Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Sie handeln kurzsichtig, ohne Umsicht und ohne Rücksicht auf die Bürger. Sie haben die Eignungs testkriterien für die Aufnahme in den Polizeidienst gesenkt. Sie haben das Image der Polizeiarbeit nach haltig beschädigt. Sie haben die Prävention außer Acht gelassen. Wie ist es sonst zu verstehen, dass nur ein Beamter für die organisierte Kriminalität der Clanfamilien zuständig ist?

Apropos Clanfamilien: Die Gewalt gegen Polizei beamte hat 2015 um 18,5 Prozent zugenommen, inzwischen sind es 418 Fälle. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, die Verbrecher, Hooligans oder die Clanfamilien würden es nicht wagen, einen Poli zisten anzugreifen, wenn sie wüssten, dass sie sofort verhaftet, in Untersuchungshaft gebracht werden würden und dass ihnen würden ziemlich schnell empfindliche Strafen drohten! Mit empfindlicher Strafe meine ich eine Gefängnisstrafe und keine Bewährungsstrafe.

Sie aber haben Ihre Polizei – nein, unsere Polizei! – fast zahnlos gemacht. Ich zitiere aus der Folie 17 des Referats 31 Ihres Hauses, das in einer Pressekonferenz

im März dieses Jahres vorgestellt wurde: „Die 2 938 Taschendiebstähle, die im Jahr 2015 in Bremen ange zeigt wurden, haben eine Aufklärungsquote von 10,1 Prozent.“ Die konkrete Zuordnung der Langfinger ist aber erstaunlich: 12 Prozent Mitteleuropäer, aber 66 Prozent Nordwestafrikaner!

Meine Damen, meine Herren, welche Konsequenzen haben diese Nordwestafrikaner zu befürchten? Es darf bei einer Straftat keinen Bonus geben! Keine Straftat darf bagatellisiert werden, sie muss sofort geahndet werden, je jünger der Delinquent ist, desto schneller!

Während die Täter kalte Profis sind, sind Bürger oder Touristen wehrlose Opfer. Bei der Einbruchstatistik hat Bremen den Spitzenplatz inne. Auf 100 000 Einwohner entfallen 471,6 Einbrüche. In der Hauptstadt Berlin sind es 342,7 Einbrüche. Auch hier ist der finanzielle und wohl auch seelische Schaden der Geschädigten enorm. Größer allerdings sind der gesellschaftliche Schaden und das Gefühl, machtlos und schutzlos dem Verbrechen gegenüberzustehen. Nebenbei bemerkt, als Opfer ist man auch ziemlich allein. Der fehlende Schutz der Bürgerinnen und Bürger verängstigt die Menschen.

Ich will zum Schluss kommen! Alle Studien zeigen auf, dass die Bürgerinnen und Bürger massiv verun sichert sind. Das erklärt auch die hohe Anzahl der ausgestellten und beantragten kleinen und großen Waffenscheine. Die Verunsicherung wird zu einem unangenehmen Gefühl, wenn die Polizei junge Frauen auffordert, sie möchten abends nicht allein ausgehen und vor allem nur in Begleitung am Wochenende die Discomeile besuchen. Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit, denken Sie einmal darüber nach! – Vie len Dank!

(Beifall ALFA)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hinners, Sie sollten sich überlegen, ob Sie solche Anfragen stellen, wenn sie zu dem kruden Zeug führen, dass wir uns eben anhören mussten,

(Beifall Die Linke, SPD)

denn das hat mit der Realität bei der Bremer Polizei überhaupt nichts zu tun. Ich durfte eine Legislatur periode diesem Parlament angehören, in der vier Fraktionen eine ordentliche Arbeit gemacht haben. Ich muss ehrlich sagen, in dieser Legislaturperiode haben wir die Fragestellungen zur Polizei wesentlich seriöser diskutiert, als das in Ihrem Redebeitrag zum Ausdruck gekommen ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich will deswegen auch gar nicht auf Ihren Redebei trag, Herr Hinners, eingehen, sondern auf die tatsäch lichen Fakten und auf das, was mit den Antworten auf die Große Anfrage tatsächlich berührt worden ist, um meinem Kollegen Hinners, den ich ansonsten sehr schätze, durchaus in Würdigung seiner Großen Anfrage entgegenzukommen, aber nicht Mythen zu bilden beziehungsweise irgendetwas herbeizufanta sieren, um das es nicht geht.

Die Große Anfrage geht auf Fragen ein, mit denen sich der Begleitausschuss der Strukturreform der Polizei beschäftigt. Die viel diskutierte Revierstrukturreform haben wir im Moment noch nicht zu debattieren, das ist nun einmal so. Wir warten gespannt auf das, was uns der Senat vorlegen wird.

In der Großen Anfrage geht es um die jetzt vorhan denen Lücken, die die zu kleinen Ausbildungsjahr gänge der vergangenen Jahre bei der Polizei gerissen haben, kurz gesagt, es gab mehr Altersabgänge als Nachwuchspolizisten. Aktuell – auch das ergibt sich aus der Großen Anfrage – sind 2 440 Vollzeitstellen besetzt, 2 540 sollten es eigentlich sein. Die Zielzahl ist im letzten Haushalt auf 2 600 Vollzeitstellen erhöht worden. Es besteht also eine Soll-Ist-Lücke von 160 Vollzeitstellen.

Dieses Problem führt dann auch tatsächlich zu unbe setzten KOP-Stellen, die in den Stadtteilen wichtige Arbeit machen. Weil die Ausbildungszeit bei der Polizei drei Jahre dauert, wird diese Lücke erst im Jahr 2020 geschlossen werden können. Das ist nichts Neues, mit dieser Situation haben wir uns hier schon des Öfteren beschäftigt, und deswegen schaue ich mir einmal die Lösungsvorschläge des Senats an.

Die Aufgaben der Polizei werden nicht weniger. Bei der Polizei sind viele Überstunden vorhanden, die Arbeitsverdichtung steigt weiter, und die Notmaß nahmen lesen wir auf der Seite vier: weiterführende Flexibilisierung der Arbeitszeit, befristete Verträge für pensionierte Polizeibeamte, Quereinsteiger, vor allen Dingen im Verwaltungsbereich, eventuell die Ausbezahlung der Überstunden. Ehrlich gesagt, die Ausbezahlung der Überstunden finde ich gut, ich hoffe, dass das auch tatsächlich passiert.

Ich habe mit zwei Maßnahmen wenig Probleme, und zwar mit den Quereinsteigern im Verwaltungsbereich, wenn sie keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen, und ich habe natürlich auch keine Probleme mit der Bezahlung der Überstunden. Allerdings habe ich ein Problem mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit und auch mit den Minijobs für pensionierte Polizisten, wenn sie dauerhaft Regelaufgaben übernehmen würden.

Man muss dort genau hinschauen, denn es ist vor Kurzem zu einer Auseinandersetzung darüber gekom men, dass einige besser bezahlt werden würden als andere. Die Höhe der Bezahlung ist davon abhängig, ob ein Werkvertrag abgeschlossen worden ist oder ob die Lebensarbeitszeit freiwillig verlängert worden

ist. Ich denke, man muss in diesem Bereich schauen, dass keine Ungerechtigkeiten geschaffen werden.

Zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit möchte ich sagen, dass die Arbeitszeit der Polizeibeamten in Bremen bereits hoch flexibel ausgestaltet ist. Diese Situation ist in der Bürgerschaft bereits des Öfte ren beraten worden. Es handelt sich um Dienst zu ungünstigen Zeiten und an Wochenenden. Das ist Normalität. Wir haben ja auch schon darüber beraten, dass Polizeibeamte jetzt schon am dienstfreien „Be tonwochenende“ – das ihnen tatsächlich zugesichert worden war – in den Dienst gerufen worden sind.

Wenn das Innenressort in diesem Bereich eine weitere Flexibilisierung plant, dann muss vorher eine ganz spürbare Erhöhung der Schichtzulagen erfolgen, und zwar genau so, wie es von der Gewerkschaft gefordert wird.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Polizei gilt auch die Bremer Erklärung für faire Beschäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst. Darin wird ganz klar festgelegt, dass eine geringfü gige Beschäftigung, also Minijobs, nur die absolute Ausnahme bleiben darf. Wenn sie die Ausnahme zur Personalverstärkung, wenn es dann wirklich einmal sein muss, sind, dann haben wir damit ein nicht so großes Problem. Sie sollten allerdings zu keiner Re gelbeschäftigung werden.

Ich finde es schwierig, die Minijobs für pensionierte Beamte bis zum Jahr 2020 festzuschreiben. Diesem Punkt werden wir nicht zustimmen.

Wir sehen allerdings ein großes Problem darin – und deswegen muss ich darauf eingehen –, die ent standene Lücke zwischen den Zielzahlen und dem real benötigten Personal tatsächlich kontinuierlich zu füllen. Das heißt, unser größtes Problem – und das ergibt sich auch aus der Antwort auf die Große Anfrage – haben wir damit, dass die Ausbildungs zielzahlen für die Jahre 2017 bis 2020 noch nicht festgelegt sind. Das ergibt sich aus der Antwort auf die Frage drei. Wir wünschen uns hier eine größere Kontinuität und Verlässlichkeit. Es hilft der Polizei und der Hochschule für öffentliche Verwaltung nicht weiter, wenn die Ausbildungskohorten lediglich von Jahr zu Jahr betrachtet werden, denn die Hochschule für öffentliche Verwaltung muss vernünftig planen können, denn dort werden ja auch Polizeibeamte ausgebildet.

Ich glaube, dass es gut wäre, wenn Senatorin Linnert und Senator Mäurer an diesem Punkt zu einer Ver einbarung kommen würden, in der die Ausbildungs planung bis 2020 festgeschrieben ist. Das wäre sehr wichtig, dann greifen nämlich auch die Angstdebatten von Rechtspopulisten ins Leere.

Ich habe vollstes Vertrauen zur Polizei. Ich möchte aber die Arbeitsbedingungen der Polizisten tatsächlich auf ein erträgliches Maß verändern. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft hat auf unseren An trag 2 600 Polizeibeamte hin beschlossen. Sie haben die 2 600 Stellen jetzt noch mit einem Reformpaket zusätzlich bestückt und als Ziel für 2020 uns vor Augen geführt.

Bei dieser Projektion vermissen wir eine Schwach stellenanalyse, und zwar bis heute. Wenn man ein entsprechendes Projekt auf den Weg bringt, dann sollte man vorher wissen, was man eigentlich re gulieren will, was man neu strukturieren will, aber man sollte sich nicht Punkt für Punkt en passant mit Schwachstellen beschäftigen. Erste Bemerkung!

Zweite Bemerkung! Der Kollege Hinners hat schon darauf hingewiesen, dass das Finanzierungskonzept auf tönernen Füßen aufgebaut ist. Flüchtlingskonzept, Integrationskonzept, das kann ich vielleicht noch nachvollziehen, in diesen Konzepten ist vielleicht seriös materiell etwas enthalten, aber 30 Vollzeit stellen aus refinanzierten Einnahmen zu finanzieren, das sehe ich noch nicht. Sind diese Mehreinnahmen die Gewinnabschöpfung aus den Strafverfahren, oder sind das Bußgeldeinnahmen? Das ist eine sehr dünne Nummer. Außerdem ist erkennbar, dass wir weiterhin bei den Vollzugsbeamten maximal 2 350 oder 2 360 Vollzeitstellen haben werden, es wird nicht auf 2 600 projiziert.

Unbefriedigend ist weiterhin: Wenn Sie wirklich im Jahr 2020 2 600 Beschäftigte erreichen wollen, dann müssen Sie auch in der Lage sein, anhand der Personalstruktur der jetzigen Polizei, der Abgänge, sagen zu können, wie viele Ausbildungsplätze wir bis zum Jahr 2020 ausweisen müssen. Die Kollegin Vogt hat dort mit ihren Ausführungen vollkommen recht. Es muss schon jetzt eine sichere Vereinbarung geschlossen werden, damit das Ganze auch glaub würdig bleibt.

Mir fehlt insbesondere, dass Sie nicht konkret wer den, wenn es darum geht, polizeiliche Arbeit und Aufgaben, die in andere Bereiche deligierbar sind, zügig umzusetzen. Wir haben Bereich der Groß- und Schwerttransporte und des Gebäudeschutzes die Möglichkeit, diese Bereiche aus dem engeren Poli zeibereich herauszunehmen und sie anderen privaten Dritten zu übertragen. Das erwarten wir einfach, damit auch die 2 600 Beschäftigten schneller über diese Schiene realisiert werden können.

Im Übrigen sprechen Sie hier an, dass Anzeigen online erstattet werden können. Das wäre vielleicht auch eine Erleichterung für die polizeiliche Arbeit. Im Mai dieses Jahres hatten wir das angemahnt. Sie wollten innerhalb von drei Monaten einen Bericht vorlegen. Mittlerweile sind sechs Monate vergangen, aber bis jetzt liegt kein Bericht vor. Ansonsten sind

es die üblichen plakativen Aussagen – Terrorgefahr, Cyberkriminalität und Flüchtlingsbewegung – ohne irgendeinen weiteren Inhalt.

Beim Wohnungseinbruchsdiebstahl gehen Sie uns nicht weit genug, ich habe das schon in einem früheren Antrag und, ich glaube, auch in der letzten Sitzung der Deputation für Inneres gesagt: Wir brauchen in Bremen Schwerpunktteams – geordnet nach den Him melsrichtungen – an vier Standorten. Weiterhin ist eine Aufstockung des zivilen Einsatzdienstes notwendig, damit wieder, wie in den erfolgreichen Jahren 2013 und 2014, in denen wir das einmal gemacht haben, vor Ort Aufklärungsarbeit und Präventionsarbeit geleistet werden kann, sodass Erfolge im Bereich der Einbruchskriminalität erzielt werden können. Das sehe ich hier überhaupt nicht.

Des Weiteren hätte ich konkrete Zahlen erwartet, wenn Sie von der Flexibilisierung der Arbeitszeit sprechen. Wie viele Arbeitsplätze sollen entstehen? Auf welche Weise sollen die Arbeitsplätze gestaltet werden? Die Maßnahmen Dienstverträge mit pen sionierten Beamten und die Auszahlung von Über stunden kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Sie sind in der letzten Deputationssitzung, glaube ich, angesprochen worden.

(Abg. Senkal [SPD]: Das wird passieren!)

Ist dieses Jahr noch damit zu rechnen? Ich glaube, es ist der Vertreter des Personalrats gewesen, dem Sie auf seine gestellte Frage keine sichere Antwort geben konnten, weder ja noch nein, Sie haben es in Ihrer Antwort völlig offen gelassen.

Die Übernahme von Angestellten in den Polizeibe reich wird nicht weiter konkretisiert.

Wenn wir uns ernsthaft über ein Konzept für die nächsten Jahre unterhalten wollen, dann müssen Sie auch sagen, wie viele Stellen Sie im Einzelnen wofür einsetzen wollen und wie viele dadurch quasi für Vollzugsbeamte zusätzlich frei werden.

Im Übrigen ist keine Aussage zur Sachausstattung der Polizei vorhanden. Das ist damit auch noch ein Thema für die Zukunft. Wie sieht es mit den Polizei fahrzeugen aus, was soll passieren? Für Polizeiwesten hatten Sie ja im Zusammenhang mit der Terrorgefahr eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Sollen die Polizeifahrzeuge möglicherweise mit Laptops ausge rüstet werden? Auch dies hatten wir schon einmal angesprochen, das könnte auch eine Möglichkeit sein, die Polizeiarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen.

Insgesamt also unzulänglich, nicht ausgereift! Für eine inhaltliche Debatte muss mehr Butter bei die Fische!

(Glocke)

Hier sind zu viele Leerformeln vorhanden, die eine richtige Reform nicht erkennen lassen.

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr ge ehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Senkal hat es eben schon gesagt, die Antwort des Senats gibt einen guten Überblick über die derzeitige Situation, und es ist, glaube ich, auch angemessen, dass wir über die Situation der Polizeibehörden im Land von Zeit zu Zeit hier im Landtag sprechen, wohl wissend, dass die Debattenbeiträge auch bei den Beamtinnen und Beamten wahrgenommen werden.