Ich möchte ein bisschen weg von meinem Redema nuskript, weil es mich schon sehr geärgert hat, wie Herr Dr. Yazici von der CDU-Fraktion, Herr Schäfer von der ALFA und natürlich Herr Timke argumentiert haben: aus meiner Sicht total widersprüchlich.
Man hat auch gemerkt, dass Sie sich überhaupt nicht mit der Diskussion im Rechtausschuss, mit den Protokollen und dem, was da alles diskutiert wurde, befasst haben. Lassen Sie mich im Einzelnen darauf eingehen!
Ich möchte zunächst auf meinen Kollegen Herrn Dr. Yazici eingehen, der aus meiner Sicht in seiner Rede so ein bisschen Teilwahrheiten ausgesprochen hat. Er hat nämlich gesagt, es ist in den letzten Jahren nach dem Aufschrei – das stimmt, das haben wir alle auch in der Presse in der letzten Legislaturperiode mitbekommen – nicht zu irgendwelchen Einsparun gen im Justizbereich gekommen. Das haben Sie so gesagt, das trifft auch zu. Sie haben eine Jahreszahl genannt, und zwar: „ab 1993“, das habe ich mir näm lich aufgeschrieben, und gesagt, dass es da zu totalen Personalkürzungen gekommen sei, die diese heutigen Probleme nach sich gezogen hätten. Ich möchte Sie gern daran erinnern, dass Sie in den Jahren 1993 bis 2007 die Regierung gestellt haben. Das sage ich noch einmal so deutlich, weil Sie die abschließend gesagt haben, es sei nicht in den letzten Jahren, sondern ab 1993 gespart worden; würden wir gewählt werden, würden wir einen Schwerpunkt setzten, und mit uns gäbe es keine Einsparungen! Wie widersprüchlich kann man so eine Rede halten? Das habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden, Herr Dr. Yazici.
Sie haben selbst gesagt, dass die Eingänge und Erle digungen bei unseren Gerichten gemessen am Bun desdurchschnitt gut sind. Das stimmt. Sie haben im Ausschuss ja auch immer wieder die Zahlen gesehen. Darauf hat aus meiner Sicht Herr Zenner sehr gut, sehr differenziert Bezug genommen. Dass man natürlich jetzt beim Landgericht eine Ausnahmesituation hat, haben wir mehrmals diskutiert, auch bevor es diese Entlassungen im Mai gab. Das kann jeder im Protokoll
nachlesen: In der April-Sitzung des Rechtsausschusses hat der Staatsrat Herr Dr. Stauch deutlich gemacht, dass im vergangenen Jahr am Landgericht durch große Strafverfahren, die dazugekommen sind, eine Ausnahmesituation geherrscht hat.
Man darf aber auch nicht verleugnen, dass die Anzahl der Untersuchungshäftlinge gestiegen ist. In den letzten Jahren hatten wir eine Anzahl von 50 Unter suchungshäftlingen im Land Bremen, und die ist im letzten Jahr leicht auf die Zahl von 66 angestiegen. In der letzten Rechtsausschusssitzung, in der wir das Thema wieder diskutiert haben, wurde uns eine Anzahl von 79 Untersuchungshäftlingen genannt, die wir in dieser Höhe in den ganzen letzten Jahren nicht hatten. Das sage ich, um die Ausnahmesituation noch einmal deutlich zu machen.
Wir wurden informiert, wir haben uns natürlich auch danach erkundigt und haben am 1. Januar 2016 personell verstärkt. Wir wussten, dass die Anzahl der Untersuchungshäftlinge ansteigt und zusätzli che Verfahren hinzugekommen sind. Das Ressort steht natürlich mit den Richterinnen und Richtern im Austausch.
Ich möchte auf die Ausschusssitzung eingehen, die Herr Zenner hier richtigerweise deutlich genannt hat, in der Frau Goldmann war und wir sie danach befragt haben. Ich kann mich sehr gut erinnern, Herr Schäfer, dass Ihr Kollege, der im Rechtsaus schuss sitzt, keine kritischen Fragen gestellt hat. Es waren vielmehr meine Kollegin aus der SPD, Frau Aulepp, Herr Zenner und ich. Herr Dr. Yazici, ich habe auch keine kritischen Fragen von Ihnen gehört, wie das angehen konnte, weil diese Verfahren nach der Rechtsprechung – das wissen wir alle, die mit dieser Materie beschäftigt sind – innerhalb von sechs Monaten beim Gericht verhandelt werden müssen, damit es eben nicht zu solchen Fällen kommt, wie es auch in anderen Bundesländern, ohne dass sie in einer Haushaltsnotlage sind, schon gekommen ist. Das macht es aber nicht besser.
Ich kann mich genau erinnern, Herr Zenner, Sie haben diese Frage gestellt: Warum hat man aus den Amtsgerichten nicht um Hilfe gebeten? Das hatte ich mir notiert, das habe ich für die Rede heute noch einmal herausgekramt. Es ist ja auch wichtig, dass man einmal solche Protokolle liest.
Wir waren uns einig, dass uns die Antwort auf die Frage, die wir dort gestellt haben, warum das inner organisatorisch nicht gelungen ist, nicht überzeugt hat. Das haben wir alle deutlich kritisiert. Ich fand es gut, wie Sie, Herr Zenner, dort differenziert mit diesen Fragen und Antworten umgegangen sind, aber auch heute in Ihrer Rede. Bei uns allen, die an dem Tag diskutiert haben, ist ein ganz großes Fragezeichen geblieben: Wollte man ein politisches Signal senden?
Das fand ich ehrlich gesagt bedauerlich, weil es na türlich bei der Bevölkerung ganz anders ankommt,
nämlich so, Herr Zenner, wie Sie gesagt haben, dass sie dieses Gefühl hat: Man hat Sorgen, man hat Ängs te, das Vertrauen in die Justiz ist dadurch erschüttert worden. Das hätte man innerorganisatorisch auch anders lösen können, finden wir.
Ich möchte noch einmal deutlich machen: Es gab Anfang des Jahres Personalverstärkungen von 44 auf 48 Stellen. Jetzt gehen wir auf eine Zahl von 50 bis 51 Stellen. Sie sehen, wenn Sie sich mit diesen Zahlen beschäftigen, dass das Landgericht noch nie so gut ausgestattet war, wie es jetzt im Augenblick ist.
Man darf auch nicht verleugnen, das Problem mit den Altverfahren – die haben wir auch im Rechtsausschuss diskutiert – muss auf jeden Fall gelöst werden, denn, da stimme ich den Rednern zu, die so argumentiert ha ben: Wenn die Verfahren ein bisschen länger dauern, gibt es natürlich bei der Verurteilung Schwierigkeiten, weil es in der Beweisführung immer schwierig ist, wenn als Beweismittel Zeugen vernommen werden, dass sie sich nach Jahren erinnern.
Wir haben hier vor einigen Jahren über das neu beschlossene Gesetz bezüglich überlanger Verfah ren geredet, über deren Anzahl wir regelmäßig im Ausschuss Informationen bekommen. Das betrifft nicht nur das Landgericht, sondern alle Gerichte. Wir haben festgestellt, dass die Rücklagen, die wir ur sprünglich für die Entschädigungszahlungen geplant haben, gar nicht so gekommen sind. Für diejenigen, die im Rechtsausschuss sitzen, war ganz deutlich, dass hier eine gute Arbeit gemacht wird, es nicht zu diesen Zahlungen kommt und dass das nur ganz selten einmal der Fall war. Das kann man auch in den Vorlagen nachlesen, die wir in diesem Jahr hatten.
Richtig erschüttert, das möchte ich deutlich sagen, hat mich das, was Sie hier versuchen, Herr Schäfer. Sie machen eine Aktuelle Stunde aufgrund eines Ar tikels. Das ist Ihr Recht, das können Sie nach unserer Geschäftsordnung machen. Geärgert hat mich aber, dass Sie hier den Eindruck erwecken wollen, dass die Kriminalität durch den Zustrom von Flüchtlingen automatisch steigt.
Das weise ich zurück! Das ist nicht so! Ich finde ganz gefährlich, was Sie hier von sich geben, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.
Dass die Zahl der Verfahren beim Verwaltungsgericht ansteigt, weil wir natürlich zusätzliche Asylverfahren haben und so weiter, beim Familiengericht, weil es ganz viele Vormundschaftssachen und so weiter zu klären gibt, bestreite ich nicht. Dass man aber gleich so einen Automatismus hat, „mehr Flüchtlinge gleich mehr Kriminalität“, das stimmt nicht, Herr Schäfer.
Mir wird noch einmal deutlich, die Aktuelle Stunde benutzen Sie eigentlich nur, um ein bisschen Stim mung zu machen und die Justiz schlechtzureden.
Eine Aktuelle Stunde hätte man auch im Mai beantra gen können, als diese Untersuchungshäftlinge freige kommen sind. Ich stehe an der Seite der Menschen, die kritisieren, dass es dazu gekommen ist. Natürlich muss man auch auf die Richterschaft hören, wenn es zu Problemen kommt, und gemeinsam versuchen, diese Dinge zu lösen.
Noch einmal zum Abschluss: Letztes Jahr hat es eine Ausnahmesituation gegeben. Die Zahl der Großver fahren bei den Strafverfahren ist angestiegen. Auch die Anzahl der Untersuchungshäftlinge ist gestiegen. In den letzten zehn Jahren gab es nie ein Freilassen von Untersuchungshäftlingen. Es gab jetzt eine Aus nahmesituation, weil die Zahl von 50 auf 79 Unter suchungshäftlinge angestiegen ist. Da sind bereits Anfang des Jahres mit Personalaufstockungen Schritte eingeleitet worden. Ich hätte mir gewünscht, dass bei vielen, die sich in diesem Bereich engagieren, nicht der Eindruck geblieben wäre, man will damit ein politisches Signal senden. Das finde ich fatal für die Bürgerinnen und Bürger.
Die Justiz macht hier eine gute Arbeit! Wir werden weiterhin einen Schwerpunkt auf die Justiz setzen, wie wir das bisher gemacht haben. Da braucht es keine CDU, die hier seit 1993 nur Personal gekürzt hat, Herr Dr. Yazici. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Der Präsident hat es gerade in meinem Rücken gesagt, das bleibt jedem selbst überlassen. Ich werde meine Rede nicht halten, weil ich es wichtiger finde, wie es vereinbart war, wir gehen um 12.15 Uhr zum Gedenktag für die Reichs pogromnacht. So war das geplant, und ich weiß nicht, warum dieser Tagesordnungspunkt jetzt bis zum bitteren Ende behandelt werden muss. Man kann ja auch sagen, man unterbricht die Versammlung.
Frau Aulepp will auch noch reden. Wir haben jetzt 12.15 Uhr. Ich komme, leicht gehbehindert, nicht schneller dort hin, und deswegen werde ich jetzt dort hingehen und keine Rede halten! – Vielen Dank!
Da kein Antrag auf Unterbrechung der Sitzung von den Fraktionen gestellt worden ist, frage ich Sie, ob Sie damit einverstanden sind, dass wir die Aktuelle Stunde unterbrechen und nach der Mittagspause mit der Aktuellen Stunde fortfahren. Gibt es dafür Einverständnis? – Herr Vorsitzender?
Dann unterbreche ich die Sitzung bis nach der Mit tagspause. Wir setzen die Debatte um 15.00 Uhr fort.
Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich die Mitglieder des Politikkurses der Erwachsenen schule Bremen.