Protokoll der Sitzung vom 22.09.2016

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saffe.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die normale staatliche Rente, das ist zu abzusehen, wird für viele Bürgerinnen und Bürger in Zukunft nicht ausreichen. Wir sprechen hier häufig von Altersarmut und davon, dass es jeden von uns betreffen kann, unabhängig von Altersstufen und Berufsgruppen. Besonders betroffen sind Menschen mit unterbro chenen Erwerbsbiografien. Das sind häufig Frauen und Langzeitarbeitslose. Vom Grundsatz her soll die Rente so bemessen sein, dass sie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, dass es nicht nur reicht, gerade über die Runden zu kommen.

Aber auch wenn mehrere Rentenmodelle zusammen kommen – zum Beispiel Betriebsrente, staatliche, private, Riester-Rente –, kann es sein, dass sie nicht ausreichen. Die Lage ist unübersichtlich: Wie viele Rentenansprüche wurden erworben, wie hoch ist die Rente nach so und so vielen Jahren? Was ist, wenn man in Frührente geht? Eine Gesamtübersicht, das sogenannte Vorsorgekonto, ist daher keine schlechte Idee, da stimme ich der FDP zu. Es geht hier allerdings um eine Art Informationsservice, nicht ein Konto, auf dem später ganz viel Geld zusammenkommt.

Wir sollten aber nicht den vierten Schritt vor dem ersten bis dritten tun. Bevor wir über Rentenansprü che informieren, müssen wir unser Rentensystem umfassend reformieren. Da ist vorher noch eine ganze Menge zu machen. Genau das haben wir – Rot und Grün – im Mai dieses Jahres beschlossen. Ich erin nere an den rot-grünen Antrag „Altersarmut stärker bekämpfen“, in dem wir den Senat unter anderem aufgefordert haben, eine entsprechende Bundesrats initiative zu starten. Die Verbraucherschutzminister von zehn Bundesländern haben übrigens auf der letzten Verbraucherschutzkonferenz im April ihre Forderung an die Bundesregierung erneuert, ein Basisprodukt für die private Altersvorsorge in Form eines Vorsorgekontos zu überprüfen. In diesem Be reich tut sich also schon eine Menge.

Überhaupt sollten Sie von der FDP Ihr Bild von einer Arbeitswelt zurechtrücken und der Realität anpassen.

(Beifall, Zurufe CDU, FDP: Das sagen wir auch!)

Im Vorspann zu Ihrem Antrag schreiben Sie in Zu sammenhang mit gewaltigen Umbrüchen in der Gesellschaft:

„Die Arbeitswelt der Zukunft kann dabei Freiheit und Flexibilität in jeder Lebensphase bieten und Selbstverwirklichung ganz neu ermöglichen.“

Angesichts einer hohen und höher werdenden Zahl von Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, sich mit verschiedenen Minijobs durch schlagen müssen und Hartz IV beziehen, erscheint mir das zynisch.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Was ist mit den vielen Frauen, die den gleichen Job machen wie Männer, nicht weniger leisten, aber immer noch weniger Rente bekommen?

Viele Mütter ziehen Kinder groß, haben eine Menge Erziehungszeit, erwerben aber damit keine Renten ansprüche. Vor der Einführung eines Vorsorgekontos müssen also noch eine Menge andere Dinge erledigt werden. Ich kann an keiner Stelle Ihres Antrags er kennen, dass es Ihnen um eine echte Verbesserung der Bedingungen im Arbeitsleben wie auch der Ren tenzeit danach geht.

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Es geht nicht um Rente, es geht um ein Vorsorgekonto!)

Um eine Übersicht, ja! Aber davor sind noch eine ganze Menge andere Sachen zu tun. Sie wollen irgendwo da hinten anfangen, haben irgendeine Vision, aber wir haben vorher wirklich noch einiges zu tun.

Was mir persönlich auch gefehlt hat, ist irgendein Wort dazu, ob bei der Geldanlage ethische, ökologische oder soziale Kriterien im Spiel sind. Mit dem Geld passiert ja etwas. Das fände ich wichtig. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Liebe Frau Steiner, ursprünglich hatte ich vor zu sagen, wir debattieren hier jetzt die Mogelpackung der Woche. Aber ich werde das so nicht formulieren, weil „Mogelpackung“ voraussetzt, dass man wider besseres Wissen und mit Absicht argumentiert, und das will ich dann doch nicht un terstellen. Ich möchte aber gern darlegen, warum wir der Idee eines Vorsorgekontos à la FDP nichts abgewinnen können.

(Beifall SPD)

Die Idee des Vorsorgekontos, die Sie aufgreifen, an die Sie auch sprachlich anknüpfen, wird seit einer Reihe von Jahren diskutiert, und zwar durchaus als Alternative zur Riester-Rente oder einer betrieblichen Altersvorsorge oder als andere Art der Durchführung beider Wege. Die Idee geht im Kern auf die Deutsche Rentenversicherung in Baden-Württemberg zurück.

Sie ist auch aus dem Verbraucherzentralenbereich un terstützt worden. Im Moment wird von „ÖKO-TEST“, dem Bund der Verbraucher, dem der Versicherten weiter daran gearbeitet. Unter einem anderen Namen ist dieses Modell auch von Schwarz-Grün in Hessen aufgegriffen worden und wird dort Deutschland-Rente genannt. Jan Saffe hat richtig darauf hingewiesen, dass sich auch die Verbraucherschutzministerkonfe renz dafür ausgesprochen hat, dieses Modell vertieft zu prüfen.

Worum geht es nun bei diesem Modell? Hintergrund der Diskussion um ein Vorsorgekonto, Frau Steiner, sind die hohen Kosten bei Riester-Rente und betrieb licher Altersvorsorge. Sie liegen teils an kleinteiligen Vertriebswegen und hohen Provisionen, teils daran, dass die eigentliche Vermögensverwaltung mit hohen Kosten belastet ist. Die Idee des Vorsorgekontos, wie sie seit Jahren diskutiert wird, greift dies auf und knüpft an Vorbilder im skandinavischen Raum an. In Norwegen und Schweden gibt es große staatliche Anlagefonds, die zwei Vorteile haben. Durch ihre Größe und geringe Belastung durch Vertriebskosten sind die gesamten Anlagekosten in diesem Bereich ein Bruchteil von dem, was wir bei Publikumsfonds finden. Wir haben dort gleichzeitig eine hochprofes sionelle Vermögensverwaltung, die obendrein – Jan Saffe hat das angesprochen – die Möglichkeit gibt, effizient Nachhaltigkeitskriterien zu verfolgen. Das sind die Vorbilder, an denen die Vorsorgekontodis kussion in Deutschland anknüpft.

(Abg. Frau Steiner [FDP] meldet sich zu einer Zwi schenfrage.)

Ich komme gleich zu Ihrem Teil!

(Glocke)

Herr Gottschalk, das Reglement sieht eigentlich vor, dass ich Sie frage, ob Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Steiner zulassen würden. Und dann antworten Sie mir bitte.

Ich würde das machen, wenn ich zum Ende hin Ihr Thema nicht aufgreifen würde. Dazu sage ich aber noch etwas. Deshalb brauchen Sie mich jetzt nicht fragen. – Ja? – Gut!

(Heiterkeit SPD)

Er wird die Frage also nicht zulassen! – Setzen Sie bitte fort!

Die Idee handelt davon, dieses Vorsorgekonto bei der Deutschen Renten versicherung anzusiedeln, weil es in diesem Bereich auch stark um Vertrauen in die Institution geht. Das ist die eigentliche Idee. Ihre Idee von einem Vor sorgekonto knüpft daran überhaupt nicht an. Jetzt

wollen Sie auch sagen, dass Sie eine ganz andere Idee haben. Ja, Sie haben die Idee eines reinen In formationsinstrumentes. Sie wollen die angesparten Anwartschaften zusammenfassen.

Frau Steiner, das Problem ist, dass dies eine Pseu dolösung ist. Erstens haben viele Lücken und können sich das zusätzliche Sparen nicht leisten. Diesen Menschen werden Sie auch mit zusätzlichen Infor mationen nicht helfen können. Das Zweite ist: Viele Leute nutzen die Riester-Rente oder die betriebliche Altersvorsorge nicht, weil sie mittlerweile wegen der hohen Kosten einen schlechten Ruf haben. Der dritte Punkt ist: Das, was Sie sagen, dass man diese Anwartschaft zusammenfasst, beruht leider auf ei nem völligen Missverständnis. Sie gehen davon aus, dass man bei Rentenversicherungen ähnlich wie in der gesetzlichen Rentenversicherung weiß: Aha, hochgerechnet hat man die und die Anwartschaften.

Würden Sie Riester-Produkte oder Produkte der be trieblichen Altersvorsorge kennen, und zwar richtig,

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Kenne ich! Das können Sie mir glauben!)

dann wüssten Sie: Dort wird in Investmentfonds oder auch Banksparplänen gespart. Wenn Sie das machen würden, was Sie jetzt machen wollen, müssten Sie eine Idee haben, wie sich diese Sparpläne in den nächsten zehn, 20, 30 Jahren entwickeln oder wie sich die Investmentfonds mit ihren Wertsteigerungen von Aktien entwickeln würden. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Sie zwar Annahmen treffen können, aber ansonsten völlig im Nebel stochern.

(Abg. Frau Steiner [FDP] meldet sich zu einer Zwi schenfrage.)

Jetzt können Sie fragen, wenn ich etwas vergessen habe!

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Jetzt darf ich?)

Ja, klar! – Herr Präsident?

(Heiterkeit SPD)

Sie würden also eine Frage zulassen? – Frau Steiner, Sie dürfen fragen!

Herr Gottschalk, mich würde interessieren, ob Sie der Ansicht sind, dass die Renteninformation, die im Moment vorliegt und ausgeteilt wird, so übersichtlich und verständlich ist, dass jeder weiß, was er im Alter bekommt.

Ich würde es so sagen: Diese Sache ist schwer verständlich. Wenn wir Ihr Produkt

verwirklichen würden, dann hätten wir vollständige Unverständlichkeit.

(Beifall SPD)

Methodisch geht das nicht, was Sie machen wollen. Sie können nicht aus heutigen Sparanlagen und Sparraten hochrechnen, welche Anwartschaften später bestehen. Würden Sie sich damit befassen, würden Sie so ein Modell gar nicht erst vorschlagen.

(Glocke)

Jetzt sind Sie schon ziemlich weit über der Redezeit. Ich schlage vor, dass Sie jetzt zum Ende kommen!

In Ordnung!

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Dann darf ich ja auch nicht mehr!)

Sie können gleich eine Kurz intervention machen, wenn Sie möchten.

Im Wesentlichen zusammen gefasst: Dieses Vorsorgekonto à la FDP geht an den realen Problemen im Altersvorsorgebereich vorbei. Mit der Fokussierung auf mehr Information führt es in die Irre. Methodisch ist es eine reine Luftnummer. Deshalb werden wir die Sache ablehnen. – Danke!