Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Ich eröffne die 36. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Ich begrüße die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Mitglieder des Kurses „Gesellschaft und Kultur am Vormittag“ der Volkshochschule Bremen.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt, bei dem interfraktionell vereinbart wurde, ihn nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. Es handelt sich um den Tagesordnungspunkt 75, Vollverschleierung aktiv unterbinden, Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 19/921.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen elf frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Mehr jugendliche Komasäufer in Bremen?“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Ahrens, Bensch, Dr. vom Bruch, Röwekamp und Fraktion der CDU.

Bitte, Frau Ahrens!

Wir fragen den Senat:

Erstens. Wie hat sich die Zahl der jugendlichen Komasäufer seit 2013 entwickelt?

Zweitens. Wie hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Alkoholtestkäufe entwickelt?

Drittens. Welche Verstöße wurden festgestellt, und welche Konsequenzen ergaben sich daraus?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage eins: Nach den Angaben der Krankenhausstatistik wurden in den Jahren 2013 bis 2015 pro Jahr zwischen 116 und 167 Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren mit Wohnsitz im Land Bremen aufgrund der Diagnose „akute Alkoholintoxikation“ in Bremer Krankenhäusern behandelt.

Männliche Jugendliche sind dabei stärker betroffen als weibliche. Schaut man sich in diesem Zeitraum

die altersspezifischen Raten je 1 000 Einwohner an, so ist bei beiden Geschlechtern eine Zunahme der Raten zu beobachten. Da es sich um Daten der Inanspruchnahme handelt, lässt sich jedoch nicht sicher ableiten, ob tatsächlich eine Zunahme der Alkoholintoxikationen vorliegt oder aber ob lediglich eine Zunahme der Behandlungen dieser Fälle im Krankenhaus zu beobachten ist.

Zu Frage zwei: In den Jahren 2013 und 2014 wurden im Land Bremen 365 beziehungsweise 284 Alkoholtestkäufe durchgeführt. Im Jahr 2015 gab es 233, und im Jahr 2016 219 Testeinkäufe.

Zu Frage drei: In Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses „Alkoholverkauf an Jugendliche stärker ahnden“ setzten das Stadtamt Bremen und die Ordnungspolizeibehörde Bremerhaven seit dem 1. Januar 2014 für Verstöße gegen das Verbot, Alkohol an Jugendliche auszuschenken beziehungsweise zu verkaufen, Bußgelder in Bezug auf Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber in Höhe von mindestens 2 000 Euro anstatt bisher 400 Euro fest, und in Bezug auf Verkäuferinnen und Verkäufer in Höhe von mindestens 300 Euro statt bisher 50 Euro. Die Umsetzung des oben genannten Bürgerschaftsbeschlusses wird durch eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe unter Federführung des Senators für Inneres begleitet.

In den Jahren 2015 und 2016 wurden im Land Bremen jeweils 49 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Alkoholverkaufs an Jugendliche aufgenommen. – Soweit die Antwort des Senats!

Frau Kollegin Ahrens, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Uns ist berichtet worden, dass Eltern, wenn sie informiert werden und ihre Kinder zum Beispiel bei der Polizei abholen sollen, wenn Jugendliche aufgegriffen werden, aber vielleicht noch nicht ins Krankenhaus müssen, teilweise doch eher sehr zögerlich sind, ihre unter 18-jährigen Sprösslinge tatsächlich abzuholen. Können Sie das bestätigen? Liegen Ihnen darüber auch Erfahrungen vor?

Diese Erfahrungen müssten vermutlich bei der Polizei abgefragt werden; die liegen mir nicht vor. Ich kann es mir aber vorstellen.

Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben auf die Antwort zu Frage eins gesagt, dass Sie eine Zunahme nicht sicher bestätigen könnten, während der „WeserKurier“ ja nun genau die gegenteilige Schlussfolgerung gezogen und auch Argumente dafür vorgebracht hat. Können Sie uns erläutern, warum bei einer zumindest ja absoluten Zunahme der Fälle gleichzeitig die Alkoholtestkäufe zurückgegangen sind?

Ich möchte noch einmal etwas zu dem ersten Punkt sagen. Uns liegen jetzt die Daten der Aufnahme ins Krankenhaus vor. Sie haben den Fall der Eltern geschildert. Es ist aus der Antwort ein bisschen ersichtlich geworden: Die genaue Anzahl kann man aus den Zahlen der Jugendlichen, die ins Krankenhaus gekommen sind, nicht endgültig rückschließen. Deswegen habe ich mich sehr dafür eingesetzt – das werden wir jetzt auch machen –, dass wir diese SchuPs-Untersuchung wieder neu auflegen, um einen besseren Überblick zu der Frage der alkoholerkrankten oder zu der Frage der Jugendlichen zu erhalten, die Alkoholmissbrauch für sich als einen Weg sehen, ihr Leben zu bereichern. Das würde ich nicht sagen, aber sie sehen es ja zum Teil so.

Da müssen wir wirklich nacharbeiten. Wir müssen da einen genaueren Überblick bekommen. Deswegen finde ich es gut, dass wir die SchuPs-Untersuchung jetzt machen werden. Das machen wir mit der Senatorin für Kinder und Bildung sowie mit der Senatorin für Jugend und Soziales zusammen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, dass wir da mehr Klarheit und mehr Licht ins Dunkel bringen. Denn dass wir in dem Bereich der Prävention an der Stelle noch mehr tun müssen, um Komasaufen als eine wirkliche Gesundheitsgefährdung stärker in die Köpfe der Jugendlichen zu bekommen, ist völlig richtig.

Zu der zweiten Frage zu dem Rückgang der Ordnungswidrigkeiten und dem Zurückgehen der Zahl der Testkäufe! Mein Eindruck ist, dass wir mit den Testkäufen sehr wohl schon sehr viel erreicht haben, auch gerade mit der Erhöhung des Bußgelds, das dort festgesetzt worden ist. Bezüglich der Frage, warum da jetzt Rückgänge zu verzeichnen sind, müsste ich nachfragen. Das kann ich Ihnen jetzt so akut nicht beantworten. Da müsste ich beim Senator für Inneres erfragen, welches die Gründe dafür gewesen sind.

Wir stellen jedenfalls fest, dass das Nachgehen in den Geschäften auch eine positive Wirkung erzeugt. Wenn Sie selber einmal herumgehen, stellen Sie auch fest, es hängen viel mehr Schilder, es wird viel deutlicher darauf hingewiesen, dass Alkoholverkauf an unter 18-Jährige nicht erlaubt ist, dass es immer nur mit dem Personalausweis stattfinden darf.

Frau Abgeordnete, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie sagten, dass einerseits diese SchuPs-Untersuchung durchgeführt wird und Sie andererseits übergreifend im Senat an diesem Thema arbeiten. Wären Sie bereit, uns in den zuständigen Deputationen einen Bericht vorzulegen, wie den Berichten über eine soziale Notlage, die die Polizei unter anderem auch an Soziales abgibt, weiter nachgegangen wird? Denn es kann sich ja sehr wohl hier auch um einen Fall von Kindeswohlgefährdung handeln, wenn die Eltern nicht einmal bereit sind, ihre

komatrinkenden Jugendlichen hinterher abzuholen. Gegebenenfalls scheint es ihnen ja egal zu sein, was mit den Jugendlichen ist. Da könnte durchaus schon ein Fall von Kindeswohlgefährdung vorliegen. Uns würde interessieren, wie mit diesen Fällen verfahren wird. Sind Sie bereit, uns den Bericht übergreifend vorzulegen?

Das Statement, das Sie da abgegeben haben, kann ich verstehen. Man kann aber auch eine ganz andere Position dazu haben, nämlich dass Eltern der Auffassung sind, dass sie ihre Kinder damit erziehen, dass sie sagen: Wenn du dich so zuziehst, wenn du dir so viel Alkohol zumutest, dann hole ich dich jetzt nicht aus dieser Zwickmühle heraus. Jetzt bleibe so lange bei der Polizei, damit du merkst, was das eigentlich mit dir macht, und ich decke das nicht! Auch diese Interpretation der Wirklichkeit muss man dieser Stelle sehen.

Ich finde auch, dass wir uns darüber mit dem Senator für Inneres noch einmal verständigen, uns darüber austauschen können, welche Daten der Polizei dazu vorliegen. Wir sind natürlich auch gern bereit, darüber zu informieren, wenn wir wissen, was sich genau hinter diesen Fällen verbirgt, wie man sie auch kategorisieren sollte. Das machen wir gern.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. Kappert-Gonther.

Frau Senatorin, Sie haben zu Recht auch auf Prävention hingewiesen. Das eine ist ja, ob man den Zugang für Jugendliche so gestaltet, dass sie wirklich nicht an Alkohol herankommen. Wir wissen alle, selbst wenn man das optimal macht, gibt es immer über 18-Jährige, die für jüngere Menschen einkaufen.

Das Zweite ist ja der Impuls der Jugendlichen, mit ihrer Freizeit genau das anzufangen, nämlich sich um Kopf und Kragen zu trinken. Da kann man sich vielleicht dreieinhalb andere, schönere Dinge vorstellen. Da ist für mich die Frage: Welche Entwicklung gibt es, die Prävention in den Schulen, beim Gesundheitsamt zu verbessern? Es gibt ja schon einige Programme. Gibt es Planungen, Prävention zu verstärken, und wenn ja, wie sehen sie aus?

Ich werde mich zumindest für mein Ressort sehr dafür einsetzen, dass wir das FreD-Programm aufnehmen, dass wir also bei der Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten verstärkt arbeiten, dass wir das verstärkt natürlich auch mit den Schulen zusammen machen, dass wir das verstärkt auch mit den Jugendeinrichtungen zusammen machen, also an den Orten, an denen sich Jugendliche befinden. Das heißt, die Prävention muss aus meiner Sicht an der Stelle

noch einmal deutlich verstärkt werden, um genau den Gedanken, den Sie formuliert haben, nämlich, dass man auch etwas anderes als Saufen machen kann , in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler und der Jugendlichen zu stärken und um natürlich auch den Institutionen, in denen die Schülerinnen und Schüler oder die Jugendlichen sich in Jugendfreizeitheimen aufhalten, im Grund den Blick dafür zu schärfen, dass Komasaufen nicht eine Bagatelle ist, sondern dass Komasaufen am Ende eben auch eine Zerstörung von Gehirnzellen bedeutet. Insofern müssen wir und sollten wir die Prävention an der Stelle verstärken, und setze ich auch sehr darauf, dass wir dieses Programm FreD, Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten, stärker in den Mittelpunkt unserer Präventionsarbeit rücken.

(Beifall SPD)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die zweite Anfrage bezieht sich auf die „Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Grönert, Dr. vom Bruch, Röwekamp und Fraktion der CDU.

Bitte, Frau Kollegin Grönert.

Wir fragen den Senat:

Erstens. Welche Folgen hat Nichtbeschränkung des Wohnsitzes auf Landesebene für anerkannte Asylbewerber für Bremen und Bremerhaven?

Zweitens. Wie viele Zuzüge von anerkannten Asylbewerbern aus anderen Bundesländern nach Bremen gab es 2016?

Drittens. Wie oft wurde die Wohnsitzauflage dieser Asylbewerber – das heißt, wenn sie anerkannt sind, sind sie ja gar keine Asylbewerber mehr, also sozusagen Zuzieher – durchgesetzt?

Diese Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage eins: Seit dem 6. August 2016 unterliegen Personen mit einem Schutzstatus für längstens drei Jahre einer Wohnsitzbeschränkung, sofern sie nicht in einem Beschäftigungs-, Studien- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Die Wohnsitzbeschränkung gilt für das Bundesland, dem die Betroffenen zur Durchführung des Asylverfahrens zugewiesen wurden.