Sigrid Grönert

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits seit 1948 ist die gesundheitliche Versorgung papierloser Menschen in der UN-Menschenrechtscharta verankert. Zu den Anspruchsberechtigten gehören mittlerweile aber auch die, die einfach keine Krankenversicherung haben. Die Umsetzung in den Ländern ist sehr unterschiedlich geregelt und in Deutschland unterscheidet sich die geübte Praxis auch in den Bundesländern, das hat Herr Welt auch ausgeführt. Im Wesentlichen basiert aber die Versorgung papierloser Menschen in Deutschland auf ehrenamtlichem Engagement von Ärzten und Ärztinnen in Praxen oder Kliniken und über humanitäre Sprechstunden im öffentlichen Gesundheitsdienst, so auch in Bremen und Bremerhaven.
Die Fraktion DIE LINKEN schreiben einleitend in ihrer Großen Anfrage, dass es seit der Einführung dieser Sprechstunde in Bremen bis 2016 zu einer stetigen Zunahme der Nutzerzahlen gekommen ist. Das ist richtig, doch richtig ist auch, dass sich die Zahl von 2016 auf 2017 wieder um rund 50 verringert hat und in 2018, abschließende Zahlen lagen noch nicht vor, auch nur wieder ungefähr die 508 Kontakte aus 2016 erreicht wurden. Somit zeigt sich, dass die Zahl der Patienten zurzeit eigentlich recht stabil ist, aber trotzdem wurde die Ausstattung der Sprechstunde in 2018 um ein vielfaches verbessert.
Damit hat man auch den gestiegenen Zahlen der ersten Jahre die nötige Rechnung getragen, aber insgesamt stellt sich mir die Ausstattung heute doch als recht tragfähig dar. Es ist richtig, dieses Angebot stets im Blick zu behalten, aber seit der verbesserten Ausstattung in 2018 ist noch kein Jahr vergangen und mit Blick auf die zurzeit recht konstanten Nutzerzahlen verstehe ich die heutige Debatte, ehrlich gesagt, nicht.
Statt 20 000 Euro hat das Bremer Gesundheitsamt für die humanitäre Sprechstunde nun jährlich 113 000 Euro als Gesamtbudget zur Verfügung. Deshalb gibt es auch seit Juli 2018 in dieser Sprechstunde eine sichere halbe Arztstelle. Zu Bremerhaven sind die Angaben in dieser Großen Anfrage nur recht kurz und knapp. Ich hatte ohnehin den Eindruck, dass es der Fraktion DIE LINKEN hauptsächlich um die Situation hier in Bremen geht.
Ja, alle Menschen sollen ein Zugang zur medizinischen Versorgung haben, aber einige Menschen haben aus verschiedenen Gründen nur einen Zugang zu einer sogenannten Basisversorgung. Das anders zu organisieren, nämlich jedem Menschen den Zugang zur Komplettversorgung zu ermöglichen, wäre nicht nur denen gegenüber ungerecht, die sich oft genug mit einem für sie hohem, auch finanziellem, Aufwand bemühen, eine Krankenversicherung zu haben und die dafür, oft sogar unter großen Anstrengungen, auch in eine private Krankenversicherung einzahlen müssen. Es würde sich wohl so mancher mit der eigenen Anstrengung überlegen, wenn es auch so möglich wäre, über die Basisversorgung hinaus alle Angebote frei nutzen zu können. So wie es DIE LINKEN am liebsten hätten.
Nicht immer, Frau Leonidakis, ist das was insgesamt am Ende vielleicht billiger ist, auch das Sinnvollste. Die humanitäre Sprechstunde ist aber für die Betroffenen ein überaus sinnvolles und hilfreiches Angebot, welches wir nicht nur vorhalten müssen, sondern es auch vorhalten wollen. Menschen in Not brauchen Hilfe, das hat auch etwas mit Verantwortung füreinander und Achtung der Menschenwürde zu tun. Niemand darf im Stich gelassen werden und trotzdem gibt es Unterschiede, die auch bleiben sollten.
Ein Weiteres sollten wir aber auch stets im Blick behalten. Es muss auch immer das konsequente Bemühen vorhanden sein, festzustellen, ob die Inanspruchnahme der humanitären Sprechstunde überhaupt zu rechtfertigen ist. Anscheinend passieren da die merkwürdigsten Dinge, denn wie der Senat schreibt, versuchen auch Touristen, Geduldete aus anderen Bundesländern oder sogar Menschen, die keine Lust haben, lange auf einen Termin zu warten, in der humanitären Sprechstunde behandelt zu werden. Auch Menschen, Deutsche wie Ausländer, die selbst nicht wissen, ob sie krankenversichert sind, finden sich in dieser Sprechstunde ein. Da muss natürlich in allen Fällen geklärt werden, welche anderen Finanzierungswege es noch alternativ zur Nutzung dieser Sprechstunde gibt.
Nur für solche, die wirklich nirgendwo anders Ansprüche geltend machen können, ist die humanitäre Sprechstunde da. Fragen der Fraktion DIE LINKEN nach einem anonymen Krankenschein, wie er in Niedersachsen modellhaft erprobt wird, hat der Senat auch beantwortet, aber für Bremen nicht als sinnvoll erachtet, so habe ich das jedenfalls gelesen.
Ja, das vom Senat angekündigte Konzept für eine Neuausrichtung der humanitären Sprechstunde befindet sich aktuell in der Abstimmung mit den Beteiligten und wird wohl demnächst auch vorgelegt. Die Finanzen mit der deutlichen Erhöhung von 20 000 auf 113 000 Euro scheinen derzeit auch auszureichen. Somit macht für mich diese Debatte zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich auch gar keinen größeren Sinn. Man kann dadurch heute allenfalls noch einmal für dieses wichtige Thema sensibilisieren. Am Ende bin ich gespannt auf das Konzept, dass jetzt demnächst vorgelegt werden soll und hoffe, dass das nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie viele barrierefreie Stellplätze für Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen sollte es nach „DIN 18040-1 Veranstaltungsräume“ je Kultureinrichtung und anderem Veranstaltungs- und Versammlungsort geben und wie viele Plätze gibt es in den Einrichtungen im Land Bremen aktuell?
Zweitens: Inwiefern hält es der Senat für ausreichend, Rollstuhlnutzer beim Besuch dieser Einrichtungen in genutzten Durchgängen zu platzieren und ist es diesen Gästen ebenso regelhaft wie den anderen möglich, neben Angehörigen oder Freunden zu sitzen?
Drittens: Ist es Einrichtungen zumutbar und auch in der weiteren Planung vorgesehen, die Anzahl der normalen Sitzplätze zugunsten der Schaffung von wirklich barrierefreien und darüber hinaus auch von zusätzlichen Stellplätzen zu verringern, und wenn ja, wie viele normale Plätze würden für die Schaffung jedes weiteren Rollstuhlstellplatzes wegfallen?
Sie haben einige Plätze genannt, in der Anzahl auch bezogen auf die Einrichtungen. Die Frage lautete aber ganz konkret, wie viele Plätze es gibt, die dieser DIN 18040 entsprechen. Es geht nicht um die Gesamtzahl der Plätze. Wenn Sie dazu vielleicht noch etwas sagen könnten? Dann: Ist Ihnen bekannt, dass im „Stadtführer Barrierefreies Bremen“ die Maßangaben nicht immer stimmen und sind da Verbesserungen geplant?
Ich finde es schade, dass ich das nachgereicht bekommen soll, da ich doch hier schon ganz konkret danach gefragt habe, und das nicht beantwortet wurde. Das kann ich bedauern, ich werde jetzt wohl keine Antwort bekommen, aber wir haben konkret gefragt.
Dann schließe ich noch eine Frage an: Wie sieht die Planung konkret für die Schaffung von Plätzen nach DIN 18040 für die nächsten drei Jahre aus und welche Gelder sind dafür bereits eingeplant?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Erst im Dezember haben wir hier über die Hartz-IV-Sanktionen debattiert und das war auch nicht das erste Mal. Alle Argumente sind eigentlich schon ausgetauscht und jeder weiß inzwischen recht gut, wo die politischen Mitstreiter stehen. Das hat aber die Fraktion DIE LINKE nicht aufgehalten, das Thema heute erneut aufzurufen.
Ich kann letztlich auch nichts anderes sagen, als ich die letzten Male gesagt habe und werde auch
heute zu keinem anderen Ergebnis kommen. Natürlich ist es nie falsch, die Praxis von Hartz IV in Bezug auf die Höhe, der Umsetzung vor Ort und mitsamt den Sanktionen auf den Prüfstand zu stellen. Da bin ich auch gern dabei. Aber weder ich noch die CDU sind grundsätzlich gegen Sanktionen bei fehlender Mitarbeit.
Das, was die LINKEN, die Grünen und auch Teile der SPD für erwerbslose Menschen fordern, entspricht quasi bereits dem bedingungslosen Grundeinkommen. Das lehnen wir entschieden ab, weil wir der festen Überzeugung sind, dass niemandem, ohne eigene Anstrengung oder wenigstens dem Willen zur eigenen Anstrengung, eine solidarische Versorgungsleistung zugestanden werden kann.
Im Dezember haben sich die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen deshalb auch nur für eine Entschärfung und für eine weitere Reduzierung von Sanktionen ausgesprochen, statt deren komplette Abschaffung zu fordern. Das haben die Grünen aber heute anders gemacht.
Da die Sanktionsquote deutschlandweit bei nur rund drei Prozent liegt, in Bremen aktuell sogar darunter, sprechen wir auch nicht über ein Massenphänomen. Von Sanktionen sind demnach gerade einmal drei von 100 Langzeitarbeitslosen betroffen. Bei den unter 25-Jährigen sind es etwas mehr, aber meines Wissens nicht 25 Prozent, Frau Görgü-Philipp. Doch, und das ist die zweite Seite der Medaille, wissen alle, dass es die Sanktionen gibt, und das halten wir grundsätzlich auch für sinnvoll. Denn dadurch können kaum Zweifel daran aufkommen, dass Mitarbeit, Zuverlässigkeit und auch der Wille zur Aufnahme einer Arbeit wichtig sind.
Ich sage aber in jeder dieser Debatten ganz deutlich, so auch heute, dass ich mich von ganzem Herzen gegen willkürliche und ungerechtfertigte Sanktionen ausspreche.
Sanktionen sind mit Augenmaß einzusetzen, doch nach den gesetzlichen Vorgaben regelmäßig dort, wo Leistungsempfänger Regeln unentschuldbar
verletzen. Man kann von Menschen, die nicht arbeiten, nicht krank sind und auch keine anderweitigen Hindernisse vorweisen können, erwarten, dass sie Verabredungen mit dem Jobcenter einhalten oder sich rechtzeitig entschuldigen.
Anfang des Jahres 2017 hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das IAB, die Sinnhaftigkeit von Sanktionen durch seine Forschungsarbeit sogar bestätigt. Die Forscher stellten fest, dass der Nutzen von verhängten Sanktionen weitaus größer sei, als hier und dadurch leider auch entstehende Nachteile. Bereits nach der ersten Leistungskürzung wurde die Suche nach einer Arbeit von vielen Betroffenen viel intensiver betrieben als vorher.
Diese Forschungsarbeit hat sich zwar auf den Kreis der unter 25-Jährigen beschränkt, lässt sich aber mit gewissen Einschränkungen sicher auch auf viele über 25-jährige Hartz-IV-Empfänger übertragen. Selbst Fachleute, wie der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, Sozialdemokrat und ehemaliger Sozialsenator von Hamburg rät strikt von einer Abschaffung der Sanktionen ab. Er sagt ganz überzeugt: Wenn Sie falsch parken, werden Sie auch abgeschleppt.
Das hat mit Gängelung nichts zu tun.
Einige Punkte muss man aber genauer anschauen.
Zum Beispiel: Ist es wirklich sinnvoll, und wenn ja, in welchen Fällen, auch die Kosten für die Unterkunft zu sanktionieren und somit womöglich Obdachlosigkeit zu fördern, statt sie zu verhindern? Inwieweit können Sanktionen eventuell durch Sachleistungen aufgefangen werden? Ist es sicher, dass Sanktionen nur gegenüber Menschen ausgesprochen werden, von denen man das gewünschte Verhalten auch wirklich erwarten kann? Offensichtlich psychisch – –.
Soll ich abwarten, bis Sie fertig sind?
Offensichtlich psychisch völlig überforderte Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, keine oder noch keine Krankschreibung vorlegen können, sollte man nicht ohne Aussicht auf Erfolg sanktionieren. Eine Frage ist auch, wie man es alleinerziehenden Müttern ermöglichen kann, sich trotz Arbeit angemessen um ihre Kinder zu kümmern, weshalb sie über längere Zeit auch nur Teilzeit oder vielleicht sogar nur im Minijob arbeiten können.
Sanktionen sollten nach meiner Meinung auch möglichst immer nach dem Vier- oder besser sogar Sechs-Augen-Prinzip verhängt werden. Man kann auch prüfen, ob sie in der jetzigen Form, in der sie verhängt werden, mit Blick auf die Länge und auf die Prozente angebracht sind. Man muss auch prüfen und immer wieder hinschauen, ob schärfere Sanktionen bei unter 25-Jährigen auf Dauer mehrheitlich ihr Ziel erreichen.
Ich bin zudem auch der Überzeugung, dass wir noch stärkere Instrumente brauchen, um verstärkt positive Anreize für eine Arbeitsaufnahme zu schaffen. Die Hinzuverdienstgrenze für Hartz-IVBezieher könnte zum Beispiel gleitender gestaltet werden, um das Argument – Mehr arbeiten lohnt sich nicht! – gezielt auszuhebeln. Ich fände auch verstärkte finanzielle Anreize zum Durchhalten für Langzeitarbeitslose, die eine Weiterbildung, Umschulung oder Ausbildung machen, dringend nötig.
Wir sollten aber mit keiner Maßnahme den Abstand zwischen denen, die arbeiten und denen, die nicht arbeiten, noch mehr verkleinern. Wer arbeitet, muss deutlich mehr im Portemonnaie haben als jemand, der nicht arbeitet.
Mit dem neuen Teilhabechancengesetz oder manche sagen auch einfach, sozialem Arbeitsmarkt, hat der Bund mit Beginn dieses Jahres ein Instrument geschaffen, mit dessen Hilfe die Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen in den ersten Arbeitsmarkt, bis zu fünf Jahre, erheblich gestärkt wird. Arbeitgeber, die jemanden aus der Zielgruppe einstellen, erhalten auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns oder eines gezahlten Tariflohns in den ersten beiden Jahren 100 Prozent
erstattet. Danach wird die Lohnübernahme langsam gesenkt. Im Bundeshaushalt stehen dafür 4 Milliarden Euro für mehr als 100 000 Plätze zur Verfügung. In diesen fünf Jahren wird man erkennen können, wie erfolgreich das Programm ist und sich dann auch Gedanken über eine Fortsetzung machen.
Solche Instrumente sind eine gute Chance zur Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit, denn sie eröffnen ganz reale Möglichkeiten für einen, die ganze Zeit gut begleiteten, Neustart in Arbeit. Nur durch die Abschaffung von Sanktionen gelangt aber noch niemand wieder in Arbeit und lernt auch nicht, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.
Da braucht es erheblich mehr Anstrengung. Gerade von den LINKEN aber auch von den Grünen wird mit Blick auf die Sanktionen auch immer wieder die Vorstellung geäußert, dass es ein Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe gebe, das man sich nicht erst durch Leistungsbereitschaft verdienen müsse. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, meine Damen und Herren, denn es gibt in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch noch den Artikel 29. Hier wird nach 28 Artikeln, in denen alle wichtigen Grundrechte beschrieben werden, doch auch noch etwas zu den Grundpflichten gesagt.
Dort steht erstens: Jeder hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein die volle und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit möglich ist. Zweitens: Jeder ist bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.
Ja, man kann darüber nachdenken, ob der Druck durch das Jobcenter durch drohende Sanktionen immer zielführend ist. Doch für die meisten SGB-IIEmpfänger ist das sowieso kein Thema, weil sie sich selbstständig um Arbeit bemühen und von sich aus Termine mit dem Jobcenter einhalten. Und ja, manche machen das vielleicht auch nur, weil sie wissen, dass es durchaus Folgen hätte, wenn sie sich nicht anstrengen würden. Doch wie schon gesagt, betrifft das Thema Sanktionen in der Umsetzung letztlich nur rund drei Prozent der JobcenterKunden.
Bevor ich gleich zum Schluss komme: Mir ist auch bewusst, dass es in den Jobcentern sehr unterschiedliche Kundenbetreuer gibt. Viele sind sehr engagiert und versuchen, sich auf den jeweiligen Kunden einzulassen, um ihm die Unterstützung zu geben, die sie oder er braucht, um wieder eine angemessene Arbeit zu finden. Andere nehmen es dagegen recht locker und lassen die Leute, wider Erwarten, beinahe völlig in Frieden. Dann gibt es auch die, von denen man sich nicht als Mensch, sondern nur als Nummer behandelt und ständig drangsaliert fühlt. Aber auch die Jobcenter-Kunden sind bekanntermaßen nicht alle gleich. Ich muss hier sicher nicht noch näher ins Detail gehen.
Über Vieles muss man unbedingt sprechen. Vieles könnte verbessert werden und nichts sollte unter den Tisch fallen. Aber das Prinzip des Forderns und Förderns werden wir nicht antasten.
Ich werde mich auch dafür einsetzen, dass das Fordern und Fördern in rechter Weise geschieht, und da sind wir auch noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Da muss ich auch Frau Ahlers, der Leiterin des hiesigen Jobcenters Recht geben. Das Interview mit ihr kann man heute im „WeserKurier“ nachlesen. Doch wer die Solidarität einer Gesellschaft für die Sicherung seiner Lebenskosten in Anspruch nimmt und nicht nachweisen kann, dass er krank oder anderweitig daran gehindert ist, der hat auch die Pflicht zur Mitwirkung und eine Verantwortung, sich eigenständig oder mit Unterstützung wieder aus diesem Leistungsbezug zu befreien. Diese Pflicht, die muss man aber auch einfordern können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Mai 2017 gilt in Bremen die für die Umsetzung von § 45 SGB XI nötige Verordnung. Nach § 45a können Pflegebedürftige in häuslicher Pflege aufgrund neuer Bundesgesetzgebung seit dem Jahr 2015 einen Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro beantragen. Mit diesem Geld soll den Pflegebedürftigen, den pflegenden Angehörigen oder vergleichbar Nahestehenden eigentlich unkompliziert eine entlastende Unterstützung im Alltag ermöglicht werden. Alternativ können die 125 Euro auch für den Besuch einer Tagesgruppe eingesetzt werden. Verantwortlich für die Sicherung dieses Angebots vor Ort sind die Bundesländer. Deshalb wurde 2017 auch in Bremen die entsprechende Verordnung erlassen.
Demnach können hier entweder ambulante Pflegedienste oder die Dienstleistungszentren das Angebot sicherstellen. Das ist mit Blick auf die Sicherung eines möglichst guten Betreuungsangebotes auch eine recht kluge Entscheidung, denn über die Dienstleistungszentren oder Pflegedienste werden die Alltagsbegleiter, die im Rahmen von § 45a SGB XI tätig werden, entsprechend im Einsatz begleitet und auch dafür geschult. Die Pflegebedürftigen schließen ihrerseits für eine monatliche Pauschale von 30 Euro einen Vertrag mit den Dienstleistungszentren, wodurch auch versicherungstechnische Fragen geklärt sind. Im Einleitungstext unseres Antrags steht, dass die Pauschale von 30 Euro von den Pflegekassen nicht übernommen wird. Ich bekam allerdings inzwischen die Rückmeldung, dass diese Aussage nur bedingt stimmt. In der Tat sei die Übernahme der monatlichen Pauschale ein noch nicht zufriedenstellend gelöstes Thema.
Die Pflegekassen übernehmen aber im Allgemeinen die 30 Euro, zumindest für die Monate, in denen auch eine Leistung in Form von Nutzerstunden abgerufen wurde. Ist der Pflegebedürftige aber im Urlaub oder in einem Krankenhaus, womöglich in der Reha und ruft die Stunden nicht ab, dann kann es gut sein, dass er die Kosten von 30 Euro im Monat selbst tragen muss. Dieser Punkt ist aber heute nicht unser Hauptthema.
Mir geht es heute darum, mit diesem Antrag auf das wachsende Problem von fehlenden Kräften in den Dienstleistungszentren und auch bei den Pflegediensten aufmerksam zu machen. Wir haben mit der Verordnung aus Mai 2017 eigentlich eine wunderbare Lösung des § 45a gefunden, die aber leider in der Praxis eben wegen fehlender Kräfte nicht ausreichend greift. Nur wer Glück hat, bekommt tatsächlich die beantragte Unterstützung. Wer Geduld hat, lässt sich auf die Wartelisten der Dienstleistungszentren setzen, und wer beides nicht ausreichend hat, beantragt die Unterstützung erst gar nicht, wohl wissend, dass es eh nicht funktioniert.
Das entspricht aber absolut nicht dem Willen des Gesetzgebers, und so wird vielerorts diskutiert, ob es gerecht ist, dass die 125 Euro irgendwann unwiederbringlich verfallen, obwohl man sie gern genutzt hätte. Wie schon angedeutet, hat man auch über die ambulanten Pflegedienste wegen Personalmangels so gut wie keine Chance. Da Pflegedienste pro Stunde Unterstützungsleistung zudem auch schnell einmal das Dreifache kosten, schrumpfen die monatlich möglichen ungefähr elf Stunden dann leider auch ganz schnell auf vier bis sechs Stunden, je nach Preis, den die Pflegedienste nehmen.
Was kann man also tun? Wir sind darauf angewiesen, Menschen zu finden, die bereit sind, die Entlastungsaufgaben nach § 45a für einen geringen Unkostenbeitrag zu übernehmen. Den Dienstleistungszentren gelingt es zurzeit leider nicht einmal, die jährlich ausscheidenden Helfer durch neue Kräfte zu ersetzen, und es gelingt schon gar nicht, die Anzahl, wie nötig, auch noch auszubauen. Da Bremen sich aber mit seiner Verordnung auf die Pflegedienste und Dienstleistungszentren festgelegt hat, schlagen wir vor, diese Festlegung vorsichtig aufzubrechen. Vielleicht lassen sich dann doch noch zusätzliche Kräfte gewinnen, und mehr Menschen, die durchaus bei einer befreundeten Familie unterstützen wollen, könnten diese Aufgabe übernehmen. Allen anderen Bundesländern ist das Prinzip der Dienstleistungszentren nämlich
sowieso unbekannt, und sie haben andere Lösungen finden müssen, obwohl es auch dort leider oft nicht gelingt, alle Pflegebedürftigen entsprechend zu versorgen.
Wir haben mit unserem Antrag, weil wir die dort gefundene Lösung für sinnvoll halten, uns erst einmal an Nordrhein-Westfalen orientiert. Es gibt aber auch in den anderen Bundesländern noch weitere Möglichkeiten. Wir meinen, dass wir noch zusätzliche Wege zu denen, die wir schon haben, finden müssen, damit Pflegebedürftige ihr Recht in Anspruch nehmen können. Das könnte dann eben auch bedeuten, dass man das, was in anderen Bundesländern gemacht wird, zusätzlich bei uns installiert. Da muss man dann auch nicht allein nach Nordrhein-Westfalen blicken. Wir sollten eben alles dafür tun, die Lücke zu schließen, damit Pflegebedürftige am Ende so lange wie möglich in ihrem Zuhause verbleiben können. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss ein wenig Wasser in den Wein gießen.
Dieser Antrag ist mit „Existenzminimum endlich fair und realistisch berechnen“ überschrieben. Mit gerecht, anständig oder auch angemessen lässt sich der Begriff fair wohl am besten beschreiben. Ungerecht, unanständig und auch unangemessen wäre dann wohl das Gegenteil, genauso wie das Gegenteil von realistisch unrealistisch ist. Eine dermaßen mit Unterstellungen und Emotionen spielende Wortwahl, hat uns Ihren Antrag nicht sympathisch gemacht.
Abgesehen von dem Inhalt, genau. Wir meinen, wir alle sollten im positiven Sinne nicht ignorieren, dass wir ein funktionierendes und weltweit anerkanntes Grundsicherungssystem haben. Doch darüber verliert die Koalition kein Wort, gerade so, als wäre es überall auf der Welt besser als hier bei uns.
Es spricht natürlich nicht grundsätzlich etwas dagegen, dass Bremen sich beim Bund für eine Überprüfung von Hartz-IV-Regularien einsetzt. Das aber direkt mit dem Hinweis auf unfair und unrealistisch zu machen, dafür können Sie uns nicht gewinnen. Ja, es gibt mit Blick auf die Höhe von Hartz IV zwei entgegengesetzte Meinungen. Die eine hält die Sätze von Hartz IV für angemessen, die andere tut das nicht. Deshalb setzen wir uns ja alle – und nicht nur in Bremen, sondern deutschlandweit – auch immer wieder mit dem Thema auseinander. Ich kann, ehrlich gesagt, auch beide Seiten verstehen, weil vollkommen klar ist, dass das Ergebnis immer auch eine Frage der Brille ist, durch die man schaut. Sieht man sich nur die Empfängerinnen und Empfänger der Sozialleistungen an, die wirklich unter bescheidenen Bedingungen leben und sich stark einschränken müssen und will vorrangig ihre Situation verbessern, dann mag man wohl einen solchen Antrag schreiben, wie die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen das hier gemacht haben. Obwohl ich durchaus auch Menschen kenne, die sagen, dass sie mit dem im Moment gültigen Satz durchaus wunderbar auskommen.
Wunderbar ist vielleicht nicht das ganz richtige Wort, aber sie kommen damit gut klar. Blickt man aber auf das Gesamtsystem und stellt zum Beispiel
fest, dass Menschen die arbeiten gerechterweise mehr im Portemonnaie haben sollten, als die, die nicht arbeiten, dann wird es komplizierter. Nach meiner Meinung sollte sich die Politik dem auch stellen und nie allein nur die Höhe von Hartz IV diskutieren, auch wenn das so schön einfach ist.
Das zu tun ist schlicht nicht ausreichend, denn eine isolierte deutliche Erhöhung von Hartz IV hätte sogar zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger würde paradoxer Weise sofort deutlich steigen, anstatt zu sinken, weil auch viel mehr Menschen mit niedrigen Löhnen als sogenannte Aufstocker Anspruch auf ergänzende Hilfen aus Hartz IV hätten. Auch das Lohnabstandsgebot zwischen denen, die arbeiten und denen, die nicht arbeiten, wäre nicht zu halten. Das wäre fahrlässig, meine Damen und Herren!
Den verhandeln wir jetzt aber hier nicht. Und doch gibt es inzwischen von allen politischen Seiten Veränderungsvorschläge. Von denen finde ich etliche auch erfolgsversprechender, als die heute hier vorgelegten. Man könnte zum Beispiel zumindest für Übergangszeiträume andere Hinzuverdienst- und Anrechnungsregeln für arbeitende Leistungsbezieher definieren, die nicht über den Hartz-IV-Satz hinauskommen. Die Lebensarbeitszeit könnte vielleicht besser berücksichtigt werden, sodass es einen größeren Unterschied macht, ob jemand bereits viele Jahre oder noch nie gearbeitet hat. Man könnte auch verstärkt finanzielle Anreize zum Durchhalten für Hartz-IV-Empfänger schaffen, die eine Umschulung oder Ausbildung machen. Insgesamt muss aber alles doch vorrangig darum gehen, Menschen wirklich in Arbeit zu vermitteln, weil das immer noch die beste Form von Armutsvermeidung ist.
Ich kann hier auch nicht alle Ideen, die im Raum stehen, aufzählen, denn die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben noch eine weitere Forderung in ihrem Antrag aufgenommen, die durch die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE und auch von Frau Wendland noch verstärkt werden. Sie wollen, dass die Jobcenter ihre Sanktionen entschärfen oder weniger oder auch
nicht mehr sanktionieren. Wie das gehen soll, beschreibt zumindest die Koalition nicht mehr. Für Sanktionen gibt es doch aber ziemlich klare Regeln, und die Sanktionsquote liegt deutschlandweit bei gerade einmal drei Prozent. Eine Sanktion in Form einer Leistungskürzung kann zum Beispiel immer dann eine berechtigte Folge sein, wenn jemand unentschuldigt Termine oder andere Absprachen nicht einhält. Ich sage ganz deutlich, dass ich mich von ganzem Herzen gegen willkürliche und ungerechtfertigte Sanktionen ausspreche, aber gegen berechtigte Sanktionen habe ich wirklich nichts.
Ich erwarte von Menschen, die nicht arbeiten und nicht krank sind, dass sie Verabredungen mit dem Jobcenter einhalten.
Zwei Punkte sollte man aber hier auch im Blick behalten: Erreichen schärfere Sanktionen für unter 25-Jährige wirklich mehrheitlich ihr Ziel und sind und bleiben sie somit sinnvoll? Es gab einmal Statistiken, dass sie sich sinnvoll gezeigt haben, aber man muss das im Blick behalten. Zweitens muss endlich nachvollziehbar geklärt werden, ob es wirklich klug ist, auch die Kosten für die Wohnung zu sanktionieren und somit womöglich Obdachlosigkeit zu fördern, anstatt sie zu verhindern. Eine pauschale Forderung nach Entschärfung oder solche nach Reduzierung oder gar Einstellung von Sanktionen werden wir aber auf jeden Fall nicht unterstützen. – Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der heutigen Abstimmung zur Neufassung des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes wird ein langer Diskussionsprozess endlich abgeschlossen. Gestartet wurde er mit einem durchaus von allen Seiten akzeptierten und engagierten Beteiligungsverfahren, doch leider endete dieser Prozess dann doch etwas holprig.
Es lief zuerst wie in vielen anderen Beteiligungsprozessen auch. Der erste Entwurf blieb noch etwas hinter dem zurück, das am Ende dann eben doch möglich ist. Es folgten auch Nachverhandlungen, und ein zweiter verbesserter Entwurf wurde vorgelegt. Allerdings passierte dann eben etwas, was den Prozess empfindlich störte. Der dritte und eigentlich letzte Entwurf enthielt plötzlich Änderungen, die wieder hinter die bereits erreichten zurückfielen. Damit wollten sich aber die vom Gesetz Betroffenen nicht abfinden, und so flammte die Diskussion auf den letzten Metern erneut wieder auf.
Dieser Verlauf wirft nur leider einen kleinen oder vielleicht größeren Schatten auf die eigentlich gut gestartete Diskussion. Ich will nicht missverstanden werden. Wir werden ja dem Gesetz und auch all den Anträgen heute zustimmen, weil wir den Eindruck haben, dass sich dadurch vieles zum Positiven ändern kann. Doch die herausfordernden Diskussionen der letzten Wochen sollten nicht einfach unter den Tisch fallen.
Sehr hilfreich für den ganzen Prozess war natürlich, dass das bremische Gesetz eng am Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes und ebenso auch an der EU-Richtlinie 2016/2102 ausgerichtet werden musste. Die Vorgabe für Bremen war dabei, und das war auch das Vorhaben und das Anliegen aller, nicht hinter Bundesrecht und EU-Vorgaben
zurückzubleiben. Dem wird, wenn in manchen Augen auch nur knapp, mit diesem Gesetz Rechnung getragen.
Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes lieferte Bremen auch direkt eine Steilvorlage für den Antrag, offizielle Bescheide bei Bedarf auch in „Leichter Sprache“ zu übermitteln. Bereits im Januar 2016 beschloss nämlich die Bundesregierung genau diesen Punkt in § 11, und die Bremer Koalition griff ihn dann eineinhalb Jahre später auch für Bremen auf. Deshalb stimmen wir diesem Antrag auch gern zu.
Beim Thema „Leichte Sprache“ komme ich allerdings nicht umhin, an einen Antrag zu erinnern, den ich schon im Jahr 2012 hier in die Bürgerschaft, auch übersetzt in die Leichte Sprache, eingebracht habe. Politische Initiativen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, sollten erst einmal bis zum Ende der damaligen Legislaturperiode in 2015 auch in die Leichte Sprache übersetzt vorgelegt werden. Trotz aller Zustimmung hier im Parlament wurde dieser Antrag aber nie umgesetzt, und bis heute wurde keine Vorlage von der Bürgerschaft in Leichter Sprache vorgelegt.
So reden wir immer wieder nur, wie auch heute über die Leichte Sprache, anstatt sie auch einmal zu benutzen. Denn auch der heutige Antrag von SPD und Grünen auf ein Recht auf Leichte Sprache im Verwaltungsverfahren kommt leider nur in schwerer Sprache daher. Er ist gespickt mit Aussagen wie komplexe Satzgebilde, kognitive Beeinträchtigungen und funktionalen Analphabetismus. Das ist für viele Menschen keine leichte Kost, meine Damen und Herren. Der Weg von der Theorie zur Praxis ist also offensichtlich noch viel weiter als man denkt. So viel dazu.
Intensiv beschäftigt hat alle Fraktionen besonders die Frage, welche Rechte den Verbänden im Rahmen des Verbandsklagerechts eingeräumt werden sollten. Im Fokus stand dabei auch die Kostenerstattung für Klagen, und das nur für solche mit Aussicht auf Erfolg. Doch auch wenn ich keine Juristin bin, kann ich nachvollziehen, dass hier nicht so weitgehende Rechte eingeräumt wurden, wie es sich die Behindertenverbände gewünscht hätten.
Auch andere Bundesländer haben ihren Verbänden solche Rechte nicht einfach eingeräumt. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass das in einem Maß geschehen wäre, dass man sich hier in Bremen hätte darauf berufen können. Doch trotzdem ist auch dieses Thema ja nicht endgültig vom Tisch.
Deutlich wird das an Projekten wie zum Beispiel dem des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. Von der Aktion Mensch gefördert, werden für drei Jahre kleinere und mittlere Selbsthilfeverbände zum Verbandsklagerecht beraten und geschult. Geeignete Fälle werden gegebenenfalls auch vor Gericht gebracht, um Erfahrungen zu sammeln, von denen dann wiederum alle profitieren können.
Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht, aber unter dem Strich bin ich auch froh, dass wir dieses Gesetz mit all seinen Neuregelungen heute in die Praxis verabschieden können. – Danke!
Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Präsident! Für die Erarbeitung des Konzepts für ein Monitoring „Soziale Stadtentwicklung“ wurden der RES urbana GmbH 2011 einige Punkte mit auf den Weg gegeben. Erstens sollten die Abstände zwischen den Quartieren mit den größten und geringsten Problemen erfasst werden. Zweitens sollten der Abstand oder eben die Trennung einzelner Bevölkerungsgruppen und die soziale Ungleichheit zwischen verschiedenen Teilräumen abgebildet werden. Drittens sollte das Bremer Monitoring mit Monitoring-Konzepten aus anderen Städten vergleichbar sein. Spätestens beim dritten Punkt wird deutlich, dass die Konzeption des Monitorings keineswegs dem Zufall überlassen wurde und dass es Gründe dafür gab, das Monitoring gerade nicht wie das Monitoring „Soziale Stadt Bremen“ auf die Baublockebene herunterzubrechen.
Im vorliegenden Koalitionsantrag aber werden all diese Gründe leider ignoriert. Frau Görgü-Philipp und Herr Möhle sind sogar der Überzeugung, jedenfalls klingt das für mich gerade in dem Antrag durch, dass die damalige Konzeption aus heutiger Sicht falsch gewesen und zu korrigieren sei. Bislang wurde der Blick verzerrt, und eine Veränderung der Betrachtungsweise auf Baublockebene hätte nach ihrer Meinung eine grundsätzlich heilende Wirkung. Erst durch den heutigen Beschluss, so steht es im Antrag, würde der wahre Bedarf in der Mittelzuweisung, also der finanzielle Unterstützungsbedarf, einiger Quartiere ausgewiesen. Das stimmt ja auch so weit. Das Anliegen dieses Antrags kann ich gut nachvollziehen. Einige soziale Brennpunkte sind in der Tat durch ihre unmittelbare Andockung an gut bürgerliche Wohnstraßen in der Gesamtbetrachtung statistisch hochgezogen. Umgekehrt gilt das aber auch.
Das mag man bedauern, aber das ist bei der Ermittlung von Durchschnittswerten ja auch erst einmal ein ganz normaler Vorgang. Trotzdem ist es natürlich durchaus berechtigt, zu fragen, wie Finanzmittel an die Stadtteile gerechter als heute zugewiesen werden können. Die Problemlösung aber ausschließlich in einer kleinteiligeren Betrachtungsweise auf Baublockebene im Monitoring „Soziale Stadtentwicklung“ zu suchen halte ich für falsch. Wer sich den Bericht zum Monitoring „Soziale Stadtentwicklung“ anschaut, merkt schnell, dass Politik sich nicht in die Konzeption einmischen sollte. Bestätigt wird diese Annahme übrigens auch durch die Antworten des Senats auf die Große Anfrage der Koalition aus dem Jahr 2013 „SozialraumMonitoring vereinheitlichen? – Nachvollziehbare und transparente Entscheidungen ermöglichen!“.
Nicht umsonst wird warnend darauf hingewiesen, dass zum Beispiel zur Reduzierung statistischer Fehler eine ausreichend große Fallzahl gesichert werden muss. Die Einwohnerzahl eines Teilraums von mindestens 1 000 ist eben ein wichtiges Kriterium, auch weil sonst die Fallzahlen bei der Berechnung einzelner Indikatoren so gering ausfallen könnten, dass dadurch wiederum andere ungewünschte Verzerrungen und statistische Fehler auftreten könnten. Auch die langjährige Vergleichbarkeit könnte verhindert werden und es wird auch noch extra darauf hingewiesen, dass durch eine kleinteiligere Betrachtung auf Baublockebene natürlich auch höhere Kosten für die Auswertung des Monitorings zu erwarten sind. Das sind alles wichtige Punkte. Dazu kommt dann ja auch noch die Tatsache, dass das für die Stadtteile jetzt zur Ver
fügung stehende Geld bei einer kleinteiligeren Betrachtungsweise nun einmal nicht mehr reichen würde.
Mein Fazit lautet deshalb: Das Anliegen von Frau Görgü-Philipp und Herrn Möhle ist nachvollziehbar, aber man sollte das Kind nicht gleich mit dem Bade ausschütten. Es gibt unbestritten Ungereimtheiten bei der Mittelzuweisung an Stadt- und Ortsteile, aber wir brauchen auch eine gut durchdachte Problemlösung und die sehe ich in diesem Antrag noch nicht. Völlig offen lassen Sie zum Beispiel, wie Sie denn überhaupt in den Berechnungen auf Baublockebene kompensieren wollen, dass die Bundesagentur für Arbeit Ihnen gar keine Zahlen mehr auf Baublockebene, sondern nur noch für Gebietseinheiten größer als 1 000 Einwohner und einer Fallzahl ab zehn liefern wird oder schon tut.
Die heute von Ihnen gewollte Änderung im Monitoring „Soziale Stadtentwicklung“ ist auch ganz sicher nicht der einzige Weg, um Ungerechtigkeiten in der Mittelzuweisung zu begegnen. Man könnte auch das komplette Konstrukt einmal auf den Prüfstand stellen oder einfach gezielte Förderprojekte ins Leben rufen. Aus all den genannten Gründen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, wir werden uns bei der Abstimmung enthalten. – Dankeschön!
Danke! Herr Staatsrat, könnten Sie noch einmal in Zahlen darstellen, welche Einwohnerzahl jeweils für einen Ortsteil angesetzt wird, für einen Baublock und andererseits für die statistischen Quartiere?
Nach meinem Kenntnisstand fängt die Betrachtung auf dieser Ortsteilebene ab 1 000 Einwohner an, die Baublockebene liegt auf jeden Fall darunter. Und die statistischen Quartiere liegen ungefähr bei 1 100 Einwohnern.
Wäre das richtig, wenn ich jetzt davon ausgehe, dass die Einwohnerzahl der statistischen Quartiere um einiges höher ist als die auf Baublockebene?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch, wenn wir mit der Fraktion DIE LINKE mit dem Wunsch nach ausreichend Personal und angemessener Bezahlung in der Altenpflege dasselbe Ziel haben, werden wir den von der Fraktion DIE LINKE aufgezeigten Weg nicht mitgehen. Seit Anfang 2015 werden vom Bund 1,2 Milliarden Euro jährlich in einem Pflegevorsorgefonds gespart, um für die Zeit vorzusorgen, in der die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen. Diesen Fonds werden wir nicht antasten, aber genau das möchte die Fraktion DIE LINKE.
Sie wollen diesen Fonds auflösen und in einen Pflegepersonalfonds umwidmen, um Pflegekräfte dazuzugewinnen und ab sofort besser bezahlen zu können. Worauf wollen Sie dann aber in einigen Jahren zurückgreifen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge tatsächlich in großer Zahl ins Pflegealter kommen? Darauf geben Sie keine Antwort, ich dagegen finde nicht, dass uns die Zukunft egal sein sollte.
Die Fraktion DIE LINKE erhofft sich jedenfalls durch ein solches Vorgehen einen verstärkten Neueinstieg oder die Rückkehr von Pflegekräften in ihren Beruf. Darüber hinaus möchten sie den Pflegemindestlohn, der für Hilfs-, Assistenz- und Beschäftigungskräfte in der Pflege gezahlt wird, sofort auf 14,50 Euro heraufsetzen. Schon jetzt liegt dieser aber in stationären Einrichtungen und in der ambulanten Pflege mit 10,55 Euro deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro. Das sind immerhin stündlich 1,71 Euro mehr.
Ab dem 1. Januar 2019 wird dieser Pflegemindestlohn zudem von 10,55 Euro auf 11,05 Euro steigen, ein Jahr später auf 11,35 Euro. Natürlich ist es keiner Pflegeeinrichtung verboten, mehr zu zahlen,
um gute Pflegekräfte zu gewinnen und zu halten. Wir hatten vor kurzem hier auch eine Diskussion über die Rendite von Pflegeheimen, und auch ich schließe mich der Meinung an, dass diese nicht im zweistelligen Bereich liegen muss. Da haben einige Einrichtungen noch etwas Spielraum.
Ausgebildete Altenpflegefachkräfte wird man aber über den Pflegemindestlohn sowieso nicht einstellen können, weil diese ohnehin viel besser entlohnt werden. Trotzdem wird gerade mit Blick auf diese Gruppe der Fachkräfte heute viel über eine bessere Bezahlung diskutiert, damit ihr Beruf wieder an Attraktivität gewinnt. Denn der große Personalmangel besteht ja gerade nicht im Bereich der Hilfskräfte, sondern im Bereich der Fachkräfte.
Um zu einer besseren Bezahlung zu kommen, könnte man auch sicher noch viel mehr über Tarifverträge regeln, wenn man sich dann dort auch einigen könnte. In den letzten Jahren wurden auch durch die sich in der Umsetzung befindenden drei Pflegestärkungsgesetze bereits viele Verbesserungen erreicht, und jetzt werden mit dem 2019 wirksam werdenden Pflegepersonal-Stärkungsgesetz weitere Verbesserungen vom Bund auf den Weg geschickt.
Jede vollstationäre Einrichtung der Altenpflege soll zusätzliches Pflegepersonal erhalten, das von der Krankenversicherung pauschal voll finanziert werden muss. Da ist eben nicht von 8 000, sondern von 13 000 Kräften die Rede. Damit soll vor allem dem Aufwand im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege besser Rechnung getragen werden. Zur Entlastung des Pflegepersonals soll die Pflegeversicherung zudem auch durch einen Zuschuss die Digitalisierung in der ambulanten und auch der stationären Altenpflege fördern.
Für all diese Vorhaben wird die CDU den Pflegevorsorgefonds nicht antasten. Und auch die Forderung der Fraktion DIE LINKE nach der sofortigen Einführung eines Personalverhältnisses von eins zu zwanzig in der Nacht und eins zu zwei am Tage halten wir für überengagiert. Die seit Jahren gültige Personalquote muss unbestritten den heutigen Bedürfnissen angepasst werden. Aber wir als CDU wollen vor gesetzlichen Eingriffen noch auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung auf Bundesebene zur Personalbemessung warten, obwohl wir die Probleme auch am liebsten gleich lösen würden.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen leider erst 2020 vorgestellt werden. Dann wird es aber
hoffentlich tragfähige, wegweisende Aussagen auch über ein sinnvolles Verhältnis von Fachkräften zu Hilfskräften geben. Die Personalquote an sich ist ja nicht das einzige Problem, das uns beschäftigt. Auch das Verhältnis Fachkräfte zu Hilfskräften steht in der Diskussion. Wir halten es jedenfalls nicht für hilfreich, schon jetzt grundlegend an Stellschrauben zu drehen, die man dann kurze Zeit später wieder anfassen muss.
Kleinere Veränderungen wie eine Verbesserung der nächtlichen Betreuung haben wir ja auch in Bremen bereits auf den Weg gebracht, und es steht jeder Einrichtung frei, die Personalquote eigenständig zu erhöhen, auch um das Arbeitsklima dadurch zu verbessern –
und Personal zu halten. Ich komme gleich zum Schluss. Auch wenn das kurzfristig höhere Kosten bedeuten würde, wird sich ein solches Handeln aber mit Sicherheit auf Dauer auch schnell wieder finanziell auszahlen.
Zum Schluss: Wir sind uns einig, dass unser Land mehr Pflegekräfte braucht, doch das vorgeschlagene Sofortprogramm der Fraktion DIE LINKE lehnen wir mit Verweis auf die Bundesaktivitäten und auf die noch laufende wissenschaftliche Untersuchung ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil sich schlechte Nachrichten immer besser verkaufen lassen als gute, bezweifle ich, dass wir aus all den Auf- und Abs der Berichterstattung über die Bremer BAMF-Außenstelle tatsächlich lernen, demnächst noch vorsichtiger mit Äußerungen zu sein. Doch ich halte es für genauso unangebracht, jetzt so zu tun, als wäre gar nichts passiert, –
nur weil der überspitzten Nachrichtenlage durch die neuesten Meldungen inzwischen das Wasser abgegraben wurde. Es gibt keine Entlastung für gemachte Fehler und Verstöße nur weil die Zahl jetzt niedriger ist, als ursprünglich angenommen. Noch sind längst nicht alle Ermittlungen abgeschlossen. 145 Fälle wurden mit Sicherheit absichtlich falsch bearbeitet. 2 700 Fälle, das ist jeder fünfte untersuchte Fall, haben immerhin gravierende Mängel.
Die Vorwürfe gegen die ehemalige Leiterin des Bremer BAMF, gegen andere Mitarbeiter, einige Rechtsanwälte sowie Dolmetscher sind auch noch lange nicht vom Tisch. Gegen sie wird weiter strafrechtlich wegen Verleitung zum Asylmissbrauch und Bestechungsverdacht ermittelt. Zudem sind die – zumindest habe ich die Zahl so gefunden – 1 371 Fälle der beiden in die Affäre verwickelten Rechtsanwälte aus Oldenburg und Hildesheim, die in Bremen vorgelegt wurden, gar nicht unter den von BAMF geprüften Akten. Doch auch hier gibt es im Ergebnis zusätzlich bei 550 Verfahren gröbere Auffälligkeiten.
Eine hohe Zahl woanders bereits abschlägig beschiedener Verfahren wurde in Bremen neu aufgerollt und dann sogar positiv beschieden. Es gibt noch ganz viele Kleinigkeiten, die man inzwischen lesen konnte, die eben auch fehlgeschlagen sind. Zum Beispiel wurde das Vier-Augen-Prinzip hier in Bremen in 81 Prozent der Fälle nicht eingehalten. Der bundesweite Schnitt liegt dagegen nur bei 44 Prozent.
Es gibt noch viele ungeklärte Fragen und Vorwürfe und immer noch Berichte, die sich inhaltlich nicht decken. Während der Prüfungen erhärtete sich aber auch der Verdacht, dass neben der ehemaligen Leiterin bis zu fünf weitere BAMF-Mitarbeiter
in die Machenschaften verstrickt sind. Im Innenministerium wird im Ergebnis von einem fehlgeleiteten Amtsverständnis gesprochen.
Nein, im Moment nicht. Quer durch Deutschland sind Begriffe gefallen, die der Arbeit des BAMF insgesamt einen Bärendienst erwiesen haben. Es wurde der Eindruck genährt, viele Menschen hätten hier zu Unrecht Schutz bekommen, selbst wenn sie aus Kriegs- oder Krisengebieten stammen, und der gesellschaftlichen Stimmung gegenüber Flüchtlingen, aber auch gegenüber Behörden, wurde massiv geschadet. Das stimmt. Ich finde das alles auch sehr ärgerlich, aber das ändert nichts daran, hier im Bremer BAMF wurden Fehler gemacht, Fehler, die niemand unter den Teppich kehren darf, auch die Fraktion DIE LINKE nicht.
Über die reden wir aber heute nicht, Frau Vogt! Und wenn da Fehler gemacht wurden, dann müssen die genauso aufgearbeitet werden. Das ist doch logisch.
Fehlerhafte oder gar falsche Berichterstattung rechtfertigt jedenfalls kein Abtun in der Sache. Im Gegenteil. Alle Vorwürfe müssen jetzt erst recht nachvollziehbar und transparent abgearbeitet werden. Die Bremer BAMF-Außenstelle muss so lange geschlossen bleiben, wie die, die damit befasst sind, das für nötig halten. Jedenfalls will und kann ich nicht beurteilen, ob die Schließung im Mai verhältnismäßig war, oder ob das Andauern dieser Schließung noch verhältnismäßig ist. Das, finde ich, müssen andere machen.
Man kann zwar gut und gern etwas Druck erzeugen, damit zu treffende Entscheidungen nicht unnötig verschleppt werden, das finde ich richtig. Ich werde mich aber hier nicht hinstellen und mit der Fraktion DIE LINKE eine unverzügliche Wiedereröffnung fordern, nur weil die Fehler in der Zahl nicht so hoch sind, wie anfangs behauptet wurde.
Es ist ja auch gar nicht so, wie Frau Leonidakis kürzlich gegenüber dem „Weser-Kurier“ behauptet hat, dass alle Mitarbeiter seit Monaten zur Untätigkeit verdammt wären. In der Außenstelle werden wichtige Aufgaben wahrgenommen, auch wenn nicht alle ihren bisherigen Aufgaben nachgehen können. Natürlich tut es mir leid für alle Mitarbeiter, die ihren Job die ganze Zeit ordentlich gemacht haben. Aber nochmals, es sind im Reagieren auf bekannt gewordene Verstöße viele Fehler passiert.
Politiker und auch Pressevertreter haben vor Ermittlungsabschluss, den es ja bisher auch nur in Teilbereichen gibt, munter ge- und verurteilt. Aber das rechtfertigt jetzt überhaupt keine Bagatellisierung der immer noch vorhandenen Anklagen und Fragezeichen.
Diese Vorverurteilungen rechtfertigen auch nicht die sofortige –
Öffnung der Bremer Außenstelle. Das zu fordern, ist im Umkehrschluss genauso unklug wie vieles, was bisher gelaufen ist. Die Wiederöffnung wurde inzwischen auch vom Bundesinnenminister in Aussicht gestellt, und wir als Fraktion der CDU halten es für richtig, darauf zu warten. Deshalb lehnen wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion der CDU wurde vor einigen Monaten an die Deputation für Soziales, Jugend und Integration überwiesen, nach meiner Meinung mit dem Ziel, ihn jetzt etwas eleganter ablehnen zu können, als es damals möglich gewesen wäre. Das finde ich schade.
Das Thema Krankheit und Tod ist, das wissen wir alle, ein sehr sensibles Thema. Ich möchte heute darauf verzichten, noch einmal im Detail auf alle Angebote und Facetten der Versorgung von sterbenskranken Menschen einzugehen, weil ich das bereits während der ersten Debatte hinreichend gemacht habe. Nur so viel sei nochmals gesagt: Wir haben in Bremen zwei ausgelastete stationäre Hospize und auch ambulante Versorgungsangebote für unheilbar erkrankte Menschen, die aber ausbaufähig sind.
Als Anfang 2014 im Bremer Norden das zweite stationäre Hospiz eröffnet wurde, gab es in den Nutzerzahlen des bereits vorhandenen Hospizes Brücke keine Einbrüche. Für beide Hospize gibt es bis heute durchgängig Wartelisten. Nach wiederholter Aussage des Senats sind diese aber für ihn in keiner Weise ein Indikator für den Bedarf an Plätzen. Schwerstkranke Menschen, die sich auf eine der Wartelisten eingetragen haben, würden sich spontan umentscheiden und durch die finale Dynamik, so der Senat, würden immer wieder andere Bedürfnisse entstehen. Ich sage dazu, dass jemand, der keinen Hospizplatz bekommt, sich natürlich dringend nach einer anderen Lösung umschauen muss, weil er zum Beispiel aus dem Krankenhaus entlassen wird. Wenn sich dann 14 Tage später das Hospiz mit einem freien Platz meldet, dann finde ich es nicht verwunderlich, wenn Betroffene in so einer
sensiblen Lebensphase nicht schon wieder wechseln wollen oder es gar nicht mehr können.
Wer jetzt nun meint, dass es dann einfach so ist, dass nur manche das Glück haben, einen freien Hospizplatz zu bekommen, wenn sie ihn brauchen, der unterschätzt die Not und die Betroffenheit derer, die leer ausgehen. Gegen Wartezeiten ist im Prinzip zwar nichts einzuwenden, doch wenn die verbleibende Lebenszeit kurz ist und Menschen über Wartezeiten sterben, oder in den letzten Tagen oder Stunden notgedrungen mit zweit- oder drittklassigen Versorgungsoptionen zurechtkommen müssen, dann muss man fragen dürfen, ob Wartelisten nicht doch ein Indikator für den Bedarf sind.
Mit dem Hinweis gerade auf zweit- oder drittklassige Optionen kommen wir direkt zur Kurzzeitpflege. Wir haben in unserem Antrag ganz klar gefordert, dass der Senat dafür Sorge trägt, dass Menschen, die keinen Platz im Hospiz bekommen, nur noch auf Kurzzeitpflegeplätze mit gesicherter hospizlich-palliativer Versorgung verlegt werden. Dieser Sorge wird der Senat aber nicht nachkommen. In seiner Antwort äußert er sich nicht klar und es bleibt für ihn akzeptabel, wenn sterbende Menschen nur wegen fehlender Hospizplätze in die Kurzzeitpflege kommen, obwohl es dort keine angemessene hospizlich-palliative Versorgung für sie gibt und obwohl sie eigentlich lieber in ein Hospiz gegangen wären.
Das kann man den Pflegeheimen auch gar nicht anlasten, denn das Ziel von Kurzzeitpflegeplätzen ist es auch nicht, das Fehlen von Hospizplätzen zu ersetzen, sondern die Wiederherstellung von Menschen zu fördern, die möglichst bald wieder nach Hause gehen. Auch wenn sich auf Kurzzeitpflegeplätzen nach Kräften um die Menschen bemüht wird, kann ein Hospizplatz dadurch nicht annähernd ersetzt werden.
Wichtig ist mir unter anderem auch, dass die Sterbebegleitung in stationären Einrichtungen nicht nur auf dem Papier des SGB XI – Sozialgesetzbuch Elftes Buch Soziale Pflegeversicherung – seit 2015 ein gesetzlich verpflichtender Bestandteil der Pflege ist, sondern, dass die Wohn- und Betreuungsaufsicht auch einfordert, dass die Verpflichtung wirklich umgesetzt und gelebt wird. Da reicht mir der Hinweis des Senats, dass die Wohn- und Betreuungsaufsicht grundsätzlich die Möglichkeit
hat zu prüfen und bei Nichteinhaltung sanktionieren kann, noch nicht aus. Dem ebenfalls gesetzlich verpflichtenden Auftrag zur Versorgungsplanung am Lebensende muss in allen stationären Einrichtungen ebenso nachgekommen werden, wie der Sterbebegleitung. Doch geschieht das auch wirklich in allen Einrichtungen? Das hat uns der Senat nicht beantwortet und er gibt auch keinerlei Auskunft über den Stand der Umsetzung.
Oder, er kann es uns gar nicht beantworten, denn wenn in 2017 wie bereits im Jahr 2016 von 193 vorgeschriebenen Regelprüfungen in den Einrichtungen wieder nur 46 durchgeführt wurden, dann kann man natürlich nichts anderes mehr im Blick haben. Da in den Einrichtungen selbst angemessene Pflege zu oft regelrecht erkämpft werden muss, muss sich die Überprüfung der Sterbebegleitung wohl leider zurückstehen. Trotz allem wird unser Antrag von der Deputation für Soziales, Jugend und Integration abgelehnt.
Abschließend möchte ich nochmals festhalten, dass sterbende Menschen nicht nur durch wohlwollende Worte oder gar nicht durch wohlwollende Worte in Deputationen und Parlamenten begleitet und versorgt werden, sondern durch Taten und entsprechende Angebote.
Die Entwicklung ist noch nicht zufriedenstellend. Sterbende Menschen sind leise, quasi unsichtbar und man hört sie nicht. Sie beschweren sich auch nicht mehr über fehlende Begleitung in ihren letzten Tagen oder Stunden. Das müssen wir Lebenden für sie übernehmen und deswegen gehört das Thema nach meiner Meinung auch immer wieder hier in das Parlament. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute die Folgen von zu später Wohngeldbewilligung, aber wir diskutieren natürlich auch die Probleme der zuständigen Stellen in Bremen und Bremerhaven. Während die Folgen für Menschen mit geringem Einkommen überall die gleichen sind, dürften sich die Gründe, die zu den Verzögerungen führen, in Bremen und Bremerhaven voneinander unterscheiden. Ebenso werden folglich auch die Wege, die in Bremen und Bremerhaven zu einem bürgerfreundlicheren Service führen, nicht gleich sein. Da passt es, dass Herr Pohlmann eben sagte, dass man dieses Thema vielleicht besser kommunal debattiert hätte. Den Wohngeld beantragenden
Bürgern werden die Gründe, warum eine Behörde nicht funktioniert und wie das wieder ins Lot kommt, ziemlich egal sein. Sie wollen, nur weil sie einen solchen Antrag stellen, nicht wie hin und her geschobene Bittsteller dastehen, die ein halbes Jahr und länger bangen müssen, ob es mit dem Wohngeld nun klappt oder nicht.
Sicher fehlen oft noch Unterlagen, die sie nachreichen müssen, und manchen fällt das Procedere der Antragstellung ziemlich schwer. Doch wenn es dann noch unendlich dauert, bis sich überhaupt jemand meldet und bis man sein Geld bekommt, falls man überhaupt etwas bekommt – das ist ja nicht immer ganz klar, wenn man den Erstantrag stellt – dann ist es eben nicht nur frustrierend, sondern es entsteht auch das Gefühl, ausgeliefert zu sein und ein Stück weit seiner eigenen Würde beraubt zu werden. Das wiederum prägt das Denken der Menschen in eine völlig ungewollte Richtung und trägt auch zur Spaltung unserer Gesellschaft in ein „wir und die da oben“ bei. Die Politik in Bremen und Bremerhaven hätte allen Grund, alle bürgernahen Bereiche gut aufzustellen, denn mit Sicherheit ließe sich gerade dadurch einiges von verloren gegangenem Vertrauen in den Staat zurückgewinnen. Zu den bürgernahen Bereichen gehören auf jeden Fall mehr als nur die Wohngeldstellen. Ich denke auch an die Elterngeldstelle, das Bürgerservicecenter, die Sozialzentren, das Integrationsamt und so weiter. Es wurden vorhin schon einige genannt. Wenn der Service in diesen Ämtern nicht funktioniert, dann werden die Menschen frustriert und den Gang dahin meiden. Sie müssen natürlich zum Standesamt gehen, wenn sie heiraten wollen, und ein Auto muss man auch anmelden, doch Wohngeld steht Geringverdienern zwar zu, aber sie müssen es nicht beantragen. Und viele verzichten tatsächlich darauf, weil sie den Weg dahin als abschreckend und entwürdigend empfinden. Damit dürfen wir uns nicht abfinden, meine Damen und Herren.
Schon gar nicht dürfen wir uns damit abfinden, wenn man sich soziales Handeln ganz oben auf seine Parteifahne schreibt. Da hatte ich eben den Eindruck, dass meine vorherige Überlegung sich schon bestätigt hat. Wenn sich wie Anfang 2016 durch eine veränderte Gesetzeslage ein Empfängerkreis deutlich vergrößert, dann kann man das nicht einfach denen aufbürden, die die Arbeit vorher gerade einmal so geschafft haben, das wurde
auch schon gesagt. Man muss genau hinschauen, inwieweit da wirklich noch Kapazitäten sind. In Bremen sind nach meiner Information, Frau Bernhard hat das aber eben negiert, auch im Jahr 2016 einige Vollzeitstellen zusätzlich geschaffen worden. Was ich spannend fand, war, dass dieser Zugewinn an Personalstärke anscheinend durch die zeitgleiche Nutzung einer neuen Software sofort wieder komplett verbraucht wurde. So habe ich das zumindest verstanden. Herr Staatsrat Deutschendorf berichtete dem „Weser-Kurier“, dass mit der Gesetzesanpassung 2016 auch eine neue Software eingeführt wurde, durch die sich der Arbeitsaufwand pro Fall nahezu verdoppelt hätte. Der Logik folgend hätte das Personal Anfang 2016 also mindestens verdoppelt werden müssen, um überhaupt die bisherigen Fälle abarbeiten zu können. Ich hoffe, dass die neue Software nur anfangs so viel mehr Zeit gekostet hat und dass der Aufwand sich durch die Routine wieder verkürzt hat. Wie dem auch sei, der Staatsrat sagte in dem Interview Anfang des Jahres auch, er wolle trotzdem bis Mitte 2018 nennenswerte Verbesserungen erzielen. Wenn ein Antragsteller seine Unterlagen vollständig eingereicht hat, solle es statt bisher 42 Tage nur noch 30 bis zum Abschluss dauern.
Diese abschließende Entscheidung nach 30 Tagen bleibt aber Augenwischerei, wenn der Antrag bereits vorher, solange er noch nicht vollständig ist, Monate hin und her geschoben wird, bis man den Antragsteller endlich anschreibt und nach den fehlenden Belegen fragt. Nach meinem Kenntnisstand hat sich bis Mitte 2018 in dieser Hinsicht noch nicht viel getan. Reden mit frommen Wünschen allein helfen den Menschen aber nicht weiter, meine Damen und Herren. Die Menschen brauchen keine Versprechungen, sondern Taten. Die Zusagen des Staatsrats lassen sich jedoch nicht eins zu eins auf Bremerhaven übertragen. Abgesehen von der zweiwöchigen Schließung der dortigen Wohngeldstelle für Besucherverkehr wurde auch dort inzwischen eine, wenn auch befristete, zusätzliche Stelle bewilligt.
Die Gründe für den dortigen Antragsstau scheinen, so wurde mir berichtet, und so hat es auch Frau Dogan schon ausgeführt, neben der gestiegenen Arbeitsbelastung überwiegend in einem sehr hohen Krankenstand zu liegen. Diesen scheint es dort aber nicht nur in der Wohngeldstelle, sondern auch in anderen Abteilungen zu geben, und die Fehltage belaufen sich nach einem aktuellen Bericht pro Angestellten auf durchschnittlich 20 Tage im Jahr. Das ist im Verhältnis sehr hoch, und es muss
nicht nur untersucht werden, woran das liegt, sondern man muss diesen hohen Krankenstand natürlich auch so schnell wie möglich verringern. Auch im Bereich Wiedereingliederungsmanagement von Langzeiterkrankten haben meine Bremerhavener CDU-Kollegen und –Kolleginnen noch viel Verbesserungspotenzial erkannt. Da wurde wohl im Personalmanagement schon seit einiger Zeit einiges vor sich hergeschoben, was sie jetzt aufzuarbeiten haben. Wie schon gesagt, die Abarbeitung der Probleme in Bremerhaven und Bremen unterscheiden sich, aber die fatale Wirkung auf die Antragsteller ist stets dieselbe. Da gibt es auch nichts schönzureden.
Ich möchte das noch einmal deutlich festhalten. Den Betroffenen entstehen unnötige finanzielle Schwierigkeiten, und eventuell rutschen sie sogar in Verschuldung. Sie fühlen sich hin und her geschoben, degradiert und nicht mehr wertgeschätzt. Das ist einfach nicht nötig, und es ist auch nicht länger erträglich. Viele fühlen sich von der Politik immer weniger verstanden, das wissen wir alle. Durch Unachtsamkeit an solchen Stellen wird das massiv befördert. Auch das wissen wir eigentlich alle. Für mich ist es zudem ein Irrglaube - wie es die Bremer Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen meinen – dass man als Bremer Politiker mit sozialem Engagement auf Bundesebene in Bremen bei den Bürgern punkten kann.
Sie können sich auf Bundesebene hundertmal für mehr Hartz IV oder für eine Entschärfung von Sanktionen beim Jobcenter einsetzen. Wenn Sie es nicht schaffen, zuvor vor der eigenen Haustür zu kehren, die eigenen Behörden gut aufzustellen, dann merken die Menschen, dass es eigentlich gar nicht um sie geht, sondern nur um politisches Schönwettermachen.
Da muss ich jetzt aber sagen, dass Frau Dogan von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sich anders hingestellt hat als die Fraktion der SPD. Als abschließenden Satz habe ich nur noch zu sagen, dass Sonntagsreden und leere Versprechungen nicht weiterhelfen und dass sich an der Stelle etwas tun muss. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Satz unseres Bürgermeisters Dr. Carsten Sieling beginnen, den die Fraktion DIE LINKE und jetzt auch die Koalition in ihrem Antrag aufgreifen.
Anfang 2016 bei der Verabschiedung der Aquarius zu ihrer ersten Seenot-Rettungsaktion sagte er: „Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen und gleichzeitig diejenigen schützen, die bereits auf der Flucht sind“. Die Antragsteller greifen diese Aussage zwar auf, machen aber nichts daraus. Sie konzentrieren sich nur auf die zweite Hälfte, wo steht, dass man denen helfen sollte, die bereits auf der Flucht sind. Dabei gerät ihnen der erste Teil völlig aus dem Blick.
Aber ist es sinnvoll und geboten, in der politischen Arbeit den Blick so zu verengen? Muss man nicht beides zusammen denken: Denen zu helfen, die bereits auf der Flucht sind und die Fluchtursachen, und ich füge noch hinzu, die Schleusungskriminalität, bei der Bereicherung auf dem Rücken der Flüchtlinge stattfindet, zu bekämpfen?
Dieser vorgelegte Antrag greift der Fraktion der CDU viel zu kurz, meine Damen und Herren. Ich
verstehe nicht, warum vor allem die Fraktion der SPD auf diesen Zug aufgesprungen ist. Mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Koalition soll heute über zwei Forderungen abgestimmt werden. Zur ersten sage ich, es doch wohl selbstverständlich, dass auch wir Bremer uns zu unserer völkerrechtlichen und humanitären Pflicht zur Rettung von Menschen aus Seenot bekennen, jedenfalls immerhin noch mehrheitlich.
Schiffen mit Geretteten muss das Anlegen in einem sicheren Hafen ermöglicht werden. Sie dürfen, wie die Fraktion DIE LINKE richtigerweise fordert, nicht zu Unrecht kriminalisiert werden, auch nicht durch äußerst fragwürdige Unterstellungen. Aber nicht grundlos hat sich die Situation in Italien und umzu so zugespitzt. Darauf einzugehen, fehlt mir allerdings heute die Zeit.
Selbstverständlich wollen und werden wir auch in Bremen aus Seenot gerettete Menschen aufnehmen, sobald in Deutschland aufgenommene Flüchtlinge in die Bundesländer verteilt werden. Dagegen hat sich Bremen noch nie gestellt. Damit wäre jetzt der Antrag der Fraktion DIE LINKE schon abgearbeitet, aber es wäre eben angesichts der in den letzten Jahren entstandenen Dramatik einfach nicht angemessen, hier aufzuhören und in Zeiten, in denen wir die Menschen besser einen sollten, lediglich Strömungen von links nach rechts zu bedienen.
Ich wende mich deshalb jetzt auch dem der Fraktion der CDU fehlenden Teil zu, der Bekämpfung der Fluchtursachen und der Schleusungskriminalität. Die Punkte, die wir hier dazu gern beschließen würden, haben wir in einem Antrag vorgelegt. Einige davon werde ich jetzt noch einmal mündlich wiederholen:
Wir möchten, dass die Bremische Bürgerschaft die Fortführung der Operation Sophia begrüßt und der Bundeswehr für ihren Einsatz im Mittelmeer dankt.
Durch diesen Einsatz wurden seit Mitte 2015 mehr als 49 000 Menschen aus Seenot gerettet, davon alleine über 22 000 von deutschen Soldaten. Mehr als 140 Schleuserverdächtige wurden festgenommen und über 400 von Schleusern genutzte Fahrzeuge wurden zerstört. Die Bremische Bürgerschaft sollte auch die Beschlüsse des Europäischen Rates von Ende Juni begrüßen und dabei insbesondere die Bedeutung der Einrichtung regionaler Ausschif
fungsplattform zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen in Zusammenarbeit mit UNHCR, IOM und weiteren würdigen.
Des Weiteren muss nach wie vor intensiv an der Aufnahme und Verteilung von geretteten Flüchtlingen durch möglichst viele EU-Staaten gearbeitet werden und wir brauchen natürlich endlich ein möglichst widerspruchfreies europäisches Asylsystem.
Darüber hinaus sollte auch die Arbeit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, bekannt als Frontex, fortgeführt und gestärkt werden. Zum Schluss will ich nicht vergessen: Über all das brauchen wir ein verändertes Verhältnis zum afrikanischen Kontinent, eines, was von beiden Seiten zunehmend auf Augenhöhe abzielt. Angela Merkel besucht deshalb gerade einige afrikanische Länder.
Wirtschaftlich gesehen ist bereits einiges im Umbruch. Doch auch die EU kann und auch die Mitgliedstaaten können weiter zu positiven Veränderungen beitragen, indem sie den Kontinent durch eigenes Engagement in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, Infrastruktur oder Gleichstellung der Frau unterstützen. Wir sollten, liebe Fraktion DIE LINKE und liebe Koalition, eben nicht nur bei der Würdigung der Seenotrettung und der Aufnahme geretteter Flüchtlinge stehen bleiben.
Deutschland engagiert sich mit viel Geschick und großem Einsatz für Problemlösungen, muss aber möglichst viele weitere Länder mitnehmen, wodurch die Verhandlungen oft zäh werden. Wer aber ein politisches Amt in einem Parlament, und sei es auch nur in Bremen, bekleidet, sollte all diese Fakten sehen und so weit denken, wie es eben auch Bürgermeister Dr. Carsten Sieling mit seiner Aussage im Februar 2016 versucht hat: Fluchtursachen bekämpfen und gleichzeitig diejenigen schützen, die bereits auf der Flucht sind.
Ich finde es spannend, dass die Koalition jetzt einigen unserer Antragspunkte auch zustimmen möchte, aber ich möchte doch bitten, dass Sie erklären, wie Sie zum Beispiel die Operation Sophia und andere Dinge ersetzen wollen, denen Sie ja so nicht zustimmen möchten. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten Monaten wurde das Thema Arbeitsassistenzen auf verschiedenen Ebenen bereits heftig diskutiert. Auch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dessen Bedeutung für die in Bremen aufgeworfenen Fragen nicht unterschätzt werden darf, hat noch zusätzlichen Schwung in die Debatte gebracht. Es geht um die Bewilligung und um die Finanzierung einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen mit erheblichem Unterstützungsbedarf, durch die aber überhaupt erst eine Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden
kann. Doch wann ist notwendig, wirklich notwendig?
Die Klärung der Bedeutung von notwendig scheint doch schwerer zu sein, als manche Menschen glauben. Das Amt für Versorgung und Integration Bremen, das die Anträge auf eine Arbeitsassistenz bearbeitet, richtet sich in der Feststellung der Notwendigkeit nach einer Vorschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen. In dieser steht, dass eine Assistenz in der Regel für höchsten die Hälfte der Arbeitszeit notwendig sein sollte. Das bedeutet, dass der Gestaltung und Ausrüstung des Arbeitsplatzes eine große Bedeutung zukommt. Er soll so hergerichtet werden, dass schwerbehinderte Menschen die Hälfte ihrer Arbeitszeit ohne Assistenz auskommen könnten. Hier, so sagt das Amt für Versorgung und Integration Bremen, ist besonders auch der Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Er muss eben entsprechend in die Arbeitsplatzgestaltung investieren.
Das ist grundsätzlich auch richtig so. Viele schwerbehinderte Arbeitnehmer sind dankbar für einen Arbeitsplatz, an dem sie möglichst selbständig handeln können und wollen doch auch selbst gar nicht ständig jemanden um sich herumlaufen haben. So ist es auf jeden Fall hilfreich, den Arbeitsplatz möglichst passgenau zu gestalten. Doch offensichtlich lässt sich das nicht immer so hinbekommen. Wenn das Amt für Versorgung und Integration Bremen in solchen Fällen dann trotzdem darauf drängt oder auf einen anderen, womöglich minderwertigeren Arbeitsplatz verweist, nur weil es dort möglich wäre mit weniger Assistenz auszukommen, dann werden eindeutig Grenzen überschritten.
Auch behinderte Menschen haben das Recht, ihrer Ausbildung gemäß zu arbeiten, so sie denn einen Arbeitgeber gefunden haben. Dazu muss man ihnen dann eben die notwendige Unterstützung in Form einer Arbeitsassistenz gewähren. Diese Gewährung wird manchmal eben doch mehr als die Hälfte der Arbeitszeit umfassen. Ich bitte Sie einmal darum, sich kurz vorzustellen, welch ein Kraftakt und Zeitaufwand es für stark bewegungseingeschränkte Menschen sein muss, morgens, oft mit Unterstützung eines Pflegedienstes, fertig zu werden, um dann endlich, meistens mit einem Rollstuhl, am Ziel anzukommen und einen achtstündigen Arbeitsalltag vor sich zu haben. Wer dazu die
Fähigkeit und die Energie hat, dem sollte das Leben nicht noch zusätzlich allzu schwer gemacht werden.
Grundsätzlich wissen wir ja auch, dass die mit der Ausgleichsabgabe eingenommenen Gelder wiederum zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in das Arbeitsleben ausgegeben werden sollen. Dieser Topf ist in Bremen mit einigen Millionen Euro gut gefüllt und wo wären ein paar tausend Euro davon besser eingesetzt als für Betroffene, die eben doch für mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit eine Assistenz nötig haben, weil sich ihr Arbeitsplatz, aus welchen Gründen auch immer, nicht so herrichten lässt, dass es mit der Hälfte ginge.
Doch mit der ausreichenden Bewilligung einer Assistenz ist ja noch lange nicht alles geklärt. Schwerbehinderte sind anschließend selbst dafür zuständig, eine Assistenz zu finden und anzustellen oder das über einen Dienstleister zu regeln. Das kostet erneut eine Menge Zeit und Kraft. Es kommt erschwerend hinzu, dass die Finanzierung einer gefundenen Arbeitsassistenz weitere Schwierigkeiten und Papierkriege mit sich bringt. Somit gibt es nicht nur Probleme bei der bedarfsdeckenden Bewilligung, sondern auch bei der Kostendeckung.
Manche Betroffene geben dann einfach irgendwann auf oder fangen gar nicht erst an, weil sie es kräftetechnisch und auch finanziell gar nicht schaffen, immer wieder um ihr Recht zu kämpfen. Wer jetzt beim Zuhören denkt, dass da sowieso zu viel Aufwand gemacht wird, der missachtet das Recht auf Teilhabe ebenso, wie die Tatsache, dass ein arbeitender Mensch immer auch Geld erwirtschaftet.
Bremen will nun, trotz der bestehenden Unklarheiten, keine eigene Verwaltungsvorschrift zur Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz auf den Weg bringen. Das bedauere ich sehr. Es sei bei der Gewährung nach Notwendigkeit schon jetzt alles möglich und keine Grenze gesetzt – soweit die Theorie. In der Praxis klappt das nach meinem Kenntnisstand jedenfalls bis heute nicht zufriedenstellend. Positiv sei allerdings zu bemerken, dass Bremen sich davon verabschiedet, dass eine Assistenzkraft höchstens halb so teuer sein darf, wie das Einkommen des Arbeitnehmers hoch ist, und dass Bremen sich auf Bundesebene für den Erlass einer klärenden Verordnung einsetzt. Die Fraktion der CDU hält aber natürlich trotzdem an ihrem Antrag
fest, denn bis zur Klärung auf Bundesebene werden in Bremen eindeutigere Vorgaben gebraucht, als wir sie bisher haben. – Danke!
Das Budget für Arbeit hat ja immer nur eine begrenzte Laufzeit und soll dann ausgelöst werden, sage ich einmal. Können Sie uns einmal einen Einblick darüber geben – ich glaube, das läuft zwei Jahre –, wie sich es dann für die Menschen verhält, die es Anspruch genommen haben, wie viele in ein festes Arbeitsverhältnis dort übernommen wurden?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der CDU steht nach wie vor dazu, eine Umbenennung des Schwerbehindertenausweises anzustreben. Das Ziel, einen Namen zu finden, der sich eben nicht mehr nur an den Defiziten eines Menschen orientiert, muss weiter verfolgt werden.
An der vom Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen organisierten zweistündigen öffentlichen Anhörung nahmen viele Interessenvertreter teil. Ich war auch mit dabei. Viele Für und Wider wurden dort benannt, aber am Ende gab es kein eindeutiges Ergebnis, das wurde eben auch schon gesagt. Ähnlich war es beim Behindertenparlament, da wurde abgestimmt, aber das Ergebnis war relativ knapp. Interessant war, dass sich unter denen, die sich gegen eine Umbenennung des Ausweises aussprachen, vorrangig wirklich langjährig kampferprobte und selbst schwerbehinderte Interessenvertreter befanden.
Ich hatte den Eindruck, dass viele von denen mit ihrer Lebenserfahrung über die Jahre ihren Frieden mit der Schwerbehinderung gemacht haben und eben auch mit dem Namen des Ausweises nicht mehr hadern. Diese Gruppe meinte sehr engagiert, man müsse eben auch lernen, zu seiner Behinderung zu stehen, man könne sie eh nicht verstecken, und der beste Weg sei ein selbstbewusstes
Ja zu sich selbst, so wie man ist, und eben auch ein selbstbewusstes Ja zu dem Ausweis. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, aber es gibt eben auch junge und unerfahrene Menschen mit Schwerbehinderung, und diese waren zum Beispiel als Schüler und Schülerinnen der Werkstufe des Schulzentrums Neustadt auch gut vertreten, auf der Anhörung zumindest, im Behindertenparlament waren sie nicht. Sie ließen sich die Erfahrungen der Älteren genauso wenig überstülpen wie andere Jugendliche ganz allgemein nicht nur aus den Erfahrungen der Älteren, seien es Eltern oder Lehrer oder wer auch immer, lernen würden.
Jede Generation muss und wird auch eigene Erfahrungen machen, und Dinge werden sie sich anders erkämpfen, genauso wie vielleicht auch die Bezeichnung für diesen Ausweis. Das finde ich alles gut und richtig so. Wie soll sonst der Motor für Veränderungen in unserer Stadt und in unserem Land auf Dauer heiß bleiben?
Die Fraktion der FDP möchte nun mit ihrem heutigen Antrag eine Bundesratsinitiative zur Umbenennung des Schwerbehindertenausweises starten. Nicht das Anliegen der Umbenennung, das habe ich gerade schon ausgeführt, sondern diese Initiative halten wir inzwischen für völlig unnötig. Die Umbenennung des Schwerbehindertenausweises wurde bereits am 26. April 2018 im Bundestag debattiert. Der Antrag wurde anschließend zur weiteren Befassung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Es wundert mich, dass das von den Diskutanten niemand wenigstens einmal erwähnt hat. Die Fraktion der CDU hält das für absolut zielführend und auch ausreichend. Das Thema ist bereits mitten im Bundestag angekommen. Was könnte eine erfolgreiche Bundesratsinitiative mehr erreichen?
Ja, es mag aus Sicht der Fraktion der FDP und auch aus Sicht der Fraktion DIE LINKEN, die im Bundestag nicht regieren, nicht genug sein. Ich traue meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag aber zu, dass sie sich in den nächsten Monaten engagiert und angemessen mit dem Thema auseinandersetzen. Deshalb werden wir dem Antrag der Bremer Fraktion der FDP für eine Bundesratsinitiative trotz inhaltlicher Übereinstimmung heute eben nicht zustimmen. Ich denke, alles Weitere wurde schon gesagt.
Ich bin auch nicht begeistert von dem Namen Teilhabeausweis, Teilhabepass.
Ich hätte, wenn noch eine Bundesratsinitiative nötig gewesen wäre, weil der Bundestag es noch nicht debattiert hat, mich dafür ausgesprochen, einen Antrag auf eine Diskussion zu stellen, dass man den Ausweis umbenennt, aber nicht zwingend den Namen schon vorgibt. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Antwort auf unsere Große Anfrage bestätigt, dass es für die meisten Flüchtlinge nicht leicht sein wird, einen existenzsichernden Job zu finden. Fehlende Berufsausbildungen sind nicht einmal eben nachzuholen, die Anerkennung einer Ausbildung oder eines Studiums verläuft schleppend und führt nicht immer zum gewünschten Ergebnis, und mangelnde Deutschkenntnisse tragen dann das Ihre dazu bei. Zwei Drittel der Menschen aus Asylherkunftsländern, die heute in Bremen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, sind lediglich in Teilzeit oder in einem 450-EuroJob beschäftigt, und das dürfte kaum existenzsichernd sein.
Aktuell sind hier ungefähr 10 000 Menschen aus Asylherkunftsländern als arbeitssuchend gemeldet und hoffen auf eine Anstellung. Im Jahr 2017 fanden circa 680 Betroffene aus dieser Gruppe einen Job, oft eben in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt.
Auf unsere Frage nach Maßnahmen, durch die der Senat die Vermittlung von Flüchtlingen in Arbeit eigeninitiativ unterstützt, verweist er in erster Linie auf das BAP, auf das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm des Landes Bremen, dessen Angebote ja allen Menschen offenstehen. Zudem kündigt er für Ende 2018 ein eigenes Programm an, das Förderlücken der Regelangebote mittelfristig schließen soll. Dieses Programm, das einen langen Vorbereitungsweg hinter sich hat, klingt in seiner Beschreibung aber eher nicht nach einem großen Befreiungsschlag. Es werden vom Senat einige kleinere und örtlich begrenzte Angebote aufgelistet, die zumindest auf den ersten Blick oft überhaupt nichts mit Integration oder Vermittlung in Arbeit zu tun haben.
Integration Points, bei denen alle wichtigen Akteure – vom Jobcenter über Ausländerbehörden und berufsständischen Vertretungen – an einem Ort erreichbar wären, lehnt der Senat ab, solch ein gebündeltes Angebot werde nicht gebraucht, denn es gebe in Bremen bereits eine Vielzahl dezentraler spezialisierter Einrichtungen, die ähnliche Funktionen wie die Integration Points übernehmen würden. Doch das, was der Senat für ausreichend hält,
wünschen sich viele Menschen aus der Praxis anders. Sie wollen kurze Wege, schnell auffindbare aktuelle Informationen – übrigens auch im Internet – und ein besseres Zusammenspiel der Behörden mit dem Rest der Welt, oder es würde auch reichen mit dem Rest von Bremen. Diesem Anliegen wird das neue Programm aber leider nicht entsprechen.
In diesem Jahr stehen wir zudem neben all dem, was ich in fünf Minuten thematisch leider kaum ansprechen kann, vor einem ganz besonderen Kraftakt: Demnächst werden bis zu 850 jugendliche Flüchtlinge die allgemeine Berufsschule verlassen. Wie kann man diesen Jugendlichen sinnvolle berufliche Perspektiven eröffnen? Was hat man vom Werdegang der 223 Schüler gelernt, die im letzten Jahr die allgemeine Berufsschule verließen? Wenn man die Antwort des Senats liest, dann stellt man fest, dass man davon nichts lernen konnte, weil der Senat nicht weiß, was aus diesen jungen Menschen geworden ist. Er weiß gerade noch, dass 88 von ihnen weiter auf die Berufsfachschule oder auf die Erwachsenenschule gingen. Vom Verbleib der restlichen 135 Schüler weiß er gar nichts, schreibt er in der Antwort.
Von den 850 Jugendlichen in diesem Jahr wird zwar – wie die 223 im letzten Jahr – ein großer Teil einen Schulabschluss erreichen, aber er wird ihnen in der Praxis nicht wirklich weiterhelfen. Er qualifiziert nur Einzelne für eine Ausbildung, für die man Deutschkenntnisse mindestens nach der Niveaustufe B2 braucht, und selbst in eine Einstiegsqualifizierung, eine EQ, für die die Stufe B1 Bedingung ist, können viele nicht starten, weil sie die Stufe B1 nicht erreicht haben.
Weil deshalb aber der Aufenthaltsstatus einer Duldung von sehr vielen dieser Schüler und Schülerinnen in Gefahr ist, fühlt sich der Senat mit dem Rücken an der Wand und hat sich eine Lösung überlegt: Nach den Sommerferien 2018 wird es mit der Bremer Integrationsqualifizierung, der BIQ II, einmalig ein Angebot für 200 dieser Flüchtlinge geben. Begründet wird dieses deutschlandweit einmalige aufenthaltssichernde Konstrukt damit, dass den jungen Menschen so noch ein weiteres Jahr in einem schulähnlichen, aber leider sehr eingeschränktem Format ermöglicht wird, das für eine EQ nötige Sprachlevel B1 zu erreichen. Doch obwohl wir bereits Mitte Juni haben, gibt es für die BIQ II bislang nur eine vage inhaltliche Beschreibung.
Das Vertiefen der Sprache scheint durch einen zertifizierten Sprachförderkurs tatsächlich gesichert.
Doch Theatergruppen, Lernkurse in der „Fahrradwerkstatt“ und schwimmen gehen werden nicht reichen, um den Jugendlichen das nötige Rüstzeug für den Start und das Bestehen einer EQ oder gar das Erreichen eines Ausbildungsabschlusses mitzugeben. Sie brauchen sicher auch Mathematik und andere Fächer, um später Prüfungen bestehen zu können.
Außerdem ist das Angebot BIQ II zwar freiwillig, aber weil man seinen Aufenthalt nicht sichern darf, indem man sich in eine Liste einträgt, aber anschließend nicht kommt, muss es eine Teilnahmepflicht geben. Was plant der Senat eigentlich für das nächste Jahr, um den Aufenthalt weiter zu sichern, wenn diese Jugendlichen den Sprung in eine EQ oder eine Ausbildung wieder nicht schaffen? Das lässt sich nicht unendlich so fortsetzen, und das kann auch nicht Ziel der Politik sein. Mit einer heute schulnäher ausgestalteten BIQ II würden Sie jedenfalls vielen jungen Flüchtlingen den Aufenthalt sehr viel nachhaltiger sichern, wenn auch nicht allen. Ich muss jetzt leider Schluss machen, ich glaube, da reichen fünf Minuten nicht aus, um dazu ausführlicher etwas zu sagen. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann ja jetzt nicht mehr viel sagen, es ist ja eine FünfMinuten-Debatte. Es klingt jetzt so, als wenn in Bremen alles sehr gut auf dem Weg wäre, aber das ist nicht das, was mir begegnet. Das, was mir Leute zutragen und ich auf Veranstaltungen mitbekomme, weicht extrem davon ab. Das kann ich mir jetzt gerade nicht so vorstellen, wie es sein kann,
dass in der Praxis völlig andere Meinungen vorherrschen, als hier eben kundgetan wurde. Entweder liegen da Welten dazwischen und die Zusammenarbeit ist doch nicht so gut, oder man hat mir irgendwie etwas Falsches erzählt. Das weiß ich nicht genau, das kann ich ja nicht beweisen,
aber ich wundere mich doch stark über so viel Selbstzufriedenheit, wenn die Menschen draußen sagen, da muss das Zusammenspiel besser funktionieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zahlen und Statistiken über Armut und Armutsgefährdung spiegeln zwar
die in unserer Gesellschaft existierende Ungleichheit wieder, aber über reale Armut sagen sie gar nicht so viel aus. Armutsgefährdet sind in Deutschland bereits die Menschen, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Wenn aber nun alle Bürger auf einen Schlag das Doppelte bekämen, bliebe die Armutsgefährdung trotzdem genau so groß wie vorher, obwohl alle viel mehr hätten, und wenn alle Millionäre Deutschland verlassen würden, dann würde die Armutsgefährdung sofort drastisch sinken, obwohl niemand auch nur einen Euro mehr in der Tasche hätte.
Somit reden wir zwar von Armut und Armutsgefährdung, meinen damit aber eigentlich immer nur den Abstand zwischen denen, die mehr, und denen, die weniger Geld zur Verfügung haben. Die hässliche Wahrheit ist aber leider, dass Bremen mit 24,8 Prozent, oder, wie der Senat sagt, 22,8 Prozent die höchste Armutsgefährdungsquote Deutschlands hat. Der Bundesdurchschnitt liegt dagegen nur bei 15,7 Prozent. Kinder und Jugendliche unter 18 sind in Bremen sogar zu 36,6 Prozent armutsgefährdet, während alle anderen Bundesländer unter 30 Prozent bleiben. Und diese Wahrheit, meine Damen und Herren, ist dann doch der eigentliche Skandal. Das seit 70 Jahren sozialdemokratisch geführte Bremen hat und hält den letzten Platz auf dieser Skala.
Diese Ungleichheit zwischen Arm und Reich verschärft sich hier zudem seit Langem auch dadurch, dass immer mehr junge Familien nach Niedersachsen ziehen, weil sie hier kein passendes Haus finden, und auch, weil sie Kita, Schule und die Sicherheitslage für ihre Kinder im Umland besser finden.
Auch die Sicherheitslage. Ich kenne genügend Leute, die mir das so sagen, junge Leute. Natürlich werden arme Menschen auch nicht reicher, wenn mehr dieser Familien in Bremen bleiben würden. Aber es würde doch helfen, auf jeden Fall, das untere Ende der Skala zu verlassen. Ich will und kann gar nicht so tun, als würde man hier in Bremen nicht auch irgendetwas machen und sich nicht bemühen, die Dinge in den Griff zu kriegen. Der Bremer Senat hat hier und da sogar gute Ideen, die er aber leider zu oft nicht umsetzt und wenn, dann läuft er der Situation stets hinterher und ist noch weit von einer Kehrtwende entfernt.
Die ausgebauten Maßnahmen, die uns in der Antwort zur Großen Anfrage vom Senat als aktive Armutsprävention präsentiert werden, sind doch fast alle dem geschuldet, dass wir so viele Neubürger dazu bekommen haben. Sie mussten die Angebote ausweiten, um schlichtweg den Status quo überhaupt halten zu können. Aus dieser Tatsache will ich auch keinem einen Vorwurf machen. Aber ich hätte mir natürlich mehr gewünscht. Doch mich stört, dass Sie das in dieser Vorlage nicht zugeben.
Ich möchte den Blick jetzt noch gezielt auf die Gruppe der Transferleistungsempfänger richten, weil sie tatsächlich die ärmste Gruppe darstellen. Als Sozialpolitikerin höre ich immer wieder, dass das Sozialressort eigentlich nur die Möglichkeit hätte, diesen Menschen mehr Teilhabechancen zu eröffnen, Armut sozusagen erträglicher zu machen. Das wird, wenn man das Sozialressort mit der Bekämpfung von Armut alleine lässt, wohl auch so sein. Bekämpfung von Armut kann und darf aber keine alleinige Aufgabe von Sozialpolitik sein.
Armutsbekämpfung muss von allen Ressorts ernst genommen und auch abgestimmt werden, von Bildung und Wirtschaft, aber auch von Bau, Inneres und allen anderen. Nur Teilhabechancen durch Soziales zu eröffnen bedeutet ja lediglich, den von Transferleistungen lebenden Menschen ihren finanziellen Rahmen durch kleine finanzielle Vorteile zu erweitern. Dadurch kommen sie aber nicht aus ihrer Situation heraus, und diese kleinen Vorteile fallen auch ziemlich schnell wieder weg, sobald die Betroffenen anfangen, einer Arbeit nachzugehen.
Übrigens verstärken diese sogenannten Teilhabechancen auch die Tatsache, dass einige Menschen ohnehin schon sehr abwägen, ob es sich für sie überhaupt finanziell lohnt, arbeiten zu gehen. Sie können dann nämlich bald nicht mehr bestimmte Dinge nutzen, wie zur Tafel zu gehen, verbilligte Theaterkarten zu bekommen, die Zuschüsse zum StadtTicket entfallen, kostenfreie Verhütungsmittel und irgendwann auch die staatlichen Bildungs- und Teilhabeleistungen, das Wohngeld oder auch der Kindergeldzuschlag. Das sind alles Mittel, die irgendwie noch oben darauf kommen auf die Transferleistungen. Deshalb brauchen wir, damit verfestigte prekäre Lebenssituationen gar nicht erst entstehen, noch viel mehr sinnvolle Maßnahmen und nicht nur Hilfe in Form von Teilhabechancen.
Wir brauchen sehr, sehr gute Bildungsangebote, gerade auch für die Kinder benachteiligter Familien, damit sie den Armutskreislauf verlassen können. Wir brauchen ausreichend Wohnraum, Arbeitsplätze und einen funktionierenden sozialen Arbeitsmarkt. Und obwohl der Senat die Probleme doch weitgehend kennt, gelingt es ihm bislang nicht, wirksam gegenzusteuern. Stattdessen beschäftigt er sich mit und verweist immer wieder hilfsweise auf die Dinge, die Armut zwar erträglicher machen, die aber nicht aus der Armut heraushelfen. Das finde ich schade, und ich sage nachher noch ein paar Worte, wie wir das vielleicht weiter begleiten. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal noch zu Herrn Janßen. Sie haben vorhin gesagt, ich hätte gesagt, dass ausschließlich die Maßnahmen, die gemacht wurden, den Neubürgern geschuldet sind. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe das Wort ausschließlich oder auch ein ähnliches Wort nicht in den Mund genommen. Ich habe gesagt, fast nahezu. Ja. Ich habe aber so etwas nicht gesagt und das finde ich dann auch nicht fair, mir ausschließlich in den Mund zu legen.
Natürlich muss man die Grundsicherungssysteme auch stets weiterentwickeln. Man darf und muss auch gerade die Höhe der Regelbedarfe immer wieder diskutieren und auch den Finger in die Wunden legen. Das hilft der Politik, weiterzumachen und sich mit diesen wichtigen Fragen dann auch zu befassen. Doch wir sollten nicht vergessen, dass wir ein weltweit anerkanntes Grundsicherungssystem haben und es auch keine einfachen Lösungen gibt. Wenn man nämlich zum Beispiel die Regelbedarfe von Hartz IV, Herr Möhle, tatsächlich kräftig erhöhen würde, dann hätte das weitreichende Folgen. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger würde zum Beispiel sofort deutlich steigen, anstatt zu sinken, und das, obwohl das Hilfesystem eigentlich besser wird. Es bekämen dann nämlich viel mehr Menschen mit niedrigen Löhnen ergänzende Hilfen aus Hartz IV. Auch die Empfänger