Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

Ich muss Ihnen ganz kurz sagen: Ich habe mich etwas gewundert, da Sie eben Ehemöglichkeiten zwischen 14 und 16 nannten. Denn ich finde, im Alter von 14 oder 16 Jahren ist man in der Pubertät, und wenn ich mir vorstelle, dass da schon Ehen geschlossen werden – auch mit dem Hintergrund, dass eventuell Kinder da sind; ich meine, wenn es danach geht, bekommen manche Menschen beziehungsweise Kinder schon Kinder mit 12 –, dann, finde ich, ist es keine Rechtfertigung, in diesem Alter schon Ehen zuzulassen.

(Beifall FDP, CDU, LKR)

Ich möchte noch einmal – weil ich dort vorhin stehengeblieben bin – ganz kurz darauf eingehen: Was mich wahnsinnig schockiert hat, ist diese unglaubliche

Zunahme an Bußgeldern wegen Schulschwänzens, diese 460 Prozent in der Stadt Bremen.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: In der Stadt Bremen! In Bremerhaven ist es zurückgegangen!)

In Bremerhaven ist es zurückgegangen – das stimmt! Danke für die Klarstellung, Frau Böschen! Bremerhaven ist besser. – Im Stadtgebiet Bremen ist es massiv gestiegen, und das, finde ich, ist wirklich ein Riesenproblem. Wenn man sich überlegt, was mit den Kindern passiert, wenn sie umziehen, wenn sie in solchen Ehen leben und dann von Bremen in ein anderes Bundesland ziehen – dann passiert Folgendes: Dann erlaubt der Datenschutz nämlich nicht, dass erfasst wird, wohin sie gehen und ob sie noch zur Schule gehen oder nicht. Wenn sie sich nicht melden, dann rutschen diese Kinder aus dem System heraus, und ich finde, das ist ein Tatbestand, den wir nicht zulassen dürfen. Datenschutz darf nicht über Jugendschutz stehen!

(Beifall FDP, LKR)

Es kann nicht sein, dass es den zuständigen Behörden in anderen Bundesländern, wenn eine Schülerin in Bremen abgemeldet wird, nicht bekannt ist, dass es hier schon Probleme mit der Schulpflicht gab. Da, denke ich, müssen wir zusehen, dass es endlich einen Austausch zwischen den Bundesländern gibt, denn Schulbildung ist der Grundstein für das spätere Leben. Es ist der Grundstein für Integration und übrigens auch für ein emanzipiertes und selbstbestimmtes Leben.

(Glocke)

Frau Steiner, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Öztürk zulassen?

Ich muss erst fertigwerden, dann gern! Ich habe ja nicht so viel Zeit.

(Zuruf)

Wir bekommen das schon hin!

Später, bitte! Danke!

Zu Frau Bernhard muss ich sagen: Frau Bernhard, von Ihnen bin ich wirklich überrascht, wenn nicht sogar schockiert. Dass Patriarchat auch in deutschen Ehen vorkommt, das gibt es überall, das gibt es auch immer noch in einigen anderen Ehen, egal, ob in Deutschland oder in anderen Ländern; das mag sein. Aber eine Aufklärung gibt es in Deutschland schon verdammt lange, und Frauen sind hier weitaus selbstbestimmter als in anderen Kulturkreisen. Offensichtlich versuchen Sie hier, unter dem Deckmantel des Kulturkreises solche Zwänge zu schützen.

Wir sollten eher versuchen, den Entscheidungswillen der Frauen und die Selbstbestimmtheit zu stärken und es nicht einfach mit der Erklärung hinzunehmen, sie kämen aus einem anderen Kulturkreis. Für mich ist es so: Es gibt doch Kinder, die sogar im Alter von zehn Jahren – es sind ja noch Kinder – erzählen, sie seien in ihren Papa verliebt, weil Papa ihnen gerade ein rosa Pferdchen geschenkt hat. Allen Ernstes: Das kann man jetzt positiv darstellen, dass wir „nur“ acht Ehen in Bremen haben, bei denen die Partner unter 16 Jahren und verheiratet sind. Aber ich finde, acht Ehen unter 16 sind acht Ehen zu viel, und das darf nicht hingenommen werden!

(Beifall FDP)

Ganz ehrlich: Ich habe Sie hier immer als aufgeklärte und emanzipierte Frau wahrgenommen, da schockt es mich, was Sie hier eben gesagt haben. In Deutschland haben Frauen die Chance, sich zu emanzipieren, und sie lernen immer im Alltag und in der Gesellschaft, was es heißt, hier als Frau zu leben. Aber wer sich isoliert, wer vielleicht auch in einem solchen Eheverhältnis isoliert aufwächst, der bekommt diese Chance erst gar nicht. Hier sind wir in der Pflicht, den Mädchen diese Chance einzuräumen, und im Zweifel eben nicht, dass sie das Unrecht erfahren und es gar nicht erst merken.

Frau Aulepp, bei Ihnen möchte ich mich auch noch einmal kurz bedanken, weil ich finde, das Thema Jugendamt ist ein ganz entscheidendes. Ich kann Ihnen absolut zustimmen, dass das Jugendamt einen großen Beitrag dazu leisten kann, diese Mädchen zu begleiten, dass das Jugendamt dafür zuständig ist, gegebenenfalls auch diese Ehen zu betreuen, zu schauen, zu verifizieren, ob das alles seine Richtigkeit hat. Ich denke, dass es die Ämter schaffen würden, auch ausländisch geschlossene Ehen noch anzuerkennen und zu prüfen, ob das alles seine Richtigkeit hat.

Sie sagten ja noch, dass es wichtig sei, sie zu ermutigen, sich Hilfe zu holen. Frau Dogan hat es eben auch gesagt; Frau Hauffe hat für die ZGF den Flyer „Heiraten, wen ich will“ erstellt, den finde ich ganz großartig. Deshalb danke ich Ihnen für Ihre Unterstützung, dass Sie das alles geleistet haben! Auch dass so viele Flyer nachgedruckt wurden, ist natürlich ein ganz tolles Zeichen, zeigt aber auch, dass es vielleicht doch Beratungsbedarf gibt.

Als letzten Aufruf dazu: Ich denke, wir müssen schauen, inwiefern man Änderungen des rechtlichen Rahmens hinbekommt und diese durchsetzen sollte, um auch Kinderehen zu bekämpfen. Denn ganz ehrlich: Es gehört eben nicht zu unserem Gesellschaftsbild, dass Kinder unter 16 verheiratet sind und verheiratet sein dürfen. Nicht umsonst dürfen Menschen, die jünger als 18 sind, nur dann hier heiraten, wenn sie vor Gericht die nötige Reife belegen können. Um Mädchen dann auch vor absurden – ich nenne das für mich absurd; für mich ist es das tatsächlich – kulturel

len oder religiösen Traditionen schützen zu können, sollten wir auch versuchen, diese Kinderehen nicht zuzulassen, sondern sollten aufklären und versuchen, dementsprechend auch unsere Gesetze anzupassen und zu ändern. – Danke!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort für eine Kurzintervention Herr Dr. Yazici.

Abg. Dr. Yazici (CDU)*) Ich möchte diese Kurzintervention nutzen, um eine Irritation aus der Welt zu schaffen. Ich habe eigentlich gedacht und gehofft, dass ich mich klar ausgedrückt habe, möchte es aber wiederholen: Für uns als CDU-Fraktion sind die deutschen Gesetze der Maßstab. Eine Ehe unter 16 Jahren ist in Deutschland verboten, und wenn eine im Ausland geschlossene Ehe hier anerkannt werden möchte, ist sie natürlich auch verboten. Deswegen ist für uns die Grenze 16, und alle Ehen unter 16 möchten wir in Zukunft in Deutschland verboten sehen.

(Beifall CDU)

Dann haben wir eine Wortmeldung zu einer weiteren Kurzintervention von Herrn Kollegen Öztürk. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Ich will noch einmal die Gelegenheit nutzen, auf die Ausführungen von Frau Steiner einzugehen. Ich habe nicht verstanden: Wo ist der Zusammenhang zwischen den Bußgeldern für Schulvermeider und Kinderehen? – Ich glaube, das haben viele nicht verstanden. Wenn Sie das noch einmal erläutern könnten – das hat sich mir in keinster Weise erschlossen. Sind die eher dadurch in Gefahr, in Kinderehen zu landen, weil sie Schulmeider sind, oder wie? Das erschließt sich mir nicht.

Die nächste Rednerin ist Frau Bernhard.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Frau Bernhard erklärt jetzt, was Frau Steiner meint!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nein, den Zusammenhang kann ich nicht erklären, der jetzt gerade aufgeworfen wurde. – Es ist ein wenig bedauerlich, weil ich eigentlich den Eindruck hatte, dass alle mit einem unterschiedlichen – wie soll ich sagen? – Kontext eigentlich dasselbe wollen, weil alle mehr oder weniger gesagt haben: Wir brauchen keine Pauschalverbote, sondern Einzelfallbegutachtung, eine Reflexion der jeweiligen Betroffenen. – Das ist ein positives Zeichen. Das hatte ich mir so gar nicht erwartet, um das noch einmal zusammenzubringen.

Gemeldet habe ich mich noch einmal, um einem Missverständnis entgegenzutreten: Ich habe nie gesagt, das ist jetzt der Kulturkreis, und deshalb müsste man das entschuldigen. Das war nicht meine Aussage. Ich habe gesagt, wir haben auch eine patriarchale Tradition, auf die wir zurückblicken, und das ist letztendlich auch so. Ich denke, Sie unterschätzen ein Stück weit, wie viele abhängige Ehen hier in Deutschland – völlig unabhängig vom Alter – –. Die Eigenständigkeit der Frauen, die wir haben wollen und an der wir auch die ganze Zeit arbeiten, existiert selbstverständlich in einem erhöhten Maß, und die gibt es selbstverständlich auch.

Selbstverständlich ist zwischen 14, 16 und 18 Jahren ein Unterschied zu machen. Den Konsens, der sich hier angedeutet hat – wir schauen auf die einzelnen Fälle –, finde ich immer noch gut und richtig. Daran sollten wir weiterarbeiten. – Danke!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nicht alles wiederholen, aber das eine oder andere klarstellen, sowohl zu unserer Senatsantwort als auch zum Verfahren.

Richtig ist, dass sich aus den Zahlen des Senats nicht ergibt, dass wir eine merkliche Zunahme von Minderjährigen-Ehen haben. Richtig ist allerdings auch, dass wir es nicht vollständig ausschließen können. Es gibt kein zentrales Ausländische-Ehen-Erfassungsregister oder etwas Ähnliches, sondern das sind die Zahlen, die uns bekannt sind. Ich habe den Eindruck, dass nicht allen das Verfahren klar ist, und möchte es deshalb erläutern. Manchmal gewinnt man in der Debatte den Eindruck, es gäbe irgendwo bei uns in der Bremischen Verwaltung oder im Bundesgebiet eine Ehe-Anerkennungsstelle, wo Beamte sitzen, zu denen Menschen kommen und sagen: Pass auf, ich habe im Ausland geheiratet, ich bin 14, er ist 18 Jahre alt. Könntest du uns einen Stempel geben? – So funktioniert das nicht.

Wir gehen von einem zivilrechtlichen Institut aus: Menschen haben sich zivilrechtlich im Ausland darauf verständigt, eine Ehe einzugehen. Das internationale Privatrecht sieht vor, dass wir in diesen Fällen nicht hier in Deutschland eine förmliche Eheanerkennung vornehmen, sondern nur anlassbezogen prüfen, ob die Eheschließung im Ausland rechtmäßig zustande gekommen ist. Das internationale Privatrecht regelt die Berührung zwischen verschiedenen Zivilrechtsordnungen. Damit haben wir es hier zu tun. Der Staat wird bei uns eingeschaltet, wenn er eine Frage zu bewerten hat, die vom Bestand der Ehe abhängt. Das kann in verschiedenster Form der Fall sein. Das Standesamt als Personenstandsbehörde in Bremen hat zum Beispiel damit zu tun, wenn Eltern ein Kind

eintragen lassen wollen, also eine Geburtsurkunde beantragen – das geht zum Glück wieder schneller.

(Beifall SPD)

Wenn sie sie beantragen, ist einzutragen: Ist das Kind ehelich oder nicht? An dieser Frage prüft das Standesamt als rechtliche Vorfrage: Sind die beiden verheiratet und ist die Eheschließung wirksam? Das führt dazu – das ist durchaus ein Problem, eine gesetzliche Klarstellung wäre hilfreich! –, dass verschiedene Behörden in Deutschland in verschiedenen Zuständigkeitskonstellationen mit der Frage beschäftigt sind: Ist eine Ehe unter bestimmten Voraussetzungen im Ausland wirksam zustande gekommen oder nicht? Wir haben in Deutschland keinen einheitlichen Maßstab zu der Frage: Wie gehen wir mit Ehen um, die im Ausland zustande gekommen sind, bei der einer oder beide sich im Alter zwischen 14 und 18 Jahren befinden?

Das ist nach meiner Überzeugung ein wirkliches Problem, weil wir relative Klarheit haben – das zieht sich durch die Rechtsprechung –, dass, wenn es zu einer solchen Überprüfung kommt, Ehen, die mit unter 14-Jährigen geschlossen worden sind, von den Gerichten oder den zuständigen Behörden regelmäßig nicht anerkannt werden; Ehen ab 16 Jahren in der Regel ja, aber nicht immer. Zwischen 14 und 16 kommt es stark auf die handelnde Behörde und das jeweilige Gericht an. Das ist ein Zustand, den man möglicherweise ertragen kann, wenn es um Einzelfälle geht. Wenn es aber vielhundertfach in Deutschland vorkommt, ist nach meiner Überzeugung der Gesetzgeber gefragt, Rechtsklarheit zu schaffen.

Ich finde es richtig, dass der Bundesjustizminister auf einen Gesetzentwurf hingewirkt hat. Ich finde aber nicht, dass er in jeder Etappe ganz glücklich agiert hat, da er zunächst eine unglaubliche Erwartungshaltung, sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht, geschürt hat, und zuletzt Anfang November mitgeteilt hat, noch in diesem Monat, also dem letzten, würde ein Gesetzesvorschlag vorliegen. Er liegt bis heute nicht vor. Es gibt sicher gute Gründe dafür, dass das Ganze rechtlich kompliziert ist und man mehr Zeit braucht. Nichtsdestoweniger ist eine Erwartungshaltung geweckt worden: Alle wollen jetzt Antworten auf eine rechtlich schwierige Frage. Auch ich wäre froh, wenn wir einfache Antworten darauf geben könnten. Es ist leider nicht so einfach.

(Abg. Hinners [CDU] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Es würde der gesamten Debatte viel nützen, wenn endlich ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch läge und man sich konkret an ihm abarbeiten könnte, anstatt auf einer Metaebene eine Debatte zu führen, die – ich bin sofort bei Ihnen, Herr Hinners – dazu führt, dass wir über ganz viele Dinge reden, die in

Wirklichkeit nicht zur Debatte stehen. Wir haben gerade über die Frage von Ehen unter 14-Jähriger gesprochen. Ich habe niemanden gehört, der sie will. Der Fokus titelt: Justizminister Maas verteidigt Ausnahmen für Kinderehen. – Das ist völliger Unfug. Die einzige Debatte, die im Moment auf Bundesebene geführt wird, ist, ob zwischen 16 und 18 Jahren Ausnahmen zugelassen werden. Kein Mensch diskutiert Ausnahmen für 14jährige, auf Bundesebene in der Regel sogar nicht für unter 16-Jährige.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Staatsrat, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinners zulassen?

Ja, klar!

Herr Staatsrat, nun gibt es ja in Bremen nach der Antwort des Senats eine Ehe, bei der das Mädchen 13 Jahre alt sein soll. Im Bundesgebiet gibt es weitere solche Ehen. Nach Paragraf 176 StGB sind sexuelle Handlungen mit Menschen unter 14 Jahren mit Strafe bedroht. Halten Sie es für erforderlich, dass in solchen Fällen – es ist ein Offizialdelikt, kein Antragsdelikt – per se Verfahren eingeleitet werden?

Herr Hinners, dem Grunde nach ja. Ich will nur auch hier mit einem Missverständnis aufräumen. Die Gerichte und auch wir in der Antwort stellen auf das Alter zum Zeitpunkt der Eheschließung ab. Wir stellen in der Anfrage nicht darauf ab, wie alt die Menschen sind, die hier sind. Bei der 13-Jährigen, über die wir sprechen, lag der Zeitpunkt ihrer Einreise ins Bundesgebiet einen Monat vor ihrem 16. Geburtstag. Sie ist hier nicht als 13-Jährige angekommen, sondern die Eheschließung hat in Afghanistan nach islamischem Recht im Alter von 13 Jahren stattgefunden. Das Mädchen ist bei der Ankunft hier 16 Jahre alt gewesen. Inwieweit hier eine Anwendung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen vorliegt, muss man differenziert prüfen. Das wird bei einer Reihe dieser Eheschließungen so sein.