsweise ausgebaut werden konnte. Herr Bensch, auch Sie sind darauf eingegangen. In Bremen-Nord ist vor gar nicht allzu langer Zeit ein Hospiz errichtet worden. In der Palliativstation am Klinikum Links der Weser ist die Bettenzahl erhöht worden. Zudem entstand durch die Zusammenarbeit der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung,

SAPV, der Zentrale für Private Fürsorge mit einem Team am DIAKO ein erweitertes Angebot für häus liche Versorgung im Stadtteil Gröpelingen. Wir sind in Bremen und Bremerhaven auf einem guten Weg; auch das haben Sie gesagt, Herr Bensch. Ich denke, wir können das an dieser Stelle festhalten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Auf Bundesebene – auch darauf ist Frau Dr. KappertGonther eingegangen – ist ein Gesetz beschlossen worden, das in diesem Bereich vieles verbessert. Die Palliativversorgung ist endlich Bestandteil der Regel versorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung geworden. Das ist ein echter Fortschritt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die ambulante Hospizarbeit in Pflegeheimen soll stärker berücksichtigt werden. Das haben wir eben auch schon gehört. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ferner sollen eigenständige Palliativstationen an Krankenhäusern gestärkt werden. Das legen die Zahlen nahe. Viele Menschen sterben nicht zu Hause, sondern in einem Krankenhaus, einem Altenheim oder einem Pflegeheim, in Senioreneinrichtungen. Gerade in diesen Einrichtungen bedarf es der Kompetenz ausgebildeten Personals, das sich darauf versteht.

Was die Platzkapazität angeht, so ist festzustellen, dass in der Stadtgemeinde Bremen im Rahmen der Spezi alisierten Ambulanten Palliativversorgung 20 bis 24 Patientinnen und Patienten zeitgleich versorgt werden können. Noch in diesem Jahr soll die Erweiterung um einige Plätze erfolgen. Für Bremerhaven fallen die Zahlen etwas besser aus; das ist sehr erfreulich.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Auch wenn wir feststellen können, dass wir auf einem guten Weg sind, so ist die Situation noch nicht überall so, wie wir es uns wünschen. Wir sind uns sicherlich fraktionsübergreifend einig, dass wir absolut mehr Plätze brauchen. Allerdings – damit komme ich auf den Antrag der CDU-Fraktion zurück – gibt es keine gesetzliche Grundlage und damit keine Handlungs möglichkeit für die Gesundheitsbehörde oder die Sozialbehörde zu sagen: Wir planen das und führen das selbst durch. Selbstverständlich hat der Senat den Wunsch, palliativmedizinische Liaisondienste in den Krankenhäusern weiter zu fördern. Das halten wir für einen richtigen Ansatz.

Die Versorgung hat sich – ich habe es dargestellt – positiv entwickelt, könnte aber insbesondere durch intensivere Zusammenarbeit der an der Versorgung beteiligten Akteure noch verbessert werden.

Herr Bensch, Sie nehmen in Ihrem Antrag auf den Runden Tisch Bezug. Heute sprachen Sie im Zusam menhang mit dem Runden Tisch von einem „Stol

perstein“. Sie sagten, ein Neustart sei erforderlich. Der Runde Tisch müsse vom Senat ernst genommen werden. Ich bin mir sicher, der Runde Tisch wird vom Senat ernst genommen.

Der Runde Tisch ist aber kein Beschlussgremium. Dessen sind sich wohl alle, die dort mitarbeiten, be wusst. Dass es am Runden Tisch auch Diskussionen, Auseinandersetzungen gibt, dass auch einmal jemand sauer ist, weil es nicht so läuft, wie er oder sie sich das vorgestellt hat, ist doch völlig klar. Das kennen wir auch aus dem politischen Geschehen, insbesondere aus dem parlamentarischen Alltag.

(Abg. Bensch [CDU]: Ich nicht!)

Wenn Sie das nicht kennen, dann ist es schön für Sie!

Eine würdevolle Sterbebegleitung liegt uns allen am Herzen. Ich glaube nicht, dass der Senat eine Aufforderung braucht, entsprechende Maßnahmen voranzutreiben; denn ich sehe durchaus das ernst hafte Bemühen in beiden Häusern. Wenn man zu dem Thema Runder Tisch spricht, ist auch klar, dass es nur knappe Personalressourcen gibt, die Arbeit des Runden Tisches zu begleiten.

Frau Dehne, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bensch zu?

Bitte, Herr Bensch!

Ist Ihnen die Petition L 19/4 – eine Petition, in der es genau darum geht – bekannt, und ist Ihnen bekannt, dass sich der Petitionsausschuss am Ende seiner Stellungnahme dazu wie folgt po sitioniert hat: „Deshalb sollte dem Senat mitgeteilt werden, dass nach Auffassung der Bürgerschaft die Kommunikation der einzelnen Akteure des Runden Tisches verbessert und verstetigt werden sollte“?

Diese Petition ist mir bewusst. Den Vorgang habe ich mir in Vorbereitung auf diese Rede noch einmal angeschaut. Ich weiß aber auch, dass genau dieser Punkt in den Ressorts – auch auf Arbeitsebene! – sehr wohl angekommen ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)