Kirsten Kappert-Gonther
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Teilen Sie die Auffassung, dass man durch die Sicherstellungszuschläge nicht das erreicht, was man durch sie eigentlich erreichen sollte, indem sie nämlich zu einer Entlastung der Hebammen führen, weil es viel zu lange dauert, bis sie refinanziert werden?
Ich würde gern noch einmal konkret nachfragen: Ich habe gehört, dass es jetzt eine Vereinbarung gibt, nach der die freiberuflichen Hebammen in Bremen direkt mit den Krankenhäusern abrechnen können. Dadurch könnte dieser Missstand, der droht, indem es überhaupt keine freiberuflichen Hebammen mehr in Bremen gibt - das würde dann ja zu einem Versorgungsmangel führen -, kompensiert werden.
Im Moment kann man das also noch nicht abschätzen, habe ich das richtig verstanden?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ging hier gerade munter durcheinander.
Von welcher Ausgangslage reden wir? Die Ausgangslage ist ja - wahrscheinlich besteht darüber erst einmal Einigkeit hier im Raum -, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt fehlt, und das kann keinen von uns zufrieden stellen. Der Beitrag von Herrn Leidreiter hat uns ja gerade gezeigt, dass die politische Rechte versucht, daraus Profit zu schlagen, allerdings in einer Art und Weise, die nun wieder sehr irritierend gewesen ist, Herr Kollege, von Bürger in Wut, denn Sie gerieren sich ja immer als die Partei der kleinen Leute,
wie Sie es manchmal selbst nennen. Sie haben hier aber eine Rede zu Gunsten der oberen Zehntausend gehalten, und das war äußerst irritierend.
Aus meiner Sicht ist es wirklich wichtig, dass wir sagen, rechtes Gedankengut verdient keine Chance, sondern nur eine klare Absage. Das ist das erste!
Kollege Hilz, wenn wir einmal davon ausgehen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt und dass die gesellschaftliche Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland auseinandergeht!
Das eine hat etwas mit Geld zu tun. Es gibt in Deutschland Kinder, die ohne Frühstück in die Schule gehen, weil sich die Eltern das Frühstück nicht leisten können. Das ist in diesem Land eine Schande.
Es geht aber nicht nur um Geld, sondern es geht auch um Teilhabe. Wir haben auch eine massive Teilhabearmut. Man kann sich überlegen, was man als Politik dazu beitragen kann, um einen gesellschaftlichen Zusammenhalt wiederherzustellen.
Wir Grüne sagen - es muss ein ganzes Maßnahmenbündel geben, das wir heute aber nicht diskutieren -, eine Variante ist tatsächlich die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Es ist ja nicht so, wie wir es gerade gehört haben, Herr Hilz, dass wir in Deutschland Vermögen überproportional besteuern würden, sondern das Gegenteil ist der Fall. Im internationalen Vergleich werden Vermögen in Deutschland sogar relativ gering besteuert. Wir als Grüne sagen, wir wollen, dass alle fair am Wohlstand und an der Lebensqualität beteiligt sind. Wir tun beides.
Persönliche Leistungen sollen sich lohnen, darüber besteht überhaupt kein Dissens, aber immer im Hinblick auf den Gemeinsinn. Das ist doch zum Beispiel der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir müssen Leistungen und Gemeinsinn, Individualität und Gemeinschaft zusammen denken. Hier kommt tatsächlich die Vermögensteuer ins Spiel, indem man sagt, besonders Wohlhabende und Superreiche will man zusätzlich, und zwar vermehrt, an den Kosten für die Gemeinschaft beteiligen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir für richtig.
Wir als Grüne wollen eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Besteuerung des Vermögens. Wofür? Sie sagen immer wieder, Herr Röwekamp, folgenden Satz - und den haben Sie heute Morgen auch in der Debatte zum Haushalt ausgeführt -: Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern wir haben ein Ausgabeproblem. Diesen Satz empfinde ich immer als total irritierend. Wofür geben wir Geld aus? Wofür wollen wir denn zusätzlich Geld ausgeben? Für Kitas, für Krankenhäuser,
Landtag
3786 49. Sitzung/20.09.17
für Schulen, für die Infrastruktur, für Museen und so weiter! Es gibt viel zu tun, und dafür ist Geld notwendig. Es ist deshalb nur richtig, wenn sich sehr Vermögende zusätzlich an den Kosten für die Gemeinschaft, für die Daseinsvorsorge und für Infrastrukturmaßnahmen beteiligen.
Ich könnte jetzt auch noch ausführen, dass die Erbschaftsteuer in den letzten Jahren ebenfalls nicht gerechter geworden ist, sondern nur komplizierter und dass man Steuersümpfe endlich austrocknen müsste. Klar ist, dass es die Vermögensteuer seit 1997 nicht mehr gibt, weil sie damals vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist.
Im Jahr 2011 - einige von Ihnen, die damals schon in diesem Parlament gewesen sind, wissen es noch - haben wir zusammen mit Rheinland-Pfalz versucht, eine Vermögensteuer erneut einzuführen. Wir haben einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt, der allerdings abgelehnt worden ist. In dieser Debatte kann man an diesen Gesetzentwurf anknüpfen. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir eine verfassungsfeste Vermögensteuer für geboten halten. Bei der Umsetzung liegt der Teufel allerdings im Detail. Es muss ein Gesetzentwurf vorgelegt werden - der Kollege Rupp hat es angedeutet -, der verfassungsfest ist, sodass die Impulse, die wir uns von einer Vermögensteuer versprechen, eintreten.
Wir schlagen deshalb vor, den Antrag der Fraktion DIE LINKE in den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen, um dort die Debatte fortzusetzen. Unser Wunsch ist es, dass eine neue Bundesregierung die Vermögensteuer erneut einführt. - Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Strohmann, nein, wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich werde jetzt erläutern, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.
Der Dieselskandal zeigt einmal mehr als deutlich, dass der Umwelt- und der Gesundheitsschutz entscheidende politische Aufgaben der Zukunft sind. Erstens: Es ist wirklich ein „Hammer“ - ich möchte es einmal so klar ausdrücken -, dass die Automobillobby die Verbraucherinnen und die Verbraucher jahrelang systematisch getäuscht hat. Sie haben geglaubt, dass sie umweltfreundlicher Autos kaufen. Das haben sie aber nicht, weil systematisch betrogen worden ist. Zweitens: Der Gesundheitsschutz und unser aller Gesundheit ist wissentlich aufs Spiel gesetzt worden.
Die Bundesregierung hat rein gar nichts, erstens, gegen den systematischen Betrug an den Verbraucherinnen und Verbrauchern getan, und zweitens, sie hat es versäumt, für
Landtag
3795 49. Sitzung/20.09.17
unser aller Gesundheit zu sorgen. Das finden wir wirklich schlimm.
Wir wissen ja, was passierte, als das aufgeflogen ist. Es gab den ersten sogenannten Dieselgipfel mit einer Minimallösung als Ergebnis, einer Software-Nachrüstung.
Wenn das nicht so bitter wäre, wäre es wirklich zum Lachen. Diese Software-Nachrüstungen werden einen Hauch Reduktion der Schadstoffe - sowohl Feinstaub als auch NOx - bringen. Richtig durchgreifend wird sich dadurch aber natürlich nichts ändern.
Was würde etwas ändern? Das ging in Ihrem Beitrag durcheinander, Herr Strohmann. Es würde sich wirklich etwas ändern, wenn Hardware-Nachrüstungen durchgeführt würden. Das verweigert die Automobillobby bis heute. Da frage ich mich doch auch als Verbraucherin: Wenn ich ein Auto in der Annahme kaufe, dass es schadstoffarm ist, aber ein Auto mit einem erhöhten Schadstoffausstoß bekomme, ist das nicht systematische Täuschung? Ich habe doch wohl ein Recht darauf, dass ich von der Firma das geliefert bekomme, was ich gekauft habe, und die Automobilhersteller sind selbstverständlich in der Pflicht, diese Hardware-Nachrüstungen durchzuführen.
Sie kosten 1 000 bis 1 500 Euro pro Auto. Es wäre das Mindeste, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sie bekommen. Da sie sie nicht bekommen, brauchen wir das Instrument der Musterfeststellungsklage. Es reicht nicht zu sagen, es sei einmal etwas auf dem Weg gewesen. Es gibt nichts. Das heißt, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben im Moment gar nicht die Möglichkeiten, die sie haben müssten, um endlich zu ihrem Recht zu kommen. Insoweit muss man also dringend etwas tun.
Wir haben eben über den Verbraucherschutz gesprochen. Es ist eine große Katastrophe, was da passiert ist. Als Ärztin und Gesundheitspolitikerin bringt es mich aber wirklich auf die Palme, dass hier systematisch unser aller Gesundheit wissentlich aufs Spiel gesetzt wurde. Wir und auch Sie wissen doch, was diese
Feinstäube und dieses NOx insbesondere für Kinder, Alte und alle Menschen, deren Immunsystem angegriffen ist, bedeuten.
Sie fördern Asthma, Lungenerkrankungen und Krebs. So ist es nun einmal. Das ist die wissenschaftliche Evidenz. Dagegen muss man etwas tun. Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung muss Vorrang haben.
Wenn ein Verwaltungsrichter in Stuttgart, der ein Richter im deutschen Rechtsstaat und, wie ich annehme, nicht ideologisch verblendet ist, entscheidet, dass Gesundheitsschutz höher als die freie Fahrt zu gewichten ist, dann sage ich als Grüne und als Ärztin, dass das richtig ist. Es ist gut, wenn unsere Gerichte so entscheiden und dass unser Rechtssystem solche Entscheidungen ermöglicht. Der Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger muss Vorrang haben. Darum können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil Sie ja nicht fordern, Fahrverbote durch die Methode XYZ zu vermeiden, sondern weil Sie Fahrverbote um jeden Preis vermeiden wollen. Was bedeutet das? Das bedeutet, Fahrverbote auch dann zu vermeiden, wenn die Schadstoffkonzentration so hoch ist, dass sie nachweislich gesundheitsgefährdend ist.
Herr Strohmann, es verhängt doch niemand Fahrverbote, wenn die Schadstoffkonzentration nicht steigt. Vielmehr müssen Fahrverbote ausgesprochen werden, wenn die Schadstoffkonzentration zunimmt.
Wenn man das, wie wir Grüne und wahrscheinlich jeder hier, nicht möchte, dann muss man etwas verändern und kann nicht einfach nur Fahrverbote aussetzen wollen.
Was man verändern muss, steht in unserem Antrag. Erstens geht es um sofortige Hardware-Nachrüstungen. Das gebietet allein der Verbraucherschutz. Zweitens ist die Verkehrswende einzuleiten. Das haben wir hier in Bremen im Verkehrsentwicklungsplan vorbereitet.
An diesem Punkt muss man jetzt weitermachen. Das bedeutet natürlich einen Umstieg
Landtag
3796 49. Sitzung/20.09.17
auf den ÖPNV, auf das Fahrrad, auf das Gehen zu Fuß. Individualverkehr wird man auch in Zukunft brauchen, aber er würde deutlich weniger. Dazu gibt es sehr gute Untersuchungen. Zuletzt wurde im Juli eine Untersuchung vom Wuppertal Institut vorgelegt.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss und muss dann gleich noch einmal sprechen.
Diese Untersuchungen beinhalten, dass der Individualverkehr sinken wird. Wie soll man ihn dann organisieren? Zum Beispiel über Elektromobilität. Dazu sage ich in meinem zweiten Beitrag etwas. Dann erläutere ich auch unseren Antrag. - Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorweg sagen, dass mich der Affekt ein bisschen irritiert,
so zu tun, als sei das lustig oder man könne darüber Scherze oder es lächerlich machen. Humor ist gut, aber hier geht es um einen handfesten Industrieskandal, da man sowohl
die Verbraucherinnen und Verbraucher getäuscht als auch den Gesundheitsschutz massiv mit Füßen getreten hat.
Daran ist meiner Meinung nach überhaupt nichts Witziges. Wenn wir uns überlegen, dass das Ganze einen großen sozialen Aspekt hat, wird noch deutlicher, warum es notwendig ist, dass wir eine Verkehrswende erreichen.
Wer wohnt denn an diesen Ausfallstraßen?
Das sind die armen Menschen. Sie wissen, dass die Ausfallstraßen die schwer befahrenen Straßen sind, auf denen sich der Schwerlastverkehr „knubbelt“. Dort entstehen diese hohen Schadstoffkonzentrationen. Wenn die Schadstoffgrenzwerte sowohl dort als auch Am Dobben überschritten werden sollten, dann - nicht vorher, aber dann, Herr Kollege Strohmann -, ist tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, an dem wir in Bremen Fahrverbote verhängen müssen. Wenn es so ist, dann ist es richtig, das zugunsten des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu tun.
Vermutlich muss das nicht sein, wenn man jetzt klug agiert. Klug zu agieren, bedeutet aber - ich sage es noch einmal - sofortige Hardware-Nachrüstungen. Dass Sie hierbei in die Defensive geraten, ist logisch, denn Ihr Verkehrsminister hat diesbezüglich wirklich nur eine sehr mäßige Figur abgegeben.
Ich habe eben schon die Verkehrswende erwähnt. Dann wurde angesprochen, dass politische Entscheidungen Auswirkungen auf die Zukunft und auf die Automobilindustrie haben werden. Das ist richtig. Dazu sagen wir als Grüne, dass man die entscheidenden Weichenstellungen jetzt vornehmen muss. Diesel- und Benziner, also Abgas emittierende Verbrennungsmotoren, werden eine Übergangstechnologie sein müssen, wenn wir die Klimaschutzziele noch erreichen und dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung Rechnung tragen wollen.
Wie erreicht man es nun, bis zum Jahr 2030 wirklich aus dem Abgasmotor auszusteigen? Indem man jetzt die entscheidenden politischen Rahmenbedingungen schafft, die auch für Forschung und Entwicklung Sicherheit bieten, und damit die Automobilindustrie und die
Landtag
3803 49. Sitzung/20.09.17
Arbeitsplätze auch am Standort Bremen absichert. Es ist entscheidend, dass wir jetzt die Forschungs- und Entwicklungsgelder - sie sind vorhanden - nach Bremen lenken, um sie hier in die Entwicklung einer schadstofffreien Technologie zu investieren. Zumindest möchten wir Grüne das. Wir wollen, dass Bremen nicht nur Fahrradhauptstadt, sondern auch eine Hauptstadt für Autos wird, die schadstofffrei fahren, aber nur dann, wenn man gleichzeitig die Verkehrswende mitdenkt.
Wir sagen nicht, dass man einfach jedes Auto eins zu eins umtauschen soll. Wir sagen: Wer kurze Wege zurücklegt, soll Anreize bekommen, auf die Straßenbahn umzusteigen, zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren. Die Autos, die man braucht - weil die Distanzen zu groß sind, weil die Menschen aus irgendwelchen Gründen nicht Fahrrad fahren können, weil es Handwerker sind oder weil man etwas transportieren muss -, muss man so ausstatten, dass sie Klima und Gesundheit nicht gefährden. Dafür liegt die Hoffnung in der E-Mobilität. Auch die Wasserstoffantriebe sollte man in Forschung und Entwicklung sehr stark berücksichtigen.
Wir müssen die Infrastruktur aufbauen. Das schafft man, indem man jetzt die entsprechenden Rahmenbedingungen und etwa Tanksäulen für Strom schafft. Sie haben recht: Das bedeutet auch den Ausstieg aus der Kohle und 100 Prozent erneuerbare Energien, damit das für den Klimaschutz insgesamt aufgeht. Diese Rahmenbedingungen muss man jetzt schaffen.
Sie haben es angesprochen. In fünf Tagen ist Bundestagswahl. Dann wird sich zeigen, ob Parteien mit den entsprechenden Stimmen gewählt werden, um den Einstieg in die Verkehrs- und Energiewende zu finden. Dafür stehen wir Grüne. - Ich danke Ihnen!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie bewertet der Senat die bisherige Arbeit des seit Oktober 2014 etablierten gemein- samen Landesgremiums nach Paragraf 90 a SGB V?
Zweitens: Welche Beschlüsse wurden von dem gemeinsamen Landesgremium bisher gefasst?
Drittens: Welche konkreten Ergebnisse konnte das Gremium insbesondere bezüglich der Frage erzielen, wie die haus- und kinderärztliche Versorgung im Bremer Westen und in Bremen-Nord sichergestellt werden kann - siehe Beschluss der Bremischen Bürgerschaft vom 14. Dezember 2016, Drucksache 19/812 -?
Sind Sie informiert darüber, dass es in Osterholz-Tenever keinen Kinderarzt gibt, dass in Bremen-Nord die Kinderärzte keine neuen Kinder annehmen können, weil ihre Praxen überfüllt sind, und in Gröpelingen die hausärztliche Versorgung droht, schwierig zu werden, weil es dort schwierig ist, Nachfolger für die Kollegen zu finden, die die Altersgrenze erreicht haben?
Sie haben ja in Ihrer Antwort zu Frage drei gesagt, es sollte eine einvernehmliche Lösung geben, jetzt fänden entsprechende Gespräche statt, und dann soll das in dem Gremium nach Paragraf 90 SGB V geeint werden. Können Sie jetzt schon sagen, an welche Lösung Sie vonseiten des Senats denken?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Aktuelle Stunde zum Thema „Pflege aufwerten - Notstand verhindern“ beantragt. Dieser Titel ist im Grunde genommen schon falsch, denn wir laufen nicht in einen Pflegenotstand hinein, sondern wir sind schon mitten im Pflegenotstand, und dagegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir etwas tun.
Die Zukunft der Pflege ist eine der zentralen politischen Aufgaben der Zukunft, wenn wir uns einmal Folgendesvorstellen: Bis 2050 werden zehn Prozent unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger älter als 80 Jahre alt sein. Im Moment sind in Deutschland drei Millionen Pflegebedürftige vorhanden. Wir wissen, dass sich mindestens drei Angehörige um den Pflegebedürftigen sehr kümmern müssen. Das bedeutet, wir haben mindestens zehn Millionen Menschen, die im Moment nach Möglichkeiten suchen, auf welche Weise sie die Pflege organisieren können. Sie sind darauf angewiesen, dass die Qualität der Pflege in Bremen und in Deutschland gut ist.
Von diesen drei Millionen Pflegebedürftigen werden ein Drittel stationär versorgt, und zwei Drittel werden von den Angehörigen versorgt, zum Teil mit Unterstützung und zum Teil ohne Unterstützung. Daran sieht man schon, dass es zwei zentrale Aufgaben gibt. Die eine Aufgabe ist, die Angehörigen entsprechend zu unterstützen, und die andere Aufgabe ist, die stationäre Pflege in den Altenpflegeeinrichtungen, aber auch im Krankenhaus aufzuwerten.
Wie kann es zu einer Aufwertung kommen? Unserer Meinung nach kann eine Aufwertung nur durch den Dreiklang aus finanzieller Aufwertung, Personalstandards - also Mindeststandards für die Schichtbesetzung - und anzunehmen, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe ist, sich darum zu kümmern, wie wir leben wollen und wie wollen wir, dass die alten Menschen in unserer Gesellschaft angemessen versorgt und gepflegt werden.
Wir brauchen also eine höhere Qualität in der Pflege für die Pflegenden und für diejenigen, die
Stadtbürgerschaft 3552 47. Sitzung/23.08.17
der Pflege bedürfen. Das sind zunächst einmal grobe Leitlinien. Was hat es mit Bremen zu tun? Welchen Anlass gibt es für diese Aktuelle Stunde?
Es gibt drei Anlässe, die alle in den letzten zehn Tagen sehr geballt noch einmal aktuell geworden sind. Der eine Anlass ist, dass das Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus gegründet worden ist und dass es zu Recht im Hinblick auf die Personalbemessung fordert, die Krankenhausstandards zu erhöhen. Der zweite Anlass ist, dass der Bundesverband der privaten Anbieter sozialer Dienste eine Pressemitteilung herausgegeben hat, in der er alarmierend festgestellt hat, dass die Fachkräftequote seiner Meinung nach nicht mehr gesichert werden kann. Der Bundesverband vertritt die Ansicht, dass man sie möglicherweise flexibilisieren und absenken kann. Diese Ansicht teilen wir nicht. Wir finden, dass das der völlig falsche Weg ist und dass die Fachkräftequote erhalten bleiben muss.
Wir teilen allerdings die Analyse, dass wir uns im Augenblick in einem Fachkräftemangel befinden und dass selbst dann, wenn wir Mittelstandards erreichen und politisch festschreiben würden, diese zurzeit gar nicht besetzt werden könnten. Das ist eine politische Aufgabe Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der dritte Anlass ist - am Montag hat eine größere Podiumsdiskussion stattgefunden, denn in dieser Stadt wird dieses Thema vielfältig diskutiert - das Wohn- und Betreuungsgesetz. Das Wohn- und Betreuungsgesetz hat bereits die Sozialdeputation durchlaufen, und es wird demnächst die Bürgerschaft erreichen. Im Wohn- und Betreuungsgesetz wird ein Paradigmenwechsel hergestellt, nämlich weg von den Begriffen satt, sauber, trocken - das ist die Grundlage - hin zu mehr Teilhabe. In diesem Punkt gibt es überhaupt keinen Dissens, ihn finden in dieser Stadt alle richtig. Das ist auch der richtige Weg, die Pflege muss auch die Teilhabe sichern.
Massive Diskussionen gibt es jedoch hinsichtlich der nächtlichen Betreuung. In dem Gesetzentwurf steht zurzeit ein Verhältnis von eins zu fünfzig. Es regt sich berechtigterweise erheblicher Widerstand, denn es muss ja das politische und das menschliche Ziel gelten, nicht nur, aber auch nachts, dass keiner alleingelassen wird.
Wir wissen - das wird die Sozialsenatoren wahrscheinlich gleich auch noch einmal ausführen , dass im Moment schon in fast allen Pflegeeinrichtungen ein Standard von eins zu vierzig hergestellt wird. Man muss sich natürlich die Frage stellen: Will eine Gesellschaft dort nicht zukünftig einen besseren Standard haben? Ich sage für uns als Grüne - vermutlich für alle hier im Raum -: Ja, einer Gesellschaft muss ein höherer Standard wert sein! Man muss sich dann allerdings auch darüber unterhalten, wie man diesen Standard finanziert. Das ist das eine. Das andere ist die Frage: Woher sollen diese Fachkräfte kommen? Darüber, liebe Kolleginnen und Kollegen müssen wir politisch nachdenken.
Im Augenblick haben wir die Situation, dass erstens der Pflegeberuf nicht mehr genügend Nachwuchs findet, und zweitens, dass die Menschen, die in der Pflege arbeiten, zum Teil nach zehn Jahren wieder aufhören, weil sie den körperlichen und seelischen Belastungen sowie der Zeithaftung nicht mehr standhalten können. Diese Menschen dürfen wir nicht alleinlassen.
Genauso, wie man auch die Angehörigen, die zu zwei Dritteln - ich sagte es bereits zu Beginn meiner Ausführungen - ihre pflegebedürftigen Angehörigen versorgen nicht alleinlassen darf. Im Moment haben wir jedoch ein gesellschaftliches Klima, in dem die Pflege zunehmend in den privaten Bereich verschoben wird, und zwar so, als sei es ein Privatproblem, dass die Eltern pflegebedürftig geworden sind. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird uns allen so gehen. Es ist für jeden Menschen eine große Aufgabe, wie wir Pflege organisieren. Die Politik muss hier stärker in die Verantwortung gehen.
Welche Forderungen, welche Lösungsvorschläge bestehen für Bremen und für Deutschland? Das eine ist, dass die Bedingungen in der Pflege im stationären Bereich deutlich verbessert werden müssen. Wie kann man das machen? Man muss die Tarifpartner auffordern, die Löhne substanziell anzuheben.
Herr Bensch, nur weil im Augenblick Wahlkampf stattfindet, kann man ja nicht die wichtigen politischen Themen, die wichtigen gesellschaftlichen Themen einfach liegen lassen!
Stadtbürgerschaft 3553 47. Sitzung/23.08.17
Wohin kämen wir denn, wenn man nur deshalb, weil eine Bundestagswahl bevorsteht, hier nicht über die notwendigen Dinge diskutieren darf!
Das zweite ist, dass eine gute Pflege nur mit ausreichendem Personal leistbar ist. Das bedeutet, dass wir endlich Mindeststandards in der Pflege benötigen, und zwar im Krankenhaus - dort gibt es sie nach wie vor nicht - und in den Einrichtungen der Altenpflege. Es muss mindestens eine Fachkräftequote von eins zu fünfzig erhalten bleiben. Eine Absenkung halten wir für den völlig falschen Weg.
Das dritte ist, dass man - und damit haben wir jetzt in Bremen angefangen, auch mit der Diskussion über das Wohn- und Betreuungsgesetz - die Debatte führen muss, wie wir Pflege überhaupt organisieren wollen. Auf welche Weise ist es möglich, Angehörige zu unterstützen? Das kann man zum Beispiel machen, in dem man endlich für pflegende Angehörige eine Lohnfortzahlung einführt. Das kann man machen, in dem man endlich eine zehntägige jährliche Freistellung einführt. Das muss man machen, in dem man sich überlegt, wer in diesem Land pflegt. Das sind überwiegend Frauen. Ich gehe davon aus, dass der Notstand, in dem wir uns im Moment befinden, deshalb noch nicht viel stärker skandalisiert ist, weil Frauen durch Frauen ersetzt werden, zum Beispiel indem wir auch diesen Zuzug aus den osteuropäischen Ländern haben, die nämlich in unseren Haushalten Pflege durchführen. Sie sind zum Teil auch nicht legal beschäftigt, weil die Voraussetzungen dafür gar nicht geschaffen sind. Da das so ist, versuchen alle in ihrem Haus irgendwie allein zurechtzukommen. Das darf so nicht bleiben.
Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Pflege auf alle Schultern verteilen und dass der Staat auch eine größere Verantwortung übernimmt.
In Bremen werden wir in Zukunft die ambulanten Strukturen insbesondere für Menschen mit einer Demenzerkrankung ausbauen. Es hat schon einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten gegeben. Das muss noch weitergehen. Die Kommunen brauchen beim Aufbau von Hilfenetzwerken eine stärkere finanzielle Unterstützung, weil die Pflege immer ein individuelles
Problem ist. Es gibt nicht nur eine Lösung für alle. Als Kommune muss man hier mehr in die Verantwortung gehen.
Wenn wir über das Wohn- und Betreuungsgesetz in Bremen diskutieren und die Frage besprechen, wie viele Menschen nachts für wie viele Menschen zuständig sind, dann muss man die großen Linien ebenfalls diskutieren, denn sonst kommt man auch hier in Bremen keinen Schritt weiter. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen Kollegen! Ich möchte noch auf ein paar inhaltliche Aspekte eingehen, allerdings möchte ich zunächst sagen, dass es eine bizarre Vorstellung ist, dass ich mich als Gesundheitspolitikerinnen, die seit sechs Jahren diesen Bereich für die Grünen vertritt, nicht zu drängenden aktuellen gesundheitspolitischen Problemen äußern soll, und zwar nur deshalb nicht, weil eine Wahl bevorsteht. Diese Vorstellung ist doch sehr irritierend.
Zur Frage von Frau Grönert, den Pflegevorsorgefonds umwandeln! Ja, es ist eine unserer politischen Forderungen, den Pflegevorsorgefonds in einen Personalfonds umzuwandeln. Dem Pflegevorsorgefonds werden jährlich 1,2 Milliarden Euro zugeführt. Der Kollege Erlanson hat es ja zu Recht gesagt, mit diesem Geld könnte man 38 000 neue Stellen schaffen. Dass man diesen Fonds verpflichtend mit einer Gießkanne über das Land ausbringen muss, ohne auf die kommunalen Besonderheiten zu achten, ist nicht festgeschrieben. Selbstverständlich
Stadtbürgerschaft 3562 47. Sitzung/23.08.17
müssen immer in allen sozialpolitischen Fragen die Besonderheiten der Regionen und der Kommunen beachtet werden. So müsste das natürlich auch hier der Fall sein.
Die solidarische Pflegeversicherung! Sie ist der Schlüssel. Wenn alle Menschen gleichermaßen einzahlen, und zwar auch Abgeordnete und Selbstständige, dann erhält das System entsprechend mehr Geld. Dieses Geld benötigen wir für eine gute Qualität in der Pflege, für die Pflegenden und für diejenigen, die pflegebedürftig sind.
Es ist weiterhin die Ausbildungssituation angesprochen worden. Hier handelt es sich um eine Riesendebatte, die wir seit Jahren führen. Weder die Bundesregierung noch der Gesundheitsminister kommen voran, obwohl wir wissen, dass wir integrative Modelle benötigen, weil man in der Altenpflege zunehmend mehr krankenpflegerische Kompetenz benötigt, denn alte Menschen erkranken auch im Pflegeheim krank. In den Krankenhäusern ist zusätzliche altenpflegerische Kompetenz notwendig, weil die Menschen älter werden. Das Hin- und Hergefahre zwischen dem Altenpflegeheim und dem Krankenhaus, weil ein alter Mensch im Altenpflegeheim erkrankt ist und weil man letztlich im Krankenhaus nicht weiß, welche pflegerische Betreuung notwendig ist, sodass er wieder ins Altenpflegeheim zurückgefahren wird, muss doch nun wirklich endlich einmal der Vergangenheit angehören.
Der Trend - das ist auch angesprochen worden - sollte zur dualen Ausbildung gehen. Die Akademisierung ist aus Sicht der Grünen das Gebot der Stunde. Viele europäische Länder machen es uns schon vor. Sie wird auch dazu beitragen, die Löhne stärker anzuheben und sich mit den Ärzten auf Augenhöhe zu begegnen. Als Ärztin möchte ich noch einmal sagen, dass das Milieu im Krankenhaus und im Pflegeheim maßgeblich durch die Pflege bestimmt wird. Wenn wir die Pflege aufwerten, dann kommt das nicht nur der einzelnen Pflegerin oder dem einzelnen Pfleger zugute, sondern direkt den zu pflegenden Menschen, weil sie vom Milieu natürlich getragen werden und leben. Geschichten, dass insbesondere in Altenpflegeheimen Neuroleptika und Psychopharmaka verwendet werden, um Menschen ruhig zu halten, weil keine ausreichende menschliche Fürsorge vorhanden ist, muss der Vergangenheit angehören, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Abschließend einen Satz: Diese unglaublich gesellschaftspolitisch relevante Aufgabe wird man nur gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Pflegekräften und mit denjenigen, die pflegebedürftig sind, lösen können. Alle müssen gemeinsam in einen Dialog eintreten, und in diesem Dialog ist Mitbestimmung die zentrale Forderung. - Ich danke Ihnen!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie bewertet der Senat die Entwicklung der Unabhängigen Patientenberatung, seitdem die Sanvartis GmbH die Beratungstätigkeit zum Jahresbeginn 2016 übernommen hat?
Zweitens: Wie viele Patientinnen und Patienten haben das UPD-Angebot - Unabhängige Patientenberatung Deutschland - seit Anfang 2016 und im Vergleich zu den Vorjahren in der VorOrt-Beratungsstelle in Bremen und im Beratungsmobil in Bremerhaven in Anspruch genommen?
Drittens: Inwieweit sind dem Senat Rückmeldungen oder Erfahrungsberichte von Betroffenen zur Beratungsqualität der Unabhängigen Patientenberatung seit dem Trägerwechsel bekannt geworden?
Frau Senatorin, wenn ich richtig zugehört habe, hat die jetzige Patientenberatung 68 Beratungen für das Land Bremen durchgeführt im Vergleich zu 3 568 Beratungen, die die Unabhängige Patientenberatung Bremen durchgeführt hat, das entspricht lediglich zwei Prozent der Beratungsleistung der ehemaligen Bremer Patientenberatung. Wie bewerten Sie diesen starken Rückgang? Von welchen Organisationen werden die Menschen beraten, die wahrscheinlich jetzt auch noch einen Beratungsbedarf haben?
Als die Übernahme der unabhängigen Patientenberatung im Jahr 2015 diskutiert worden ist, hat sich diese Koalition mit einem Antrag sehr kritisch zur Übernahme durch Sanvartis geäußert. Sie hat damals die Sorge formuliert, dass es zu einem Rückgang bei der persönlichen Beratung, also Eins-zueins-Kontakten, kommen kann. Die Sorge scheint sich zu bestätigen. Ich bitte darum, wenn der Bericht vorliegt, ihn in der Gesundheitsdeputation aufzurufen noch einmal und speziell unter dem Fokus zu diskutieren, wohin die anderen Menschen gehen und wie man eine erhöhte Beratungstätigkeit erreichen kann, damit sich der Kontakt wieder stärker einstellt. Können wir das so machen?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist so, jeder und jede von uns kann dement werden, und das ist eine große Sorge, die viele Menschen haben. In Bremen leben zurzeit etwa 12 000 Menschen, die dement sind. Das ist also etwa einer von 50. Es kann jeder selbst beurteilen, ob das jetzt viel oder wenig ist.
Was in der Debatte immer ein bisschen zu kurz kommt, ist, dass es auch Präventionsmöglichkeiten gibt. Das bedeutet nicht, dass jeder, der präventiv tätig ist, auch garantiert nicht dement wird. Aber die Wahrscheinlichkeit, wenn Menschen sich ausreichend und gut bewegen und sich gesund ernähren, also gemüse- und getreidebetont, dass man eher nicht dement wird, die ist relativ hoch. Das ist auch etwas, das man immer wieder mit in die Debatte einbringen muss und bedenken sollte. Nämlich auch wegen der Frage, wie entwickeln wir eigentlich unsere Infrastruktur? Wie sieht es mit Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum aus? Auch das sollte eine Rolle spielen, wenn wir darüber nachdenken, wie wir in Bremen mit Menschen mit Demenz umgehen.
Jetzt lautet ja die Anfrage der CDU, macht Bremen das richtig mit den dementen Menschen? Verfolgt Bremen den richtigen Ansatz? Die Fragen der CDU richten sich allein auf den stationären Bereich. Ich finde es sehr gut, dass der Senat vor der Beantwortung dieser Fragen mit diesem doch, wie ich finde, engen Fokus auf den stationären Bereich, eine Präambel vorangestellt hat. Aus dieser Äußerung des Senats geht die generelle Haltung dieses Senats und dieser Regierung hervor, die nämlich besagt, es geht darum, das Leben im vertrauten Umfeld so lange wie möglich zu ermöglichen.
Es geht bei allen Menschen, aber eben auch bei Menschen mit demenziellen Entwicklungen, um Teilhabechancen. Es geht darum, was eine Stadtgesellschaft dafür tut, dass Menschen, auch wenn sie dement werden, möglichst viel teilhaben können, möglichst viele Freiheitsgrade haben können? Es geht darum, Bremen und Bremerhaven zu demenzfreundlichen Kommunen weiterzuentwickeln. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich genau den richtigen Ansatz.
Landtag 3465 46. Sitzung/15.06.17
Es geht auch um Aufklärung, es geht darum, in der Bevölkerung mehr Wissen darüber herzustellen, wie ein Zusammenleben mit dementen Menschen möglich sind. Es geht auch um mehr gezielte Ausbildung im Bereich der Altenpflege. Es ist wichtig, dass die Curricula sowohl in der Alten- als auch in der Krankenpflege gezielt darauf eingehen: Was bedeutet es, mit Dementen umzugehen? Wie macht man es, dass man den Betroffenen Halt gibt, ohne sie zu sehr einzuengen?
Generell gilt für stationäre Bereiche aus Sicht meiner Fraktion der Grünen, dass eine Bündelung von Menschen mit demenziellen Entwicklungen in größeren Einheiten immer problematisch ist, dass es schwierig ist, auch für das Pflegepersonal ganz, ganz viele Menschen zu versorgen, die allesamt dement sind. Wir halten es für einen richtigeren Weg, da für eine gewisse Balance und eine Durchmischung zu sorgen. So funktioniert es in Bremen auch in aller Regel.
Ich möchte jetzt exemplarisch auf ein paar Fragen aus der Großen Anfrage noch konkret eingehen. Das eine ist die Frage drei: Wie viele freie Plätze haben wir in Bremen für Menschen mit demenziellen Entwicklungen, und braucht man noch zusätzliche Plätze? Da ist die Antwort ganz klar, sie besagt, die Nachfrage nach diesen spezialisierten Plätzen ist im Moment geringer als die Plätze, die vorgehalten werden. Ich vermute, das liegt eben auch daran, dass ambulante Angebote deutlich besser geworden sind, dass der Weg in die demenzfreundliche Kommune langsam an Fahrt aufnimmt. Von daher braucht man im Moment kein zusätzliches Angebot. Das Angebot reicht aus, und das ist eine gute Nachricht.
Dann Frage fünf, in der geht es um etwas, wie ich finde, sehr Wichtiges. Ich freue mich, dass Sie nach der Balance zwischen Selbstbestimmungsrecht und Schutz gefragt haben, denn jeder Mensch hat ja das Recht auf Selbstbestimmung, ob nun dement oder nicht. Darauf wird seitens des Senats sehr differenziert geantwortet. Es wird gesagt, Kontrollen sind immer wichtig, damit Menschen nicht zu sehr eingeengt werden, aber Schutzmaßnahmen sind eben im Einzelfall auch erforderlich.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Gewalt in der Pflege ein riesiges Problem ist, das in der Debatte, nicht nur heute in dieser Debatte, sondern generell in der Gesellschaft, nach wie vor zu kurz kommt. Immer aus der Angst heraus, es könnte eine Stigmatisierung
und eine Vorverurteilung der Pflegenden geben. Meine Fraktion und ich halten es für dringend notwendig, dass man diesen ganzen Bereich der Gewaltprävention in der Pflege stärker in den Fokus nimmt.
Wir gehen davon aus, dass Gewalt fast immer ein Ausdruck von Überforderung ist. Sei es im häuslichen Bereich oder im stationären Bereich. Es ist ja nicht so, dass Menschen sich hinstellen und sagen, ich will jetzt einmal besonders ungeübt mit denen umgehen, die ich zu pflegen habe, sondern in aller Regel ist es eben eine große Überforderung, weil entweder Wissen nicht vorhanden ist, oder, und da komme ich jetzt auf den stationären Bereich, weil schlicht und ergreifend die Anzahl Personal pro Bewohnerin, pro Bewohner zu gering ist. Wir Grünen meinen, man braucht flächendeckende Personalbemessungsstandards und klare Personalmengenverordnungen, die flächendeckend gelten, auch im Pflegebereich.
Sie haben schon geklingelt, Herr Präsident, dann komme ich gleich noch einmal wieder. - Danke für den Moment!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt, dass Bündnis 90/Die Grünen am letzten Sonntag - wir halten Parteitage auch am Sonntag ab - einen umfassenden Maßnahmenkatalog beschlossen hat, wie die Situation für Pflegende und für zu Pflegende umfassend zu verbessern ist, und zwar auf bremischer Ebene und auf Bundesebene.
Was nicht stimmt, lieber Kollege Erlanson, ist, Sie haben gesagt, diese Koalition würde Angebote der Altenpflege kaputtsparen, so war Ihr Ausdruck, das ist falsch. Was diese Koalition tut
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und auch künftig vorhat, ist, wir investieren in Bereiche, die Zukunft haben, unserer Meinung nach, nämlich aufsuchende Altenarbeit, flexible Angebote für Alte und Demente, und das halten wir auch für richtig.
Wir bringen tatsächlich den Mut auf und sagen, wir schauen uns einmal an, welche Angebote bisher gut nachgefragt wurden und welche nicht. Gewisse Seniorentreffs haben nicht ausreichend Besucherinnen und Besucher, sodass wir sagen, es macht Sinn, an der Stelle auch einmal ein Angebot zu schließen, um das Geld, was dann zur Verfügung steht, in die flexibleren und individuelleren Betreuungsmöglichkeiten zu investieren. Das ist, wie ich finde, eine sehr kluge Entscheidung der Koalition.
Was mich sehr berührt hat, und ich möchte daran noch einmal anschließen, ist, als Frau Dehne gerade über diese Ausstellung sprach, wo diese großformatigen Bilder von Menschen mit Demenz zu sehen waren. In dem Zusammenhang habe ich mich noch einmal erinnert, dass wir von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2014 eine große Veranstaltung hier in der Bremischen Bürgerschaft hatten, eben zur Frage, wie geht es weiter mit Angeboten für Menschen mit Demenz? Dort hat eine Pfarrerin von sich und ihrer Mutter berichtet und erzählt, sie pflegt diese inzwischen demente Mutter zu Hause. Sie hat das überhaupt nicht beschönigt, sondern hat gesagt, wie schwer das ist, was für eine schwere Pflege das bedeutet, aber sie hat auch erklärt, sie habe noch nie einen so direkten emotionalen Kontakt - Steffi Dehne nickt, du warst dabei - zu ihrer Mutter gehabt, weil es eben nicht so ist, dass Demenz nur bedeutet, alles und alles geht kaputt und ist verschüttet, sondern das Emotionale bleibt eben präsent und vorhanden. Es ist möglich, mit Menschen dann auch in Kontakt zu treten. Es ist nicht nur möglich, sondern es ist auch notwendig.
Darum ist es so wichtig, auch zu schauen, welche Angebote wir Menschen mit Demenz unterbreiten und wie wir auch deren Freiheitsgrade sichern. Es ist ja auch in der Debatte, in Ihrer Anfrage angefragt worden, wie man zum Beispiel mit elektronischen Ortungssystemen umgeht. Sie haben es ja angesprochen, dass über den Schuh bestimmte elektronische Hinweise darüber vermittelt werden können, wo Menschen sich bewegen. Da ist es uns so wichtig zu sagen, alles, was zusätzliche Freiheit für Menschen mit Demenz bringt, ist gut, was jedoch eine Einschränkung der Freiheit bedeutet, das lehnen wir ab. So sehen wir das auch mit der Frage, wann ist es sinnvoll, dass jemand
auch im stationären Bereich versorgt wird? Wann ist es möglich und sinnvoll, dass jemand im ambulanten Bereich versorgt wird? Es geht immer darum, wo die höchstmöglichen Freiheitsgrade für den einzelnen Menschen sind, und darum ist es richtig, dass wir weitermachen auf diesem Weg, hin zur Öffnung und hin zur demenzfreundlichen Kommune. - Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mother Hood, lieber Hebammenverband! Das ist ein trauriger Anlass, aber ein wunderschönes Thema. Werdende Mütter brauchen Hebammen. Werdende Mütter brauchen eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme, gleichgültig wo sie ihr Kind zur Welt zu bringen möchten. Ob zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik: Sie brauchen immer die Unterstützung durch eine Hebamme, die die ganze Zeit an ihrer Seite ist, und nicht etwa, wie es zurzeit in den Krankenhäusern üblich ist, zwischen zwei oder drei Geburten hin und her flitzt.
Werdende Mütter benötigen eine Hebamme vor allem zur Ermutigung, zur Unterstützung und dafür, dass sie Zutrauen zu sich und ihrem Körper haben dürfen. Sie benötigen bei dem natürlichen Vorgang, Kinder zu gebären, Unterstützung und jemanden an ihrer Seite.
Es ist nicht so, dass dieser natürliche Vorgang in aller Regel zu Komplikationen führt. Man mag das manchmal glauben, wenn man hört, wie diese Debatten laufen. Wir sprechen über Kaiserschnittraten, die mit 30 Prozent bundesweit immer noch viel zu hoch sind, und über steigende Haftpflichtprämien, die das Risiko des Gebärens ebenfalls übermäßig betonen. Wir müssen die Debatte auch in Richtung der autonomen Fähigkeiten der Frauen führen. Üblicherweise verlaufen Geburten komplikationslos, aber nicht einfach, wie diejenigen von uns wissen, die Kinder zur Welt gebracht haben. Es ist eine anstrengende und schmerzhafte Geschichte, die aber in der Regel komplikationslos ist. Werdende Mütter benötigen also Hebammen.
Dieses Thema betrifft nicht nur werdende
Mütter oder Frauen, die schon Kinder bekommen haben, sondern es betrifft uns alle, weil wir alle geboren worden sind. Eine Geburt ist nicht nur für uns selbst, die wir geboren wurden, das entscheidende Erlebnis, sondern für viele Frauen auch eines der größten Erlebnisse ihres Lebens. Sophia Leonidakis hat es angesprochen. Dieses Geburtserlebnis stellt die Weichen zwischen Mutter und Kind. Durch die Bindung stellt es die Weichen für die seelische Entwicklung, und es stellt die Weichen für die körperliche Entwicklung. Wir wissen, dass eine natürliche Geburt für die körperliche Entwicklung besser ist. Es gibt dann weniger Allergien und Asthma. Eine Begleitung durch Hebammen während der Geburt ist also die beste Prävention, die überhaupt möglich ist.
Anlass dieser Aktuellen Stunde ist, dass es in Bremen ab Ende Juni keine Beleghebammen mehr geben wird. In Bremerhaven gibt es schon jetzt nicht mehr die Möglichkeiten zur Hausgeburt oder für eine Geburt in einem Geburtshaus. Das heißt, die Wahlfreiheit ist eingeschränkt. Das sollten und müssen wir ändern.
In Bremen hat sich vor einigen Jahren das Bündnis zur Förderung der natürlichen Geburt gegründet. Dies ist bundesweit ein Leuchtturmprojekt. Die Zusammenarbeit funktioniert unheimlich gut. Die Kaiserschnittrate in Bremen ist schon gesunken. Das ist eine tolle Entwicklung, die wir für gut halten. Auf Dauer wird das aber nicht so weitergehen können, wenn wir nicht endlich auch politisch die angemessenen Rahmenbedingungen schaffen.
Was sind die Forderungen? Erstens: Verbindliche Sicherstellung der Eins-zu-einsBetreuung durch eine Hebamme für jede gebärende Frau!
Zweitens: Eine nachhaltige Lösung der Problematik der Haftpflichtprämie, die schon angesprochen wurde!
Wir von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Forderung nach einem Haftungsfonds. Wir meinen, dass der Sicherstellungsauftrag nicht die entsprechende Wirkung entfaltet hat, die er entfalten sollte. Wir finden, dass man das noch einmal ordentlich evaluieren muss, glauben aber, im Ergebnis kommt heraus, dass dies nicht der angemessene Weg ist, sondern man einen angemessenen Haftungsfonds benötigt.
Die Bewertung, wie die Begleitung während der natürlichen Geburt durch die Kassen bezahlt wird, muss grundsätzlich neu vorgenommen werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Hebammen, sondern auch für die Ärztinnen und
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Ärzte in den Kliniken. Es ist immer noch so, dass es finanzielle Anreize für die Durchführung eines Kaiserschnittes gibt. Das wird einfach viel besser bezahlt. Diese sehr langen Verläufe, die Geburten manchmal mit sich bringen, werden von den Krankenkassen nicht entsprechend finanziert. Auch das muss sich dringend ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Ausbildung der Hebammen steht vor einem Scheideweg. Wir wissen, dass die EU-Richtlinie vorsieht, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in 2020 den EU-Richtlinien in der Ausbildung der Hebammen anpasst. Dabei geht es um die Akademisierung dieses wichtigen Berufes. Wir meinen, dass schon jetzt die entsprechenden Schritte vorgenommen werden müssen und man nicht bis 2020 warten kann. Man muss das jetzt ordentlich ausgestalten.
Wir meinen auch, dass die Kompetenzen von Hebammen in den Kliniken besser genutzt und gewürdigt werden sollten. Sophia Leonidakis hat das angesprochen. Wir unterstützen politisch einen weiteren hebammengeleiteten Kreißsaal im Land Bremen. In Reinkenheide gibt es den. Er funktioniert sehr gut. Wir wissen, dass das DIAKO da entsprechende Pläne hat, wie ich gehört habe. Ich habe im Vorfeld noch einmal telefoniert. Es sieht wohl so aus, dass das DIAKO zum 1. Januar 2018 mit einem guten Konzept an den Start gehen könnte. Das fänden wir einen guten Weg, den wir unterstützen sollten.
Ein letztes Wort noch: Es geht nicht nur um die Hebammenbegleitung während der Geburt, sondern es geht auch um die Vor- und Nachbetreuung. Auch diese ist flächendeckend nicht mehr gesichert. Auch da muss dringend etwas zur Aufwertung dieser Leistungen und des Hebammenberufes getan werden. Werdende Mütter brauchen Hebammen. - Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich ein sehr wichtiges Thema, weil wir alle zum Tode hin leben. Wie es sein wird, wenn unser Tod festgestellt werden wird, beschließen wir hier und heute. Für unsere Angehörigen ist es genauso und wahrscheinlich noch relevanter.
Ich sage das deshalb zu Beginn meiner Ausführungen, um darauf hinzuweisen, dass es wirklich ein Gesetz ist, das irgendwann jede und jeden in unserem Land betreffen wird.
Wir als grüne Fraktion haben uns die ganze Zeit während der Debatten immer dafür ausgesprochen, eine Angelegenheit dringend im Gesetz neu zu regeln, und zwar möchten wir, dass die Feststellung des Todes zeitlich und personell von der Todesursachenfeststellung getrennt wird. Mit diesem Gesetz werden wir genau das beschließen, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir für richtig!
Aus welchen Gründen ist die Trennung so wichtig? Es ist erstens wichtig, damit bisher unerkannte Tötungsdelikte künftig besser zu erkennen sind, und
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zweitens -das geht manchmal in der Debatte etwas unter, es ist aber ein genauso wichtiger Punkt -, damit die Todesursachenstatistik besser und sorgfältiger geführt werden kann, weil mit einer qualifizierten Leichenschau die Wahrscheinlichkeit, dass der die Todesursache feststellende Arzt wirklich herausfindet, an welchen Umständen es wirklich gelegen hat, höher ist, als es bisher gewesen ist. Diese Erkenntnisse werden in die Todesursachenstatistik einfließen, und das bedeutet, dass wir zukünftig noch besser von den Toten für die Lebenden lernen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein ganz wichtiger Punkt,
Strittig ist - und das ist eben aus den Wortbeiträgen von Frau Dehne und Herrn Bensch deutlich geworden -, ob die Todesursachenfeststellung immer am Auffindeort der Leiche stattfinden muss. Sie haben gesagt, alle Fachleute sind sich darin einig, dass sie immer am Auffindeort stattfinden muss. Das sind die Fachleute aus dem Bereich Kriminologie, also die Polizei, und es sind die Kollegen der Rechtsmedizin. Auf der anderen Seite gibt es aber auch gute Argumente vonseiten der Angehörigenvertreter, der Seniorenvertretung, der Kirchen, die gesagt haben, sie solle kriterienbezogen stattfinden.
Es soll für den Kollegen, der den Tod feststellt, klare Kriterien geben. Er soll dann beurteilen, ob es notwendig ist, dass die zweite, die Todesursachenfeststellung, also die qualifizierte Leichenschau, in dem Fall wirklich am Auffindeort der Leiche stattfinden muss. Wir als Koalition finden, dass das Gesetz hier eine vernünftige Balance zwischen den Argumenten der einen und der anderen Seite findet, und deshalb legen wir das Gesetz in der vorliegenden Fassung vor.
Ich selbst halte es für richtig, das Gesetz in der jetzigen Form vorzulegen. Wir haben eine Evaluation des Gesetzes nach zwei Jahren vorgesehen. Wir betreten bundesweit Neuland, und wir wollen nach zwei Jahren prüfen, ob die gesetzlichen Regelungen sinnvoll sind und ob sie sich dauerhaft durchführen lassen. Das ist doch ein gutes Verfahren. Wenn man Neuland betritt und einen Kompromiss schließt, dann überprüft man ihn nach einer gewissen Zeit und steuert gegebenenfalls nach, wenn es notwendig ist.
Wir finden das klug, und wir glauben, dass das ein guter Weg ist. Ich freue mich darüber. - Vielen Dank!
Lieber Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum beschäftigen wir uns andauernd mit den Fragen der Psychiatrie, hier wieder mit der Frage, wie es mit der Psychiatriereform weitergeht? Wir finden eben nach wie vor, dass es dort Verbesserungsbedarf gibt.
Worum geht es konkret in dieser Großen Anfrage? Es geht um die Menschen, die sonst so gut wie keine Stimme und nach wie vor eine sehr geringe Lobby haben, nämlich um Menschen mit schweren und chronischen seelischen Erkrankungen. Insgesamt haben seelische Erkrankungen nicht mehr das Stigma, das sie noch vor einigen Jahren und Jahrzehnten hatten. Die Versorgung ist insgesamt deutlich besser geworden; der Zugang zur Psychotherapie ist viel besser geworden. Es ist nicht mehr peinlich zu sagen: Ich gehe zur Psychotherapie.
Auch in den allgemeinen Medien hat sich das Wissen um seelische Gesundheit und seelische Erkrankungen deutlich verbessert. Da gibt es also eine ausgesprochen positive Entwicklung. Menschen mit schweren und chronischen seelischen Erkrankungen haben aber nach wie vor eine zu geringe Lobby. Sie haben nicht nur in Bremen, sondern bundes- und weltweit einen schlechteren Zugang zu guter Versorgung als gesündere Menschen.
Darum hat sich der bundesdeutsche Gesetzgeber ausgedacht, diesen Menschen ein Hilfesystem zur Seite zu stellen, das in aller Regel in kommunaler Trägerschaft liegt und das wir Pflichtversorgung nennen. So ist es auch hier in Bremen. Es ist richtig, dass man eine Pflichtversorgung beschlossen hat, damit diese Menschen eben nicht hintenüber fallen.
Wir erinnern uns alle, dass wir den entsprechenden Bürgerschaftsbeschluss 2013 in großer Einigkeit gefasst haben und wir uns über vier Punkte einig waren, die sich bei der psychiatrischen Versorgung verbessern müssen:
Die Menschen, die schwer und chronisch psychisch krank sind, sollen besser behandelt werden. Wir haben den Grundsatz „ambulant vor
stationär“ vereinbart, weil es gerade für diese Menschen immer um die Lebensweltorientierung geht.
Wir haben beschlossen, dass wir mehr Vernetzung zwischen ambulanten und stationären Angeboten und eine ganz klare Patientenorientierung haben möchten. Das heißt, es wird vom Patienten her geschaut, aber es werden auch das Wissen und die Expertise von Menschen in die Versorgungs- und Therapieplanung einbezogen, die etwas vom Hilfesystem verstehen, weil sie es schon einmal am eigenen Leib erfahren haben. Das wird in Bremen inzwischen vorbildlich als ein großer Fortschritt in dieser psychiatriereformerischen Bewegung umgesetzt. Die sogenannten Expertinnen und Experten aus Erfahrung, der EXINler, werden einbezogen. Es ist wirklich toll, was da in Bremen inzwischen auf den Weg gebracht wurde.
Auch Bestandteil dieser Großen Anfrage ist die Frage, wie der Senat zur Einführung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen steht. So etwas haben wir in Bremen noch nicht. Der Senat sagt, generell sei das richtig. Ich würde sagen, es ist notwendig, eine solche unabhängige Beschwerdestelle zu etablieren. Es gibt Anträge bei der „Aktion Mensch“. Es gibt ein Konzept von einer Vereinigung - EXPA heißt sie in Bremen -, die einen Antrag bei der „Aktion Mensch“ gestellt hat. Ich hoffe, dass er durchkommt. Wenn das nicht funktioniert, muss man tatsächlich noch einmal schauen, ob es nicht doch möglich ist, das über Haushaltsmittel zu regeln, wie es der Großen Anfrage zu entnehmen war und wie Sie das beantwortet haben, Frau Senatorin. Diese sind aber im Moment eben noch nicht eingestellt. Ich erkläre für meine Fraktion: Wir halten eine unabhängige Beschwerdestelle für psychisch Kranke für notwendig.
Bremen hat die Chance, mit all dem, was wir in Bremen zur Verfügung haben, ein hervorragendes psychiatrisches Hilfesystem zu etablieren. In unserem kleinen Bundesland mit den beiden Städten haben wir kurze Wege, sodass sich fast alle Akteure gegenseitig kennen. Dadurch hätten wir die Chance, leuchtturmmäßig in der Bundesrepublik das beste psychiatrische Hilfesystem zu etablieren. Dafür wäre es sinnvoll, wenn man etwas macht, das es bisher in dem Ausmaß noch nicht gab, nämlich eine wissenschaftliche Bedarfsanalyse darüber, was wir in dieser Stadt für wen benötigen, was wir schon haben und wie man die Angebote und Bedarfe zusammenbringen kann. Wir haben hier ein
Landtag 3242 43. Sitzung/10.05.17
exzellentes Institut für Public Health. Diese Idee möchte ich heute in die Diskussion geben, Frau Senatorin. Ich glaube, das wäre ein sehr guter Zweck.
Ich möchte abschließend erklären, dass das für mich meine letzte psychiatriepolitische Debatte ist, weil ich dieses Thema, das mir so am Herzen liegt, meinem Kollegen Jan Saffe übergebe. Er ist schon sehr gut in diese Diskussion eingearbeitet. Ich freue mich sehr, dass er das übernimmt und mit Herzblut weiter verfolgen wird. - Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ein interfraktioneller Antrag, angeregt durch die FDP, zu einem, wie ich finde, sehr wichtigen Thema, vielen Dank für die Initiative!
Wir haben es ja schon des Öfteren diskutiert, zuletzt im Rahmen der Gesetzgebung für das Bundesteilhabegesetz, dass es in der Behindertenpolitik zu einem Paradigmenwechsel gekommen ist, und zwar weg von dem Fürsorgegedanken, hin zu dem Gedanken der Teilhabe, der Inklusion und des Mittuns. Jede und jeder soll gemäß ihrer Chancen und Möglichkeiten umfassende, gleichberechtigte, radikal gleichberechtigte Möglichkeiten in unserem Land haben, und das ist genau der richtige Weg, meine Damen und Herren!
Das Recht, durch Behinderung von der Gesellschaft nicht zusätzlich behindert zu werden, ist das, was im Bundesteilhabegesetz jetzt festgeschrieben ist, und diesem Recht muss man jetzt umfassend nachkommen. Das ist auch die Grundlage, der Sound der UN-Behindertenrechtskonvention, die ja seit vielen Jahren in Deutschland ratifiziert ist. Es kommt jetzt gerade in den Ländern darauf an, sie entsprechend umzusetzen.
Bremen macht es im Moment ziemlich gut, diese Rechte einzufordern und sie zu hinterlegen. Das finde ich sehr, sehr gut! Die gesellschaftliche Wahrnehmung hinkt allerdings noch etwas hinterher, und das hat eben auch etwas mit Worten und der Wortwahl zu tun. Die beiden Vorrednerinnen, Vorredner haben es schon ausgeführt, welche Bezeichnungen benutzt werden, um Teilhabemöglichkeiten herzustellen, sie spielen eine Rolle, sie transportieren eine Haltung. Sie transportieren nicht nur eine Haltung, sondern sie verursachen auch eine Haltung. Worte machen also einen Unterschied. Von daher finden wir es völlig richtig, dass der im Augenblick mit Schwerbehindertenausweis bezeichnete Ausweis zukünftig anders heißen soll. Mir geht es wie der Kollegin Frau Grö
nert, ich finde den Vorschlag Teilhabeausweis genau richtig. Ich finde es aber auch richtig, dass in unserem gemeinsamen Antrag steht, dass die Behindertenverbände selbst entscheiden sollen, wie dieser Ausweis zukünftig heißen soll,
und zwar genau nach dem Motto der Behindertenbewegung, nicht über uns, ohne uns. Das ist genau das richtige Motto. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: In welchen Bereichen wird in Bremen das Videodolmetschen eingesetzt, um mit Personen ohne Deutschsprachkenntnisse zu kommunizieren?
Zweitens: Welche Erfahrungen hat der Senat bisher mit dem Einsatz von Videodolmetscherinnen und Videodolmetschern gesammelt, und welchen Stel lenwert misst der Senat dem Videodolmetschen in Zukunft bei?
Wenn es jetzt so positiv angelaufen ist, wie ich es verstehe – es gab ja zuerst ziemlich viel Kritik, ob das überhaupt angemessen wäre, und jetzt höre ich, dass die Erfahrungen gut sind, ich finde das auch, ich finde, das ist ein guter Weg –, wie sieht es denn dann mit der Verstetigung aus? Wie wird es denn jetzt weiterbetrieben? Im Moment ist es eine Modellphase, wenn ich es richtig verstanden habe.
Wie ist das denn geplant? Im Moment wird diese Technik ja im Amt für Soziale Dienste und im Gesundheitsamt genutzt. Wie sieht es aus, wird es für die GeNo geplant, dass da irgendwelche Dolmetscher eingesetzt werden?
Eine letzte, vielen Dank, Herr Präsident! Die Frage bezieht sich auf die Finanzierung. Es gibt immer diese Debatte, wer diesen Einsatz bezahlt. Es gibt die Überlegung, ob der Bund da mehr in die Verantwortung gehen könnte. Ich fände das richtig. Wie stehen Sie dazu? Gibt es erste Gespräche?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Frau Aulepp hatte schon ge sagt, dass wir im Land Bremen seit 2013 das liberalste Feiertagsgesetz im Bundesvergleich haben, und wir finden, das ist sehr gut so. Unser liberalisiertes Fei ertagsgesetz hat sich bewährt, es ist ein sinnvoller Interessenausgleich. Es regelt einen guten Kompromiss zwischen denen, die sich entscheiden, die christlichen Feiertage – in dem Fall den stillen Feiertag Karfreitag und den Totensonntag – und den weltlichen Feiertag Volkstrauertag angemessen für sich in Ruhe begehen zu wollen, und denen, denen diese Feiertage nicht viel bedeuten oder zumindest nicht so, dass sie ihn in innerer Einkehr verbringen, sondern öffentlich tanzen gehen wollen.
Ein solcher Kompromiss ist ja per se erst einmal nichts Schlechtes, das ist ein Interessenausgleich, und wir finden, er ist ausgesprochen gut gelungen, und des halb möchten wir diesen Kompromiss fortsetzen und das Gesetz entfristen.
In den Überlegungen, wie wir überhaupt mit solchen Interessenausgleichen umgehen, wenn es um Reli gion und Religionsfreiheit geht, ist für uns Grünen immer der kanadische Philosoph Charles Taylor sehr hilfreich, er verwendet den Begriff der liberalpluralistischen Gesellschaft. Die Idee dabei ist, dass es um die Achtung der moralischen Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger und der Religions- und Ge wissensfreiheit der Einzelnen geht. Dabei geht es ihm eindeutig um die Trennung von Kirche und Staat und die gleichzeitige Neutralität des Staates gegenüber den verschiedenen Religionen. Das bedeutet aber eben nicht, dass man überhaupt nicht die Menschen schützt, die ihre Religion ausleben wollen, sondern ganz im Gegenteil: Diese Idee garantiert sowohl die positive Religionsfreiheit – jeder darf und soll also seine Religion so frei ausleben, wie er es möchte – als
auch die negative Religionsfreiheit, das heißt, keiner muss irgendeine Religion ausleben. Wir finden, das ist genau das richtige Konzept, und unserer Meinung nach wird dem mit diesem Gesetz auch entsprechend Rechnung getragen. Deshalb finden wir, es ist ein guter Weg, jetzt zu einer Entfristung zu kommen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, dieser Geset zesnovelle im Jahr 2013 ging ein sehr breiter und auch sehr kontroverser gesellschaftlicher Diskurs voraus, in dem wir genau diese Abwägung vorgenommen haben. Das haben wir im Parlament ja nicht einfach so beschlossen und gesagt, dass das jetzt einfach einmal so übergestülpt wird, sondern wir haben es im gesellschaftlichen Konsens, in der Diskussion in dieser Stadt getan. Im Jahr 2013 durfte man dann zum ersten Mal am Karfreitag – Frau Aulepp hat ja schon darauf hingewiesen – zwischen 6 Uhr und 21 Uhr keine öffentliche Tanzveranstaltung besuchen, aber danach so viel, wie man wollte. Aber einmal ehrlich: Wer geht schon vor 21 Uhr in den Club? Bei dem, was ich so mitbekomme, gehen die Menschen erst um 24 Uhr oder um ein Uhr nachts überhaupt öffentlich tanzen, also bedeutet 21 Uhr unserer Mei nung nach keine größere Einschränkung. Es trägt den Bedürfnissen aller Seiten angemessen Rechnung, und wir finden das gut so.
Dass die alevitischen Feiertage jetzt mit aufgenommen werden, ist eine Weitung, die wir für ausgesprochen sinnvoll halten. Weil wir für die Entfristung und nicht für die weitere Befristung sind, werden wir Ihren Antrag ablehnen und bitten Sie, dieser Entfristung nun zuzustimmen! – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen einmal zeigen, über welchen Bericht wir sprechen. „Mehr Vereinbarkeit wagen!“ Das ist ein wirklich fulminant dickes Werk der Arbeitnehmerkammer. Wir finden, dass es ausgesprochen gelungen ist und bedanken uns dafür sehr.
Bevor ich inhaltlich vertieft einsteige, möchte ich Ihnen eine kleine persönliche Geschichte erzählen. Das mache ich nicht oft an dieser Stelle. Sie ist mir gestern eingefallen. Als ich junge Mutter war und meine erste Stelle suchte und mein Mann und ich überlegten, wie wir das machen, hatten wir uns an einer Klinik beworben, beide als ganz junge Ärzte. Für mich war es die erste Stelle. Wir haben gesagt, dass wir Teilzeit arbeiten möchten, beide 30 Stunden. Der Chef sagte, das hätte es zwar noch nie gegeben, aber er gab uns diese Chance. Wir haben beide, mein Mann und ich, 30-Stunden-Stellen bekommen.
Dann kamen die Fragen. Ich wurde immer gefragt: „Mensch, du hast doch so kleine Kinder, warum arbeitest du denn so viel?“ Mein Mann wurde gefragt: „Was ist denn mit dir los? Du bist doch Arzt. Willst du nicht Karriere machen? Warum arbeitest du so wenig?“ Genau die gleiche Stundenzahl, die gleiche familiäre Situation! Das ist jetzt fast 25 Jahre her. Ich frage mich, ob es heute auch noch so sein könnte, und ich fürchte, ja.
Allein daran sehen wir schon, dass es eine solche unterschiedliche Haltung immer noch gibt, dass die Familienfrage immer noch im Wesentlichen eine Frauenfrage ist. Daran sehen wir, wie viel sich noch ändern muss.
Es ist eben immer noch nicht selbstverständlich, dass sich beide Partner gleichberechtigt um Kinder, wenn sie da sind, kümmern. 60 Prozent der bundesdeutschen Paare, knapp zwei Drittel, sagen, dass sie sich gleichberechtigt kümmern möchten. Nun kann man einmal sagen, das ist schon einmal etwas. Das heißt aber auch, 40 Prozent sagen: Nein, Gleichberechtigung spielt für uns immer noch keine Rolle! Wenn wir dann auch noch wissen, dass es in etwa nur 14 Prozent der Fall ist, dass sich beide gleichberechtigt um die Kinder kümmern, sehen wir, wie viel hier noch zu tun ist.
Heute ist der 8. März, der Internationale Frauentag. Ich finde, unsere Mütter und Großmütter haben viel für uns erreicht.
Das finde ich auch! Darüber können wir uns freuen! Es ist aber noch nicht gut genug. Die Bertelsmann Studie hat es letztes Jahr gesagt und festgestellt, dass es noch 170 Jahre dauert, bis wir die Gleichberechtigung erreicht haben, wenn wir in dem Tempo mit ihr weitermachen. Das ist ein Jahr her. Es sind also nur noch 169 Jahre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann uns doch nun wirklich nicht zufriedenstellen.
Wie sieht es denn nun aus? Die Hälfte der Frauen in Doppelverdienerhaushalten arbeitet inzwischen Vollzeit. Dazu könnte man sagen, das ist schon einmal etwas. Wie sieht es mit dem Einkommen aus? Nur jede Zehnte, nur zehn Prozent der Frauen, verdienen über 2 000 Euro monatlich. Bei den Männern sind es 42 Prozent. Wir sind weit von Lohngleichheit entfernt. Das darf so nicht bleiben.
Warum darf das so nicht bleiben? Erstens ist es fulminant ungerecht. Zweitens beeinflusst es die aktuelle Lebensrealität von Frauen, von Familien. Die unterschiedliche Lohnhöhe führt auch dazu, dass die Wahl meistens immer noch auf die Frauen fällt, wenn die Familie überlegt, wer denn jetzt zu Hause bleibt und Elterngeld bezieht, weil die Männer eben den höheren Geldbeitrag verdienen und dann gerechnet und festgestellt wird, dass das Familieneinkommen nicht reichen würde. Drittens hat es Auswirkungen auf die Rentenhöhe der Frauen. Auch das Thema Altersarmut ist immer noch weiblich. Auch das können wir so nicht hinnehmen!
Wenn wir dann noch ergänzen – der Aspekt fehlte hier bisher heute in der Debatte –, dass nicht nur die Kinder-, Pflege- und Erziehungsleistung immer noch überwiegend bei den Frauen liegt, sondern auch die Pflege im Alter, von alten Familienangehörigen ganz überwiegend Frauenarbeit ist, sehen wir, wie ungerecht Fürsorgearbeit immer noch aufgeteilt ist.
Was muss man also tun? Ich stimme dem Kollegen Tsartilidis voll zu. Natürlich müssen wir auch steuerlich andere Anreize für mehr Gleichberechtigung setzen. Dazu gehört als Erstes natürlich die Abschaffung des Ehegattensplittings dazu. Alles andere sind Fehlanreize. Das muss endlich vorangehen.
Das Zweite ist, das haben Sie auch völlig zu Recht gesagt, dass man die Ungleichheit der finanziellen Unterstützung für Familien, wenn Kinder da sind, angleichen und die Ungleichheit aufheben muss. Sie wissen, dass die Grünen eine Kindergrundsicherung vorschlagen, die bedeutet, dass Kinder gleichermaßen in allen Bereichen die gleichen Chancen bekommen sollen.
Welche Themen gehören zusammen? Arbeitszugang, Lohngerechtigkeit, Kinderbetreuungschancen – darauf gehe ich gleich ein –, Rente, all das hängt zusammen. Wenn wir dann noch die Ungerechtigkeiten bei Pflege und bei Alleinerziehenden anschauen, welche Chancen Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt haben, nämlich geringere, haben, sehen wir, dass noch viel in Richtung Gerechtigkeit zu tun ist.
Was brauchen denn nun junge Familien, was brauchen die Frauen, was brauchen gerade die Alleinerziehenden, damit sie gut arbeiten können? Als Erstes brauchen Sie Kinderbetreuungsplätze. Der Rechtsanspruch hat einen fulminanten Fortschritt gebracht. Es stimmt, was Sie gesagt haben, Frau Leonidakis, und auch das, was Sie, Frau Ahrens, gesagt haben: Wir sind in Bremen noch nicht an dem Punkt, dass wir diesen Rechtsanspruch vollständig erfüllen können. Ja, das finden wir nicht gut. Nach der ersten Anmeldung werden – Sie haben die Zahl genannt – 1 766 Plätze fehlen. Es fehlen die Räume. Es werden übrigens auch die Erzieherinnen fehlen. Es ist ausgesprochen schwierig, gute Erzieherinnen zu bekommen.
Das hängt übrigens auch mit den Ausbildungsbedingungen für Erzieherinnen und dem Gehalt für Erzieherinnen zusammen.
Wir sind generell zuversichtlich, wie Sie wissen. Wir fragen uns aber auch, wie wir diese 1 766 Plätze durch den Aufbau von Mobilbauten und durch neue Gruppen in bestehenden Räumen erreichen können. Sie wissen, was wir vorschlagen: Wir schlagen eine Systemumstellung auf ein Gutscheinsystem vor, das freien Trägern mehr Anreize verschafft zu bauen. Wir wissen, dass das in Hamburg und Berlin inzwischen wunderbar funktioniert hat. Es hat im Vorfeld dort viel Kritik von den Medien und von allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen gegeben. Inzwischen funktioniert es dort so gut, dass fast alle zufrieden sind. Wir denken, das wäre auch für Bremen ein guter Weg.
Jetzt komme ich zu den Alleinerziehenden als Gruppe, die besonders viel Unterstützung braucht. Ich habe in dem Bericht eine Zahl gefunden. Die Zahl der erwerbstätigen Alleinerziehenden insgesamt sinkt. Bevor diese Frauen, es sind meistens Frauen, Alleinerziehende, Kinder bekamen, hatten 40 Prozent auch keinen Beruf.
Anschließend waren zwei Drittel erwerbslos. Was ist wichtig dafür, dass wir Alleinerziehende zunehmend besser unterstützen? Eines ist schon angesprochen worden. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen. Es geht um das Thema Teilzeitausbildung. An der Stelle sind wir in Bremen noch nicht gut genug. Es sind nicht nur die Betriebe, die sich noch anpassen müssen und Nachholbedarf haben. Es sind auch die Berufsschulen. In Berufsschulen ist Teilzeitausbildung nicht vorgesehen. Das ist nicht gut.
Ich komme zum Thema Kita. Das eine ist, einen Platz zu bekommen, das andere ist aber auch die Frage, ob dieser Platz die Stundenzahl abdeckt, die eine Frau, die eine Familie benötigt.