Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die jetzt verhandelten Neuregelungen der BundLänder-Finanzbeziehungen bedeuten im Kern – es gibt dazu viele Regelungen –, dass Bremen ab 2020 487 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen als heute, Tendenz steigend, denn ein Teil des Betrages erhöht sich dynamisch von Jahr zu Jahr. Das ist die strukturelle Hilfe in Höhe von 87 Millionen Euro. Meine Vorredner sind darauf eingegangen, dass die 487 Millionen Euro aus der strukturelle Hilfe in Höhe von 87 Millionen Euro und aus einer Sanierungshilfe von 400 Millionen Euro bestehen. Wichtig ist, dass diese Hilfen unbefristet gewährt werden.
Meine Damen und Herren, für uns Grüne möchte ich auch sagen, dass das eine gute Nachricht für Bremen und Bremerhaven und ein Erfolg für den Senat ist, insbesondere für Finanzsenatorin Linnert und Bür germeister Dr. Sieling, die dieses Ergebnis vorbereitet und für das Land Bremen ausgehandelt haben.
Es ist gut für Bremen und Bremerhaven, dass der Bund bei der Finanzierung der Hafenlasten an Bord bleibt und weiterhin Investitionen in die Verkehrsin frastruktur fördert. Beides wollte der Bund nämlich ursprünglich streichen.
Finanzbeziehungen eingehen, denn Herr Bürger meister Dr. Sieling hat das ja bereits sehr detailliert ausgeführt, allerdings möchte ich – Herr Röwekamp, Sie haben es vorhin angesprochen – auf die Schulden in Höhe von 21 Milliarden Euro zu sprechen kommen. Sie sind in der Tat Bremens größtes Problem, die größte Herausforderung, Aufgabe und Verantwortung für Bremen. Trotzdem möchte ich einen Blick in die Vergangenheit werfen.
Bremen ist ein Haushaltsnotlageland, aber nicht das einzige. Das Saarland befindet sich beispielsweise in einer ähnlichen Situation. Bremen gehörte nicht immer zu den Haushaltsnotlageländern. Die Gemein definanzreform führte 1970 dazu, dass sich die finan zielle Situation Bremens deutlich verschlechterte. Der Schuldenberg wuchs ab 1970 an, andere profitierten hingegen von der Gemeindefinanzreform, beispiel haft ist unser niedersächsisches Umland zu nennen. Trotzdem muss Bremen Infrastruktur vorhalten, von der im Übrigen auch das niedersächsische Umland profitiert, ob es nun Krankenhäuser, Theater, Museen, Hochschulen, Schwimmbäder oder Sporthallen sind. Kurzum, Bremen muss als kleinstes Bundesland die gesamte Infrastruktur eines Bundeslandes und einer Großstadt vorhalten und damit auch finanzieren.
Das Ziel des Finanzausgleichs ist es, die unterschied liche Finanzkraft der Länder angemessen auszuglei chen, um auf diese Weise sicherzustellen, dass sie ihre zugewiesenen Aufgaben auch wahrnehmen können. Bremen hat es hier als Stadtstaat deutlich schwerer, da es wie alle Großstädte, und zwar anders als der ländliche Raum, hohe Sozialausgaben hat.
Was bedeutet das Verhandlungsergebnis zum Bei spiel im Hinblick auf die Unabhängigkeit Bremens? Herr Professor Dr. Möllers hat in der Sondersitzung am 30. Oktober zum Jubiläum der Bürgerschaft als Gastredner gesprochen – ich glaube, alle Abgeordnete waren anwesend –, und er zitierte den ehemaligen Bürgermeister Dr. Scherf, der gesagte hatte: „Die Freiheit beziehungsweise Unabhängigkeit Bremens war genau dreimal gefährdet, durch Napoleon, 1933 und jetzt.“ Mit „jetzt“ meinte er damals das Bundes verfassungsgericht, das über Bremens finanzielle Lage entscheiden sollte.
Mit diesem Zitat hatte er hier im Plenum erst ein mal Heiterkeit produziert, denn natürlich erscheint der Vergleich erst einmal gewagt, ob man vor dem Bundesverfassungsgericht sein Land vertritt oder ob ein französischer General mit seiner Armee vor den Stadttoren steht und sich die Bevölkerung bedroht fühlt. Ich sage einmal, so ganz unrecht hatte er nicht, denn natürlich ging es in all diesen Debatten rund um Bremens finanzielle Situation auch immer um die Frage der Unabhängigkeit des kleinsten Bundeslan des. Ich glaube, mit dem vorliegenden Entwurf des Länderfinanzausgleichs ist diese Debatte über die Eingemeindung Bremens in Niedersachsen oder die Verschmelzung in einem Nordstaat hoffentlich erst einmal beendet.
Herr Röwekamp, Sie haben vorhin eine Pressemittei lung der Grünen zitiert und noch einmal darauf Bezug genommen, dass Sie meinten, in dieser Pressemittei lung stehe, dass die Grünen sich von dem horizontalen Ausgleichssystem nicht trennen könnten. Ich finde, wenn man eine Pressemitteilung zitiert, dann muss man sie auch in Gänze vorlesen. Ich möchte des gern einmal tun.
„Der Verzicht auf den Länderfinanzausgleich im eigentlichen Sinne ist eine Verschiebung des Solida rausgleichs auf den Bund.“ Das ist richtig. „Bei der Ausgestaltung der Grundgesetzänderung ist deshalb ganz genau darauf zu achten, dass diese Neuerung nicht zu einem grundsätzlichen Abbau der Solidarität unter den Ländern führt. Vor allem das verfassungs mäßige Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet muss erhalten bleiben.“ Ich glaube, meine Damen und Herren, dagegen kann niemand etwas haben!
(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Röwe kamp [CDU]: Das ist aber eine andere Pressemittei lung, die ich habe! Ich habe eine vom 14.10., darin steht das nicht!)
(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber ich kann Ihnen die organisieren, Herr Röwekamp! – Abg. Röwekamp [CDU]: Ich Ihnen die hier auch!)
aber für mich zählt jetzt die, in der sich die Grü nen sehr deutlich für Solidarität unter den Ländern ausgesprochen haben, und zwar nicht in Bezug auf vertikale oder horizontale Hilfen, sondern ganz klar in Bezug auf gleiche Lebensbedingungen in allen Bundesländern.
Mit der Freiheit und Unabhängigkeit ist aber auch eine Verantwortung verbunden, und Verantwortung heißt in diesem Fall heute auch, dass das jetzt Erreich te sinnvoll eingesetzt werden muss und nicht aufs Spiel gesetzt werden darf. Bremen hat in den letzten Jahren seit 2011 die Konsolidierungsvereinbarung eingehalten und ist dem Sanierungspfad gefolgt. Dafür bekamen wir seitdem in all den Jahren für die Konsolidierung jeweils 300 Millionen Euro jährlich vom Bund. Das Geld war und ist extrem wichtig für Bremen, aber diese Konsolidierungshilfen sind nicht in den Haushalt geflossen, sondern vermindern ausschließlich die jährliche Nettokreditaufnahme.
Der Preis, den wir dafür gezahlt haben und der auch richtig ist, war trotzdem hoch, denn natürlich – das zeigen ja immer alle Debatten über jeden Haushalt hier – hätten wir alle gern mehr Geld für Personal, für Projekte, für Schulen, Ganztagsschulen, Kindergärten, Klimaschutzmaßnahmen und so weiter zur Verfügung
gehabt; damit hätten wir aber den Sanierungspfad verlassen und garantiert nicht die 300 Millionen Euro jährlich bekommen, was die finanziellen Probleme zulasten der Bevölkerung nur weiter vergrößert hätte. Ich bin mir sicher, dass Bremen, wenn wir nicht so konsequent diesem Sanierungspfad gefolgt wären, bei den Verhandlungen die anderen Bundesländer und den Bund nicht hätte überzeugen können, Bre men finanziell so unter die Arme zu greifen, wie sie es jetzt getan haben.
Ich bin überzeugt, dass beim Bund und damit beim Stabilitätsrat deutlich wahrgenommen worden ist, dass Bremen sich in den letzten Jahren angestrengt hat, die Konsolidierungsvereinbarung einzuhalten, und diese nicht immer beliebte, aber notwendige Spar samkeit hat nun zum Erfolg bei den Verhandlungen geführt. Der finanzielle Boden Bremens war dünn. Durch die Verhandlungsergebnisse bei der Neure gelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist er etwas dicker geworden, aber es ist ganz sicher kein Tanzboden und auch kein Boden für große Sprünge, Herr Röwekamp, da gebe ich Ihnen recht.
Damit will ich sagen, dass der Vorteil der 487 Millionen Euro ab 2020 zwar ist, dass sie komplett – anders als die 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfen vorher – und auch ohne Verwendungszweck beziehungs weise Auflagen in den Haushalt eingestellt werden dürfen, wir also darüber frei verfügen können, aber auch wir Grünen glauben, dass wir gut daran tun, nicht jetzt schon das Geld mit vollen Händen zu verplanen. Zum einen muss Bremen ab 2020 die Schuldenbremse einhalten, zum anderen hat sich der Altschuldenberg von über 20 Milliarden Euro nicht in Luft aufgelöst. Wie sich die zu bezahlenden Zinsen künftig entwickeln, ist noch nicht absehbar. Wir werden damit anfangen müssen, diese Altschul den zu tilgen. Das, was wir durch die Neuregelung bekommen, ist etwas mehr finanzieller Spielraum in den zukünftigen Haushalten, als wir ihn jetzt haben.
Es gehört aber bei aller Freude über das erzielte Ergebnis der Verhandlungen und die Aussicht auf mehr Geld ab dem Jahr 2020 – und darüber darf man sich schon freuen – eben auch zur Wahrheit, und man muss es bedenken: Erstens, bis zum Jahr 2020 liegt noch ein steiniger Weg mit weiteren Einsparungen vor uns. Im nächsten Haushalt 2018/2019 werden wir die Früchte der neuen Bund-Länder-Finanzbeziehungen noch nicht ernten können. Hier werden erst einmal noch weitere Einsparungen nötig sein, die garantiert dem einen oder der anderen auch bitter aufstoßen.
2020 ergießt sich dann auch nicht ein bedingungs loses Füllhorn in den Haushalt. Das fand ich, ehrlich gesagt, ein bisschen widersprüchlich in Ihrer Rede, Herr Röwekamp, Sie können es ja vielleicht auch noch einmal erklären, aber Sie haben zum einen gesagt, die Forderung der CDU sei, die 400 Millionen
Euro zur Tilgung der Schulden heranzuziehen, zum anderen aber auch wieder zu investieren, damit wir Mehreinnahmen generieren. Ich glaube aber, einen Euro kann man kann man nur genau einmal ausgeben.
Meine Vorredner sind auch schon darauf eingegan gen, die Konditionen sind noch nicht abschließend geregelt. Ich gehe davon aus, dass es weiterhin auf Bundesebene ein Kontrollgremium wie den Sta bilitätsrat geben wird, und natürlich wird Bremen künftig die Schuldenbremse einhalten müssen. Wir haben uns hierzu gesetzlich verpflichtet, und auch wenn die Verhandlungen erst einmal abgeschlossen sind, so ist das Verfahren ja noch nicht beendet – auch darauf wurde bereits eingegangen –, denn das Ganze wird inklusive Verfassungsänderung Eingang ins Grundgesetz finden, also müssen wir erst einmal warten, wie das Gesetz am Ende ausgestaltet wird.
Lassen Sie uns aber das bisherige Verhandlungser gebnis trotzdem erst einmal mit Freude ansehen! Ich finde, es ist ein wirklicher Erfolg. Wir können mit dem Ergebnis eine nachhaltige Sanierung des Haushalts erreichen und gleichwertige Lebensverhältnisse im Vergleich zu anderen Bundesländern schaffen, aber lassen Sie uns dennoch mit Augenmaß und Verant wortung die nächsten Schritte gehen! Der finanzielle Boden ist dicker geworden, aber für Pogo oder Tango reicht es wahrlich nicht. Es ist allerdings ein wichtiger und entscheidender Beitrag zur Stabilisierung des Bremer Haushalts und der Bremer Finanzlage, und es bietet Bremen eine finanzpolitische Perspektive. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es vor weg sagen, damit es auch gesagt wird: Ich halte das Ergebnis der Vereinbarung über einen neuen Länder finanzausgleich im Kern für richtig und im Kern für gut. Die interessante Frage ist: Wie gut ist sie denn eigentlich? Damit will ich mich heute beschäftigen.
Ich habe mir vorgenommen, insbesondere weil eini ge Redebeiträge das so nahegelegt haben, ein paar Vorbemerkungen zu machen, und zwar deswegen, weil ich mit einigen geredet habe, die mir berichteten, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, dass Schäuble jetzt sauer sei und dass wir jetzt aufpassen müssten. Das sind alles Dinge, die nicht angemessen sind. Sie sind genauso wenig angemessen, als wenn
Wir verteilen nicht das Geld des Bundes. Es ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, der Menschen und der Unternehmen in diesem Land.
Es ist unsere Pflicht als Politiker, und zwar egal auf welcher Ebene, dafür zu sorgen, dass dieses Geld sinnvoll und sozial gerecht verteilt wird. Dort haben Eitelkeiten, Großzügigkeit und andere Dinge nichts zu suchen. Das sind in dieser Frage keine Kategorien.
Es darf doch nicht sein, dass wir eine Konkurrenz jetzt möglicherweise auslösen, also die Konkurrenz der Länder, sodass die Bayern sagen, wir müssen den Bremern viel Geld geben, und damit eine Konkurrenz zwischen dem Bund und den Ländern geschaffen wird, dass wir beispielsweise sagen, wir sanieren den Haushalt des Bundes auf Kosten der Haushalte der Kommunen. Ich finde, das geht nicht, und ich finde, dass man daran arbeiten muss. Es ist in der Tat so, dass ich der Meinung bin, dass diese neue Vereinbarung ein Schritt dahin ist, einer Gleichwer tigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland wieder näherzukommen.
In meiner zweiten Vorbemerkung will ich noch ein mal Folgendes deutlich machen: Natürlich sind die Schulden, die die Kommunen, die Länder und der Bund haben, eine enorme Belastung. Natürlich fallen erhebliche Zinsen an, auch wenn wir jetzt Glück ha ben, dass wir uns in einer Niedrigzinsphase befinden und sogar Negativzinsen anfallen. Das will ich jetzt alles einmal nicht betrachten. Natürlich sind diese Schulden immens, und das Zahlen von Zinsen für diese Schulden ist eine enorme Belastung. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, wie diese Schulden zustande gekommen sind.
Wenn man sich die letzten 20 oder 30 Jahre anschaut, dann sind ein wesentlicher Grund für die unzuläng liche Finanzierung der Gemeinden und der Länder sowie des Bundes Steuererleichterungen. Sie haben nicht dazu geführt, dass Steuermehreinnahmen ge neriert wurden, die die Steuererleichterungen ausge glichen hätten, sondern sie haben im Wesentlichen dazu geführt, dass statistisch der Reichtum in diesem Land in einer Weise gestiegen ist wie niemals zuvor.
Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass wir, wenn wir über eine Altschuldenregelung reden, diejenigen heranziehen müssen, die von diesen Schul den sozusagen profitiert haben. Wir müssen sie ein kleines bisschen von ihrem Reichtum entlasten. Das wäre eine Perspektive jenseits des Länderfinanzaus gleichs, die wir brauchen. Die Vermögenssteuer ist dringend notwendig, um die Altschulden zu reduzieren
Das Problem mit Ihnen, Herr Kollege, ist, dass sie statistisch nachweisbare Fakten, Entwicklungen, öko nomische Entwicklungen, die ich Ihnen hier benannt habe, immer dadurch versuchen, irgendwie in ein schlechtes Licht zu rücken, indem sie mir Ideologie vorwerfen. Das hat mit Ideologie nichts zu tun.
(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Nein, es ist sogar Mot tenkiste! Es ist Mottenkiste! – Abg. Strohmann [CDU]: Der allgemeine Reichtum ist auch gestiegen!)
Das Anwachsen des privaten Reichtums und die Geschwindigkeit, mit der er steigt, können Sie in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes nachlesen.
Die Höhe des Vermögens und die Höhe der Schul den können Sie in den Veröffentlichungen ebenfalls nachlesen.
Ich sage an diesem Punkt: Jemand, der eine Million Euro auf dem Konto hat und den wir um 100 000 Euro erleichtern, ist nicht arm, sondern lediglich weniger reich, allerdings können die Kommunen dann endlich auskömmlich finanziert werden. Das ist meine feste Überzeugung, aber keine Ideologie. Das ist einfaches Rechnen.